TE OGH 2018/4/10 11Os61/17f

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.04.2018
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. April 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Bernhard L***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3; 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Bernhard L***** und Peter B***** gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 27. Februar 2017, GZ 34 Hv 29/13g-624, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Beiden Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil (zum ersten Rechtsgang: 11 Os 64/14t) wurden – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant – Bernhard L***** und Peter B***** jeweils des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 idF BGBl I 2015/112; 15 StGB schuldig erkannt.

         Danach haben sie von einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im November oder Dezember 2009 bis zumindest 17. August 2013 in Spanien und an im Urteilsspruch angeführten Orten in Österreich im bewussten und gewollten Zusammenwirken in zahlreichen im Urteilsspruch im Einzelnen beschriebenen Angriffen (US 3 ff) eine Vielzahl von teils namentlich bekannten (1./ bis 329./), teils nicht bekannten Personen (330./) mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, nämlich zur Unterfertigung und Rücksendung eines Formulars, wodurch ein kostenpflichtiger Vertrag mit der I***** S.L. (im Folgenden: I*****; 1./ bis 14./, 66./, 67./, 72./, 93./, 99./, 101./ bis 104./, 106 bis 108./, 110./, 111./, 129./, 278./, 280./, 281./, 285./, 301./) bzw dem Nachfolgeunternehmen H***** S.L. (im Folgenden: H*****) für die Dauer von drei Jahren abgeschlossen wurde, sowie zur Überweisung der im Urteilsspruch angeführten (zum Teil – für die Subsumtion allerdings nicht entscheidend – auch „Mahnspesen und Anwaltskosten“ umfassenden; vgl aber RIS-Justiz RS0094410) Beträge auf im Urteil bezeichnete Konten der I***** bzw der H***** verleitet bzw zu verleiten versucht, die die im Urteilsspruch angeführten Opfer in einem insgesamt 300.000 Euro“ übersteigenden Betrag „von zumindest 1.238.495.085,89 Euro am Vermögen schädigten bzw schädigen sollten, indem sie namens der I***** (1./ bis 14./, 66./, 67./, 72./, 93./, 99./, 101./ bis 104./, 106./ bis 108./, 110./, 111./, 129./, 278./, 280./, 281./, 285./, 301./) und nachfolgend namens der H***** sogenannte Eintragungsanträge (US 54) und Korrekturabzüge an im Urteilsspruch angeführte Personen, Unternehmen oder Organisationen versandten, wobei der Eindruck erweckt wurde, es werde eine dem monatlichen Entgelt von 43 Euro netto entsprechende Leistung vorgenommen, wogegen die Einschaltung tatsächlich wertlos war, „teilweise sogar falsche Daten eingetragen wurden bzw teilweise auch gar keine Eintragung vorgenommen“ wurde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die gemeinsam ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und lit b sowie 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten.

         Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch Abweisung (ON 609 S 123 f) des in der Hauptverhandlung am 3. November 2016 gestellten Beweisantrags auf Ladung Dris. Ulrich S*****, Rechtsanwalt in Salzburg, Verteidigungsrechte nicht geschmälert. Der Zeuge wurde zum Beweis dafür begehrt, „dass sich die beiden Angeklagten vor Versendung der verfahrensgegenständlichen Formulare rechtsfreundlich beraten hätten lassen und sich versichert hätten, dass ihr Tun weder durch [richtig: gegen] zivil- noch strafrechtliche Bestimmungen verstoße. Die beiden Angeklagten hätten daher davon ausgehen dürfen, dass ihr
– ihnen nunmehr in der Anklageschrift zur Last gelegtes – Verhalten rechtens sei“ (ON 609 S 119).

Weshalb aber ein von den Angeklagten – nach dem Vorbringen erkennbar – zu Rechtmäßigkeit und Inhalt der Formulare und später in einem Wettbewerbsprozess beigezogener Rechtsberater die Angeklagten entlastende Angaben zur im zweiten Rechtsgang allein entscheidenden Frage der (angestrebten) Täuschung über die Werthaltigkeit der angebotenen Branchenregistereinträge für die (potentiellen) Vertragspartner der Unternehmen der Angeklagten (I***** bzw H*****) machen könnte, die (allenfalls) Rückschlüsse auf das Fehlen (auch) eines darauf bezogenen Täuschungsvorsatzes oder auf das Vorliegen eines darauf bezogenen Verbotsirrtums (vgl RIS-Justiz RS0089602) der Angeklagten erlaubten, wurde in der Hauptverhandlung nicht dargetan. Damit lief der Antrag auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung hinaus (RIS-Justiz RS0118444, RS0107040).

Die in der Rechtsmittelschrift zur Antragsfundierung nachgetragenen Argumente sind prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

         Entgegen der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) ist die Feststellung zur Frage der Werthaltigkeit der Einschaltungen in den Online-Branchenregistern der I***** und der H***** nicht undeutlich geblieben, weil die Entscheidungsgründe klar zum Ausdruck bringen, dass die Eintragungen für die angeschriebenen Unternehmer und Einrichtungen von vornherein wertlos (weil betrieblich nicht nutzbar) waren (US 55, 63).

Ebensowenig besteht eine solche Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) zur subjektiven Tatseite, haben die Tatrichter im Gesamtkontext doch keinen Zweifel daran gelassen, dass der bedingte Vorsatz der Angeklagten beim Versenden der Formulare (jedenfalls) die Täuschung der angeschriebenen Unternehmer und Einrichtungen über die (tatsächliche) Wertlosigkeit der offerierten Einschaltungen umfasste (US 56 iVm US 54 f, 65 f). Dass über diese – erkennbar alle Eintragungen betreffende – Wertlosigkeit hinaus (später) Daten teilweise auch falsch oder gar nicht eingetragen wurden (US 54), lässt die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zum entscheidenden Punkt der Werthaltigkeit nicht undeutlich erscheinen.

Dem weiteren Einwand (Z 5 erster Fall) zuwider bringen auch die Urteilsannahmen zum auf Schädigung und unrechtmäßige Bereicherung gerichteten (bedingten) Vorsatz der Angeklagten im Gesamtkontext klar und deutlich zum Ausdruck, dass die Opfer nach dem Tatplan gerade durch die erwähnte Täuschung (letztlich) zu Handlungen (Bezahlung von Eintragungsgebühren für tatsächlich wertlose Einschaltungen – zu Mahngebühren und Anwaltskosten vgl abermals RIS-Justiz RS0094410) verleitet werden sollten und teils auch wurden, die diese insgesamt in einem 300.000 Euro übersteigenden Ausmaß „von zumindest 1.238.495.085,89 Euro“ am Vermögen schädigen sollten und teils auch schädigten, wobei die Angeklagten (auch) ihre damit einhergehende unrechtmäßige Bereicherung ernstlich für möglich hielten und in Kauf nahmen (US 55 f, 65 f).

Mit der Argumentation, dass aus einer mängelbehafteten Leistung nicht zwingend auf eine gänzliche Wertlosigkeit zu schließen sei, bekämpfen die Beschwerdeführer bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0099455).

Als Tatsachenrüge will die Z 5a nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit dem Hinweis auf den Inhalt der versandten Formulare unter Betonung der angeblich keine Täuschung beinhaltenden bloßen Versendung und unter ablehnender Bewertung der dazu erstatteten Expertise, auf (vom Erstgericht ohnehin berücksichtigte – US 63, 65) Angaben des Zeugen B*****, den die Angeklagten zur Programmierung der Online-Verzeichnisse herangezogen hatten (dSn Z 5 2. Fall), auf die fortschreitende Entwicklung im EDV-Bereich, auf ein (erst nach dem inkriminierten Tatzeitraum ausgesprochenes) Verbot zur Bearbeitung, Bewerbung und Betreibung der inkriminierten Internetseiten, auf die im Vergleich zur Anzahl der versandten Formulare verhältnismäßig geringe Anzahl von Adressaten (329), die sich dem gegenständlichen Strafverfahren „angeschlossen“ und von welchen wiederum bloß 35 tatsächlich Zahlungen erbracht hätten, gelingt es der Beschwerde (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs der Tatrichter über entscheidende Tatsachen (Täuschung der Adressaten über die Werthaltigkeit der angebotenen Einschaltungen im Zeitpunkt der Formularversendungen; Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz der Angeklagten – US 54 ff, 65 f) hervorzurufen.

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) in diesem Zusammenhang auf angebliche Verfahren Bezug nimmt, in welchen die Vorgehensweise der Angeklagten „seit ca 2008“ zivil- und strafrechtlich „nicht in Richtung Betrug qualifiziert“ worden sei, verabsäumt sie außerdem schon mangels Bezeichnung konkreter Fundstellen in den Akten die prozessförmige Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (neuerlich RIS-Justiz RS0118780).

Der Umstand, dass aus den von den Tatrichtern angeführten Prämissen auch andere, für die Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können, ist für sich allein nicht geeignet, jene erheblichen Bedenken darzutun, auf die der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO abstellt (RIS-Justiz RS0099674).

Die von den Beschwerdeführern vermisste Begründung zur subjektiven Tatseite (der Sache nach Z 5 vierter Fall) findet sich in US 65 f. Von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen zu schließen, ist im Übrigen ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar und bei – wie hier – leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht anders möglich (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882).

Entgegen der einen Rechtsfehler mangels Feststellungen einwendenden Rechtsrüge (Z 9 lit a) haben die Tatrichter die Täuschung der Adressaten über die Werthaltigkeit der angebotenen Leistungen und damit eine unwahre Erklärung in den Formularen ebenso festgestellt (US 54 f) wie einen bereits zum Zeitpunkt der Formularversendung bestehenden, auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz (US 56 iVm US 54 ff – „Als die Angeklagten dargestelltermaßen [...] die [...] Formulare [...] an die [...] Adressaten versandten ...“; „Die beiden Angeklagten hielten dabei jeweils auch ihre unrechtmäßige Vermögensvermehrung ernstlich für möglich und nahmen auch diese jeweils billigend in Kauf“ [US 56]), womit sich die Kritik nicht an den getroffenen Konstatierungen orientiert (RIS-Justiz RS0099810).

Der weitere Einwand (Z 9 lit a) betreffend die Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz verkennt, dass der Gebrauch der verba

legalia die Wirksamkeit einer Tatsachenfeststellung grundsätzlich nicht beeinträchtigt, es sei denn, dass in Wahrheit kein Sachverhaltsbezug hergestellt und damit gar keine Feststellungen getroffen wurden (RIS-Justiz RS0119090). Inwiefern die Entscheidungsgründe (US 56 iVm US 54 ff) in diesem Zusammenhang eines hinreichenden Sachverhaltsbezuges entbehrten, lassen die Beschwerdeführer offen.

Die Behauptung von Feststellungsmängeln wiederum kann prozessordnungsmäßig nur unter Zugrundelegung aller tatsächlichen Urteilsannahmen erfolgen und erfordert dabei die Darlegung, dass eben diese Urteilsannahmen nicht ausreichen, um eine umfassende und verlässliche rechtliche Beurteilung vornehmen zu können, oder dass Verfahrensergebnisse auf bestimmte für den Schuldspruch oder die Subsumtion rechtlich erhebliche Umstände hingewiesen haben und dessen ungeachtet eine entsprechende klärende Feststellung unterlassen wurde. Demgemäß ist eine Rechtsrüge, die einen Feststellungsmangel behauptet, aber dabei eine im Urteil festgestellte Tatsache verschweigt oder bestreitet, nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RIS-Justiz RS0099730). Ebensowenig entspricht die Geltendmachung von Feststellungsmängeln den Verfahrensgesetzen, wenn die Bezeichnung (in – wie hier – umfangreichen Akten auch der Fundstellen) konkreter, in der Hauptverhandlung vorgekommener Beweisergebnisse unterlassen wird, welche die eingeforderte Konstatierung indiziert hätten (RIS-Justiz RS0118580; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600 ff).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit b) auf „eine ganze Reihe von zivilgerichtlichen Verfahren“ und eine „Zurücklegung“ von Strafanzeigen durch mehrere Staatsanwaltschaften in „Spanien, Deutschland und Österreich“ Bezug nimmt, wo die im gegenständlichen Verfahren inkriminierten Formulare als „unbedenklich“ eingestuft worden seien, verabsäumt sie schon die – wie dargelegt erforderliche – Angabe entsprechender Fundstellen für solche in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse in den äußerst umfangreichen Hv-Akten (22 Aktenbände mit bis zum Urteil im zweiten Rechtsgang 624 Ordnungsnummern).

Abgesehen davon legt die Beschwerde im Zusammenhang mit der darauf aufbauenden Behauptung, den Angeklagten wäre deshalb (bei entsprechenden Feststellungen) ein „Rechtsirrtum“ iSd § 9 Abs 1 StGB zuzugestehen, nicht dar, welche in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnisse indiziert haben sollen, dass sich solche Verfahren überhaupt mit der – im zweiten Rechtsgang allein entscheidenden – Frage einer Täuschung sämtlicher Adressaten über den Wert der in den Formularen angebotenen Einschaltungen beschäftigt hätten (vgl etwa die im Rechtsmittel zitierte Entscheidung 4 Ob 45/11p vom 21. Juni 2011, die sich ausschließlich mit der Frage einer Irreführung über den bloßen Angebotscharakter des Formulars auseinandersetzt).

         Soweit die Beschwerdeführer außerdem unter Berufung auf „Anzeigezurücklegungen“ durch mehrere „österreichische Staatsanwaltschaften“ eine – gegen den Grundsatz „ne bis in idem“ verstoßende – neuerliche Verfolgung und anschließende Verurteilung (§ 17 Abs 1 StPO, Art 4 7. ZPMRK, Art 54 SDÜ, Art 50 GRC) behaupten (Z 9 lit b; vgl hiezu Birklbauer, WK-StPO § 17 Rz 37 ff, 46), verabsäumen sie abermals prozessordnungswidrig eine (durch entsprechende Fundstellen belegte) Bezeichnung in der Hauptverhandlung vorgekommener Verfahrensergebnisse, die tatsächlich eine auch andere Behörden bindende Sperrwirkung (im Sinn eines Strafanklageverbrauchs) in Bezug auf gerade im gegenständlichen Verfahren konkret inkriminierte Zusendungen indizieren würden (vgl § 17 Abs 2 StPO und allein die in § 193 und § 195 StPO gesetzlich eingeräumten Möglichkeiten einer Fortführung eines nach §§ 190 oder 191 StPO beendeten Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft).

In Bezug auf die in diesem Zusammenhang erwähnten Verfahren AZ 23 Js 13325/11 der Staatsanwaltschaft Ingolstadt und eines „Untersuchungsrichters von Madrid“ wiederum lässt sich den im Rechtsmittel konkret angeführten Fundstellen (ON 169 und ON 182) überhaupt nichts entnehmen.

Im Übrigen entfaltet auch Art 54 SDÜ im Hinblick auf eine in einem anderen Mitgliedstaat erfolgte Verfahrenseinstellung dann keine Sperrwirkung, wenn sie nach dem Recht des Mitgliedsstaats, in dem sie erfolgte, kein Hindernis für eine neue Strafverfolgung wegen derselben Tat darstellt (RIS-Justiz RS0125413; vgl 11 Os 5/15t mwN, ua zu § 170 Abs 2 dStPO).

         Soweit die Angeklagten zu 330./ die Strafbarkeit der Versendung der inkriminierten Formulare an sämtliche namentlich nicht bekannten Adressaten in Frage stellen (nominell Z 11, der Sache nach Z 9 lit a – vgl RIS-Justiz RS0112520 [T4]), weil nicht festgestellt sei, dass die Genannten (erfolgreich) getäuscht und auch ihnen tatsächlich Rechnungen gelegt worden seien, übergehen sie einerseits getroffene Feststellungen und leiten andererseits die Rechtsbehauptung einer bloß „straflosen Vermögensgefährdung ohne Ausführungsnähe“ nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116569RS0117321).

Denn nach den Urteilsannahmen täuschten die Angeklagten auch diese – namentlich nicht bekannten – Adressaten über die Werthaltigkeit der angebotenen Leistungen oder versuchten dies zumindest in jenen Fällen, in denen die Formulare nicht zurückgesandt wurden. Weiters sollten nach dem Tatplan sämtliche (auch die unbekannten) Adressaten zur Unterfertigung und Rücksendung des jeweiligen Formulars und damit zum Abschluss eines kostenpflichtigen Vertrags und in weiterer Folge zu diesem entsprechenden Zahlungen verleitet werden, was
– tatplangemäß – zu entsprechenden Rechnungslegungen (in nicht bekannter Höhe von zumindest 1.548 Euro pro Kunde) führen sollte (US 54 ff, 60, 63 f).

Weshalb aber eine nach dem Tatplan für die angestrebte Vermögensverfügung (Bezahlung des vertraglich vereinbarten Entgelts) essentielle Täuschungshandlung bei einem – wie hier (US 54 ff) – mehraktig angelegten Betrugskonzept noch keine (strafbare) Ausführungshandlung darstellen soll, erklären die Beschwerden nicht (vgl aber Leukauf/Steininger/Tipold, § 146 Rz 65 mwN; Kirchbacher in WK2 § 146 Rz 52 ff, 55, 76; RIS-Justiz RS0089830 [insbesondere T6]).

Aus welchem Grund in einem solchen Fall bloß von einer (noch) straflosen Vorbereitungshandlung auszugehen sei, obwohl – anders als etwa beim bloßen Abschluss eines für sich noch keine konkrete Zahlungspflicht des Versicherungsträgers auslösenden Versicherungsvertrags durch einen Versicherungsnehmer (vgl RIS-Justiz RS0094309) – schon durch den mittels Täuschung herbeigeführten Vertragsabschluss eine Verbindlichkeit der „Kunden“ zur Zahlung des vereinbarten Entgelts für (tatsächlich wertlose) Einschaltungen entsteht, machen die Angeklagten nicht klar. Ebensowenig erklären sie, weshalb die von ihnen ins Treffen geführte Entscheidung 13 Os 127/07m, in der es um die – als strafbar erachtete – Vortäuschung einer (tatsächlich nicht bestehenden) Zahlungspflicht in einem irreführenden Angebotsschreiben mit typischen Rechnungsmerkmalen ging, im vorliegenden Fall der Annahme eines strafbaren Versuchs (auch) zu Punkt 330./ des Schuldspruchs entgegenstehen sollte, der nach den Feststellungen ein (mehraktiges) Betrugskonzept betrifft, welches auf dem betrügerisch erwirkten Abschluss eines Vertrages vor Übermittlung einer gerade darauf gestützten Rechnung aufbaut.

Das Fehlen von Erwägungen für die rechtliche Begründung bewirkt – der Beschwerdekritik zuwider – keine Nichtigkeit (Danek, WK-StPO § 270 Rz 41).

Die Nichtigkeitsbeschwerden war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO). Die angemeldeten „Beschwerden gegen die verkündeten Beschlüsse“ (ON 623 S 74) entziehen sich mangels eines Anfechtungsgegenstands jeglicher Erledigung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E121259

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00061.17F.0410.000

Im RIS seit

02.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten