TE OGH 2018/6/21 12Os46/18h

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Veröffentlicht am 21.06.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Norbert K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Gabor V*****, Laszlo M***** und Andras B***** sowie über die Berufung des Angeklagten Attila Ke***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 3. November 2017, GZ 25 Hv 93/17y-698, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten Gabor V*****, Laszlo M***** und Andras B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche weiterer Angeklagter sowie rechtskräftige Freisprüche und einen Verfolgungsvorbehalt enthält, wurden Gabor V***** und Laszlo M***** jeweils des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (A./1./, 3./, 5./), Andras B***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (A./2./ und 3./) und Gabor V***** und Andras B***** überdies jeweils des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 zweiter Fall, Abs 3 erster Fall StGB (B./1./ und 2./) schuldig erkannt.

Danach haben – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant –

A./ mit dem Vorsatz, sich sowie ihre Auftraggeber durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, andere durch Täuschung über Tatsachen, nämlich indem sie jeweils unter Vorlage entsprechender, auf nachgenannte Sub-Frachtführer ausgefertigter Frachtpapiere gegenüber Mitarbeitern nachangeführter Versende-Unternehmen vorgaben, die zu übernehmenden Ladungen entsprechend den von den Sub-Frachtführern übernommenen Aufträgen sowie den vorgelegten Frachtpapieren an die jeweiligen Empfänger abzuliefern, zu Handlungen, nämlich jeweils zur Überlassung von Ladungen verleitet, wodurch die Eigentümer der Ladungen an ihrem Vermögen geschädigt wurden, wobei Andras B***** in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges Einkommen zu verschaffen (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB), und zwar:

1./ Laszlo M*****

a./ am 2. Juni 2014 in H***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit abgesondert Verfolgten als Mittäter (§ 12 StGB) Bedienstete der M***** GmbH unter Vorlage entsprechender Frachtpapiere über den von der Br***** s.r.o. übernommenen Frachtauftrag zur Überlassung von drei für Empfänger in Ungarn und der Slowakei bestimmten Ladungen Gießwalzdraht im Gesamtwert von etwa 386.000 Euro;

b./ am 2. Dezember 2015 in L***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei unbekannten Lenkern als Mittäter (§ 12 StGB) Bediensteten der L***** s.t.l. unter Vorlage entsprechender Frachtbriefe über den von der LK***** s.r.o. übernommenen Frachtauftrag zur Überlassung von drei für die Mo***** AG bestimmten Ladungen Kupferkathoden im Gesamtwert von 300.000 Euro;

c./ am 5. April 2016 in Li***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit abgesondert Verfolgten als Mittäter (§ 12 StGB) Bedienstete der P***** s.r.l. unter Vorlage entsprechender Frachtpapiere über den von der La***** Kft. übernommmenen Frachtauftrag zur Überlassung von vier für die Mo***** AG bestimmten Ladungen Kupferkathoden im Gesamtwert von 440.000 Euro;

2./ Andras B*****

a./ am 27. Jänner 2016 in Li***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei Mittätern (§ 12 StGB) Bedienstete der C. ***** s.r.l. unter Vorlage entsprechender Frachtpapiere über den von der T*****Kft. übernommenen Frachtauftrag zur Überlassung von drei für die Mo***** AG bestimmten Ladungen Kupferkathoden im Gesamtwert von etwa 280.000 Euro;

b./ am 15. April 2016 in P***** Bedienstete der Ko***** a.s. unter Vorlage entsprechender Frachtpapiere über den von der F***** Kft. übernommenen Frachtauftrag zur Überlassung von für das Unternehmen Ba***** in L***** bestimmten 24.684 kg Bleibarren im Wert von etwa 46.000 Euro;

c./ am 5. Oktober 2010 in S***** Bedienstete der Bo***** GmbH unter Vorlage entsprechender Frachtpapiere über den von der A***** übernommenen Frachtauftrag zur Überlassung von für eine Empfängerin in Frankreich bestimmtem Kunststoffgranulat im Wert von 27.249 Euro;

3./ Andras B***** und Gabor V***** am 13. April 2016 in Li***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) Bedienstete der Pa***** s.r.l. unter Vorlage entsprechender Frachtpapiere über den von der F***** Kft. übernommenen Frachtauftrag zur Überlassung von zwei für die Mo***** AG bestimmten Ladungen im Gesamtwert von cirka 192.000 Euro;

5./ Gabor V***** am 4. August 2016 in B***** Bedienstete der Mo***** AG unter Vorlage entsprechender Frachtpapiere über den von der Ket***** s.r.l. übernommenen Frachtauftrag zur Überlassung von einer für eine Empfängerin in Italien bestimmte Ladung Kupferkathoden im Gesamtwert von 110.000 Euro, wobei der von ihm gelenkte Sattelzug mit 25.175 kg Kupferkathoden beladen wurde;

B./ sich als Mitglied an einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs 2 StGB) beteiligt, und zwar:

1./ Andras B***** durch die zu A./2./c./ genannte Tat;

2./ Gabor V***** durch die zu A./5./ genannte Tat.

Die dagegen von Gabor V***** aus Z 1, Z 5, Z 9 lit a, Z 9 lit b und Z 10, von Laszlo M***** aus Z 5, Z „9“ und Z 10 und von Andras B***** aus Z 3 und Z 4 jeweils des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gabor V*****:

Die Besetzungsrüge (Z 1) bringt vor, der beisitzende Berufsrichter hätte nicht der gesamten Hauptverhandlung beigewohnt.

Dieser Einwand trifft nicht zu, weil nach dem ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungsprotokoll am 2. November 2017 die Neudurchführung des Verfahrens wegen geänderter Gerichtsbesetzung gemäß § 276a StPO beschlossen (ON 696 S 3) und auch tatsächlich durchgeführt wurde (RIS-Justiz RS0099052). Indem der Rechtsmittelwerber rügt, das Protokoll über den Hauptverhandlungstermin vom 30. Oktober 2017 wäre erst nach Urteilsverkündung in Reinschrift übertragen worden, und daher einer Sichtung durch den beisitzenden Berufsrichter entzogen gewesen, wird der angesprochene Nichtigkeitsgrund nicht dargestellt.

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) führt aus, bei der Feststellung, wonach der Mo***** AG ein Schaden von zumindest 110.000 Euro entstanden ist, welcher mittlerweile von der Versicherung des Frachtführers beglichen wurde, wäre die Aussage des Zeugen Marco Bel***** nicht berücksichtigt worden. Damit spricht sie keinen entscheidenden Umstand an (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399), weil es nicht darauf ankommt, ob die Kupferkathoden vertragsgemäß bis zur Ausstellung der Warrants/Optionsscheine im Eigentum der Mo***** AG bleiben sollten, und ob vereinbart war, dass Risiko und Eigentum an der Ware bei der Übergabe an den Frächter an den Empfänger übergehen, ob der Schaden schließlich von einer Versicherung gedeckt wurde und welches „Schicksal“ die Ware in der Slowakei erfuhr (RIS-Justiz RS0115685 [T2]; Kirchbacher in WK2 StGB § 146 Rz 77, 79, 101).

Indem die Mängelrüge (Z 5) betreffend die Feststellungen zur subjektiven Tatseite lediglich auf eine Passage aus den erstgerichtlichen Erwägungen Bezug nimmt, wonach der Rechtsmittelwerber sich die Übergabe der Ladung in der Slowakei nicht bestätigen ließ, orientiert sie sich nicht an der Gesamtheit der Beweiswürdigung (insbesondere US 105 ff) und verfehlt damit die prozessordnungskonforme Darstellung des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0119370).

Weshalb das dem Angeklagten zu A./3./ angelastete Betrugsgeschehen bei dem hier festgestellten effektiven Verlust an Vermögenssubstanz, den die Mo***** AG (mit Sitz in Österreich) bzw – zufolge Schadensüberwälzung (vgl RIS-Justiz RS0131390, RS0092095) – die Ve***** GmbH (ebenfalls mit Sitz in Österreich) als spezifische Folge des deliktischen Geschehens erlitten (US 21 f, 111 f, vgl RIS-Justiz RS0116672), als Auslandstat des ungarischen Angeklagten nicht in Österreich zu verfolgen sein sollte, macht die Rechtsrüge („Z 9a, b“) mit dem bloßen Hinweis auf §§ 64 und 65 StGB nicht klar (vgl §§ 67 Abs 2 StGB; RIS-Justiz RS0092073, RS0092024, RS0091853, RS0091861, RS0092066; Salimi in WK2 StGB § 67 Rz 29 ff).

Die zu A./5./ des Schuldspruchs erstattete Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht dar, weshalb die Tatrichter dazu Feststellungen hätten treffen müssen, „was der Angeklagte zum weiteren Schicksal der Ladung nach ihrer Übergabe in der Slowakei wusste und sich damit abfindend ernsthaft für möglich hielt“. Aus welchem Grund die zur inneren Tatseite auf US 51 getroffenen Konstatierungen nicht ausreichen sollten, erklärt der Rechtsmittelwerber nicht.

Zu A./3./  des Schuldspruchs behauptet die Subsumbtionsrüge (Z 10), es hätte ein Günstigkeitsvergleich mit dem „anzuwendenden italienischen Tatortrecht“ vorgenommen werden müssen, lässt dabei jedoch außer Acht, dass der Erfolg im Inland eingetreten ist (§ 67 Abs 2 StGB; RIS-Justiz RS0116565).

Inwiefern betreffend A./3./ des Schuldspruchs „aufgrund der Tatsache, dass die Ware von den Mo***** mit der Transportklausel FCA versendet wurde und damit die Ware, die zwar im Eigentum der Mo***** blieb, doch bereits auf Risiko des Empfängers in Triest unterwegs war“, das Erstgericht hätte prüfen müssen, ob und wann eine Zueignung der Ware erfolgt ist und damit allfällig eine Unterschlagung durch die Weitergabe der Ware in der Slowakei vorlag, wird nicht klar. Der Rechtsmittelwerber macht nicht deutlich, welche konkreten Feststellungen vermisst werden und welche rechtliche Konsequenz daraus aus dem Gesetz abzuleiten wäre (vgl RIS-Justiz RS0118580, RS0116569).

Weshalb eine genauere Bezifferung des zu A./3./ eingetretenen Schadens bei einer 300.000 Euro jedenfalls übersteigenden Gesamtschadenssumme erforderlich sein sollte (vgl RIS-Justiz RS0106268 [T1], RS0116586 [T3], RS0099497 [T16]), wird von der Beschwerde nicht nachvollziehbar erklärt, zumal sie übergeht, dass das Schöffengericht zu dem angesprochenen Schuldspruchpunkt eine Schadenshöhe von zumindest 192.000 Euro konstatierte (US 37).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Laszlo M*****:

Die Mängelrüge behauptet das Fehlen einer Begründung für die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Z 5 vierter Fall), verkennt dabei jedoch, dass der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wissen und Wollen keineswegs unzulässig, sondern bei einem – wie hier – weitgehend leugnenden Angeklagten in der Regel methodisch gar nicht zu ersetzen ist (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882; US 66, 105 ff).

Die Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 „Z 9 und 10“ StPO werden bloß nominell angesprochen, ohne dazu ein inhaltliches Vorbringen zu erstatten, weshalb diesbezüglich auf die Beschwerde keine Rücksicht zu nehmen war (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Andras B*****:

Die Verfahrensrüge (Z 3) behauptet eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und verweist darauf, dass die Angeklagten – nach Neudurchführung der Hauptverhandlung wegen geänderter Senatsbesetzung (§ 276a StPO; ON 696 S 3) – am 2. November 2017 zwar neuerlich vernommen wurden, dabei jedoch ihre bisherigen Angaben „nicht zur Gänze wiederholten“, sondern „weitgehend“ auf ihre Angaben in der (früheren) Hauptverhandlung am 30. Oktober 2017 verwiesen.

Damit zeigt die Beschwerde, die gar nicht behauptet, es wäre das Protokoll der Hauptverhandlung vom 30. Oktober 2017 unzulässig verlesen und damit die darin enthaltenen Angaben der Angeklagten unter Umgehung von Verlesungs- oder Vorführungsvorschriften in das Beweisverfahren eingebracht worden (vgl Lendl, WK-StPO § 258 Rz 9), keinen Verstoß gegen § 252 Abs 1 StPO auf. Soweit der Rechtsmittelwerber einen Verstoß gegen § 252 Abs 2 StPO behauptet, verkennt er, dass die im angesprochenen Hauptverhandlungsprotokoll enthaltenen Aussagen der Angeklagten nicht zu jenen Schriftstücken zählen, die gemäß der angesprochenen Bestimmung verlesen werden müssen.

Kritik an einer – § 258 Abs 1 StPO widersprechenden – Berücksichtigung bestimmt zu bezeichnender Aktenstücke bei der Urteilsbegründung ist aus Z 5 vierter Fall des § 281 StPO geltend zu machen (Lendl, WK-StPO § 258 Rz 9; Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 8). Der Rechtsmittelwerber behauptet jedoch gar nicht, dass das Urteil betreffend eine konkrete entscheidende Tatsache auf eine im Hauptverhandlungsprotokoll vom 30. Oktober 2017 protokollierte Aussage gegründet worden wäre, die in der neu durchgeführten Hauptverhandlung nicht vorgekommen sei.

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde nominell § 281 Abs 1 Z 4 StPO anführt, macht sie weder geltend, dass über einen Antrag des Angeklagten nicht erkannt, noch dass gegen seinen Antrag oder Widerspruch ein Zwischenerkenntnis gefällt worden wäre, weshalb auch dieser Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungskonform dargestellt wird.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E122057

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00046.18H.0621.000

Im RIS seit

18.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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