TE OGH 2020/10/22 5Ob95/20m

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Veröffentlicht am 22.10.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. N*****, 2. H***** und 3. S*****, alle vertreten durch Mag. Simon Pöschl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch Mag. Norbert Tanzer, Rechtsanwalt in Telfs, wegen Unterlassung und Beseitigung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. Oktober 2019, GZ 4 R 145/19f-34, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Telfs vom 10. April 2019, GZ 2 C 742/17z-30, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird mit der Maßgabe bestätigt, dass es in Spruchpunkt 4. des Ersturteils lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, es zu unterlassen, jene Allgemeinflächen der Liegenschaft EZ ***** KG *****, die nicht von der Benützungsregelung gemäß § 17 WEG 2002 gemäß Punkt VI. des Kaufvertrages vom 14. 1. 2005 erfasst sind, mittels Videokamera zu überwachen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 958,58 EUR (darin enthalten 159,76 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger und der Beklagte sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****. Mit den Miteigentumsanteilen des Beklagten ist Wohnungseigentum am Objekt Top 4 und an der Garage Top 8 verbunden.

Nach einer im Grundbuch gemäß § 17 Abs 3 WEG ersichtlich gemachten Benützungsregelung ist der Beklagte berechtigt, eine planmäßig dargestellte, unverbaute Fläche der Liegenschaft ausschließlich zu nutzen und auf dieser eine Garage und an der Liegenschaftsgrenze eine Gartenmauer zu errichten. Er hat die ursprünglich bestehende Terrasse abgegraben, an deren Stelle eine Doppelgarage und auf dieser eine Terrasse neu errichtet. Er installierte eine Videokamera, die jedenfalls bis zur Klageerhebung so eingestellt war, dass auch die nördlich der von der Benützungsregelung umfassten Fläche liegenden Allgemeinbereiche überwacht wurden. Der Umfang des Aufnahmebereichs ist durch Verstellen des Objektivs der Überwachungskamera leicht veränderbar.

Der Beklagte übt an der Liegenschaftsadresse das Gewerbe für Metalltechnik, eingeschränkt auf die Wartung der Nass- und Trockenleitungen von Wandhydranten für einjährige und vierjährige Überprüfungen aus. Aus diesem Grund lagert er in der Garage Top 8 in Kartons verpackte Feuerlöscher, die gelegentlich mit Lkws angeliefert werden. Er ist leidenschaftlicher Motocross-, Fahrrad- und Quadfahrer, wobei er seine Fahrzeuge zum Teil selbst zusammenbaut und wartet. Dazu benützt er die Garage Top 8 sowie die von ihm errichtete Doppelgarage als Hobby- und Bastelwerkstätte, wobei sich in der Garage Top 8 eine Drehbank, ein Hochdruckreiniger, ein als Hebebühne verwendbarer Werktisch sowie eine Metallschneidemaschine befinden. In der von ihm errichteten Doppelgarage sind ein über 2 m hoher und ca 1,5 m breiter Bohrständer, 2 Quads, ein Motocross-Motorrad sowie ein Ford Kastenbus, weiters eine Reifenmontiermaschine und eine ca 1,7 m hohe und 1 m breite Presse sowie ein Schweißgerät untergebracht.

Bei der Ausübung seines Hobbys verursacht der Beklagte teilweise sehr starken Lärm, indem er unter anderem einen Kompressor verwendet und mit den zuvor genannten Maschinen mehrmals wöchentlich, unterschiedlich lange, dreht, flext, fräst und schweißt. Derart verursacht der Beklagte teils länger als 5 Stunden pro Tag massiven Lärm. Es kommt vor, dass er sich auf diese Art ganze Tage in den Garagen beschäftigt und sich dabei zum Teil auch nicht an die von der Gemeinde vorgeschriebenen Ruhezeiten hält. In räumlicher Nähe zur Liegenschaft gibt es niemanden, der ähnlich starken Lärm wie der Beklagte bei seinen Bastelarbeiten verursacht.

Die Kläger begehrten, soweit noch relevant, den Beklagten schuldig zu erkennen, die von ihm geschaffene Doppelgarage samt Terrasse zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, es zu unterlassen, die Garage Top 8 sowie die von ihm errichtete Doppelgarage als Werkstatt zur Verrichtung lärmerzeugender Arbeiten, wie etwa Metall- und Mechanikerarbeiten, Schweißarbeiten etc zu nutzen und es ferner zu unterlassen, Allgemeinflächen der Liegenschaft mittels Videokamera zu überwachen. Sie seien bei Erwerb ihrer Miteigentumsanteile von einer reinen Wohnliegenschaft ausgegangen. Keinesfalls hätten sie eine Generalgenehmigung für bauliche Veränderungen erteilt. Bei einer Bauverhandlung sei ihnen von der Behörde mitgeteilt worden, dass sie (gemeint wohl baurechtlich) gegen die Errichtung der Doppelgarage ohnedies Nichts (erfolgreich) einwenden könnten. Sie seien jedoch mit dem massiven Zubau nicht einverstanden gewesen. Zudem nutze der Beklagte die Doppelgarage nicht als Garage zum Abstellen von Fahrzeugen sondern als Lager und Werkstatt zur Ausübung seines angemeldeten Gewerbes. Die Liegenschaft sei jedoch eine reine Wohnliegenschaft, sodass sie durch die Nutzung der Garage als Werkstatt und der damit verbundenen Lärmbelästigung beeinträchtigt seien. Eine solche Nutzung wäre auch gemäß § 16 WEG zustimmungspflichtig. Der Beklagte habe auf seiner widerrechtlich errichteten Garage eine Videokamera angebracht, die die Allgemeinfläche östlich und nordöstlich des Hauses erfasse und ständig überwache. Die Überwachungskamera erfasse dabei nicht nur den Bereich, der dem Beklagten zur ausschließlichen Benützung zugewiesen sei, sondern auch andere Allgemeinflächen. Sie hätten mit Schreiben vom 30. 11. 2017 die Kündigung der Benützungsregelung aus wichtigen Gründen ausgesprochen, sodass diese aufgelöst sei.

Der Beklagte wendete ein, nach der auch im Grundbuch ersichtlich gemachten Benützungsregelung stehe ihm die ausschließliche Nutzung von unverbauten Flächen der Liegenschaft in einem konkret bezeichneten Umfang zu, wobei er auch berechtigt sei, auf dieser Fläche eine Garage und an der Grenze eine Gartenmauer zu errichten. Es handle sich nicht um eine reine Wohnliegenschaft, weil sie in einem gemischten Wohngebiet liege. Er halte sich bei seinen Aktivitäten an die Ruhezeiten, sodass der Charakter als Wohngebiet, insbesondere durch Lärm, nicht wesentlich beeinträchtigt sei. Die Nutzung der Garage als Hobby- und Bastlerwerkstätte bedürfe keiner Zustimmung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer. Die Videokamera habe er installiert, weil er verstärkt respektlose Eingriffe in sein Eigentum zur Kenntnis habe nehmen müssen. Sie erfasse nur die ihm ausschließlich zur Nutzung vorbehaltenen Flächen.

Das Erstgericht gab den Begehren der Kläger im oben wiedergegebenen Umfang statt. Die Errichtung der gegenständlichen Doppelgarage sei im Hinblick auf ihr Ausmaß und die vorgenommenen Abgrabungen von der Duldungspflicht nicht gedeckt. Die Kläger hätten der Bauführung weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt. Zudem liege ein wichtiger Grund für eine Auflösung der Benützungsvereinbarung vor. Die mit der Ausübung der Tätigkeit des Beklagten verbundene Lärmerregung gehe über das ortsübliche Maß hinaus und sei zu untersagen. Mit der vom Beklagten installierten Videokamera seien zumindest in der Vergangenheit auch Allgemeinflächen überwacht worden, sodass ein Eingriff in absolut geschützte Rechte der Kläger vorliege. Durch eine Änderung der Kameraeinstellung hätte ausgeschlossen werden können, dass Allgemeinflächen erfasst werden, sodass der Beklagte nicht das schonendste Mittel eingesetzt habe, um allfällige Eingriffe in sein Eigentum abzuwehren. Der Überwachungsdruck sei den Klägern nicht zuzumuten.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Beklagten teilweise Folge und wies das Beseitigungs- und Wiederherstellungsbegehren betreffend die Doppelgarage ab; im Übrigen bestätigte es die Entscheidung des Erstgerichts. Es ging ebenso davon aus, dass die Kläger die Benützungsvereinbarung wegen Vorliegens wichtiger Gründe aufgelöst hätten, kam aber zum Ergebnis, dass der Beklagte dem Beseitigungs- und Wiederherstellungsbegehren eine konkludente Zustimmung der Kläger zur Bauführung entgegen halten könne, weswegen das Begehren in diesem Umfang abzuweisen sei. Daraus könne jedoch weder abgeleitet werden, dass der Beklagte – allein aufgrund der vorliegenden Bestimmungen in den schriftlichen Verträgen – auch in Zukunft zu weiteren eigenmächtigen Veränderungen berechtigt wäre, noch dass die „bestandhabenden Baulichkeiten unabhängig vom Bestand der Benützungsvereinbarung in Zukunft im ausschließlichen Benützungsrecht des Beklagten verbleiben“, handle es sich doch nach wie vor um eine Allgemeinfläche, die nur gestützt auf eine gültige Benützungsvereinbarung vom Beklagten ausschließlich genutzt werden dürfte. Ausgehend von diesen Überlegungen erachtete es den Einwand des Beklagten, das von den Klägern zur Videokamera formulierte Unterlassungsbegehren sei überschießend, weil davon auch Flächen erfasst seien, die seiner Sondernutzung unterlägen, als nicht berechtigt. Bis zum Abschluss einer neuen Benützungsvereinbarung oder Ersetzung derselben durch das Gericht fehle es dem Beklagten an einer Rechtsgrundlage zur ausschließlichen Nutzung dieser Flächen. Da die übrigen Miteigentümer durch den Standort oder die Ausrichtung der Videokamera befürchten müssten, dass sie sich im Überwachungsbereich befinden und von den Aufnahmen oder Aufzeichnungen erfasst werden, sei der Eingriff in ihre Privatsphäre unzulässig. Richtig sei, dass die Kläger ihr Unterlassungsbegehren zur Lärmbeeinträchtigung nicht durch zeitliche Einschränkungen, sondern durch Angabe bestimmter Lärmquellen konkretisiert hätten, was hier aber nicht schade, weil die Kläger dieses Begehren nicht nur auf immissionsrechtliche, sondern auch auf wohnungseigentumsrechtliche Bestimmungen gestützt haben. Die Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts zu einer bestimmten Nutzung und das Festhalten daran gehöre zu den absolut geschützten Rechten jedes Wohnungseigentümers. Eine Änderung sei nur nach Maßgabe des § 16 Abs 2 WEG möglich. Da es für die anderen Mit- und Wohnungseigentümer – deren Rechte durch die Einschränkung der eigenmächtigen Widmungsänderungen gewahrt werden sollen – keinen Unterschied mache, ob eine Werkstatt zu gewerblichen Zwecken, oder – wie nach den getroffenen Feststellungen durch den Beklagten – zwar zu privaten Zwecken, aber in einem über eine übliche Heimwerkerwerkstatt bei weitem hinausgehenden Ausmaß genutzt werde, sei von einer unzulässigen Änderung der Widmung weg von einer Nutzung als Wohnung mit Garage hin zu einer zwar nur hobbymäßig betriebenen, aber professionell ausgestatteten Werkstatt auszugehen.

Über Antrag des Beklagten gemäß § 508 ZPO erklärte es die Revision für zulässig, weil „der Frage der Zulässigkeit der Differenzierung zwischen einer Zustimmung zur Bauführung einer Garage und künftigen Alleinnutzung daran allgemein für die Rechtseinheit, Rechtsentwicklung und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung“ zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die von den Klägern beantwortete Revision des Beklagten ist zur Klarstellung zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

1.1 Das Berufungsgericht hat gemäß § 500 Abs 2 Z 1 lit a ZPO ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands je Teilbegehren 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und damit jedes einzelne Klagebegehren, das noch Gegenstand des Verfahrens in zweiter Instanz war, mit einem 5.000 EUR übersteigenden Betrag bewertet.

1.2 Der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts ist grundsätzlich unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend (RIS-Justiz RS0042385; RS0042410 ua), es sei denn, es hätte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt, eine offenkundige Fehlbewertung vorgenommen oder eine Bewertung hätte überhaupt unterbleiben müssen (RS0042450 [T8; T19]; RS0109332 [T1; T3] ua). Das ist hier nicht der Fall, sodass die Revision entgegen der Auffassung der Kläger nicht jedenfalls unzulässig gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist.

2.1 Eine

Benützungsvereinbarung zwischen Miteigentümern bewirkt die Umgestaltung allgemeiner Gebrauchsbefugnisse eines Miteigentümers in Sondernutzungsrechte an bestimmten Sachteilen (RS0029352). Sie gibt ihm das alleinige Nutzungs- und Verfügungsrecht über einen bestimmten Sachteil und ist nur insofern eingeschränkt, als in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen wird oder deren wichtige Interessen beeinträchtigt werden könnten (5 Ob 25/13g mwN). Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass gemäß § 17 Abs 3 letzter Satz WEG im Grundbuch eine Benützungsregelung ersichtlich gemacht ist, nach der dem Beklagten das Recht zur ausschließlichen Nutzung einer mittels eines Plans konkretisierten Fläche der Liegenschaft zusteht und er berechtigt war, auf dieser Fläche eine Garage sowie eine Mauer an der Grundstücksgrenze zu errichten.

2.2 Grundsätzlich zutreffend ist, dass jede Benützungsvereinbarung vom Miteigentümer als Dauerrechtsverhältnis aus wichtigen Gründen aufgelöst werden kann (RS0013628; vgl auch RS0018305). Während eine einvernehmliche Abänderung einer Benützungsregelung jederzeit möglich ist (5 Ob 20/01d; Vonkilch in Vonkilch/Hausmann, Österreichischen Wohnrecht4 § 17 WEG Rz 39), sieht § 17 Abs 2 WEG die gerichtliche Kompetenz zur Abänderung einer bestehenden Benützungsregelung aus wichtigem Grund vor. Streitigkeiten über Benützungsregelungen unter Wohnungseigentümern sind daher im besonderen wohnrechtlichen Außerstreitverfahren abzuhandeln (5 Ob 93/17p). Auch die Aufhebung einer vertraglichen Regelung der Benützung ist als Änderung im Sinn dieser Bestimmung zu verstehen (Kothbauer in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKoWohnrecht § 17 WEG Rz 22). Bei bestehender Benützungsregelung bewirkt eine Antragstellung nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG im Zweifel eine außerordentliche Kündigung einer bestehenden Vereinbarung (RS0013576). Die Entscheidung über die Aufhebung einer vertraglichen Benützungsregelung aus wichtigem Grund erfolgt daher im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren (§ 52 Abs 1 Z 3 iVm § 17 Abs 2 WEG; Vonkilch aaO Rz 33; vgl auch Egglmeier-Schmolke, Schwimann TaKom4 § 838a ABGB Rz 2). Die Bindung daran erlischt erst mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung (Vonkilch aaO Rz 20 mwN; Kothbauer aaO Rz 26).

2.3 Eine einvernehmliche Änderung der im Grundbuch ersichtlichen Benützungsregelung zugunsten des Beklagten liegt nicht vor. Dass sie durch eine rechtskräftige Entscheidung des Außerstreitgerichts aufgehoben oder abgeändert worden wäre, behaupten die Kläger nicht. Damit bindet diese vertragliche Benützungsregelung die Miteigentümer der Liegenschaft aber nach wie vor.

2.4 Eine Neuregelung der von der Benützungsregelung erfassten und der ausschließlichen Nutzung des Beklagten zugewiesenen Flächen war aber ebenso wenig Gegenstand des Verfahrens wie die Aufhebung dieser vertraglichen Regelung. Das Bestehen oder Nichtbestehen einer solchen Benützungsregelung ist für den vorliegenden Rechtsstreit lediglich eine Vorfrage, sodass es entgegen der Ansicht des Beklagten in seinem Rechtsmittel aber weder eine Nichtigkeit noch eine Mangelhaftigkeit begründet, wenn die Vorinstanz in ihrer Entscheidung von einer (wirksamen) außergerichtlichen Aufkündigung der vertraglichen Benützungsregelung aus wichtigem Grund durch die Kläger mit Schreiben vom 30. 11. 2017 ausgegangen ist. Dass das Berufungsgericht diese Vorfrage unrichtig gelöst hat, macht seine Entscheidung nicht nichtig (vgl RS0007429).

3. Mit seinen, auch vom Berufungsgericht als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erachteten Ausführungen zur vertraglichen Vorabzustimmung zielt der Beklagte auf das Beseitigungs- und Wiederherstellungsbegehren betreffend die Doppelgarage ab. Das Berufungsgericht hat diesen Teil des Klagebegehrens von den Klägern unbekämpft abgewiesen. Seine in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen sind damit nicht von Relevanz. Die von ihm in Frage gestellten Ausführungen des Berufungsgerichts, soweit man sie dahin verstehen kann, dass dem Beklagten die (ausschließliche) Nutzung der von der Regelung im Sinn des § 17 Abs 1 WEG erfassten Flächen untersagt sein soll, beruhen – wie bereits dargelegt – auf einer unrichtigen Rechtsauffassung.

4.1 Gemäß § 364 Abs 2 ABGB sind Immissionen soweit unzulässig, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Die Begriffe „örtlich“ und „ortsüblich“ nach dieser Gesetzesstelle sind nicht im Sinn einer politischen Gemeinde zu verstehen, es ist aber auch nicht auf das beeinträchtigte Grundstück allein abzustellen, sondern auf die unmittelbare Umgebung der störenden und der gestörten Liegenschaft (RS0010653; RS0010678 ua).

4.2 Wie das ortsübliche Ausmaß der Immission ermittelt wird, ist ebenso eine Frage des Einzelfalls (RS0014685) wie die Beurteilung der Wesentlichkeit der Nutzungsbeeinträchtigung (RS0010558). Bei einer Lärmimmission ist nicht nur die objektiv messbare Lautstärke, sondern auch die subjektive „Lästigkeit“ maßgeblich, und zwar gemessen am Empfinden eines durchschnittlichen Bewohners des betroffenen Grundstücks. Für diese „Lästigkeit“ ist vor allem auf die Tonhöhe, die Dauer und die Eigenart der Geräusche abzustellen (RS0010557).

4.3 Nach den Feststellungen verursacht der Beklagte Lärm, der das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß bei Weitem übersteigt. Die von ihm produzierte Lärmentwicklung beeinträchtigt die ortsübliche Benutzung der Wohnungen der Kläger wesentlich. Der Beklagte bestreitet auch gar nicht, dass der Tatbestand des § 364 Abs 2 ABGB erfüllt ist, meint aber, dass das Klagebegehren nicht ausreichend bestimmt sei, weil darin weder eine Messeinheit noch zeitliche Vorgaben enthalten seien.

4.4 Das Erfordernis der Bestimmtheit des Klagebegehrens ist eine prozessuale Klagevoraussetzung, deren Vorhandensein auch noch im Rechtsmittelverfahren zu prüfen ist (RS0037469). Der eigentliche Inhalt des nachbarrechtlichen Untersagungsanspruchs ist, dass der Verpflichtete dafür zu sorgen hat, dass sein Nachbar nicht durch Immissionen beeinträchtigt wird, wobei die Art, wie dies zu geschehen hat, ihm überlassen bleibt (RS0004649). Der Begriff der Bestimmtheit eines Unterlassungsbegehrens darf in diesem Zusammenhang nicht all zu eng ausgelegt werden (RS0000845). Wenngleich die Aufnahme des zulässigen Geräuschpegels im Urteilsspruch eines Unterlassungsbegehrens in der Rechtsprechung anerkannt ist, kann ein Unterlassungsbegehren auch dann hinreichend bestimmt sein, wenn – ohne Angabe von Messeinheiten – lediglich die Unterlassung störenden Lärms begehrt wird (RS0037178; vgl auch RS0010509 [T6; T5]). So ist etwa ein auf Unterlassung von die nächtliche Ruhe störenden Lärm im Haus gerichtetes Begehren ausreichend bestimmt, weil nicht bloß der Gesetzestext des § 364 Abs 2 ABGB wiedergegeben, sondern konkret angeführt wird, dass eine Lärmentwicklung im Haus selbst, die die nächtliche Ruhe stört, zu unterlassen ist. Damit wird die Art der verbotenen Immission und der Ort, von dem sie nicht ausgehen dürfe, präzise bezeichnet (1 Ob 594/94; vgl auch 2 Ob 236/99s mwN). Wesentlich ist, dass die Unterlassungspflicht ausreichend deutlich gekennzeichnet ist. Das ist bei dem auf Unterlassung von Lärmimmissionen durch beispielhaft aufgezählte Tätigkeiten, die mit der Verwendung störenden Lärm erzeugender Geräte einhergeht, gerichteten Begehren der Kläger der Fall. Die Störung tritt dann ein, wenn die durch eine derartige Lärmerzeugung objektiv gegebene Erhöhung des Grundgeräuschpegels zu einer subjektiven Lästigkeit für normal empfindende Menschen führt (vgl 1 Ob 594/94). Auf die vom Berufungsgericht thematisierte wohnungseigentumsrechtliche Widmungsänderung kommt es damit nicht mehr an.

5.1 Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein Unterlassungs- und/oder Beseitigungsbegehren berechtigt, wenn der Beklagte das Recht der Kläger auf Achtung ihrer Privatsphäre (Geheimsphäre), das als absolutes Persönlichkeitsrecht Schutz gegen Eingriffe Dritter genießt, verletzt hat (6 Ob 231/16p mwN). Eine solche Verletzung liegt bereits vor, wenn sich ein Betroffener durch die Art der Anbringung einer Überwachungskamera und dem äußeren Anschein einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt fühlt (RS0127583 [T1]). Die Überwachung oder die Schaffung des Eindrucks der Überwachung des eigenen (mit Nutzungsrechten anderer nicht belasteten) Grundstücks wird hingegen grundsätzlich als zulässig angesehen (RS0127583 [T5]).

5.2 Der Beklagte wendet sich nicht grundsätzlich dagegen, dass er die Videoüberwachung von Allgemeinflächen der Liegenschaft zu unterlassen hat, sondern gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass ihm auch die Überwachung der nach der Benützungsregelung ihm zur ausschließlichen Nutzung überlassenen Liegenschaftsteile untersagt sei, weil die Benützungsregelung von den Klägern wirksam aufgekündigt worden sei. Dem kommt schon deshalb Berechtigung zu, weil die Überlegungen des Berufungsgerichts, die Benützungsregelung habe wegen der Kündigung aus wichtigem Grund keine Geltung mehr, auf einem Rechtsirrtum beruhen. Das führt allerdings nicht zu einer (formellen) Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen in diesem Punkt:

5.3 Ein Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist; versehentlich unrichtig formulierte Klagebegehren hat das Gericht richtig zu fassen (RS0037440). Dies gilt auch noch im Stadium des Rechtsmittelverfahrens (RS0037440 [T8]). Dem Vorbringen der Kläger in erster Instanz ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass sie dem Beklagten lediglich die Videoüberwachung jener Allgemeinflächen der Liegenschaft untersagen wollen, die dieser nicht aufgrund einer Benützungsvereinbarung exklusiv für sich beanspruchen kann. Eine andere Bedeutung haben sie ihrem Vorbringen auch nach dem Verweis auf die Auflösung dieser Vereinbarung mit Schreiben vom 30. 11. 2017 nicht beigemessen. Auch das Erstgericht hat das Begehren der Kläger in diesem Sinn verstanden, wie sich aus dessen Begründungszusammenhang ergibt. Demgegenüber ist die Formulierung des Klagebegehrens nach dem vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Verständnis nicht vom Vorbringen der Kläger gedeckt und daher zu weit gefasst. Die Vorinstanzen wären angehalten gewesen, das Klagebegehren richtig zu fassen und dem Beklagten (im Fall der Bejahung eines Anspruchs) nur die Videoüberwachung jener Allgemeinflächen zu verbieten, die nicht seiner Sondernutzung zugewiesen sind. Das ist nachzuholen, sodass die Entscheidungen der Vorinstanzen mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen sind.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E130063

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00095.20M.1022.000

Im RIS seit

16.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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