TE OGH 2020/9/23 1Ob75/20s

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Veröffentlicht am 23.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Dr. K*****, vertreten durch die Posch, Schausberger & Lutz Rechtsanwälte GmbH, Wels, gegen den Antragsgegner Dr. A*****, vertreten durch MMMMag. Dr. Konstantin Haas, Rechtsanwalt in Leonding, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 19. Februar 2020, GZ 21 R 286/19m-436, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 30. Juli 2019, GZ 36 Fam 25/17v-386, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurswerber macht die „Nichtigkeit“ bzw schwere Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens geltend, weil ein befangener Erstrichter entschieden habe. Da das Rekursgericht die Feststellungen des Erstrichters übernommen habe, seien auch das Rekursverfahren und die Rekursentscheidung nichtig bzw grob mangelhaft.

In einem Revisionsrekurs kann gemäß § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG unter anderem geltend gemacht werden, dass ein Fall des § 58 AußStrG gegeben ist. Nach § 58 Abs 4 Z 1 AußStrG ist der angefochtene Beschluss jedenfalls aufzuheben, wenn ein ausgeschlossener oder mit Erfolg abgelehnter Richter entschieden hat. Erfolgt eine Ablehnung – wie hier – im Rechtsmittel, kann das gesetzliche Tatbestandsmerkmal „mit Erfolg abgelehnter Richter“ bei dessen Erhebung noch nicht erfüllt sein. Im Regelfall ist daher das Rechtsmittelverfahren zu unterbrechen und erst nach rechtskräftiger Entscheidung im Ablehnungsverfahren wieder aufzunehmen (vgl RIS-Justiz RS0042028 [T1, T5]). Davon macht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs jedoch eine wesentliche Ausnahme: Eine sofortige Entscheidung über ein einen Ablehnungsantrag enthaltendes Rechtsmittel ist dann stets zulässig, wenn entweder keine konkreten Befangenheitsgründe ins Treffen geführt werden oder die Ablehnung offenkundig rechtsmissbräuchlich ist (RS0042028 [T7, T15, T18, T24]; vgl auch RS0046015).

Nach den – durch Vorlage von Urkunden weiter konkretisierten – Behauptungen des Revisionsrekurswerbers wurde gegen ihn ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Missbrauchs von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten nach § 120 Abs 2 StGB eingeleitet, weil er in einer nichtöffentlichen Tagsatzung vor dem Erstrichter ohne dessen Einverständnis eine Tonbandaufnahme angefertigt und einem Dritten, für den sie nicht bestimmt war, nämlich der Polizeibehörde, zugänglich gemacht habe. Der Erstrichter habe noch vor Beschlussfassung im Aufteilungsverfahren die Ermächtigung zur Strafverfolgung gemäß § 120 Abs 3 StGB erteilt. Da er sich damit als Opfer in Bezug auf das dem Antragsgegner vorgeworfene Vergehen fühle, könne objektiv nicht erwartet werden, dass er die Beweise unvoreingenommen würdigt.

Der Revisionsrekurswerber bestreitet nicht, dass er ohne Einwilligung des Erstrichters eine Tonaufnahme von den Vorgängen in einer Tagsatzung im Aufteilungsverfahren angefertigt und der Polizeibehörde übermittelt hat. Nahezu jeder Richter, der mit einem solchen Sachverhalt konfrontiert und von der Staatsanwaltschaft zu einer Äußerung aufgefordert wird, wird aus rein berufsbezogenen Erwägungen im Interesse einer geordneten Rechtspflege eine Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen. Warum ein solches Verhalten zur Annahme führen sollte, dass der Richter aus unsachlichen psychologischen Motiven am Fällen einer unparteiischen Entscheidung gehindert sein könnte (RS0046024 [T3]; RS0045975), ist nicht zu erkennen, kann doch ein Verhalten, das in der konkreten Situation von der überwiegenden Mehrzahl der Richter im Rahmen der Ausübung ihres Dienstes gesetzt würde, nicht als Ausdruck einer Voreingenommenheit gegenüber einer Partei angesehen werden. Zudem würde die Auffassung des Revisionsrekurswerbers auch dem Grundsatz widersprechen, dass keine Partei in der Lage sein soll, sich durch ihr (rechtswidriges oder zumindest ungehöriges) Verhalten ihr nicht genehmer Richter zu entledigen (RS0046087; RS0109379; RS0111290). Damit liegt im vorliegenden Fall Rechtsmissbrauch im Sinne der zuvor dargestellten Judikatur vor.

Soweit der Revisionswerber im Kontext der Ablehnung („zudem“) weiters erwähnt, der Erstrichter habe Anträge auf Zeugeneinvernahmen ohne schlüssige Begründung abgelehnt und ein Sachverständigengutachten nicht eingeholt, unterlässt er jegliche Auseinandersetzung mit der Frage, aus welchem Grund die Aufnahme dieser Beweise geboten gewesen wäre und warum deren Ablehnung Ausdruck einer unsachlichen Behandlung sein sollte (vgl nur RS0046090; RS0111290). Insoweit fehlt es daher an der Darlegung konkreter Befangenheitsgründe.

Damit kann schon jetzt ausgehend von den Behauptungen des Revisionsrekurswerbers abschließend beurteilt werden, dass eine Befangenheit im Sinne des § 19 Z 2 JN nicht vorliegt.

2. Ein nicht unter § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG fallender, entweder vom Rekursgericht verneinter oder vom Rekurswerber gar nicht an dieses herangetragener (und nicht amtswegig wahrzunehmender: vgl RS0030748 [T8]) Mangel des Außerstreitverfahrens erster Instanz bildet keinen Revisionsrekursgrund (RS0050037; RS0030748). In den – im vorliegenden Fall kritisierten – unterbliebenen Einvernahmen von Zeugen liegt daher kein vom Obersten Gerichtshof aufgreifbarer Verfahrensmangel, weil diese entweder im Rekurs gar nicht bemängelt oder vom Rekursgericht nicht als Verfahrensmangel beurteilt wurden.

3. Dass es bei dem im Aufteilungsverfahren zu berücksichtigenden Wert von Liegenschaftsanteilen, die im Rahmen eines „Bauherrenmodells“ erworben wurden (1 Ob 112/18d Pkt 4.5.3.), – wie auch sonst bei Liegenschaftsanteilen – auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz (RS0057644) abzüglich der konnexen Schulden ankommt und bei den Schulden grundsätzlich auf den im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft (vgl RS0132057) offenen Kreditsaldo (1 Ob 44/18d), nicht aber darauf, welche Zahlungen – während der ehelichen Gemeinschaft – für den Erwerb, für Sanierungen oder bei Bedienung des Kredits geleistet wurden, wurde vom Fachsenat bereits geklärt (siehe nur 1 Ob 200/17v; 1 Ob 167/18t ua).

Die Argumentation des Mannes zu den vor Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft „in das Bauherrenmodell“ getätigten (Kredit-)Zahlungen ist damit schon grundsätzlich verfehlt. Seine Darlegung im Revisionsrekurs, er habe nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft laufend Zahlungen „nicht für sich, sondern für die Antragstellerin geleistet“, weswegen ihm „das Recht“ zustehe, „diesen Betrag von der Antragstellerin zurückzufordern“, ist angesichts der allein durch ihn erfolgten Kreditaufnahme für den ihm verbleibenden Liegenschaftsanteil nicht nachvollziehbar. Sie kann weder das Bestehen einer – mit 4 % p.a. zu verzinsenden – „Forderung“ noch sein Ansinnen, diese im Aufteilungsverfahren zu berücksichtigen, erklären. Ebensowenig gelingt es ihm, eine Überschreitung des dem Rekursgericht bei Festsetzung des Ausgleichsbetrags eingeräumten Ermessensspielraums aufzuzeigen, wenn er (mit der Forderung nach einer „Abzugsmöglichkeit“ von der Ausgleichszahlung verknüpfte) Überlegungen zu diesen Zahlungen anstellt, ohne dabei zu berücksichtigen, dass das Bauherrenmodell nach der Trennung nur von ihm zur steuerlichen Entlastung genutzt werden konnte. Im Aufteilungsverfahren war eine von ihm unterstellte („doppelte“) Berücksichtigung von „für das Bauherrenmodell getätigten Geldzahlungen“ nicht erfolgt. Angebliche Unrichtigkeiten von Entscheidungen im Ehegatten- und Kindesunterhaltsverfahren wären darüber hinaus nicht (durch „Berücksichtigung“) im Aufteilungsverfahren zu korrigieren.

Wenn das Rekursgericht also den aktuellen (lastenfreien) Wert der Liegenschaftsanteile abzüglich der (höheren) Verbindlichkeiten (den Kreditsaldo abzüglich des damaligen Werts des Tilgungsträgers) im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft heranzog und den daraus resultierenden Negativwert und nicht die getätigten Zahlungen berücksichtigte, ist darin keine Fehlbeurteilung zu erkennen und wirft schon gar keine erhebliche Rechtsfrage auf.

4. Der Antragsgegner wendet sich im Rahmen der Ausführung seines Rechtsmittels gegen einzelne Bewertungen von Vermögensgütern und stellt der Festsetzung des Rekursgerichts eine eigene „Berechnung“ der Ausgleichszahlung als richtig gegenüber. Dabei geht er an einigen Stellen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sondern von einem Wunschsachverhalt (unter anderem zum Einkommen/Vermögen der Frau, zum Wert des Tilgungsträgers, zur [Nicht-]Benützung/Benützbarkeit der Ehewohnung, zur Höhe der von ihm eingebrachten Ersparnisse, zu Mittelherkunft und Verpfändung des Wertpapierdepots und zur Summe von ihm getragener Betriebskosten), sodass die Rechtsrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RS0043603 [T2]); Beweiswürdigungserwägungen sind in einem Revisionsrekurs fehl am Platz. Darauf ist damit ebensowenig einzugehen, wie von ihm im Rekurs nicht aufgegriffene angebliche Unrichtigkeiten des erstgerichtlichen Beschlusses (etwa zum Tilgungsträger, zur behaupteten Wertsteigerung durch Fenstertausch oder zum Flugzeug, bei dem er sogar selbst ausdrücklich von dem vom Erstgericht herangezogenen Wert ausging) nicht mehr geltend gemacht werden können.

Einen (angeblich im Hinblick auf § 95 EheG verspäteten) „Antrag auf Mietzinszahlung“ bezüglich der von der Antragstellerin von Anfang an als aufzuteilendes Vermögen genannten Wohnungen hat diese nie gestellt; eine höhere Ausgleichszahlung kann auch noch nach Ablauf der Jahresfrist begehrt werden (RS0109615 [T6, T8]; RS0057583 [T13]).

5. Ganz grundsätzlich ist bei Ausmessung der Ausgleichszahlung eine strenge rechnerische Feststellung nicht erforderlich, vielmehr muss unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit eine zu bemessende Pauschalzahlung festgesetzt werden (RS0057596). Eine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Überschreitung des dem Rekursgericht dabei eingeräumten Beurteilungsspielraums (RS0108755; RS0113732 [T2]; RS0115637 [T1]) kann der Revisionsrekurswerber nicht aufzeigen, wenn er beim Auto oder Einrichtungsgegenständen, deren Wert erkennbar oder ausdrücklich nach § 34 AußStrG festgesetzt wurde, mit einem sich aus Steuergesetzen ergebenden Wert („abgeschrieben“) operiert und übersieht, dass in die Billigkeitsentscheidung auch einfließen kann, dass diese Gegenstände durch mehr als 15 Jahre nur von ihm abgenutzt wurden.

Ebensowenig gelingt ihm dies bei der Berücksichtigung des während der Ehe geschaffenen Werts der Ferienwohnung anlässlich der Ausmessung der Ausgleichszahlung. Warum es von Bedeutung sein sollte, ob der ihm zuzurechnende Investitionsbetrag von rund 43.000 EUR aus vorehelichen Ersparnissen (so das Erstgericht) oder aus einer Schenkung (so der Revisionsrekurswerber) stammt, ist unverständlich. Im Übrigen beruft er sich pauschal auf ein Abweichen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung, ohne eine einzige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu nennen, und geht unrichtig davon aus, dass das Rekursgericht (ohne Berücksichtigung der teilweisen Finanzierung aus vor-/außerehelichen Mitteln) den aktuellen Wert der Ferienwohnung bloß nach dem Aufteilungsschlüssel (1 : 1) aufgeteilt hätte. Dieses hat aber beiden Seiten die jeweils (in unterschiedlicher Höhe) beim Ankauf zur Verfügung gestellten vorehelichen Mittel vorweg zugewiesen. Die von ihm geforderte wertverfolgende Berücksichtigung (durch die Ermittlung des jeweiligen Anteils dieser Mittel auch an der Wertsteigerung des Vermögensguts) fällt betragsmäßig nicht ins Gewicht. Bei der Pauschalfestsetzung des Ausgleichsbetrags ist sogar eine unrichtig angewendete Ermittlungsart oder eine unrichtige Gewichtung einzelner Bemessungselemente so lange zu vernachlässigen, als sich der ausgemittelte Ausgleichsbetrag insgesamt innerhalb des Beurteilungsspielraums bewegt (RS0108755; RS0115637 [T1]).

6. Zu einer angeblich zu hoch angesetzten (anteiligen) Ausgleichszahlung für die ihm zugewiesene und auch von ihm allein durch mehr als 15 Jahre hindurch zur Verfügung gestandene Ehewohnung, von der er die Antragstellerin aktiv ausgeschlossen hatte, kann er kein Abweichen von Rechtsprechung des Höchstgerichts darlegen; umso weniger, wenn er sich dazu auf eine gar nicht festgestellte Summe an von ihm getragenen Betriebskosten beruft.

7. Insgesamt bedarf die vom Rekursgericht im konkreten Fall getroffene Entscheidung, mit der die dem Antragsgegner vom Erstgericht auferlegte Ausgleichszahlung um 68.000 EUR vermindert wurde, keiner Korrektur durch das Höchstgericht.

8. Die Beantwortung des Revisionsrekurses wurde der Antragstellerin nicht freigestellt. Ihr steht daher nach der analog anzuwendenden Bestimmung des § 508a Abs 2 letzter Satz ZPO für ihre Revisionsrekursbeantwortung kein Kostenersatzanspruch zu (RS0124792; 1 Ob 134/19s).

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Textnummer

E129320

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00075.20S.0923.000

Im RIS seit

14.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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