TE OGH 2021/2/17 13Os99/20p

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Veröffentlicht am 17.02.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Strobl in der Strafsache gegen Jovica T***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 1 und 3 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Jovica T***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 26. Juni 2020, GZ 39 Hv 149/19g-1326, sowie die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen zugleich ergangenen Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den die Angeklagten Klaus F***** und Siegfried H***** betreffenden Strafaussprüchen sowie der zugleich ergangene Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer dem Angeklagten Klaus F***** gewährten bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg als Schöffengericht verwiesen.

Mit ihren Rechtsmitteln wird die Staatsanwaltschaft insoweit auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten Jovica T***** sowie der Staatsanwaltschaft im Übrigen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Jovica T***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]            Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jovica T***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 1 und 3 SMG (A I), des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 1 und 3 SMG (A III) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz erster und zweiter Fall, Abs 3 SMG (A IV) sowie eines Vergehens der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz zweiter Fall StGB (A VI) und mehrerer Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 erster Fall WaffG (A VII) schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er – soweit hier von Bedeutung – in V***** und andernorts

(A I) vom April 2018 bis zum 25. März 2019 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich

Kokain (Wirkstoff: Cocain) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 43,4 %, Cannabisharz (Wirkstoff: Delta-9-THC) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 6 %, Speed (Wirkstoff: Amphetamin) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 9,18 %, Ecstasy-Tabletten der Prägung „Domino“ (Wirkstoff: MDMA) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 135 mg MDMA pro Tablette, Liquid-Ecstasy (Wirkstoff: Gamma-Hydroxybuttersäure) mit einem unbekannten Reinheitsgehalt, Crystal Meth (Wirkstoff: Methamphetamin) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 20 % sowie Cannabiskraut (Wirkstoff: Delta-9-THC und THCA) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 8 % Delta-9-THC,

in einer Vielzahl von Angriffen nachgenannten Abnehmern, teils unentgeltlich, zum überwiegenden Teil gewinnbringend, überlassen, und zwar

bdem Klaus F*****

160,25 Gramm Kokain, beinhaltend 26,14 Gramm Reinsubstanz Cocain, zum Grammpreis von durchschnittlich 20 Euro,

2. 30 Gramm Speed, beinhaltend 2,7 Gramm Reinsubstanz Amphetamin, unentgeltlich und

3. 35 Gramm Cannabisharz, beinhaltend 2,1 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC, unentgeltlich,

cdem Rainer P*****

1. 400 Gramm Kokain, beinhaltend 173,6 Gramm Reinsubstanz Cocain, zum Grammpreis von durchschnittlich 33 Euro und

2. Liquid-Ecstasy,

ddem Christian Hu*****

1. zumindest 48 Gramm Kokain, beinhaltend 20,8 Gramm Reinsubstanz Cocain, zum Grammpreis von durchschnittlich 40 Euro,

2. 1.310 Gramm Speed, beinhaltend 120,2 Gramm Reinsubstanz Amphetamin, zum Grammpreis von durchschnittlich 2,50 Euro,

3. 2.000 Stück Ecstasy-Tabletten der Prägung „Domino“, beinhaltend gesamt 270 Gramm Reinsubstanz MDMA, zum Gesamtpreis von 3.000 Euro,

4. zumindest 800 Gramm Cannabisharz, beinhaltend 48 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC, zum Grammpreis von durchschnittlich 5 Euro,

5. zumindest 2 Gramm Crystal Meth und

6. Liquid-Ecstasy,

e) dem Michael Sch*****

zumindest 446 Gramm Kokain, beinhaltend 193,56 Gramm Reinsubstanz Cocain, zum Grammpreis von durchschnittlich 32 Euro,

fdem Christopher Hi*****

50 Gramm Kokain, beinhaltend 21,7 Gramm Reinsubstanz Cocain, zum Grammpreis von durchschnittlich 33 Euro,

gder Karin W*****

1. 1,5 Gramm Kokain, beinhaltend 0,6 Gramm Reinsubstanz Cocain, unentgeltlich,

2. zumindest 20 Gramm Cannabisharz, beinhaltend 1,2 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC, unentgeltlich und

3. Cannabiskraut,

hdem Marijo F*****

2. zumindest 1.400 Gramm Cannabisharz, beinhaltend 84 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC, zum Grammpreis von durchschnittlich 5 Euro und

3. 630 Gramm Speed, beinhaltend 57,8 Gramm Reinsubstanz Amphetamin, zum Grammpreis von durchschnittlich 4,50 Euro,

idem Siegfried H*****

1. 81,45 Gramm Kokain, beinhaltend 35,3 Gramm Reinsubstanz Cocain, zum Grammpreis von durchschnittlich 40 Euro,

2. 450 Gramm Cannabisharz, beinhaltend 27 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC, zum Grammpreis von durchschnittlich 4,50 Euro und

3. 10,8 Gramm Speed, beinhaltend 0,99 Gramm Reinsubstanz Amphetamin, unentgeltlich,

jdem Edin D*****

zumindest 25 Gramm Kokain, beinhaltend 10,85 Gramm Reinsubstanz Cocain, zum Grammpreis von durchschnittlich 32 Euro,

l) dem Alexis To*****

zumindest 25 Gramm Kokain, beinhaltend 10,85 Gramm Reinsubstanz Cocain, zum Gesamtpreis von 1.150 Euro sowie

m) dem Adam K*****

2,5 Gramm Kokain, beinhaltend 1 Gramm Reinsubstanz Cocain, zum Grammpreis von durchschnittlich 32 Euro,

somit insgesamt Suchtgift in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge, wobei sein Wille (§ 5 Abs 1 StGB) von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt in Bezug auf eine das 25-Fache der Grenzmenge übersteigende Menge umfasst hat und er in der Absicht handelte, sich durch wiederkehrendes Überlassen von – bereits je für sich die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftquanten – jedenfalls Kokain mit dem Wirkstoff Cocain, Cannabisharz mit dem Wirkstoff Delta-9-THC, Speed mit dem Wirkstoff Amphetamin und Ecstasy-Tabletten mit dem Wirkstoff MDMA eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen, das nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigt, zu verschaffen, wobei er bereits zwei solche Taten begangen hatte, schon wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, nämlich mit Urteil eines schwedischen Gerichts vom 6. April 2009, AZ B3193/09, und mit Urteil eines französischen Gerichts vom 4. Juli 2008, AZ 0831201626, und er die Taten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im Rahmen der kriminellen Ausrichtung der Vereinigung beging,

(A III) vom April 2018 bis zum 25. März 2019 vorschriftswidrig Suchtgift in einer Vielzahl von Angriffen aus den Niederlanden, Belgien und Deutschland ausgeführt und nach Österreich eingeführt, und zwar

a) 1.399 Gramm Kokain, beinhaltend 607 Gramm Reinsubstanz Cocain,

c) 2.800 Gramm Cannabisharz, beinhaltend zumindest 168 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC,

d) 2.000 Stück Ecstasy-Tabletten der Prägung „Domino“ mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 135 Milligramm MDMA pro Tablette, sohin gesamt 270 Gramm MDMA,

e) Liquid-Ecstasy, beinhaltend Gamma-Hydroxybuttersäure,

f) zumindest 2 Gramm Crystal Meth, beinhaltend Methamphetamin, mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 20 % und

g) Cannabiskraut, beinhaltend Delta-9-THC und THCA, mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 8 %,

sohin Suchtgift in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge, wobei sein Wille (§ 5 Abs 1 StGB) von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt in Bezug auf eine das 25-Fache der Grenzmenge übersteigende Menge umfasst hat und er die Taten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im Rahmen der kriminellen Ausrichtung der Vereinigung beging und schon wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, nämlich mit Urteil eines schwedischen Gerichts vom 6. April 2009, AZ B3193/09, und mit Urteil eines französischen Gerichts vom 4. Juli 2008, AZ 0831201626,

(A IVam 25. März 2019 vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar 110,8 Gramm Kokain, beinhaltend 48 Gramm Reinsubstanz Cocain,

10,9 Gramm Speed, beinhaltend 0,8 Gramm Reinsubstanz Amphetamin,

35,1 Gramm Cannabisharz, beinhaltend 2,1 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC, und

1 Gramm Cannabiskraut, beinhaltend Delta-9-THC und THCA mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 8 %,

sohin Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, wobei er die Tat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im Rahmen der kriminellen Ausrichtung der Vereinigung beging, weiters

(A VI) vom 6. Oktober 2013 bis zum 25. März 2019 eine pornografische Darstellung einer unmündigen minderjährigen Person besessen.

Rechtliche Beurteilung

[3]            Dagegen richtet sich die auf Z 6, 8, 10a und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jovica T*****.

[4]            Vermisste Fragen sind bei Geltendmachung von Nichtigkeit aus Z 6 konkret und unmissverständlich zu bezeichnen, zudem ist ein (soweit vorliegend von Relevanz) eine Eventualfrage indizierendes Tatsachensubstrat durch konkreten Verweis auf Verfahrensergebnisse zu nennen (RIS-Justiz RS0117447), wobei der Schluss von diesen auf die begehrte Fragestellung den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungen entsprechen muss (RIS-Justiz RS0132634). Behauptete Fehler der Fragestellung sind ebenfalls deutlich und bestimmt zu bezeichnen (§ 344 zweiter Satz StPO iVm § 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[5]            Indem die Fragenrüge (Z 6) den Umfang der Fragestellung beanstandet, Vergleiche zum Fragenkatalog anderer Angeklagter zieht oder Spekulationen zu einer Überforderung der Geschworenen anstellt, wird sie den dargelegten Anforderungen nicht gerecht.

[6]            Den – diesbezüglich detailliert instruierten (siehe S 38 bis 42 der Rechtsbelehrung) – Geschworenen stand es frei, die Hauptfragen (§ 312 StPO) nur teilweise zu bejahen (§ 330 Abs 2 StPO) und solcherart auch darin enthaltene Fragenteile nach dem Vorliegen qualifizierender Umstände zu verneinen. Weshalb die damit vom Schwurgerichtshof gewählte (dazu Lässig, WK-StPO § 310 Rz 1) Vorgangsweise anstatt der Stellung von Eventualfragen eine Überschreitung des von § 317 Abs 2 StPO eröffneten Ermessensbereichs (vgl RIS-Justiz RS0100931; Lässig, WK-StPO § 316 Rz 7 ff) bedeuten sollte, macht die Fragenrüge (Z 6) nicht klar.

[7]            Den im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen zufolge (US 3 bis 9) hat der Angeklagte Jovica T***** von jedenfalls April 2018 bis zum 25. März 2019 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung Suchtgift in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge teils unentgeltlich, überwiegend aber gewinnbringend, anderen Personen in einer Vielzahl von Angriffen überlassen (Hauptfrage I).

[8]            Soweit die Fragenrüge in Bezug auf den dazu ergangenen Schuldspruch A I auf Verfahrensergebnisse in der Hauptverhandlung verweist, wonach Speed unentgeltlich überlassen wurde und vorbringt, dass die entsprechende Hauptfrage I in ihrem Unterpunkt h um die Worte „oder unentgeltlich“ ergänzt werden hätte müssen, bezieht sie sich weder auf die Individualisierung der Taten noch auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände (siehe aber Ratz, WK-StPO § 345 Rz 19).

[9]            Die Instruktionsrüge (Z 8) unterlässt den gebotenen Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichem Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS-Justiz RS0119549).

[10]           Weshalb die Aufklärung über die Möglichkeit, Fragen nur teilweise zu bejahen, und die Darlegung der damit auch eröffneten Option, das Vorliegen qualifizierender Umstände zu verneinen, undeutlich sei, lässt sie offen.

[11]     Der Nichtigkeitsgrund der Z 9 des § 345 Abs 1 StPO kann ausschließlich aus dem Wahrspruch selbst abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0101005).

[12]           Soweit die auf Z 9 gestützte Rüge unzureichende Aufklärung der Geschworenen behauptet, verfehlt sie demnach den gesetzlichen Bezugspunkt der Anfechtung.

[13]           Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO zielt – soweit hier von Bedeutung (Fehler in der Sachverhaltsaufklärung werden nicht behauptet) – darauf, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahelegen, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO iVm § 302 Abs 1 StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben (RIS-Justiz RS0118780 [T13, T16, T17]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470, 490).

[14]           Hievon ausgehend weckt die Tatsachenrüge (Z 10a) mit dem Hinweis auf den Reinheitsgehalt des beim Angeklagten Christian Hu***** sichergestellten Kokains (ON 830 S 407) und die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen I, III, IV und VI festgestellten entscheidenden Tatsachen.

[15]           Soweit die Rüge kritisiert, dass der Angeklagte T***** nach dem Wahrspruch der Geschworenen mehr Suchtgift weiter gegeben als importiert habe, wendet sie sich nach Art einer im geschworenengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO iVm § 344 StPO) in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung der Geschworenen (§ 258 Abs 2 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO).

[16]           Unter dem Aspekt der (gegenüber Z 5 subsidiären) Z 10a als Aufklärungsrüge kritisiert das Rechtsmittel, es sei nicht abgeklärt worden, ob die – für die Annahme der Gewerbsmäßigkeit zu A I relevanten – in Frankreich und Schweden über den Angeklagten T***** verhängten Vorstrafen (dazu US 9) getilgt seien. Insoweit fehlt es bereits an einem Vorbringen, wodurch der Angeklagte T***** an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war (RIS-Justiz RS0114036 und RS0115823). Hinzugefügt sei, dass ausländische Verurteilungen tilgungsrechtlich inländischen Verurteilungen gleichstehen, wenn sie den Rechtsbrecher – wie hier – wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, und in einem Art 6 MRK entsprechenden Verfahren ergangen sind (§ 7 Abs 1 TilgG). Auf der Basis der Feststellungen zur Verurteilung des Angeklagten T***** wegen Suchtmittelhandels in Schweden und in Frankreich in den Jahren 2008 und 2009 zu Freiheitsstrafen von insgesamt vier Jahren und neun Monaten (US 121) und den Bestimmungen der § 3 Abs 1 Z 4 iVm § 4 Abs 1 und 2 TilgG trat nach inländischem Recht keine Tilgung der Verurteilungen ein. Nach dem Recht des Staates, in dem sie ergangen sind, gelten sie dann als getilgt, sobald dies durch eine öffentliche Urkunde bescheinigt wird (§ 7 Abs 3 TilgG). Auf eine derartige Urkunde bezieht sich das Rechtsmittel nicht.

[17]     Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird ein aus Z 10a des § 345 Abs 1 StPO beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS-Justiz RS0102162 [T2]).

[18]     Dem Einwand der Sanktionsrüge (Z 13) zuwider verstößt die aggravierende Wertung des mehrfachen Überschreitens der Grenzmenge (§ 28b SMG) vorliegend nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), weil nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG bereits das Überschreiten des 25-Fachen der Grenzmenge strafsatzbestimmend ist und jede größere Menge (hier mehr als das 86-Fache, vgl US 76 bis 78) gemäß § 32 Abs 3 StGB strafschärfend wirkt (RIS-Justiz RS0091126 und RS0099961). Ebenso wenig bestimmen die Anzahl der verwirklichten Qualifikationstatbestände und die zusätzlich zu der nach § 28a Abs 4 Z 1 SMG qualifikationsbegründenden erlittene Vorstrafe die Strafdrohung.

[19]           Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

[20]     Zur amtswegigen Maßnahme:

[21]           Aufgrund der im Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen VIII, IX und X festgestellten Tatsachen (US 16 bis 22) wurde der Angeklagte Klaus F***** des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (B VIII) sowie der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 sechster Fall, Abs 4 Z 1 SMG (B IX), nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 1 SMG (B X) und nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (B XI) schuldig erkannt (US 87).

[22]           Mit Blick auf den im Wahrspruch für den in Rede stehenden Tatzeitraum festgestellten Additionsvorsatz und das keine Begrenzung nach oben zulassende Wort „übersteigend“ in § 28a Abs 1 SMG (RIS-Justiz RS0131856 und RS0132184) erweist sich die gesonderte Annahme eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 1 SMG (B X) und eines Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (B VIII) als verfehlt.

[23]           Der Angeklagte Siegfried H***** wiederum wurde aufgrund der im Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen XXXIV und XXXV sowie der in den uneigentlichen Zusatzfragen 6 und 7 festgestellten Tatsachen (US 57 bis 61) – soweit hier von Bedeutung – in Bezug auf das Überlassen einer die Grenzmenge, nicht aber das 15-Fache der Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmenge verfehlt des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (K XXXIV) und des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (K XXXV) statt – mit Blick auf den im Wahrspruch für den in Rede stehenden Tatzeitraum festgestellten Additionsvorsatz – richtig nur eines Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

[24]     Mangels Auswirkung auf die hinsichtlich der beiden vorgenannten Angeklagten jeweils zutreffend erfolgte Strafrahmenbildung stellen die aufgezeigten Subsumtionsfehler (Z 12) per se keinen Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO dar. Da das Erstgericht das Zusammentreffen von drei Verbrechen mit einem Vergehen (F*****, US 129) und von zwei Vergehen (H*****, US 135) aber jeweils als erschwerend wertete, wirkt sich der – von den Angeklagten selbst nicht geltend gemachte – Rechtsfehler bei der Strafbemessung jeweils nachteilig aus (Z 13) und führt zur Aufhebung der die Genannten betreffenden Strafaussprüche und des zugleich ergangenen Beschlusses auf Absehen vom Widerruf einer Klaus F***** gewährten bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit (§ 290 Abs 1 zweiter Satz iVm §§ 285e, 344 StPO).

[25]     Insoweit war die Staatsanwaltschaft mit ihren Rechtsmitteln auf diese Entscheidung zu verweisen.

[26]     Im zweiten Rechtsgang (RIS-Justiz RS0120606) ist das Landesgericht als Schöffengericht (vgl RIS-Justiz RS0100318 und RS0100271) aufgrund der Klarstellung des Obersten Gerichtshofs bei der Neubemessung der Strafen nicht an den insoweit fehlerhaften Ausspruch über das anzuwendende Strafgesetz gebunden (RIS-Justiz RS0129614 [T1]).

[27]           Die Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten Jovica T***** sowie der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieses Angeklagten und der Angeklagten Rafail Ka*****, Marijo F***** und Sanja Pe***** kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3, 344 StPO).

[28]     Mit Blick auf diese Entscheidung sei zum Schuldspruch A I des Jovica T***** hinzugefügt:

[29]           Den im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen zufolge verkaufte Jovica T***** sukzessiv jeweils für sich die Grenzmenge nicht übersteigende Suchtgiftmengen im Rahmen einer – nur infolge Zusammenrechnung die Überschreitung (insgesamt eines 25-Fachen) der Grenzmenge erreichenden – tatbestandlichen Handlungseinheit (US 3 bis 9). Damit hatte er aber zu keinem der Begehungszeitpunkte „bereits zwei solche“ – nämlich nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG zu beurteilende – „Taten begangen“ (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB; dazu im gegebenen Zusammenhang 13 Os 78/17w; zur in Abkehr von früherer Rechtsprechung verneinten rechtlichen Möglichkeit mehrfacher Verwirklichung jenes Tatbestands auf die festgestellte [Begehungs-]Weise siehe 12 Os 21/17f [verst Senat], RIS-Justiz RS0131856). Die den beiden ausländischen, aus den Jahren 2008 und 2009 stammenden, Vorstrafen (US 8) zu Grunde liegenden Taten mögen zwar als „solche“ im Sinn des § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB sowie als „Straftaten nach § 28a Abs 1 SMG“ (§ 28a Abs 2 Z 1 SMG) anzusehen sein, liegen aber jedenfalls außerhalb des von § 70 Abs 3 StGB geforderten zeitlichen Zusammenhangs und scheiden solcherart als qualifikationsbegründend nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG aus (RIS-Justiz RS0130966). Hiervon ausgehend ist die Unterstellung der (einen) vom Schuldspruch umfassten Tat nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG verfehlt (§ 345 Abs 1 Z 12 StPO). Anlass für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO bietet dieser Subsumtionsfehler aber nicht, weil er per se keinen Nachteil im Sinn dieser Bestimmung darstellt und dem durch die – von diesem Fehler ausgelöste – aggravierende Wertung der Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG (US 127) hergestellten Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StPO im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen ist (RIS-Justiz RS0090885 [T6 und T7]).

[30]     Die Kostenentscheidung, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E130885

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00099.20P.0217.000

Im RIS seit

12.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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