TE OGH 2018/3/14 13Os134/17f

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.03.2018
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Univ.-Prof. Dr. ***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde, die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 29. Juni 2017, GZ 180 Hv 7/17h-144, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Christandl zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruchs verworfen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldspruchpunkten 4./ und 7./, demzufolge auch in der nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB gebildeten Subsumtionseinheit, im Strafausspruch sowie im Verfallsausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung – ausgenommen jener des Verfallserkenntnisses – wird in der Sache selbst erkannt:

Univ.-Prof. Dr. ***** wird gemäß § 259 Z 3 StPO von dem wider ihn erhobenen Vorwurf freigesprochen, er habe in ***** als Leiter der klinischen Abteilung für Hämatologie der medizinischen Universität ***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz nachgenannte Auftraggeber klinischer Studien durch die wahrheitswidrige Vorgabe, er sei berechtigt, im eigenen Namen sowie im Namen der klinischen Abteilung für Hämatologie Verträge über klinische Studien abzuschließen und Spenden entgegenzunehmen, sowie durch die weitere Vorgabe, bei den Konten bei der B***** mit den Kontonummern ***** handle es sich um Konten der klinischen Abteilung für Hämatologie der Medizinischen Universität *****, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zur Überweisung von Aufwandsentschädigungen, Forschungsgeldern und Sponsorenbeiträgen verleitet, die die Medizinische Universität ***** und die nachgenannten Unternehmen am Vermögen schädigten, wobei er die Tat in der Absicht ausführte, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrügereien in einem jeweils 5.000 Euro übersteigenden Betrag längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, und zwar in mehrfachen Angriffen

1. von 2005 bis 2006 Mitarbeiter der B***** GmbH zur Überweisung von 52.000 Euro in vier Teilzahlungen,

2. von 2007 bis 2010 Mitarbeiter der C***** GmbH zur Überweisung von 36.800 Euro in mehreren Teilüberweisungen.

Univ.-Prof. Dr. ***** hat durch die den verbleibenden Schuldspruchpunkten zugrunde liegenden Taten das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB begangen und wird hiefür nach § 147 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Gemäß § 43a Abs 4 StGB wird ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Im Umfang der Aufhebung des Verfallserkenntnisses wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner Sanktionsrüge wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Verfallserkenntnisses, mit seiner Berufung auf die Strafneubemessung verwiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Angeklagte hat auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Relevanz – Univ.-Prof. Dr. ***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in ***** als Leiter der klinischen Abteilung für Hämatologie der Medizinischen Universität ***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Mitarbeiter nachgenannter Unternehmen durch die wahrheitswidrige Vorgabe, er sei berechtigt, im eigenen Namen sowie im Namen der klinischen Abteilung für Hämatologie Verträge über klinische Studien abzuschließen und Spenden entgegenzunehmen, sowie durch die weitere Vorgabe, bei im Urteil näher bezeichneten Konten handle es sich um solche der klinischen Abteilung für Hämatologie der Medizinischen Universität *****, somit durch Täuschung über Tatsachen, zu nachstehenden Handlungen, nämlich zur Überweisung von Aufwandsentschädigungen, Forschungsgeldern und Sponsorenbeiträgen verleitet, die die Medizinische Universität ***** und die nachgenannten Unternehmen in dem 300.000 Euro übersteigenden Betrag von „EUR 794.011,66 (richtig: EUR 799.095,77)“ am Vermögen schädigten, wobei er die Taten in der Absicht ausführte, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrügereien mit einem jeweils 5.000 Euro übersteigenden Schaden eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, und zwar

1./ am 23. Februar 2005 Mitarbeiter der A***** GmbH zur Überweisung von 5.084,11 Euro;

2./ in mehreren Angriffen ab dem 29. Mai 2007 Mitarbeiter der Am***** GmbH zur Überweisung von insgesamt 84.530 Euro;

3./ im September 2012 Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft M***** GmbH zur Überweisung von insgesamt 21.200 Euro;

4./ im Zeitraum von 2005 bis 2006 in mehreren Angriffen Mitarbeiter der B***** GmbH zur Überweisung von insgesamt 52.000 Euro;

5./ im Zeitraum von 2007 bis 2013 in mehreren Angriffen Mitarbeiter der Ba***** AG/Ba***** GmbH zur Überweisung von insgesamt 133.300 Euro;

6./ am 21. November 2011 Mitarbeiter der Bö***** GmbH & Co KG zur Überweisung von 1.000 Euro;

7./ im Zeitraum von 2007 bis 2010 in mehreren Angriffen Mitarbeiter der C***** GmbH zur Überweisung von insgesamt 36.800 Euro;

8./ im Zeitraum von 2005 bis 2009 in mehrfachen Angriffen Mitarbeiter der F***** GmbH/Fr***** GmbH zur Überweisung von insgesamt 62.300 Euro;

9./ im Jahr 2010 Mitarbeiter der G***** GmbH zur Überweisung von insgesamt 6.500 Euro;

10./ im März 2010 Mitarbeiter der Gl***** GmbH zur Überweisung von 600 Euro;

11./ am 17. Jänner 2008 Mitarbeiter der J***** GmbH zur Überweisung von 20.000 Euro;

12./ am 4. März 2011 und am 19. Juli 2013 Mitarbeiter der K***** GmbH zur Überweisung von insgesamt 4.200 Euro;

13./ vor dem 29. August 2011 Mitarbeiter der Me***** GmbH zur Überweisung von 10.000 Euro;

14./ im Jahr 2012 Mitarbeiter der Med*****gesellschaft zur Überweisung von insgesamt 48.793 Euro;

15./ vor dem 13. Juli 2012 Mitarbeiter der Mo***** GmbH & Co KG zur Überweisung von 1.808,66 Euro;

16./ am 31. August 2007 und im Oktober 2009 Mitarbeiter der N***** GmbH zur Überweisung von insgesamt 25.000 Euro;

17./ im Zeitraum von November 2009 bis Februar 2010 Mitarbeiter der Q***** GmbH/Qu***** GmbH zur Überweisung von insgesamt 730 Euro;

18./ am 20. Oktober 2010 Mitarbeiter der R***** GmbH zur Überweisung von 20.000 Euro;

19./ im Zeitraum von 2005 bis Ende 2009 in mehreren Angriffen Mitarbeiter der Ro***** GmbH zur Überweisung von insgesamt 205.000 Euro;

20./ vor dem 1. Dezember 2005 Mitarbeiter der S***** GmbH zur Überweisung von insgesamt 42.250 Euro;

21./ am 11. April 2013 Mitarbeiter der T***** GmbH zur Überweisung von 5.000 Euro;

22./ vor dem 25. März 2011 Mitarbeiter der W***** GmbH zur Überweisung von 3.000 Euro;

23./ vor dem 2. Mai 2006, dem 12. Juli 2007 und dem 22. April 2008 Mitarbeiter der Wy***** (Div. Wy*****) zur Überweisung von insgesamt 10.000 Euro.

Gemäß § 20 Abs 2 und 3 StGB wurde ein Geldbetrag in der Höhe von 194.011,66 Euro für verfallen erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, „9a“, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet „unvollständige Feststellungen“. Denn dem Urteil sei nicht zu entnehmen, bei welchen Zahlungen es sich um Sponsoringleistungen und bei welchen es sich um solche für Forschungsaufträge, die allenfalls dem Leistungszweck entsprechend die gewünschten Ergebnisse gebracht und damit für den Auftraggeber keinen Vermögensschaden bewirkt hätten, gehandelt habe. Mit diesem nicht weiter substanziierten Vorbringen wird jedoch ein formeller Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gar nicht angesprochen.

Im Übrigen nimmt der Beschwerdeführer damit nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl aber RIS-Justiz RS0119370), wonach bei sämtlichen Zahlungen die Zweckerreichung, nämlich die Förderung der Forschung der Medizinischen Universität ***** (im Folgenden kurz: MedUni *****), nicht hingegen der privaten Forschung des Angeklagten, von vornherein ausgeschlossen war (US 21 f) und auch die MedUni ***** in den genannten Beträgen geschädigt wurde (US 9). Schon deswegen ist die Frage der Schädigung (auch) der Auftraggeber nicht entscheidend (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 f, 421).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) verfehlt ebenso ihr Ziel, indem sie unter Missachtung der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen (vgl aber RIS-Justiz RS0118780) mit isoliertem Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten, die von den Pharmakonzernen erhaltenen Gelder zwar großteils in bar behoben, diese jedoch zwecks Gegenrechnung mit der Universität „am Schluss“ als Reserve gehalten zu haben, die Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz und zur gewerbsmäßigen Tatbegehung (US 13) in Zweifel zieht. Damit übt sie bloß im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässig Beweiswürdigungskritik ohne erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Im Übrigen

ist Bereicherung im Sinn des § 146 StGB jede faktische Vermehrung der Aktiven, Verringerung der Passiven und Ersparnis von Aufwendungen, wenn auch nur vorübergehend und gleichgültig, ob rechtswirksam (SSt 57/2, 56/61; Kirchbacher in WK2 StGB § 146 Rz 120).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) und die in Ansehung der „(Wert-)Qualifikation der §§ 146 ff StPO“ erhobene Subsumtionsrüge (Z 10) relevieren mit jeweils identem Vorbringen wie bereits zur Mängelrüge (Z 5) neuerlich „unvollständige Feststellungen“ bezüglich zweckwidmungsgemäß erbrachter Forschungsleistungen und eines solcherart bei den finanzierenden Pharmaunternehmen nicht eingetretenen Vermögensschadens. Insoweit orientieren sie sich, wie bereits bei der Beantwortung der Mängelrüge dargelegt, prozessordnungswidrig nicht am festgestellten Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810). Auf der Basis der Urteilskonstatierungen verfehlt auch der Hinweis auf 12 Os 88/15f sein Ziel. Denn nach dieser Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist von Strafbarkeit wegen Betrugs auszugehen, wenn eine Subvention unter Angabe falscher Tatsachen erlangt und für einen anderen Zweck als jenen verwendet wird, für den sie gewährt wurde. Das Erstgericht stellte jedoch ausdrücklich fest, dass die Zweckerreichung, nämlich die Förderung der Forschung der MedUni *****, nicht hingegen der privaten Forschung des Angeklagten, von vornherein ausgeschlossen war (US 21 f; vgl auch RIS-Justiz RS0109555).

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zu verwerfen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – davon, dass dem Ersturteil in den Schuldspruchpunkten 4./ und 7./ nicht geltend gemachte Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO anhaftet, die zum Nachteil des Angeklagten wirkt und daher von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Die Staatsanwaltschaft gab unter Punkt I. der Verfügung vom 2. Februar 2017 (ON 1 S 41 f) die Erklärung ab, das Ermittlungsverfahren zu bestimmten, mittels numerischer Aufzählung laut Zwischenbericht des Bundesamts für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung vom 18. März 2015 bezeichneten Betrugsvorwürfen (vgl ON 64, S 141) gemäß § 190 Z 2 StPO einzustellen. Dabei wurden auch jene zum Nachteil der B***** GmbH (Faktum 5./, ON 94 S 197 ff) und der C***** GmbH (Faktum 8./, ON 94 S 453 ff) angeführt. Von dieser Einstellung wurden gemäß § 194 Abs 1 erster Satz StPO der Angeklagte, die MedUni ***** sowie das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung verständigt (Punkt III.). Dennoch erhob die Staatsanwaltschaft unter Punkt IV. der angeführten Verfügung auch hinsichtlich jener Taten Anklage (ON 1 S 42 iVm ON 110 S 2 [Anklagepunkte I./4./ und I./7./]).

Eine gemäß § 190 StPO erfolgte Einstellung eines Ermittlungsverfahrens, dessen formlose Fortführung über Anordnung der Staatsanwaltschaft mit Blick auf § 193 Abs 2 Z 1 StPO (dazu sogleich) nicht mehr möglich ist, entfaltet Sperrwirkung im Sinn des Prinzips „ne bis in idem“ (§ 17 Abs 1 StPO; vgl auch Art 4 des 7. ZPMRK). Eine neue oder weitere Verfolgung desselben Beschuldigten wegen derselben Tat ist (abgesehen von den Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens) – außer in den Fällen der Fortführung nach § 193 Abs 2 Z 2 StPO oder nach §§ 195 f StPO (§ 17 Abs 2 StPO) – nicht mehr zulässig (RIS-Justiz RS0129011, RS0101270; Birklbauer, WK-StPO § 17 Rz 45 f; Nordmeyer, WK-StPO § 190 Rz 20 und § 193 Rz 1 und 3; vgl auch Schroll, WK-StPO § 191 Rz 6 f; Fabrizy, StPO13 § 190 Rz 1a).

Gegen den Angeklagten wurde bereits vor der oben dargestellten, unmissverständlichen Einstellung des Ermittlungsverfahrens Zwang ausgeübt, nämlich in Form der am 19. März 2014, 29. Oktober 2014 und 25. März 2015 durchgeführten Durchsuchungen (ON 11 iVm ON 17 S 273 ff; ON 36 iVm ON 44 S 37 ff) seiner Wohnung und seiner Bankschließfächer (ON 63 iVm ON 79 S 885 ff), der Sicherstellungen (ON 19, 25 iVm ON 37 S 7; vgl auch ON 85 iVm ON 102) und der eingeholten Auskünfte über Bankkonten und Bankgeschäfte (ON 20, 26 f iVm ON 37 S 7 ff; ON 60, 68 iVm ON 79 S 7 ff). Außerdem wurde er am 20. März 2014 und am 28. November 2016 als Beschuldigter wegen dieser Taten vernommen (ON 17 S 359 ff; ON 106 S 379 ff). Daher kommt eine formlose Fortführung gemäß § 193 Abs 2 Z 1 StPO in Ansehung der Betrugsvorwürfe zum Nachteil der B***** GmbH und der C***** GmbH nicht mehr in Betracht (vgl Nordmeyer, WK-StPO § 193 Rz 11 f, 14 ff, 20).

Da zudem nach der Aktenlage eine Anordnung der Fortführung des Verfahrens gemäß § 193 Abs 2 Z 2 StPO oder nach §§ 195 f StPO ausgeschlossen ist, verstoßen die Schuldsprüche zu 4./ und 7./ gegen den in § 17 Abs 1 StPO normierten Grundsatz „ne bis in idem“. Insoweit ist das Urteil mit Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO behaftet. Das Urteil war daher in den Schuldspruchpunkten 4./ und 7./ aufzuheben. Daraus folgt die Aufhebung der nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB gebildeten Subsumtionseinheit und des Strafausspruchs.

Zudem war zur Ermöglichung umfassender Beurteilung des nicht auf einzelne Tathandlungen Bezug nehmenden Verfallsausspruchs dessen Behebung nicht nur im Umfang des mit den Schuldspruchpunkten 4./ und 7./ korrespondierenden Betrags, sondern zur Gänze erforderlich (vgl Ratz, WK-StPO § 289 Rz 3 und 7). Ein Eingehen auf die in Ansehung des Verfallserkenntnisses ausgeführte Sanktionsrüge (Z 11) des Angeklagten erübrigte sich somit.

Im Umfang der Aufhebung der Schuldsprüche 4./ und 7./ war in der Sache selbst zu entscheiden und der Angeklagte freizusprechen.

Bei der dadurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe für die in Ansehung der nunmehr rechtskräftigen Schuldspruchpunkte neu zu bildende Subsumtionseinheit nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB war nach dem Strafsatz des § 147 Abs 3 StGB von einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.

Als erschwerend waren die Vielzahl der Angriffe, die mehrfache Qualifikation, der hohe, das Doppelte der Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB übersteigende Schadensbetrag und der lange Deliktszeitraum zu werten. Mildernd fiel das reumütige und umfassende Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung an die MedUni ***** in Höhe von 600.000 Euro sowie der bisherige ordentliche Lebenswandel des Angeklagten und der Umstand, dass die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen, ins Gewicht. Aus diesen Erwägungen ist eine Freiheitsstrafe von drei Jahren dem verschuldeten Unrecht angemessen.

Mit Blick auf den bis zu den gegenständlichen Taten ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, sein Lebensalter von 70 Jahren sowie den persönlichen Eindruck, den er vor dem Obersten Gerichtshof hinterließ, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Daher war gemäß § 43a Abs 4 StGB ein Strafteil von zwei Jahren unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen.

Im Umfang der Aufhebung des Verfallserkenntnisses war das Verfahren zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird zu berücksichtigen sein, dass die Anwendbarkeit der Bestimmungen über vermögensrechtliche Anordnungen (hier: Verfall nach §§ 20 f StGB) sich nach dem Zeitpunkt richtet, zu dem die Straftat begangen wurde, auf die sich die Maßnahme bezieht (RIS-Justiz RS0119545). Auch vermögensrechtliche Anordnungen unterliegen dem – seitens des Erstgerichts ersichtlich unberücksichtigt gebliebenen – Günstigkeitsvergleich (§ 61 StGB), der auch bei Subsumtionseinheiten nach § 29 StGB für jede Tat gesondert vorzunehmen ist (RIS-Justiz RS0119545; 12 Os 107/13x, 14 Os 29/16w, 15 Os 155/15f, 11 Os 76/17m).

Dabei kann eine vermögensrechtliche Anordnung – bei einem entsprechenden Ergebnis des (allein) auf sie bezogenen (insoweit von der zugrundeliegenden Tat „entkoppelten“) Günstigkeitsvergleichs – auch dann nach vom Urteilszeitrecht verschiedenem Tatzeitrecht zu treffen sein, wenn die Tat selbst einem vom Tatzeitgesetz ebenfalls verschiedenen Urteilszeitgesetz zu unterstellen ist, ohne dass dies eine unzulässige Mischung von Rechtsschichten (vgl RIS-Justiz RS0119085 [insbesondere T4], RS0088953) bedeuten würde (11 Os 76/17m mwN).

Den vom Erstgericht gemäß § 20 Abs 2 und 3 StGB angeordneten (US 5 zweiter Absatz) Verfall in der Fassung des strafrechtlichen Kompetenzpakets (kurz: sKp [BGBl I 2010/108]) gibt es erst seit dem 1. Jänner 2011. Für den Zeitraum davor sah das Gesetz als vergleichbare vermögensrechtliche Maßnahme die Abschöpfung der – nach dem Nettoprinzip zu ermittelnden – (unrechtmäßigen) Bereicherung vor, die zudem nach § 20a Abs 2 Z 3 StGB (idF BGBl I 2004/136) zu unterbleiben hatte, wenn sie das Fortkommen des Bereicherten unverhältnismäßig erschwert oder ihn unbillig hart getroffen hätte. Da das Erstgericht den (ungünstigeren) Verfall ohne Differenzierung nach dem Zeitpunkt der einzelnen Vermögenszuflüsse und damit ersichtlich für Vermögenswerte aus während des gesamten (bis in das Jahr 2005 zurückreichenden) Tatzeitraums begangenen, mit Strafe bedrohten Handlungen anordnete, ist der Ausspruch schon aus diesem Grund nichtig (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO [14 Os 29/16w]).

Im diesbezüglichen neuen Verfahren steht die Entscheidung im Sinn des letzten Satzes des § 445 Abs 2 StPO dem Vorsitzenden des Schöffengerichts als Einzelrichter zu.

Mit seiner Sanktionsrüge war der Angeklagte auf die Aufhebung des Verfallserkenntnisses, mit seiner Berufung auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die bloß angemeldete (ON 145), in der Folge jedoch nicht ausgeführte „Beschwerde“ war mangels erkennbaren Anfechtungsgegenstands zurückzuweisen.

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht;

Textnummer

E121137

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00134.17F.0314.000

Im RIS seit

16.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten