TE OGH 2019/11/27 5Ob119/19i

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Veröffentlicht am 27.11.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R***** N*****, 2. S***** L*****, 3. Dipl.-Päd. M***** G*****, alle vertreten durch die Dr. Ägidius Horvatits Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Mag. A***** Z*****, vertreten durch Dr. Christoph Brandweiner, Dr. Gabriela Brandweiner-Reiter, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Beseitigung (Streitwert 20.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. Mai 2019, GZ 6 R 64/19b-31, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 16. April 2019, GZ 8 Cg 40/18b-26, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

         

         Der Revision wird Folge gegeben.

         Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

         Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 2.127,04 EUR (darin 354,51 EUR an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.963,05 EUR (darin 255,34 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind die Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****, bestehend aus dem Grundstück 2007/5. Die Kläger haben diese Liegenschaft mit Vertrag vom 1./5. April 2011 von der Beklagten gekauft. Zu diesem Zeitpunkt stand auch die Nachbarliegenschaft EZ ***** KG ***** mit dem Grundstück 2007/8 im Eigentum der Beklagten.

Auf der Grenze zwischen beiden Grundstücken liegen zwei Kanalschächte. Diese ragen in beide Grundstücke hinein, liegen aber zum Großteil auf dem Grundstück 2007/5. Die Schächte weisen einen Abstand von 12 m zueinander auf. Die unterirdische Kanalrohrleitung zwischen den beiden Schächten liegt zur Gänze auf dem Grundstück 2007/5. Über diese Kanalrohrleitung werden Schmutzwässer von dem auf dem Grundstück 2007/8 errichteten Haus abgeleitet.

Bei Abschluss des Kaufvertrags vom 1./5. April 2011 waren die Kanalschächte in der Natur ersichtlich und den Klägern auch bekannt. Zu diesem Zeitpunkt war das den Kaufgegenstand bildende Grundstück 2007/5 noch unbebaut und nicht „ausgepflockt“. Eine Kanalrohrleitung wurde im Zug der Kaufvertragsverhandlungen nicht erwähnt, insbesondere kein vom Haus auf dem Nachbargrundstück weg über die Kaufliegenschaft führender Kanalstrang. Die Beklagte wusste, dass ein Kanalstrang in den südlichen der beiden an der Grundstücksgrenze liegenden Kanalschächte führt. Die Beklagte kannte aber weder die genaue Länge noch die Lage dieses Kanalstrangs und ging davon aus, dass dieser noch auf dem Grundstück 2007/8 liegt.

Der Kaufvertrag vom 1./5. April enthielt unter anderem folgende Vereinbarungen:

„I. Die Verkäuferin verkauft und übergibt an den Käufer und Letzterer kauft und übernimmt von Ersteren laut Vermessungsurkunde [...] das Grundstück 2007/5 vorgetragen in der EZ ***** (integrierender Bestandteil dieses Vertrages) [...] um den hiermit vereinbarten Kaufpreis von Euro 195.000,00 (in Worten: einhundertfünfundneunzigtausend) samt allen rechtlichen und physischen Zubehör, wie das Grundstück liegt und steht. Die Käufer beabsichtigen auf dem kaufgegenständlichen Grundstück die Errichtung eines Hauses mit Einfamilienhauscharakter, das in drei Wohneinheiten aufgeteilt wird und zum privaten Eigenbedarf der Käufer verwendet wird.

[...]

II. Die Verkäuferin verpflichtet sich, dafür Sorge zu tragen, dass die diesbezügliche oben genannte Liegenschaft vollkommen geldlastenfrei und bestandfrei übergeben wird. Die Verkäuferin hält diesbezüglich die Käufer vollkommen schad- und klaglos. […]

IV. Der Vertragsgegenstand wird mit allen Rechten und Befugnissen verkauft, wie die Verkäuferin diesen besessen und benutzt hat, oder zu besitzen und benützen berechtigt war.

Die Verkäuferseite haftet weiters dafür, dass der Vertragsgegenstand frei von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten, ausgenommen der im Grundbuchsauszug ersichtlichen, sowie sonstiger Rechte Dritter frei und unbelastet ist.

Die Käuferseite erklärt, den Vertragsgegenstand besichtigt zu haben und über den Zustand voll informiert zu sein und für ihre Zwecke als geeignet befunden zu haben. ...“

In der in den Kaufvertrag integrierten Vermessungsurkunde samt Mappendarstellung und Aufnahme sind weder Kanalleitungen noch Kanalschächte eingezeichnet.

Nach Abschluss des Kaufvertrags errichteten die Kläger auf dem Grundstück 2007/5 ein Mehrparteienhaus. Vor Beginn der Bauarbeiten ließen die Kläger die Grenzen des Grundstücks 2007/5 auspflocken. Dabei wurde für sie zwar erkennbar, dass die beiden Kanalschächte auf der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken 2007/5 und 2007/8 liegen. Dass die Kanalrohrleitung zwischen den beiden Kanalschächten als Teil des Kanalstrangs, der vom Wohnhaus auf der Nachbarliegenschaft in den südlichen Kanalschacht führt, auf ihrem Grundstück 2007/5 liegt, erfuhren die Kläger aber erst im Jahr 2017.

Seit dem Einbringungsvertrag vom 18. September 2014 steht das Nachbargrundstück 2007/8 nicht mehr im Eigentum der Beklagten, sondern im Eigentum der A***** GmbH. Gesellschafterinnen dieser GmbH sind die Beklagte und deren Tochter, Geschäftsführerin nur die Tochter der Beklagten.

Die Kläger begehrten, die Beklagte (sinngemäß) dazu zu verpflichten, den über das Grundstück 2007/5 verlaufenden Schmutzwasserkanal, der das auf der Nachbarliegenschaft errichtete Wohnhaus mit dem öffentlichen Kanalnetz verbindet, auf ihre Kosten zu entfernen und in dem Bereich, auf dem die für die Entfernung notwendigen Grabungsarbeiten durchgeführt wurden, den früheren Kulturzustand wiederherzustellen. Die Kläger räumten der Beklagten zugleich die Möglichkeit ein, sich von dieser Beseitigungsverpflichtung durch Bezahlung eines Entschädigungsbetrags von 20.000 EUR und die Übernahme der Verpflichtung, die zukünftigen Wartungs- und Instandhaltungskosten zu tragen, zu befreien.

Die Beklagte als Verkäuferin hafte aufgrund der ausdrücklichen vertraglichen Zusage dafür, dass der gekaufte Baugrund frei und unbelastet von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten, ausgenommen der im Grundbuchsauszug ersichtlichen, sowie frei von sonstigen Rechten Dritter sei. Die Beklagte habe die Kläger nicht darüber informiert, dass über das Grundstück ein Schmutzwasserkanal für das auf der Nachbarliegenschaft errichtete Wohnhaus verlaufe. Dies sei auch nicht offenkundig gewesen. Erst nach Errichtung des Hauses und Vermessung hätten die Kläger festgestellt, dass sich ein Kanaldeckel zum Teil auf ihrem Grundstück befinde. Daraus ergebe sich aber noch nicht die Lage des Kanalstrangs. Die Kläger seien vielmehr davon ausgegangen, dass es sich dabei um einen Kanalschacht für einen über das Nachbargrundstück führenden Kanalstrang handle. Erst im Zuge der Kollaudierung für das von ihnen fertiggestellte Haus im Frühjahr 2017 seien die Kläger darauf aufmerksam gemacht worden, dass auch der Kanalstrang über ihr Grundstück verlaufe.

Die Beklagte bestritt und beantragte die Abweisung der Klage. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags sei die (damals in ihrem Eigentum stehende) Nachbarliegenschaft bereits über den nun beanstandeten Kanalstrang an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen gewesen. Aufgrund eines Kanaldeckels, der zum überwiegenden Teil auf dem Grundstück der Kläger liege, sei damals klar ersichtlich gewesen, dass ein Teil dieses Abwasserkanals über das von den Klägern erworbene Grundstück führte. Zufolge dieser Offenkundigkeit bestehe zugunsten der Nachbarliegenschaft eine Dienstbarkeit. Im Zusammenhang mit dem Ansuchen um Baubewilligung für den Kanalanschluss des Hauses der Kläger hätten die Streitteile eine entsprechende Dienstbarkeit zudem konkludent vereinbart. Die Beklagte sei daher nicht verpflichtet, den Teil des auf dem Grundstück der Kläger liegenden Kanals zu entfernen. Die Klageführung sei außerdem schikanös, weil die Kläger aufgrund des bestehenden Kanals keinen Nachteil hätten. Das Beseitigungsbegehren der Kläger scheitere schließlich schon daran, dass die Beklagte nicht (mehr) Eigentümerin der Nachbarliegenschaft sei.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es verpflichtete die Beklagte dazu, den über das Grundstück der Kläger verlaufenden Teil des Schmutzwasserkanals auf ihre Kosten zu entfernen und im Bereich, auf dem die für die Entfernung notwendigen Grabungsarbeiten durchgeführt wurden, den früheren Kulturzustand wiederherzustellen. Die der Beklagten eingeräumte Lösungsbefugnis nahm es nicht in seinen Spruch auf.

Die Beklagte habe im Kaufvertrag zugesichert, die Liegenschaft sei lastenfrei. Der Schmutzwasserkanal, der über die Liegenschaft der Kläger führe, sei in der Natur nicht erkennbar gewesen. Aus dem Umstand, dass sich auf der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken 2007/5 und 2007/8 zwei Kanaldeckel befänden, ergebe sich noch nicht zwingend, dass diese beiden Kanalschächte durch ein Kanalrohr verbunden seien, und auch nicht, dass die Rohrleitung zwischen beiden Schächten zur Gänze auf dem Grundstück 2007/5 liege. Vielmehr hätten die Kläger aufgrund der Zusicherung im Kaufvertrag durch die Beklagte davon ausgehen können, dass das Kaufgrundstück lastenfrei und somit auch nicht durch fremde Kanalstränge belastet sei. Die Kläger hätten daher gemäß § 523 ABGB einen Beseitigungsanspruch gegenüber der Verkäuferin, und zwar unabhängig davon, ob diese von der Kanalleitung gewusst habe oder nicht. Es sei nicht schädlich, dass die Beklagte das Grundstück 2007/8 zwischenzeitig in eine GmbH eingebracht habe. Der Beseitigungsanspruch aus § 523 ABGB richte sich gegen den Störer. Das sei nicht der aktuelle Eigentümer des Nachbargrundstücks, sondern eben die Beklagte als Verkäuferin der Liegenschaft. Aus dem Einreichprojekt für die Bewilligung eines Kanalanschlusses für das Grundstück der Kläger sei keine konkludente Zustimmung der Kläger für eine Kanalführung der Beklagten auf ihrer eigenen Liegenschaft abzuleiten. Auch der von der Beklagten erhobene Schikaneeinwand gehe ins Leere. Die Kläger seien durch einen 12 Meter langen Kanalstrang auf ihrer Liegenschaft sehr wohl beeinträchtigt. Für die Erhaltungsarbeiten seien möglicherweise Grabungsarbeiten erforderlich und bei Undichtheiten der Kanalleitung sei eine Verunreinigung ihres Grundstücks denkbar. Auch die Nutzung der Fläche über dem Kanalstrang sei eingeschränkt. Den Klägern könne daher keine Schädigungsabsicht unterstellt werden, wenn diese auf die vereinbarte Lastenfreiheit der Liegenschaft bestünden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab.

Die Kläger hätten mit ihrer Klage einen vertraglichen Anspruch geltend gemacht. Die actio negatoria gemäß § 523 ABGB sei kein vertraglicher Anspruch. Selbst wenn man die Klage, wie das Erstgericht, (auch) als eine solche Eigentumsfreiheitsklage verstehen wollte, bilde § 523 ABGB hier keine taugliche Anspruchsgrundlage. Schon nach dem Vorbringen der Kläger falle der Beklagten kein unberechtigter Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger zur Last, weil sie vor dem Verkauf an die Kläger Eigentümerin der Kaufliegenschaft gewesen sei und zufolge §§ 354, 362 ABGB auf ihrem eigenen Grund und Boden Kanalstränge nach ihrem Belieben verlegen habe können, ohne in fremdes Eigentum einzugreifen. Da die Beklagte das Nachbargrundstück 2007/8 bereits vor Prozessbeginn in eine GmbH eingebracht habe und nicht mehr Eigentümerin dieses Grundstücks sei, sei sie für eine actio negatoria auch nicht passiv legitimiert.

Die Beklagte als Verkäuferin habe den Klägern als Käufern die Lastenfreiheit der Kaufliegenschaft zugesichert. Daher könnte ein Rechtsmangel in Form einer Dienstbarkeit eines Dritten vorliegen und das Klagebegehren aus dem Rechtsgrund der Gewährleistung berechtigt sein. Ob der Eigentümer des Nachbargrundstücks 2007/8 hier tatsächlich eine Dienstbarkeit auf Führung eines Kanalstrangs unter der Kaufliegenschaft habe, brauche aber nicht entschieden zu werden. Im Fall des Bestehens einer Dienstbarkeit hätte die Beklagte ihre vertragliche Zusicherung der Lastenfreiheit nicht erfüllt. Die damit begründete Vertragshaftung der Beklagten könne für die Lastenfreiheit nicht darin bestehen, dass sie mit Baumaschinen in das Kanal-Leitungsrecht eines Dritten eingreifen müsse, möge sie auch an diesem als Minderheitsgesellschafterin beteiligt sein. Bestünde ein Kanal-Leitungsrecht zugunsten des Dritten, so wäre der Rechtsmangel der Kaufliegenschaft daher unbehebbar. Bei unbehebbaren Mängeln bestehe aber kein Verbesserungsanspruch. Dass die Kläger die Verbesserung eines Sachmangels der Kaufliegenschaft aus dem Titel der Gewährleistung gemäß § 932 ABGB begehrten, gehe aus ihrem erstinstanzlichen Vorbringen nicht hervor. Ein Sachmangel iSd § 922 Abs 1 ABGB liege hier auch nicht vor. Die Freiheit der Kaufliegenschaft von Kanalrohren sei weder im Kaufvertrag bedungen, noch gehöre diese zu den gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften eines Baugrundstücks im Ortsgebiet, werde doch die Bebaubarkeit des Grundstücks dadurch vor allem dann nicht beeinträchtigt, wenn die Kanalrohre nicht quer unter dem Grundstück, sondern an der Grundgrenze verliefen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob der Gewährleistungsberechtigte wegen eines Rechtsmangels einer Kaufliegenschaft das Entfernen eines Kanalstrangs und das Zuschütten der Künette verlangen könne.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Sie beantragen, die angefochtene Entscheidung abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Kläger als unzulässig zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1.1. Wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, leistet Gewähr, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also dafür, dass die Sache die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, dass sie seiner Beschreibung, einer Probe oder einem Muster entspricht und dass sie der Natur des Geschäfts oder der getroffenen Verabredung gemäß verwendet werden kann (§ 922 Abs 1 ABGB).

1.2. Eine Leistung ist dann mangelhaft im Sinn des § 922 ABGB, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem vertraglich Geschuldeten zurückbleibt. Der geschuldete Vertragsgegenstand wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften bestimmt (RIS-Justiz RS0018547 [T5]). Ob eine Eigenschaft als gewöhnlich vorausgesetzt anzusehen ist, hängt dabei nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen (RS0114333). Die Mangelhaftigkeit eines Leistungsgegenstands ist allerdings nicht abstrakt, sondern immer aufgrund des konkreten Vertrags zu beurteilen (RS0107680, RS0126729). Ein Kaufgegenstand muss demnach der Natur des Geschäfts oder der geschlossenen Verabredung entsprechend benützt und verwendet werden können (RS0114333 [T3]). Die Vertragsparteien können daher eine Sache, die objektiv gesehen mangelhaft ist, durchaus als vertragsgemäß ansehen. Nur wenn eine Vereinbarung über die geschuldeten Eigenschaften des Leistungsgegenstands fehlt, sind die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften der veräußerten Sache maßgebend (RS0107681).

1.3. Sach- und Rechtsmängel werden grundsätzlich gleich behandelt (RS0018480). Sachmängel sind Beeinträchtigungen der Sachsubstanz (1 Ob 105/08k). Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn der Veräußerer dem Erwerber nicht die Rechtsposition verschafft, die er ihm nach dem Vertrag verschaffen hätte müssen (5 Ob 26/17k mwN). Die Beweislast für im Rahmen der Gewährleistung geltend gemachte Sach- und Rechtsmängel trifft grundsätzlich den Erwerber (RS0018553; RS0018687; RS0124755). Für die Bejahung des Rechtsmangels reicht es allerdings bereits aus, dass die Umstände, aus denen er sich ableitet, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen (5 Ob 26/17k mwN). Die Gewährleistungsfrist beginnt bei Rechtsmängeln auch nicht mit dem Tag der Ablieferung der Sache, sondern erst mit dem Tag, an dem der Mangel dem Übernehmer bekannt wird (§ 933 Abs 1 ABGB).

2.1. Das Berufungsgericht zog in Erwägung, dass hier im Hinblick auf die vertragliche Zusicherung der Lastenfreiheit der Kaufliegenschaft ein Rechtsmangel in Form einer Dienstbarkeit eines Dritten vorliegen und das Klagebegehren daher aus dem Titel der Gewährleistung berechtigt sein könnte.

         2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entsteht bei Übereignung einer zweier Liegenschaften desselben Eigentümers, von welchen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, auch ohne spezifische Vereinbarung und Verbücherung eine Dienstbarkeit (RS0119170 [T1]; RS0011618 [T17]; RS0131628; vgl auch RS0011643; RS0011547; RS0011628). Voraussetzung dafür ist, dass im Zeitpunkt der Übereignung des dienenden Grundstücks Anlagen oder sonstige Einrichtungen vorhanden waren, die den Zweck des Dienens offenkundig machten. Der Erwerber der dienenden Liegenschaft muss somit die bisher faktisch bestehende Dienstbarkeit entweder gekannt haben oder er hätte sie wegen ihrer Offenkundigkeit zumindest kennen müssen (RS0011618 [T8, T19, T25]; RS0011547). Für die Erkennbarkeit genügt, dass „vom dienenden Grundstück aus“ bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrgenommen werden konnten, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen (RS0011643 [T13]).

         2.3. Ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben waren und durch die Übereignung der in diesem Sinn dienenden Liegenschaft eine entsprechende Dienstbarkeit entstand, hat hier dahingestellt zu bleiben. Für den daraus abzuleitenden Rechtsmangel sind die Kläger behauptungs- und beweispflichtig. Die Kläger haben das Bestehen einer Dienstbarkeit aber nicht nur nicht behauptet, sie vertreten vielmehr den gegenteiligen Prozessstandpunkt. Damit ist auch nicht von Relevanz, ob der vom Erstgericht bisher dazu festgestellte Sachverhalt eine abschließende Beurteilung dieser Frage zuließe.

3.1. Nach dem Klagebegehren und dem Tatsachenvorbringen, aus dem dieses abgeleitet wird (vgl RS0037522; RS0039255), machen die Kläger aus dem Titel der Gewährleistung die Verbesserung eines Sachmangels der Kaufliegenschaft gemäß § 932 ABGB geltend.

3.2. Gegenstand des Kaufvertrags war ein unbebautes Grundstück und ausdrücklich erklärter Zweck des Liegenschaftserwerbs war die Errichtung eines Hauses mit Einfamilienhauscharakter mit drei Wohneinheiten für den privaten Eigenbedarf der Käufer. Die Verkäuferin übernahm die Haftung dafür, dass die Liegenschaft frei von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten, ausgenommen der im Grundbuchsauszug ersichtlichen, sowie sonstiger Rechte Dritter ist. Vor diesem Hintergrund und angesichts der festgestellten Gegebenheiten vor Ort ist es – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers nicht zu erwarten, dass über das erworbene Baugrundstück ein Schmutzwasserkanal verläuft. Gemessen an der Verkehrsauffassung konnten die Kläger daher berechtigt davon ausgehen, dass der Baugrund frei von solchen Anlagen ist, die die Nutzbarkeit des Grundstücks im Allgemeinen und dessen Bebaubarkeit im Besonderen – je nach Lage und Verlauf mehr oder weniger – beeinträchtigen.

3.3. Für das Fehlen dieser gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaft eines Baugrundes hat die Beklagte daher gewährleistungsrechtlich einzustehen. Auf die Leistungsfreiheit nach § 928 erster Satz ABGB kann sich die Beklagte – abgesehen von der Frage, welche Bedeutung der Vereinbarung der Lastenfreiheit in diesem Zusammenhang zukommt (vgl RS0018508 [T3]) – schon deshalb nicht berufen, weil dieser Sachmangel nach dem festgestellten Sachverhalt nicht augenfällig war. Auch der Schikaneeinwand der Beklagten ist nicht berechtigt. Rechtsmissbrauch liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn das unlautere Motiv einer Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt. Der Schädigungszweck muss so augenscheinlich im Vordergrund stehen, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (RS0025230; RS0026265). Die Beweislast trifft denjenigen, der sich auf den Rechtsmissbrauch beruft, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben. Demjenigen, der an sich ein Recht hat, soll grundsätzlich zugestanden werden, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt (RS0026205 [T4, T6, T9]). Die Beklagte erhob auch keine anderen rechtsvernichtenden Einwände.

4.1. Gemäß § 932 Abs 2 und 4 ABGB kann der Übernehmer (zunächst nur) die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich ist oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre.

4.2. Es liegt am Übergeber (hier also an der Beklagten), sich auf die Unmöglichkeit der Verbesserung oder die Unverhältnismäßigkeit der Kosten zu berufen, also die Einrede der Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit zu erheben, wenn er den Übernehmer auf die sekundären Gewährleistungsbehelfe verweisen will (6 Ob 151/12t [Unverhältnismäßigkeit] = RS0128891; vgl auch RS0034223; RS0034226).

4.3. Die Beklagte hat die Einrede der Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit in erster Instanz nicht erhoben. Die Beklagte verweist zwar darauf, dass sie nicht mehr Eigentümerin jener Liegenschaft sei, der der Schmutzwasserkanal dient, und will daraus ihre mangelnde Passivlegitimation ableiten. Das Fehlen der Eigentümerstellung ist aber nicht gleichbedeutend mit der (rechtlichen) Unmöglichkeit der Verbesserung des Mangels durch Beseitigung des auf dem Grundstück der Kläger verlaufenden Kanalrohrs (vgl zu §§ 878, 920, 1447 ABGB: RS0016423; RS0109496; RS0016378; RS0018391). Unmöglichkeit bedeutet, dass der Leistung ein dauerhaftes Hindernis entgegensteht. Ein solches ist nur anzunehmen, wenn nach der Verkehrsauffassung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden kann (RS0109496 [T6]). Dass der Beklagte zur Erfüllung des ihm auferlegten Gebots der Mitwirkung eines Dritten bedarf, steht der Schaffung des diesbezüglichen Exekutionstitels nicht entgegen (RS0016423 [T7]). Die bloße Behauptung, der Dritte sei nicht bereit auf seine Rechte zu verzichten, genügt nicht, um die behauptete Unmöglichkeit der Leistung darzutun. Es müsste vielmehr vorgebracht und bewiesen werden, dass alles redlich Zumutbare unternommen wurde, um den Dritten zur Mitwirkung zu bewegen, dies allenfalls durch ein – noch nicht übermäßiges – finanzielles Angebot (RS0016423 [T8]).

5.1. Der geltend gemachte Verbesserungsanspruch nach § 932 Abs 2 ABGB besteht daher zu Recht. Der Revision war daher Folge zu geben und das Ersturteil ist im Ergebnis wiederherzustellen. Dazu ist der Vollständigkeit halber anzumerken, dass das Erstgericht die der Beklagten eingeräumte Lösungsbefugnis nicht in den Spruch aufgenommen und damit deren Beurkundung nach § 410 ZPO implizit abgelehnt hat. Mangels Rekurses der Kläger ist diese Ablehnung ihres Beurkundungsantrags in Rechtskraft erwachsen (vgl 6 Ob 71/99f; RS0087388 [T1]; RS0112038; RS0041477; RS0041484).

5.2. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E127104

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00119.19I.1127.000

Im RIS seit

24.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.08.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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