TE OGH 2018/11/21 1Ob167/18t

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Veröffentlicht am 21.11.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin S***** M*****, vertreten durch Mag. Horst Bruckner, Rechtsanwalt in Leibnitz, gegen den Antragsgegner M***** K*****, vertreten durch die Sudi Siarlidis Huber Ehß Rechtsanwälte OG, Graz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 6. Juli 2018, GZ 1 R 154/18a-97, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom 11. Mai 2018, GZ 6 Fam 37/13w-93, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die in Punkt 4. des erstinstanzlichen Beschlusses unangefochten blieben, werden im Übrigen aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Im Revisionsrekursverfahren ist nur mehr die Frage strittig, mit welchem Wert zwei Beteiligungen des Mannes an sogenannten Bauherrenmodellen im Aufteilungsverfahren zu berücksichtigen sind. Der von den Vorinstanzen zugrunde gelegte Aufteilungsschlüssel von 1:1, die sonstige Aufteilungsmasse sowie deren Wert und die vorzunehmende Aufteilung sind grundsätzlich unstrittig.

Die im September 1997 geschlossene Ehe der Parteien, der ein (volljähriger) Sohn entstammt, wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 19. 4. 2013 aus gleichteiligem Verschulden geschieden. Die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgte im September 2011.

Der Mann erwarb im Dezember 2004 Miteigentumsanteile an einem Haus in W***** 3 und im Juni 2006 Miteigentumsanteile an einem Haus in W***** 14. Diese Eigentumserwerbe erfolgten jeweils im Rahmen eines sogenannten Bauherrenmodells „zum Zweck der Steuerersparnis“. Dabei werden Anteile einer Liegenschaft erworben, die in weiterer Folge saniert und vermietet wird. Die Finanzierung des Ankaufs und der Investitionen erfolgt teilweise aus Eigenmitteln und teilweise aus Fremdmitteln. Die Fremdmittel bestehen zum Teil aus einem geförderten Darlehen der Stadt und zum anderen Teil aus einem vom Miteigentümer aufgenommenen Bankkredit. Die Rückführung der Kredite erfolgt einerseits durch einen Annuitätenzuschuss der Stadt für das geförderte Darlehen, andererseits durch die Mieteinnahmen sowie monatliche Einzahlungen des Investors auf den Bankkredit. Die „steuerlich verwertbare Verlustzeitspanne“ beträgt etwa 15 Jahre ab Eintritt in das Modell, danach wird Gewinn erzielt. Der Zeitpunkt des Eintritts des steuerlichen Totalgewinns – Zeitpunkt, in dem sämtliche Verluste abgedeckt sind – ist für das Objekt in W***** 3 im Jahr 2028, für das Objekt in W***** 14 im Jahr 2031 vorgesehen. Zur Erreichung dieses Zwecks wurde im Rahmen der jeweiligen Kaufverträge lediglich ideelles Miteigentum ohne individuelle Nutzungsrechte an räumlich abgegrenzten Teilen an der Liegenschaft erworben, jedoch hat jeder Miteigentümer auf Grundlage des jeweils geschlossenen Miteigentümervertrags – unter Teilungsverzicht für 30 Jahre – nach Erzielung eines steuerlichen Gesamtüberschusses das Recht, Wohnungseigentum an den ihm für diesen Fall zugeordneten Einheiten zu begründen. Die für den Erwerb der Miteigentumsanteile an der Liegenschaft in W***** 3 erforderlichen Eigenmittel entnahm der Mann seinem Unternehmen. Im Zeitraum Dezember 2004 bis September 2007 entnahm er insgesamt 143.044 EUR an Eigenmitteln und leistete im Zeitraum März 2008 bis September 2011 monatliche Einzahlungen von insgesamt 51.828 EUR. Im September 2011 betrug der „Ertragswert“ [Anm.: 20-facher anteiliger Mietertrag des Jahres 2011] der Miteigentumsanteile an der Liegenschaft in W***** 3 373.000 EUR, dem ein Schuldenstand von 378.965,58 EUR gegenüberstand. Auch die für den Erwerb der Miteigentumsanteile an der Liegenschaft in W***** 14 erforderlichen Eigenmittel entnahm der Mann seinem Unternehmen, nämlich im Zeitraum Juni 2006 bis April 2009 insgesamt 64.092 EUR; weiters leistete er im Zeitraum Juli 2010 bis September 2011 monatliche Einzahlungen von insgesamt 9.079,70 EUR. Im September 2011 betrug der „Ertragswert“ [Anm.: 20-facher anteiliger Mietertrag des Jahres 2011] seiner Miteigentumsanteile an der Liegenschaft in W***** 14 163.000 EUR, dem ein Schuldenstand von 202.968,74 EUR gegenüberstand.

Das Erstgericht verpflichtete den Mann zur Leistung einer in zwei gleichen Teilbeträgen zu erbringenden Ausgleichszahlung von insgesamt 255.000 EUR an die Frau (Punkt 1.), hob das auf einer in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft zu Gunsten der Frau einverleibte Belastungs- und Veräußerungsverbot auf, ordnete diesbezüglich im Grundbuch die Löschung nach Rechtskraft des Beschlusses und Nachweis der vollständigen „Berichtigung“ der Ausgleichszahlung an (Punkte 2. und 3.) und wies das Mehrbegehren der Frau auf Leistung einer Ausgleichszahlung von weiteren 5.000 EUR – unbekämpft – ab (Punkt 4.). Das zu beurteilende Bauherrenmodell verfolge zwar unternehmerische Zwecke, weil durch die Investition von Erträgnissen des Unternehmens (des Mannes) in ein sanierungsbedürftiges Wohnhaus mit anschließender Vermietung Steuervorteile lukriert würden, gleichzeitig erwerbe jedoch der Unternehmer als Privatperson ideelles Miteigentum an einer Liegenschaft und habe nach Verwirklichung des Zwecks Anspruch auf Begründung von Wohnungseigentum. Diese Miteigentumsanteile stünden in keinster Weise im Zusammenhang mit dem vom Mann geführten Unternehmen, sondern stellten – neben der Tatsache, dass es sich um bloße Wertanlagen handelt – eine private Anschaffung dar, sodass die dafür während aufrechter Lebensgemeinschaft der Parteien verwendeten Erträgnisse und Auszahlungen aus dem Unternehmen der Aufteilung unterlägen. Ein darüber hinausgehender bloß möglicher, also tatsächlich nicht erzielter Ertrag, wie die Veranschlagung eines fiktiven kapitalisierten Veranlagungserlöses gehöre nicht zu den ehelichen Ersparnissen. Das Erstgericht bezog in die Aufteilung die in die Bauherrenmodelle insgesamt investierten Unternehmenserträge von 268.043,70 EUR als Vermögenswerte des Mannes ein.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Mannes nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Rechtlich führte es
– soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz – aus, die erworbenen Miteigentumsanteile stünden in keiner Weise im Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit des Mannes, der im Textileinzelhandel selbständig erwerbstätig sei. Die Erträge eines Unternehmens seien zwar grundsätzlich als unternehmenszugehörig anzusehen, und damit nach § 82 Abs 1 Z 3 EheG als der Aufteilung entzogen, dieser Grundsatz gelte allerdings dann nicht, wenn sie – wie hier – für unternehmensfremde (private) Zwecke umgewidmet würden; dann gehörten sie als eheliche Ersparnisse zur Aufteilungsmasse. Die in die Bauherrenmodelle geflossenen Unternehmenserträgnisse von insgesamt 268.043,70 EUR, mit denen der Mann (im Aufteilungszeitpunkt vorhandenes) ideelles Miteigentum an Liegenschaften und den Anspruch auf Begründung von Wohnungseigentum an den ihm zugeordneten Einheiten erworben habe, unterlägen daher der Aufteilung.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Mannes wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss dahin abzuändern, dass er keine Ausgleichszahlung zu leisten habe; hilfsweise stellt er ein Aufhebungsbegehren.

Rechtliche Beurteilung

Die der Frau freigestellte Revisionsrekursbeantwortung ist als verspätet zurückzuweisen. Die Revisionsrekursbeantwortung war beim Obersten Gerichtshof einzubringen (§ 68 Abs 4 Z 2 AußStrG). Bei diesem langte sie aber erst nach Ablauf der für die Überreichung des Schriftsatzes offenstehenden Frist von 14 Tagen (§ 68 Abs 1 Satz 2 AußStrG) ein. Wird ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbeantwortung bei einem funktionell nicht zuständigen Gericht – hier: beim
Erstgericht – eingebracht, ist für den Zeitpunkt der Rechtzeitigkeit der Zeitpunkt des Einlangens beim zuständigen Gericht maßgebend (RIS-Justiz RS0043678 [T1, T9]).

Der Revisionsrekurs des Mannes ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und mit seinem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof ist auch im Verfahren außer Streitsachen nicht Tatsacheninstanz (RIS-Justiz RS0007236 [T2]), weshalb die im Rechtsmittel erörterten Fragen der Beweiswürdigung nicht überprüft werden können (RIS-Justiz RS0007236 [T4]). Dies betrifft insbesondere die vom Mann – unrichtig als vermeintliche „Mangelhaftigkeit des Verfahrens“ – bekämpfte Negativfeststellung zu den von der Frau gebildeten ehelichen Ersparnissen.

2.1. Der Mann bestreitet nicht, dass er seine Investitionen als Privatperson tätigte und der Erwerb der Miteigentumsanteile an den beiden Liegenschaften mit ehelichen Ersparnissen erfolgte, die er aus seinem Unternehmen entnahm und entsprechend umwidmete. Grundsätzlich zutreffend zeigt er aber auf, dass die Vorinstanzen die mit der Anschaffung verbundenen Verbindlichkeiten nicht berücksichtigten.

2.2. Bewertungsstichtag für das zur Zeit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorhandene, der Aufteilung unterliegende Vermögen ist der Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz. Wertsteigerungen, die ohne besonderes Zutun eines der beiden Ehegatten eingetreten sind, müssen berücksichtigt werden, dagegen führen Wertvermehrungen, die auf die Tätigkeit eines Ehegatten zurückzuführen sind, zu keiner Aufwertung (RIS-Justiz RS0057644).

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kommt es nicht auf die Höhe der in eheliche Ersparnisse umgewidmeten Unternehmenserträge an, die in den Erwerb der Miteigentumsanteile an den beiden Liegenschaften flossen (vgl 1 Ob 200/17v), und ist auch nicht der (mit dem 20-fachen anteiligen Jahresmietertrag 2011 bemessene) „Ertragswert“ im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft im September 2011 maßgeblich. Relevant ist allein der Wert der Miteigentumsanteile an den beiden Liegenschaften im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz. Dazu fehlen aber Feststellungen, die das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren nachzutragen haben wird.

2.3. Kredite, die zur Anschaffung, Herstellung oder Instandhaltung des Gebrauchsvermögens oder der Ersparnisse aufgenommen wurden, stehen mit diesen im inneren Zusammenhang (§ 81 Abs 1 Satz 2 EheG; RIS-Justiz RS0057635). Darauf, welcher Ehegatte Kreditschuldner ist, kommt es entgegen der Auffassung der Revisionsrekursgegnerin nicht an (1 Ob 240/17a). Vom Verkehrswert einer Sache zur Zeit der Entscheidung sind in der Regel die konnexen Schulden im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft abzuziehen. Das Ergebnis dieser Differenz ist entsprechend dem Aufteilungsschlüssel (vgl § 83, § 94 Abs 1 EheG) zwischen den Ehegatten aufzuteilen (1 Ob 44/18d).

Bei der der Vermögensaufteilung zugrunde liegenden Wertermittlung ist vom noch festzustellenden Verkehrswert der beiden Miteigentumsanteile der zum Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft im September 2011 aushaftende jeweilige Kreditsaldo abzuziehen. Das Ergebnis ist entsprechend dem
– unstrittigen – Aufteilungsschlüssel von 1:1 zwischen den Parteien aufzuteilen. Die Miteigentumsanteile sollen beim Mann verbleiben, sodass die von ihm nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft geleisteten Rückzahlungen seine Ausgleichszahlung nicht vermindern, weil ihm dieser Wert ja zukommt (RIS-Justiz RS0132057).

3. Dem Revisionsrekurs des Mannes ist daher im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags Folge zu geben. Das Erstgericht wird aus den dargelegten Gründen das Verfahren entsprechend zu ergänzen, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen und neuerlich zu entscheiden haben.

4. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass noch keine die Sache zur Gänze erledigende Entscheidung im Sinn des § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG vorliegt (vgl RIS-Justiz RS0123011 [T5]).

Textnummer

E123376

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00167.18T.1121.000

Im RIS seit

06.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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