TE OGH 2021/11/24 7Ob140/21w

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Veröffentlicht am 24.11.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T* V.a.G., *, vertreten durch Mag. Michael Tinzl und andere, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. A* M*, 2. P* GmbH, *, beide vertreten durch Dr. Andreas Fink, Dr. Christopher Fink, Rechtsanwälte in Imst, und deren Nebenintervenienten Ing. D* N*, vertreten durch Dr. Gerhard Schartner, Rechtsanwalt in Telfs, wegen 337.625,88 EUR sA, über die Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. Mai 2021, GZ 1 R 52/21p-54, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 26. Jänner 2021, GZ 10 Cg 86/19s-48, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im Umfang der Abweisung des Klagebegehrens gegenüber der erstbeklagten Partei unbekämpft in Rechtskraft erwuchsen, werden hinsichtlich der zweitbeklagten Partei aufgehoben und die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1]       Die Klägerin ist Feuerversicherin der Gemeinde S*.

[2]       Mit Baustart November 2017 wurde der Bauhof der Gemeinde S* erneuert. Den Auftrag über Schwarzdeckerarbeiten am Dach erhielt die Zweitbeklagte aufgrund ihres Anbots vom 29. 1. 2018. Der Auftrag umfasste eine Bruttoauftragssumme (inklusive 20 % USt) von 115.694,84 EUR.

[3]            Der von der Bauherrin und der Zweitbeklagten unterzeichnete Werkvertrag hat auszugsweise folgenden Inhalt:

Auftrag

[...]

Bauausführung:

[...]

6. Der Auftraggeber übernimmt für Unfälle sowie für Schäden, welche am Bauplatz dem Auftragnehmer durch Brand, Diebstahl und eventuelle Pfändungen entstehen, keine Haftung. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, für solche Schäden selbst aufzukommen bzw sich entsprechend zu versichern. [...]

7. Die Kosten für Bauschäden ... werden dem jeweiligen Verursacher ... angelastet.

[...]

Gewährleistung:

Der Auftragnehmer übernimmt die Gewähr dafür, dass seine Leistungen zur vereinbarten Abnahme die vertraglich zugesicherten Eigenschaften besitzen sowie den anerkannten Regeln der Technik entsprechen (ÖNORM A 2060). Als Abnahmetermin gilt der Tag der anstandslosen Übernahme bzw das Datum des gegenseitig unterfertigten Abnahmeprotokolls (Abwicklung gemäß ÖNORM). […] In diesem Rahmen verpflichtet sich der Auftragnehmer, alle während der Gewährleistungspflicht aufgetretenen Mängel seiner Arbeiten auf seine Kosten zu beheben oder beheben zu lassen. Das gleiche gilt für die durch den Mangel seiner Arbeiten aufgetretenen Folgeschäden […]

Zusatzbestimmungen:

1. Es wird nochmals festgehalten, dass die Bestimmungen des Leistungsverzeichnisses, soweit diese im Auftragsschreiben nicht abgeändert wurden, Bestandteil des Vertrages sind.

[...]“

[4]       Das Leistungsverzeichnis hat auszugsweise folgenden Inhalt:

„Vorbemerkungen

[...]

Für alle Leistungen und Lieferungen ist, sofern nachstehend nichts anderes verlangt wird, folgendes maßgebend und zugrunde zu legen.

A. Allgemeine rechtliche Bedingungen (alle in der letztgültigen Fassung):

1. ÖNORM A 2061 ...

2. ÖNORM B 2110 Allgemeine Vertragsbestimmungen

[...]

B. Besondere rechtliche Bedingungen:

[…]

C. Allgemeine Vorbemerkungen zur Bau- und Ausführungsbeschreibung.

[...]

9. Bei etwaigen Widersprüchen gelten die Vorschriften in nachstehender Reihenfolge:

a) die Bestimmungen des Bauvertrags

b) das Leistungsverzeichnis mit Vorbemerkungen und dazugehörigen Ausführungsplänen samt Detailzeichnung

c) die allgemeinen Vorbemerkungen zur Bau- und Ausführungsbeschreibung

d) die beigefügten besonderen Vertragsbedingungen

e) die allgemeinen technischen Vorschriften für Bauleistungen

f) die allgemeinen rechtlichen Bedingungen (ÖNORM A 2050, A 2060, 2061 und alle weiteren unter Punkt A der Vorbemerkungen angeführten Ö-NORMEN).

[…]

11. Für alle Schäden, die durch das Verschulden des Auftragnehmers bzw seiner Gehilfen und Subunternehmer entstehen, haftet dieser bis zum Zeitpunkt der Abnahme durch den Auftraggeber oder dessen Vertreter bzw bis zur Inbetriebnahme des Objekts.

[…]

19. Der Anbotleger erkennt mit seiner firmenmäßigen Unterzeichnung rechtsverbindlich alle Bedingungen dieses Angebotes an.“

[5]            Die ÖNORM B 2110 lautet auszugsweise:

„[…]

12.3 Schadenersatz allgemein

12.3.1 Hat ein Vertragspartner in Verletzung seiner vertraglichen Pflichten dem anderen schuldhaft einen Schaden zugefügt, hat der Geschädigte Anspruch auf Schadenersatz wie folgt:

1. bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit auf Ersatz des Schadens samt des entgangenen Gewinns (volle Genugtuung);

2. wenn im Einzelfall nichts anderes geregelt, bei leichter Fahrlässigkeit auf Ersatz des Schadens:

3. bei Rücktritt und bei Personenschäden ohne Begrenzung:

4. in allen anderen Fällen mit folgenden Begrenzungen;

bei einer Auftragssumme bis zu 250.000 EUR höchstens 12.500 EUR

[…]„

[6]            Neben den ÖNORMEN gelten für die Durchführung von Arbeiten mit offener Flamme auch die Technischen Richtlinien Vorbeugender Brandschutz (TRVB – hier die TRVB 104 und 149).

[7]            Die TRVB 104 aus dem Jahre 2017 normieren den Gefahrenbereich für das Arbeitsverfahren „Flämmen und Herstellen von thermoplastischen Schweißverbindungen“ mit 1 m um den Arbeitsbereich, bei Wärmestausituationen (zB bei Schächten oder Hohlräumen im Fassadenaufbau) zumindest 3 m. Daneben enthält Anhang 3 der TRVB 104 eine Checkliste für notwendige Sicherheitsvorkehrungen im brandgefährlichen Bereich, die unter anderem umfasst:  brennbares Material entfernen; nicht entfernbare, brennbare Stoffe mit geeigneter Plane dicht abdecken; Gefahr durch Wärmefortleitung prüfen;  Nasshalten brennbarer Gegenstände. Punkt 8.1 der TRVB 104 beinhaltet die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und normiert, dass Arbeitnehmer vom Arbeitgeber über die Gefahren, die von Arbeitsmitteln, von den verwendeten oder erzeugten Energien und Stoffen ausgehen können, ausreichend informiert werden müssen. Darüber hinaus ordnen die TRVB 104 unter Punkt 8.4.2 bei Tätigkeiten während der Feuer- und Schweißarbeiten die durchgehende Überwachung aller gefährdeten Bereiche durch den Ausführenden und die Kontrollorgane, insbesondere die sorgfältige Überwachung der Flamme, des Funkenwurfs, des Wärmeflusses von erhitzten Materialien usw an.

[8]            Punkt 8.2.2.4 der TRVB 149 aus dem Jahr 1985 sieht vor, dass ortsfeste brennbare Gegenstände oder Bauteile aus normal- oder schwer brennbaren Stoffen (zB unverputzte Holzkonstruktionen, Dachdeckermaterialien) im Umkreis von mindestens 2 m um die Arbeitsstelle womöglich zu beseitigen, zumindest aber abzudecken und gründlich zu durchnässen oder in sonst geeigneter Weise vor Hitzeeinwirkung zu schützen (zB durch nasse Planen) sind. Punkt 8.2.2.6 der TRVB 149 regelt, dass bei jedem Arbeitsplatz unter anderem mindestens ein Handfeuerlöscher gemäß TRVB F 124, ein Eimer Wasser, zweckmäßiger ein unter Druck stehender Wasserschlauch und nicht brennbares Material zum Abdecken gefährdeter Stoffe im Arbeitsbereich bereitzustellen sind.

[9]            Am 1. 8. 2018 waren auf dem Dach bereits die für die Wärmeisolierung vorgesehenen XPS-Platten in Paketen gelagert. Die Bestellung und Anlieferung der XPS-Platten erfolgte durch die Zweitbeklagte, die wegen eines Lieferengpasses des von ihr üblicherweise herangezogenen Unternehmens zusätzlich XPS-Platten von einem anderen Unternehmen bezog. Beide Arten der XPS-Platten weisen die vorgeschriebene Brandschutzklasse auf, die üblichen XPS-Platten sind aber zusätzlich auch als schwer entflammbar eingestuft. Die Zweitbeklagte nahm jedoch an, dass die Brandschutzwerte auch für die XPS-Dämmplatten des neu zugezogenen Unternehmens gelten würden, was nicht der Fall war.

[10]           Am Vorfallstag waren zwei Mitarbeiter der Zweitbeklagten, unter anderem der Erstbeklagte, mit Flämmarbeiten auf dem Dach des Bauhofs beschäftigt. Nachdem der Erstbeklagte mit dem Flämmer zuerst das Kondenswasser um den Gully erhitzt hatte, bis der Bereich wasserfrei war, erhitzte er danach ein Stück Flämmpappe in der Luft und klebte dieses schließlich auf den Gully. Der Gully war ca 120 cm zur nächsten Wand und ca 250 cm zum Hauseck situiert. Der Erstbeklagte nahm die Flämmarbeiten in einem Abstand von rund 120 cm zu den XPS-Dämmpaketen und der Fassade vor. Danach legte er den Flämmer mit der Flamme nach oben zeigend auf den Boden und ging, um einen weiteren Gully zunächst von den Dämmstoffplatten freizulegen und dann zu flämmen. Sein Kollege holte den vom Erstbeklagten abgelegten Flämmer. Da er etwas vergessen hatte, ging er nochmals zurück und dabei an einem XPS-Plattenstapel vorbei, der in der Nähe des ersten Gullys lag. Dabei kam ihm eine Stichflamme aus dem Plattenstapel des „neuen“ Unternehmens entgegen. Der Brand ist nicht auf das Ablegen des Flämmers zurückzuführen. Die Platten des üblicherweise herangezogenen Unternehmens haben nicht gebrannt, sondern schmolzen nur.

[11]           Von 27. 7. 2018 bis 1. 8. 2018 herrschten in der Region extrem hohe Außentemperaturen bis zu 35 Grad Celsius. Aufgrund der hohen Außentemperaturen war die Temperatur im XPS-Dämmstoff bzw in den Verpackungen des Dämmstoffs erhöht. Darüber hinaus entstand aufgrund der örtlichen Situation und der baulichen Gegebenheiten, konkret aufgrund der nahen Wand zum zuletzt vom Erstbeklagten geflämmten Gully sowie der gelagerten XPS-Dämmstoffpakete, eine „Stauzone“. Anfallende Wärme innerhalb der verpackten Dämmplatten durch die Sonnenstrahlung oder durch die Flämmarbeiten konnte nicht entweichen und wurde innerhalb der Polyethylenverpackungsfolie gespeichert. Sowohl die Dämmstoffe als auch die Verpackungsfolie aus Polyethylen sondern bei hohen Temperaturen Bestandteile ab, die in gasförmigem Zustand innerhalb der Verpackungsfolie eingeschlossen werden. In einer solchen Situation ist eine explosionsartige Brandausweitung und ein Entzünden mit jeder offenen Flamme möglich.

[12]           Das auf dem Dach gelagerte XPS-Dämmmaterial wurde weder abgekühlt (bewässert) noch mit nassem Material gekühlt. Es wurde auch keine alternative Methode wie etwa das Schweißen mit Heißluft, das Verschließen der Gullys mit einem aufblasbaren Ballon, eine Flüssigabdichtung, das Einsetzen eines Rohrstutzens mit einer Gummidichtung in den Gullyflansch erwogen, um Flämmarbeiten zu vermeiden. Eine konkrete Schulung des Erstbeklagten betreffend Brandschutz wurde von der Zweitbeklagten weder vorgenommen noch angeboten.

[13]           Durch den Brand entstand am Bauhof ein Schaden in Höhe von 344.841,68 EUR; zusätzlich fielen 7.950 EUR für das Sandstrahlen der Oberflächen der Stahlbetonwandscheiben an. Die Klägerin als Feuerversicherer überwies der Gemeinde 12.500 EUR.

[14]           Mit Mail vom 14. 3. 2019 schrieb der Haftpflichtversicherer der Zweitbeklagten der Klägerin.

„Wir […] teilen nach Prüfung der Unterlagen mit, dass wir in den Schaden/Regressforderung dem Grunde nach eintreten. Nach Abschluss Ihrer Tätigkeit werden Sie den Gesamtschaden benennen und samt Unterlagen zur Verfügung stellen, um den Regress bedienen zu können. Sollten Sie eine Akontozahlung wünschen, wären wir bereit, diese auch auszubezahlen, da das Gutachten nachvollziehbar und schlüssig den Schaden abschätzt.“

[15]     Ein weiteres Mail vom 9. 5. 2019 an die Klägerin lautete im Wesentlichen wie folgt:

„Wir erklären hiermit, in den Schadenfall einzutreten und dass Versicherungsschutz für die […] grundsätzlich gegeben ist. Leider können wir aus dem Gutachten nicht entnehmen, welche geschädigten Teile das Werk des VN betreffen und somit nicht unter Versicherungsschutz stehen. [...] Aktuell sind wir aber bereit eine Akontozahlung von 250.000 EUR zu leisten und bitten um Bekanntgabe, wohin dieser Betrag zu überweisen wäre.“

[16]           Am 24. 6. 2019 schrieb der Haftpflichtversicherer der Zweitbeklagten der Klägerin wie folgt:

„[…] Wie schon zum Ausdruck gebracht, müssen wir davon ausgehen, dass unser VN den Brand verursacht und verschuldet hat, allerdings nicht grob fahrlässig (siehe Strafverfahren). Wir sind daher der Ansicht, dass bei der Regressabrechnung nicht nur das eigene (nicht versicherte) Gewerk in Abzug zu bringen ist, sondern die Haftungsbeschränkung der ÖNORM zu beachten ist, da diese ÖNORMEN Grundlage zum Auftrag waren. Gemäß dieser ÖNORM-Haftungsbeschränkung liegt daher bei einem Auftragsvolumen unter 250.000 EUR der Schadenersatz bei maximal 12.500 EUR. [...] Diese 12.500 EUR überweisen wir gleichzeitig mit diesem Schreiben auf Ihr Konto […]“.

[17]           Die Klägerin begehrt die Zahlung von 337.625,88 EUR sA. Sie sei der Feuerversicherer der Liegenschaftseigentümerin. Infolge Erbringung der Versicherungsleistung sei der Anspruch ihrer Versicherungsnehmerin auf sie übergegangen. Den Brand habe der Erstbeklagte verursacht und verschuldet, weil er bei Durchführung der Flämmarbeiten notwendige und von ihm erwartbare/zumutbare Sicherheitsmaßnahmen, und zwar den nach TRVB 104 und TRVB 149 normierten Sicherheitsabstand zu den gelagerten Plattenstapeln, nicht eingehalten habe. Das gelagerte Dämmmaterial sei auch nicht abgekühlt worden. Grund für das Brandgeschehen sei daher eine grob fahrlässige Missachtung der einschlägigen Bestimmungen des Brandschutzes durch den Erstbeklagten gewesen. Die Zweitbeklagte hafte vertraglich für alle durch den Erstbeklagten verschuldeten Schäden. Sie habe auch ihre Mitarbeiter nicht in Hinblick auf grundlegende Normen und Vorgaben des Brandschutzes geschult. Die Wahl der Methode der Dichtheitsprüfung sei bei der Zweitbeklagten gelegen. Es hätte jedenfalls eine andere risikolosere Abdichtung der Gullys erfolgen können und müssen. Auf die Haftungsbeschränkung der ÖNORM B 2110 könne sich die Zweitbeklagte nicht berufen, weil sie in den Zusatzbestimmungen des Auftrags abgeändert worden sei. Der Haftpflichtversicherer der Zweitbeklagten habe darüber hinaus ein konstitutives Anerkenntnis über den geltend gemachten Anspruch abgegeben.

[18]           Die Beklagten wandten ein, dass zwischen der Gemeinde als Auftraggeberin und der Zweitbeklagten die Haftungsbeschränkung Punkt 12.3.1 der ÖNORM B 2110 vereinbart worden sei. Durch Punkt C.11 der Allgemeinen Vorbemerkungen zur Bau- und Ausführungsbeschreibung des Leistungsverzeichnisses sei die Haftungsbeschränkung der ÖNORM B 2110 nicht abgeändert oder derogiert worden. Im Übrigen habe der Erstbeklagte seine Flämmarbeiten außerhalb des Gefahrenbereichs durchgeführt. Die XPS-Platten seien aus unbekannten Gründen in Brand geraten. Den Mitarbeitern der Zweitbeklagten sei trotz Aufbietung der erforderlichen Sorgfalt weder erkennbar noch vorhersehbar gewesen, dass Flämmarbeiten zur Entzündung der Dämmplatten führen könnten, und dass eine der beiden Plattensorten nicht wie üblich bei Hitzeeinwirkung lediglich verschmore, sondern zu brennen beginne. Der Schaden sei schicksalshaft und nicht auf ein Verschulden der Mitarbeiter der Zweitbeklagten zurückzuführen. Aus der vorprozessualen Korrespondenz lasse sich kein konstitutives Anerkenntnis der Zweitbeklagten oder ihres Haftpflichtversicherers ableiten.

[19]           Der auf Seiten der Beklagten beigetretene Nebenintervenient wandte darüber hinaus ein, dass es sich bei der ÖNORM B 2110 um die Werkvertragsnorm handle, die bei allen Bauvorhaben zur Anwendung gelange.

[20]           Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Brandereignis sei auf die Flämmarbeiten des Erstbeklagten zurückzuführen. Sein Verhalten sei kausal für den Schaden gewesen, weil er den gebotenen Abstand zu den auf dem Dach gelagerten XPS-Dämmplatten nicht eingehalten habe, was eine objektive Sorgfaltswidrigkeit gemäß Punkt 8.2.2.4 der TRVB 149 darstelle. Des weiteren hätten es der Erstbeklagte und sein Kollege unterlassen, das angrenzende Dämmmaterial trotz der extrem hohen Außentemperaturen – wie in den TRVB 104 und 149 gefordert – abzudecken oder zu bewässern und dadurch abzukühlen. In Anbetracht der Bruttoauftragssumme und der nur leicht fahrlässigen Herbeiführung des Schadens durch den Erstbeklagten gelte die Haftungshöchstgrenze von 12.500 EUR nach Punkt 12.3.1 der ÖNORM B 2110. Da sich mit dem Eintritt des Brandschadens gerade ein typisches Risiko von Flämmarbeiten verwirklicht habe, sei die im Vorfeld vertraglich getroffene Vereinbarung der ÖNORM B 2110 jedenfalls wirksam, von ihr sei auch nicht abgegangen worden. Ein konstitutives Haftungsanerkenntnis habe der Haftpflichtversicherer der Zweitbeklagten nicht abgegeben. Der Anspruch der Klägerin gegenüber den Beklagten bestehe daher nur in der Höhe von 12.500 EUR. Da dieser Betrag bereits vor Klagseinbringung bezahlt worden sei, müsse dem Klagebegehren der Erfolg versagt werden.

[21]           Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es bestätigte das klagsabweisende Ersturteil hinsichtlich des Erstbeklagten und änderte es hinsichtlich der Zweitbeklagten in eine gänzliche Klagsstattgabe ab. Die Vertragsregeln würden keine Einschränkung der Haftung auf einen bestimmten Verschuldensgrad oder einen Haftungshöchstbetrag enthalten. Insofern bestehe zwischen Punkt 12.3.1 der ÖNORM B 2110, den Punkten 6 und 7 des Auftrags sowie Punkt C.11 der Vorbemerkungen im Ausschreibungs- und Leistungsverzeichnis ein Widerspruch. Nach der in Punkt C.9 der Vorbemerkungen im Ausschreibungs- und Leistungsverzeichnis genannten Reihenfolge komme die Haftungsbeschränkung nach Punkt 12.3.1 der ÖNORM B 2110 nicht zur Anwendung. Die Zweitbeklagte hafte daher auch für nur leicht fahrlässige Schäden der Bauherrin ohne betragsmäßige Beschränkung. Der Erstbeklagte sei ihr gemäß § 1313a ABGB zuzurechnen.

[22]           Die vom Erstbeklagten zuletzt vor dem Ausbruch des Brandes an einem Gully durchgeführten Flämmarbeiten seien adäquat kausal für die Entzündung der Dämmstoffplatten und damit für den Brand gewesen. Die Zweitbeklagte habe sämtliche ihr zur Verhinderung eines Brandes obliegenden Schutz- und Sorgfaltspflichten nicht eingehalten. Diese Unterlassungen seien vertragswidrig und damit rechtswidrig. Ihr Verschulden werde gemäß § 1298 ABGB vermutet. Sie hafte daher für den entstandenen Schaden ohne die Haftungsbeschränkung der ÖNORM B 2110.

[23]     Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Zweitbeklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[24]           Die Klägerin begehrt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[25]           Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[26]           1.1 Die Klägerin gründet die Schadenersatzpflicht der Zweitbeklagten ausschließlich auf Vertrag.

[27]           1.2 Zu den für den Vertrag typischen wesentlichen Hauptleistungspflichten treten in aller Regel Nebenleistungspflichten, welche die Vorbereitung und reibungslose Abwicklung der Hauptleistung ermöglichen sollen. Eine besonders wichtige Gruppe dieser Nebenleistungspflichten bilden die Schutz- und Sorgfaltspflichten. Die Vertragsparteien haben ihre Erfüllungshandlungen so zu setzen, dass der andere Teil weder an seiner Person noch an seinen Gütern geschädigt wird (RS0013999). Bei vertragswidriger Vorgangsweise hat der Schädiger den kausal und adäquat verursachten Schaden zu ersetzen (RS0109228).

[28]           2. Die Zweitbeklagte zieht die Nichteinhaltung der Brandschutzvorschriften der TRVB 104 und 149 (Unterlassen der Einhaltung des Mindestabstandes zu den XPS-Dämmplatten; Unterlassen deren Entfernung bzw deren Kühlung [Bewässerung]; Unterlassen von Erwägungen alternativer Methoden) durch ihre Mitarbeiter sowie das Unterbleiben einer entsprechenden Brandschutzschulung nicht mehr in Zweifel. Sie argumentiert jedoch, aus den Feststellungen folge nicht, dass diese Pflichtverletzungen den Brand adäquat kausal herbeiführten.

[29]           2.1 Bei der Verursachung (Kausalität) ist zu prüfen, ob der potentiell Haftpflichtige den Schaden durch eigenes Verhalten verursacht hat. Ein positives Verhalten ist für einen Erfolg ursächlich, wenn es ihn herbeigeführt, ihn bewirkt hat. Nach der Formel von der conditio-sine-qua-non ist zu fragen, ob der Erfolg (Schaden) auch ohne das zu prüfende Verhalten (den zu prüfenden Umstand) eingetreten wäre. Ein Verhalten ist ursächlich für einen Erfolg, wenn es nicht weggedacht werden kann, ohne dass dann der Erfolg entfiele (RS0128162; zum natürlichen Kausalzusammenhang vgl auch RS0022687; RS0022582).

[30]           2.2 Erfolgt die (angebliche) Schädigung durch ein Unterlassen, so ist die Kausalität dann anzunehmen, wenn die Vornahme einer bestimmten aktiven Handlung das Eintreten des Erfolgs verhindert hätte (RS0022913). Es muss daher versucht werden, den hypothetischen Verlauf bei Vermeiden der Unterlassung durch Setzen des gebotenen Verhaltens herauszufinden. Das gebotene Verhalten ist hinzuzudenken (RS0022913 [T12], vgl 4 Ob 145/11v mzwN).

[31]     2.3.1 Grundsätzlich trifft den Geschädigten die Beweislast für den Kausalzusammenhang; dies gilt auch nach § 1298 ABGB. Die Beweislastumkehr dieser Bestimmung betrifft nur den Verschuldensbereich (RS0022686). Die Beweislast, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten nicht eingetreten wäre, trifft somit auch bei vertraglicher Haftung den Geschädigten. Der Geschädigte hat daher zunächst die Pflichtverletzung und den dadurch verursachten Schaden zu beweisen (vgl RS0022686 [T16]).

[32]           2.3.2 Die Anforderungen an den Beweis des hypothetischen Kausalverlaufs sind bei einer (angeblichen) Schädigung durch Unterlassen geringer als jene an den Nachweis der Verursachung durch positives Tun. Denn die Frage, wie sich die Geschehnisse entwickelt hätten, wenn der Schädiger pflichtgemäß gehandelt hätte, lässt sich naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten, weil dieses Geschehen nicht stattgefunden hat (RS0022900 [T14]). Es genügt daher die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden auf das pflichtgemäße Unterlassen zurückzuführen ist (RS0022900 [insb T28, T40]). Dieses Kriterium liegt unter dem Regelbeweis der ZPO, wonach für eine (Positiv-)Feststellung eine hohe Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (RS0022900 [T28, T40]; RS0110701 [T13]).

[33]           2.4.1 Auf der Grundlage der obigen Ausführungen reichen die zur Kausalität der genannten Unterlassungen getroffenen Feststellungen nicht aus. Es steht lediglich fest, dass der Brand seine Ursache in den Flämmarbeiten der Mitarbeiter der Zweitbeklagten hatte. Entscheidungswesentlich ist aber, ob und bejahendenfalls welche Pflichtverletzung den Schaden verursachte oder ob der Schaden auch unabhängig vom festgestellten pflichtwidrigen Verhalten aufgrund der ungewöhnlichen Umstände – wie von der Zweitbeklagten eingewandt – eingetreten wäre. Die Kausalität ist nach der bisherigen Sachverhaltsgrundlage aber völlig offen, worauf die Revision zutreffend verweist. Danach wird sich auch erst das Verschulden konkret beurteilen lassen, wobei das Vorliegen grober Fahrlässigkeit immer von demjenigen zu beweisen ist, der sich darauf beruft (RS0028020 [T2, T5]; RS0028091).

[34]           2.4.3 Bei der pauschalen Negativfeststellung des Erstgerichts (S 29 des Urteils) im Zusammenhang mit der Brandentstehung und -ursache wurde nicht nur das unrichtige Beweismaß angewandt, die Feststellung ist in ihrer formelhaften Allgemeinheit auch sinnentleert und damit unbeachtlich.

[35]           2.5 Damit erweist sich die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht als unumgänglich, wobei das Erstgericht unmissverständliche Feststellungen im obigen Sinn und insbesondere zu den konkreten Einwendungen der Zweitbeklagten im Zusammenhang mit der Kausalität und dem Verschuldensgrad zu treffen haben wird.

3. Weiters wird es im fortgesetzten Verfahren zu beachten haben:

[36]           3.1 Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder des Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (RS0027710). Schutzgesetz im Sinn des § 1311 ABGB ist nicht nur ein Gesetz im formellen Sinn, sondern jede Rechtsvorschrift, die inhaltlich einen Schutzzweck verfolgt (RS0027415). Die TRVB, die hier unstrittig als Vertragsbestandteil gelten – und behauptetermaßen auch nicht durch konkrete Rechtsvorschriften für verbindlich erklärt wurden –, stellen keine Rechtsvorschrift und somit kein Schutzgesetz dar. Ein Eingehen auf die Ausführungen der Klägerin zum Kausalitätsbeweis im Zusammenhang mit der Verletzung von Schutzgesetzen erübrigt sich.

[37]           3.2.1 Ebenfalls nicht strittig ist die Vereinbarung der ÖNORM B 2110, die ihrer Rechtsnatur nach zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zählt (2 Ob 206/16g). Die Beklagte stützt sich auf die in ihrem Punkt 12.3.1 enthaltene Haftungsbeschränkung. Die Klägerin hält dem entgegen, dass aufgrund der in den Vorbemerkungen im Ausschreibungs- und Leistungsverzeichnis enthaltenen Kollisionsregeln die Haftungsbeschränkung durch andere Vertragsregelungen abbedungen worden sei.

[38]           3.2.2 Bei Auslegung einer Willenserklärung nach §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen; dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und der im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RS0017915, RS0044358). Wenn auch bei der Vertragsauslegung nicht am Buchstaben zu kleben ist, so muss doch zunächst vom erklärten Ausdruck ausgegangen werden, denn jeder Vertragspartner ist berechtigt, der Erklärung den Sinn beizumessen, den sie nach der Sachlage und notwendigerweise für ihn haben musste (RS0017748, vgl auch RS0044358 [T6]). Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung (RS0014160). Es kommt also darauf an, wie ein redlicher Empfänger der Erklärung diese unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen musste (RS0014160 [T23]; RS0017847).

[39]           3.2.3 Punkt 1. der Zusatzbestimmungen des Vertrags zwischen der Bauherrin und der Beklagten erklärt die Bestimmungen des Leistungsverzeichnisses zum Bestandteil des Vertrags. Punkt C.9 der Allgemeinen Vorbemerkungen zur Bau- und Ausführungsbeschreibung sieht bei etwaigen Widersprüchen die Geltung der Vorschriften in der Reihenfolge a)  die Bestimmungen des Bauvertrags; b) das Leistungsverzeichnis mit Vorbemerkungen und dazugehörigen Ausführungsplänen samt Detailzeichnung; c) die Allgemeinen Vorbemerkungen zur Bau- und Ausführungsbeschreibung; […]; f) die allgemeinen rechtlichen Bedingungen (ÖNORM A 2050 […] und alle weiteren unter Punkt A der Vorbemerkungen angeführten ÖNORMEN) vor.

[40]           3.2.4 Vor dem Hintergrund der hier unstrittigen Reihenfolge der Geltung der Vorschriften ist nun zu prüfen, ob  Punkt C.11 der Allgemeinen Vorbemerkungen zur Bau- und Ausführungsbeschreibung des Leistungsverzeichnisses und Punkt 12.3.1 der ÖNORM B 2110 zueinander in Widerspruch stehen, oder ob Letztere als speziellere Norm Erstere konkretisiert.

[41]           3.2.4.1 Punkt C.11 der Allgemeinen Vorbemerkungen zur Bau- und Ausführungsbeschreibung des Leistungsverzeichnisses regelt, dass für alle Schäden, die durch das Verschulden des Auftragnehmers bzw seiner Gehilfen und Subunternehmer entstehen, dieser bis zum Zeitpunkt der Abnahme durch den Auftraggeber oder den Vertreter bzw bis zur Inbetriebnahme des Objekts haftet. Die ÖNORM B 2110 sieht in ihrem Punkt 12.3.1 unter den dort genannten Voraussetzungen die hier interessierende Haftungsbeschränkung auf 12.500 EUR vor.

[42]           3.2.4.2 Die Wirksamkeit der in Punkt 12.3.1 der ÖNORM B 2110 enthaltenen Haftungsbeschränkung wird unter dem Gesichtspunkt des § 879 Abs 3 ABGB weder von der Klägerin, noch von der Bauherrin – einer Unternehmerin nach § 1 Abs 2 KSchG – im Einklang mit Rechtsprechung und Lehre (2 Ob 206/16g, Karasek, ÖNORM B 21103 12 Haftungsbestimmungen [Stand 1. 9. 2015 rdb.at] Rz 2467) bestritten. Die Bestimmung beschränkt bei leichter Fahrlässigkeit die Haftung einerseits – entsprechend der allgemeinen Rechtslage – mit dem positiven Schaden und andererseits betraglich (vgl Karasek aaO, Wenusch, ÖNORM B 2110 Praxiskommentar zum Bauwerkvertragsrecht2, 606).

[43]           3.2.4.3 Punkt C.11 der Allgemeinen Vorbemerkungen zur Bau- und Ausführungsbeschreibung des Leistungsverzeichnisses regelt allgemein die Haftung der Auftragnehmerin für Schäden aus eigenem Verschulden, das Einstehen für Verschulden für Gehilfen und Subunternehmer und determiniert den Haftungszeitraum. Punkt 12.3.1 der ÖNORM B 2110 differenziert erstmals zwischen der Haftung aus grober und leichter Fahrlässigkeit und sieht für den letzten Fall eine betragliche Beschränkung vor. Die Bestimmung setzt sich damit aber nicht in Widerspruch zur Bestimmung C.11 der Allgemeinen Vorbemerkungen zur Bau- und Ausführungsbeschreibung des Leistungsverzeichnisses, sondern spezifiziert sie inhaltlich.

[44]           3.2.4.4 Die Heranziehung des unter „Bauausführung“ im Bauvertrag geregelten Punktes 6 durch die Klägerin ist nicht zielführend. Er enthält einen Haftungsausschluss der Auftraggeberin für konkret genannte Schäden der Auftragnehmerin. Die Bestimmung steht schon aus diesem Grund nicht in Widerspruch mit Punkt 12.3.1 der ÖNORM B 2110.

[45]           3.2.4.5 Dies gilt gleichfalls für die im Bauauftrag unter „Gewährleistung“ enthaltene Bestimmung, auf die die Klägerin weiters verweist. Sie betrifft – wie bereits die Überschrift zeigt – den Bereich der Gewährleistung. Auch diese Bestimmung steht nicht in Widerspruch zu Punkt 12.3.1 der ÖNORM B 2110, die die allgemeine Schadenersatzpflicht konkretisiert. Abgesehen davon, geht es hier auch weder um Gewährleistung noch um die Haftung für Mangelfolgeschäden.

[46]           3.2.4.6 Daraus folgt für den vorliegenden Fall die Anwendung der in Punkt 12.3.1 der ÖNORM B 2110 geregelte Haftungsbeschränkung bei leichter Fahrlässigkeit.

[47]           3.3.1 Die Klägerin gründet ihren Anspruch auch auf ein konstitutives Anerkenntnis. Ein solches liegt vor, wenn der Gläubiger seinen Anspruch ernstlich behauptet und der Schuldner die Zweifel am Bestehen des behaupteten Rechts dadurch beseitigt, dass er das Recht zugibt (RS0032496 [T6, T7, T9]). Es setzt somit die – nach der Vertrauenstheorie zu beurteilende (RS0032496 [T5]) – Absicht des Anerkennenden voraus, unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung zu schaffen (RS0032496 [T1], RS0032779 [T4], RS0032541 [T2]). Demgegenüber ist ein deklaratives Anerkenntnis (Rechtsgeständnis) kein Leistungsversprechen, sondern eine durch Gegenbeweis widerlegbare Wissenserklärung (RS0032784 [T10]). Ob ein deklaratorisches (unechtes) Anerkenntnis oder ein konstitutives (echtes) Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sind vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend (RS0017965, RS0032666). Im Zweifel gilt ein Regulierungsangebot nicht als eigenes (konstitutives) Anerkenntnis des Versicherers dem Grunde nach (RS0032959).

[48]           3.3.2 Nach den Feststellungen fehlt aber nicht nur die für das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses erforderliche strittige Rechtslage; aus der Korrespondenz des Haftpflichtversicherers der Zweitbeklagten folgt auch eindeutig, dass diese Versicherungsschutz nur im Umfang der Haftung der Zweitbeklagten gegenüber der Bauherrin übernehmen will.

[49]           3.3.3 Das von der Klägerin behauptete konstitutive Anerkenntnis liegt nicht vor.

[50]           4. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.

Textnummer

E133767

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00140.21W.1124.000

Im RIS seit

10.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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