TE OGH 2010/11/9 4Ob146/10i

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Veröffentlicht am 09.11.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch die Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 34.281,43 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 26. Mai 2010, GZ 12 R 130/09i-52, mit welchem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 24. Mai 2009, GZ 10 Cg 104/07y-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in der Abweisung eines Begehrens von 14.883,58 EUR samt Zinsen unter Vorbehalt der Kostenentscheidung als Teilurteil bestätigt.

Im Übrigen, also in der Abweisung eines weiteren Begehrens von 19.397,85 EUR samt Zinsen und im Kostenpunkt, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben, und die Rechtssache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war KFZ-Haftpflichtversicherer eines auf U***** K***** zugelassenen PKW; Versicherungsnehmerin war dessen Mutter A***** K*****. Der Beklagte ist ein Verein, der seinen Mitgliedern unter anderem Pannenhilfe und Abschleppdienste anbietet.

U***** K***** fuhr mit dem Pkw am Abend des 24. August 2005 auf ein anderes Fahrzeug auf. Der Pkw wurde dabei im Frontbereich beschädigt. Er war nicht mehr fahrtüchtig, die Motorhaube war derart verformt, dass sie nicht mehr geöffnet werden konnte. Der Unfall wurde von der Polizei aufgenommen, die Feuerwehr intervenierte nicht. Um den Verkehr nicht weiter zu behindern, schoben U***** K***** und seine Begleiter den Pkw auf den Gehsteig. Die Fahrzeugbatterie wurde nicht abgeklemmt.

Am nächsten Tag trafen sich U***** K*****, M***** K***** und ein weiterer Freund gegen 22:00 Uhr an der Unfallstelle und beratschlagten, was mit dem Wrack geschehen sollte. Sie kamen überein, es zu einer K***** GmbH bringen zu lassen.

M***** K***** war Mitglied des beklagten Vereins. Er rief dort an und ersuchte telefonisch um das Abschleppen des Pkw. Dabei gab er bekannt, dass es sich um ein Unfallfahrzeug handle und sich der Unfall am Vortag ereignet habe. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er den Abschleppauftrag im Namen einer anderen Person erteilt hätte.

Ein Mitarbeiter des Beklagten, der dort nur als Abschleppfahrer, nicht als Pannenfahrer beschäftigt war, holte den Pkw mit einem Lkw ab und brachte ihn zur K***** GmbH. Dort geriet der Pkw in derselben Nacht in Brand, wobei das Feuer auch einen dahinter geparkten Lkw dieser GmbH erfasste und die Fassade eines einer anderen Person gehörenden Gebäudes beschädigte.

Im Verfahren 5 Cg 32/06x des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien machte die K***** GmbH den Schaden am Lkw gegen die hier klagende Versicherung geltend. Diese verkündete dem hier Beklagten den Streit, da dessen Leute beim Abstellen des Fiat Uno fahrlässig gehandelt hätten. Der Beklagte intervenierte nicht. Im Zuge des Verfahrens zahlte die Klägerin 10.009,60 EUR für den Fahrzeugschaden samt Nebenkosten, weiters aufgrund eines Vergleichs 3.000 EUR Verdienstentgang und einen Kostenbeitrag von ebenfalls 3.000 EUR. Ihre eigenen Kosten hatten 2.184,66 EUR betragen. Der Gebäudeversicherung des Hauseigentümers ersetzte sie deren Versicherungsleistung von 16.087,17 EUR.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die oben genannten Beträge, insgesamt daher 34.281,43 EUR. Brandursache sei ein Kurzschluss im Motorraum des Pkw gewesen, der einen Kabelbrand ausgelöst habe. Der Pannenfahrer der Beklagten habe es unterlassen, für das bei einem Totalschadensfall mit stark deformiertem Motorraum gebotene Abklemmen der Batterie (durch entsprechende Aufklärung oder Selbstvornahme) zu sorgen. Aufgrund seiner Fachkenntnis hätte er wissen müssen, welche Gefahr von einem stark beschädigten Motorraum ausgehen könne. Als sachverständiges Unternehmen könne sich die Beklagte nicht auf einen Mangel der besonderen Fachkenntnisse ihres Erfüllungsgehilfen berufen. Hingegen könne einem Laien die Unkenntnis der Brandgefahr nicht vorgeworfen werden.

Sollte tatsächlich M***** K***** den Abschleppauftrag erteilt haben, so liege ein Vertrag zugunsten Dritter vor, weil die Hauptleistung (das Abschleppen) für den Beklagten erkennbar der Versicherungsnehmerin der Klägerin zugute gekommen sei. Der Regressanspruch der Versicherungsnehmerin sei nach § 67 VersVG auf die Klägerin übergegangen. Davon seien wegen der Streitverkündung auch die Kosten des Vorprozesses erfasst

Der beklagte Verein wendet ein, sein Mitglied M***** K***** habe ihn nur mit dem Abschleppen, nicht mit einer Pannenhilfe beauftragt. Beim daraufhin entsandten Mitarbeiter habe es sich daher nicht um einen Pannenfahrer mit Fachkenntnissen, sondern um einen Abschleppfahrer gehandelt, dem die Unkenntnis der Brandgefahr nicht vorgeworfen werden könne. Das Abklemmen der Batterie sei vom Abschleppauftrag nicht erfasst gewesen. Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Beklagten habe kein Vertrag bestanden. Den Auftrag habe M***** K***** erteilt. Auch bei Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter wäre allenfalls das Eigentum der Versicherungsnehmerin geschützt gewesen, nicht aber jene Ansprüche, die die Klägerin befriedigt habe. Die Kosten des Vorprozesses seien nicht regressfähig. Die Höhe des Verdienstentgangs der K***** GmbH werde bestritten.

Das Erstgericht wies die Klage ab. In seinen Feststellungen nahm es an, dass Brandursache „mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 90 %“ der durch den Verkehrsunfall entstandene Schaden in Verbindung mit dem unterbliebenen Abklemmen der Batterie gewesen sei. Das Abklemmen der Batterie sei bei erheblichen Fahrzeugschäden - gemeint: wegen der sonst bestehenden Kurzschluss- und Brandgefahr - eine „vordringliche und unverzichtbare Maßnahme“. Ein schuldhaftes Verhalten liege aber nicht vor. Der Beklagte sei nicht als Pannenhilfe oder Havariedienst eingeschritten, sondern als Abschleppunternehmen. Angesichts der örtlichen Verhältnisse (kein ausgetretener Treibstoff) und des zeitlichen Abstands zwischen Unfall und Abschleppen sei der Mitarbeiter des Beklagten nicht verpflichtet gewesen, über den Transport hinaus Sorgfaltspflichten zu beachten oder eine Sicherungstätigkeit zu entfalten. Selbst wenn der Mitarbeiter des Beklagten das Problem erkannt hätte, wäre es ihm wegen der Verformung der Motorhaube unmöglich gewesen, diese zu öffnen (offenbar gemeint: und die Batterie abzuklemmen).

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision zu.

Zwar sei der beklagte Verein in Bezug auf die von ihm angebotenen Leistungen Sachverständiger iSd § 1299 ABGB. Im Rahmen des hier in Anspruch genommenen Abschleppdienstes sei er daher als fachkundiges Abschleppunternehmen zu behandeln. Von einem solchen Unternehmen, das mehr als 24 Stunden nach einem Verkehrsunfall beauftragt werde, könne aber nicht verlangt werden, einen geschulten KFZ-Techniker zu entsenden, der sich auch darum zu kümmern hätte, ob die Fahrzeugbatterie abgeklemmt worden sei. Vielmehr müsse ein zum Abschleppen entsandter Mitarbeiter nur über jene Fachkenntnisse verfügen, die erforderlich seien, um das Unfallfahrzeug zu bergen und abzutransportieren. Eine vertragliche Nebenpflicht, nachzuforschen, ob die Batterie abgeklemmt wurde, bestehe nicht; dies umso weniger, wenn sich - wie hier - die Motorhaube aufgrund starker Deformationen gar nicht öffnen lasse. Ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten liege daher nicht vor; die Frage der Aktivlegitimation könne aus diesem Grund offen bleiben.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein zu einem Unfallfahrzeug gerufenes Abschleppunternehmen das Abklemmen der Fahrzeugbatterie veranlassen müsse.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist teilweise im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Die Klägerin macht einen nach § 67 VersVG auf sie übergegangenen Anspruch geltend. Diese Bestimmung erfasst über ihren Wortlaut hinaus alle Ansprüche, die der Versicherungsnehmer anlässlich des Versicherungsfalls erwirbt (7 Ob 23/90 = SZ 63/160; RIS-Justiz RS0080594 [T7, T8]). Dazu gehören Ausgleichs-, Rückgriffs- und Bereicherungsansprüche jeder Art (2 Ob 351/69 = SZ 43/15; RIS-Justiz RS0080594, RS0080533), aber auch Schadenersatzansprüche aufgrund von Leistungsstörungen in einem vertraglichen Schuldverhältnis (7 Ob 23/90 = SZ 63/160; RIS-Justiz RS0080594 [T7]; vgl auch Prölss/Martin, VersVG28 [2010] § 86 dVersVG Rz 4 mwN). Entscheidend für den Rechtsübergang ist die Befriedigung des Versicherungsnehmers, die bei der Haftpflichtversicherung durch die Deckung des von diesem zu ersetzenden Drittschadens eintritt (RIS-Justiz RS0081235). Bei Versicherung auf fremde Rechnung (§§ 74 ff VersVG) erfasst der Rechtsübergang auch entsprechende Ansprüche des vom Versicherungsnehmer verschiedenen Versicherten (7 Ob 27/91 = SZ 64/140; RIS-Justiz RS0081312).

2. War der Brand tatsächlich auf einen unfallbedingten Kurzschluss zurückzuführen, hat die Klägerin aufgrund der bestehenden Haftpflichtversicherung Ansprüche der Geschädigten befriedigt, die diesen nach § 1 EKHG gegen den Halter des Pkw zustanden.

2.1. Der Halter haftet für Unfälle „beim Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs. Dieser Begriff ist dahin zu bestimmen, dass entweder ein innerer Zusammenhang mit einer dem Kraftfahrzeugbetrieb eigentümlichen Gefahr oder, wenn dies nicht der Fall ist, ein adäquat ursächlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs bestehen muss (RIS-Justiz RS0022592). Notwendig ist ein zeitlicher, örtlicher und innerer Zusammenhang mit der einem Kraftfahrzeug eigentümlichen Betriebsgefahr. Der Unfall muss also mit einem jener Umstände zusammenhängen, die die Gefährlichkeit der Eisenbahn oder des Kraftfahrzeugs ausmachen und derentwegen die verschuldensunabhängige Haftung festgesetzt ist (4 Ob 578/95 = RIS-Justiz RS0022592 [T7]). Die Betriebsgefahr verwirklicht sich etwa dann, wenn eine Person beim Versuch, einen durch überhitzte Bremsen in Brand geratenen Reifen zu löschen, durch dessen Explosion verletzt wird (2 Ob 13/93 = ZVR 1994/53).

2.2. Das Abbrennen eines Pkw aufgrund eines unfallbedingten Kurzschlusses steht ebenso wie die Explosion eines aufgrund überhitzter Bremsen entzündeten Reifens in einem adäquat ursächlichen Zusammenhang mit einer (beschädigten) Betriebseinrichtung des Fahrzeugs. Anders als bei einer Brandstiftung durch Dritte (2 Ob 108/08h) verwirklicht sich dabei die typische Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs. Es besteht daher kein Zweifel, dass die geschädigten Dritten einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch gegen den Halter des Pkw hatten.

3. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist zwar unklar, ob Halter des PKW die Versicherungsnehmerin oder - als „Zulassungsbesitzer“ - deren Sohn war. Diese Frage ist aber für den Rechtsübergang nach § 67 VersVG unerheblich. Denn mitversichert ist bei der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung nach § 2 Abs 2 KHVG ua auch der vom Versicherungsnehmer verschiedene Halter des Fahrzeugs. Insofern ist der Versicherungsvertrag nach § 11 Abs 1 KHVG für fremde Rechnung geschlossen. Nach der eingangs dargestellten Rechtsprechung (7 Ob 27/91 = SZ 64/140; RIS-Justiz RS0081312) ist daher der mitversicherte Halter für die Anwendung des § 67 VersVG dem Versicherungsnehmer gleichzuhalten. Die Frage, wer tatsächlich der Halter des Pkw war, kann daher offen bleiben.

4. War der Brand tatsächlich auf einen unfallbedingten Kurzschluss zurückzuführen, bestand ein vertraglicher Regressanspruch des Halters gegen den Beklagten, der nach § 67 VersVG auf die Klägerin überging.

4.1. Richtig ist, dass der Auftrag nicht vom Halter (Mutter oder Sohn) erteilt wurde. Das schließt das Bestehen eines Regressanspruchs aber nicht aus: Kommt die Hauptleistung aus einem Vertrag einem Dritten zu, so erfasst die Schutzwirkung des Vertrags grundsätzlich auch reine Vermögensschäden dieses Dritten (7 Ob 514/91 = SZ 64/15; 7 Ob 165/03w = SZ 2003/90; RIS-Justiz RS0020769, RS0017068 [T2, T4, T6]; zuletzt etwa 2 Ob 48/08k = RdW 2009, 390). Ein solcher Vermögensschaden kann insbesondere darin bestehen, dass eine Schlechterfüllung zu einem verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch eines Vierten gegen den aus dem Vertrag begünstigten Dritten führt. Fällt dieser Schaden in den Schutzbereich des Vertrags, so ist der fahrlässig handelnde Vertragspartner verpflichtet, dem aus dem Vertrag begünstigten Dritten Regress zu leisten. Bei Zahlung aufgrund einer Haftpflichtversicherung geht dieser vertragliche Regressanspruch nach § 67 VersVG auf den Versicherer über.

4.2. Im konkreten Fall wurde der Abschleppauftrag zwar von einer am Unfall nicht beteiligten Person erteilt. Faktisch begünstigt wurde dadurch jedoch ausschließlich der Halter, da nur er ein Interesse am Abtransport des Fahrzeugs haben konnte. Die Hauptleistung des Abschleppauftrags kam daher nicht dem konkreten Auftraggeber, sondern dem Halter des abgeschleppten Fahrzeugs zugute. Dieser Umstand wäre für den Beklagten bei gehöriger Sorgfalt erkennbar gewesen. Denn sowohl die den Auftrag entgegennehmende Person in der Telefonzentrale als auch der Abschleppfahrer hätten durch Nachfrage bzw anhand des Kennzeichens und der Fahrzeugpapiere leicht nachprüfen können, ob der Auftraggeber selbst Halter des Pkw war. Wenn nicht, wäre offenkundig gewesen, dass die Hauptleistung einer - ebenfalls leicht zu ermittelnden - anderen Person zukommen sollte. Es lag daher ein Vertrag zugunsten Dritter vor, dessen Schutzwirkungen auch reine Vermögensschäden dieses Dritten erfassen können.

4.3. Der Abschleppfahrer war zu einer Warnung vor der Gefahr eines kurzschlussbedingten Brandes verpflichtet.

4.3.1. Der Abschluss eines Vertrags lässt nicht nur die Hauptpflichten entstehen, die für den betreffenden Vertragstyp charakteristisch sind, sondern erzeugt auch eine Reihe von Nebenpflichten, zu denen insbesondere Schutz- und Sorgfaltspflichten gehören (RIS-Justiz RS0017049, RS0013999). Der Umfang dieser Pflichten ist durch - meist ergänzende - Vertragsauslegung zu ermitteln (Rummel in Rummel3 § 859 Rz 8 und § 914 Rz 18 mwN). Insbesondere kann sich aus dem Vertrag eine Pflicht zur Aufklärung über (erkennbare) Gefahren ergeben, die mit der Erbringung der Hauptleistung in Zusammenhang stehen. So trifft etwa den Verkäufer eines an sich fehlerfreien Produkts, dessen Verwendung in bestimmten Teilbereichen zu einer Schädigung führen könnte, eine diesbezügliche Aufklärungspflicht (7 Ob 2224/96a = SZ 70/15; RIS-Justiz RS0106978). Auch im Auftragsverhältnis besteht eine Pflicht zur Information über dem Machtgeber drohende Gefahren (8 ObA 108/01t = ASoK 2002, 389 mwN). Gleiches ist - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - anzunehmen, wenn der Werkunternehmer bei der Erbringung seiner Leistung aufgrund seiner Fachkunde erkennen muss, dass das Objekt der Leistung eine Gefahrenquelle bildet. Für diesen Fall hätten redliche Vertragsparteien (§ 914 ABGB) selbstverständlich eine Warnpflicht (im untechnischen Sinn) vereinbart.

4.3.2. Im vorliegenden Fall musste ein professionelles Abschleppunternehmen (§ 1299 ABGB) die Kurzschlussgefahr zweifellos erkennen. Nach den Feststellungen des Erstgerichts ist das Abklemmen der Batterie „eine vordringliche und unverzichtbare Maßnahme“, wenn ein Fahrzeug bei einem Unfall erheblich beschädigt wurde. Die Kenntnis dieses Umstands muss einem Abschleppunternehmen unterstellt werden, das den Auftrag zum Transport eines Unfallfahrzeugs annimmt. Angesichts der Deformation im Frontbereich, die ein Öffnen der Motorhaube unmöglich machte, musste der Abschleppfahrer auch damit rechnen, dass die Batterie noch nicht abgeklemmt worden war. Damit war er aber schon zur Vermeidung einer Entzündung während des Transports verpflichtet, den Auftraggeber auf die Problematik hinzuweisen und gegebenenfalls ein Abklemmen zu veranlassen (vgl zu Pflichten einer Abschleppunternehmens allgemein 8 Ob 45/84 = ZVR 1985/144).

4.3.3. In den Schutzbereich dieser Nebenpflicht fallen auch Schadenersatzpflichten des Halters, die sich aus der Verwirklichung der (nur) für den Fachmann erkennbaren Gefahr gegenüber einem Dritten ergeben. Wird eine Sache transportiert, die eine zwar für den Unternehmer, nicht aber für seinen Auftraggeber erkennbare Gefahrenquelle bildet, muss der Unternehmer damit rechnen, dass es am Bestimmungsort zu Schäden kommt, die im Anwendungsbereich des EKHG zu verschuldensunabhängigen Schadenersatzansprüchen gegen den Vertragspartner (hier gegen den Begünstigten aus dem Vertrag) führen können. Diese Ansprüche können ohne besonderen Aufwand vermieden werden, wenn der Unternehmer vor dem Transport seiner Warnpflicht nachkommt. Aus Sicht redlicher Vertragspartner (§ 914 ABGB) wird diese Nebenpflicht daher auch dazu dienen, den Eintritt solcher Vermögensschäden zu vermeiden.

5. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen wäre die Haftung des Beklagten dem Grunde nach zu bejahen, wenn der Brand tatsächlich durch einen unfallbedingten Kurzschluss verursacht wurde. Ob das zutrifft, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Denn die -  aus einem Sachverständigengutachten übernommene - Formulierung des Erstgerichts, dass dies „mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 90 %“ zutreffe, ist keine Tatsachenfeststellung, die einer rechtlichen Beurteilung unterzogen werden könnte.

Regelbeweismaß der ZPO ist zwar die hohe Wahrscheinlichkeit (RIS-Justiz RS0110701). Da dieses Beweismaß aber eine gewisse Bandbreite aufweist, hängt es sowohl von den objektiven Umständen des Anlassfalls als auch von der subjektiven Einschätzung des Richters ab, wann er diese „hohe“ Wahrscheinlichkeit als gegeben ansieht (7 Ob 260/04t = JBl 2005, 464 mwN). Diese subjektiven Elemente schließen es aus, sich im Revisionsverfahren mit der „Feststellung“ eines Wahrscheinlichkeitsgrads zu begnügen. Vielmehr obliegt es den Tatsacheninstanzen, die Beweise zu würdigen und auf dieser Grundlage einen bestimmten Sachverhalt festzustellen oder gegebenenfalls eine Negativfeststellung zu treffen. Erst dann kann eine rechtliche Beurteilung erfolgen. Der aus diesem Grund bestehende sekundäre Feststellungsmangel muss zur Aufhebung in die erste Instanz führen, soweit das Bestehen des Anspruchs nicht schon aus anderen Gründen zu verneinen ist (unten Punkte 6. und 7.).

6. Der Beklagte zeigt richtig auf, dass die in der Sphäre des geschädigten Halters mitwirkende Betriebsgefahr jedenfalls zu berücksichtigen ist.

6.1. Bei Verkehrsunfällen kann die dem Geschädigten zur Last fallende Betriebsgefahr auch bei einer Verschuldenshaftung des Schädigers zu einer Anspruchskürzung führen (Koziol, Haftpflichtrecht I3 [1997] Rz 12/77; Schauer in Schwimann3 § 7 EKHG Rz 21; Neumayr in Schwimann, ABGB-TaKomm, § 7 EKHG Rz 6; alle mwN; aus der Rsp etwa 8 Ob 104/83 = ZVR 1984/32 und 2 Ob 72/93 = ZVR 1994/156). Gleiches muss auch bei der hier zu beurteilenden Vertragshaftung gelten. Denn der bloße Umstand, dass der Beklagte in diesem Fall eine Vertragspflicht verletzt hat, ändert nichts am Gewicht der jeweiligen Zurechnungselemente. Jedenfalls dann, wenn die besondere Gefährlichkeit einer Sache nach der Wertung des Gesetzes ein haftungsbegründendes Element ist, erfordert es schon die Gleichbehandlung von Schädiger und Geschädigtem, dass diese Gefährlichkeit die Haftung des Schädigers vermindert, wenn sie sich beim Geschädigten verwirklicht (F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts [1996] 229; Koziol, Grundfragen des Schadenersatzrechts [2009] Rz 6/205 ff mwN; vgl im anderen Zusammenhang 4 Ob 204/08s = ecolex 2003/110). Auf die Frage, ob es wegen des Grundsatzes „casus sentit dominus“ sogar zu einer unterschiedlichen Gewichtung der Zurechnungselemente zu Lasten des Geschädigten kommen könnte („Differenzierungsthese“; Koziol, Grundfragen Rz 6/208 ff mwN), kommt es daher nicht an.

6.2. Im vorliegenden Fall hat sich in der Sphäre des Halters eine außergewöhnliche Betriebsgefahr verwirklicht. Eine solche Gefahr ist bei einer besonderen Gefahrensituation anzunehmen, die nicht bereits regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb verbunden ist, sondern durch das Hinzutreten besonderer, nicht schon im normalen Bereich liegender Umstände vergrößert wurde (RIS-Justiz RS0058461, RS0058467; zuletzt etwa 2 Ob 122/08t = Zak 2008, 397). Das traf hier wegen der unfallbedingten Gefahr eines Brandes zweifellos zu. Dieser Gefahr steht das nach § 1313a ABGB dem Beklagten zuzurechnende Verschulden des Abschleppfahrers gegenüber. Dessen Sorglosigkeit ist durchaus gravierend, erreicht aber noch nicht den Grad der groben Fahrlässigkeit. Damit ist eine Schadensteilung von 2 zu 1 zu Lasten des Beklagten angebracht (2 Ob 314/00s = ZVR 2002/40; 2 Ob 35/01p = ZVR 2001/70). Aus diesem Grund hat der Halter - und damit auch die Klägerin - jedenfalls ein Drittel des Schadens selbst zu tragen.

7. Die Kosten des Vorprozesses hat der Beklagte keinesfalls zu ersetzen.

7.1. Denkbare Anspruchsgrundlage wäre zwar ein aus Geschäftsführung ohne Auftrag (6 Ob 324/97h = SZ 70/241; RIS-Justiz RS0109200; 1 Ob 296/04t). Dieser Anspruch besteht aber nicht, wenn der (angeblich) für die Verfolgung fremder Interessen gemachte Aufwand - wie hier - von der eigenen Sphäre des Geschäftsführers nicht abtrennbar ist (RIS-Justiz RS0109200 [T7, T8]). Zudem hat die Klägerin kein Vorbringen erstattet, weshalb ihre Prozessführung trotz der letztlich freiwillig erfolgten Zahlung zu einem klaren überwiegenden Vorteil des Halters oder (unmittelbar) des Beklagten geführt hätte. Das wäre aber nach § 1037 ABGB jedenfalls Voraussetzung für einen Ersatzanspruch. Auf nützliche Geschäftsführung ohne Auftrag kann sich die Klägerin daher nicht stützen.

7.2. Auch schadenersatzrechtlich ist der Anspruch nicht begründet.

Die bloße Schlechterfüllung eines Vertrags führt nach überwiegender Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0045850; zuletzt etwa 4 Ob 197/05g = JBl 2006, 653 [Haas] und 8 Ob 92/08z = ecolex 2009, 229) für sich allein noch nicht zu einer Haftung für Prozesskosten aus einem Verfahren gegen einen Dritten. Anderes gilt zwar bei der Verletzung von Aufklärungspflichten über die Vertragsabwicklung (9 Ob 140/03h; 10 Ob 79/05y = ecolex 2007, 344; 8 Ob 92/08z); eine solche ist hier aber weder behauptet noch erkennbar.

Zwar hat der Oberste Gerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass maßgebend für die Beurteilung der Haftung der Schutzzweck der übertretenen Vertragspflicht sei (1 Ob 40/02t; 3 Ob 53/02v = bbl 2002/168; 9 Ob 140/03h = RdW 2004/246; 6 Ob 100/07k), und er hat zuletzt den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Schlechterfüllung einer vertraglichen Hauptleistungspflicht und den Kosten eines Passivprozesses ganz allgemein bejaht (1 Ob 218/04x = RdW 2005/448; 10 Ob 79/05y = ecolex 2007, 344; 6 Ob 100/07k; im Ergebnis anders aber wieder 8 Ob 92/08z). Allerdings handelte es sich dabei in 1 Ob 218/04x um ein obiter dictum (die Haftung wurde wegen Aussichtslosigkeit der Prozessführung verneint); in 10 Ob 79/05y wurde die Ersatzpflicht auch darauf gestützt, dass der Beklagte die Kosten durch die Verweigerung der Mängelbehebung geradezu provoziert habe; und in 6 Ob 100/07k wurde eine Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückgewiesen. Eine im letztgenannten Sinn gefestigte Rechtsprechung ist daher nicht zu erkennen.

Unabhängig davon ist im vorliegenden Fall der Rechtswidrigkeitszusammenhang jedenfalls zu verneinen. Die Klägerin haftete den Dritten - sollte der Brand tatsächlich auf einen unfallbedingten Kurzschluss zurückzuführen gewesen sein - allein wegen der Gefährlichkeit des Pkw nach § 1 EKHG iVm § 26 KHVG, nicht - wie in 1 Ob 218/04x und 10 Ob 79/05y - wegen des Verschuldens eines Erfüllungsgehilfen bei der Erbringung der vertraglichen Hauptleistung. Unter diesen Umständen war es tatsächlich ihr eigenes Risiko, sich (zunächst) auf den Prozess einzulassen und dann doch noch freiwillig zu zahlen. Es würde den Schutzbereich der verletzten Nebenpflicht überspannen, wollte man dieses Risiko ebenfalls dem Beklagten zurechnen.

8. Im Ergebnis ist daher die abweisende Entscheidung der Vorinstanzen in Bezug auf die Kosten des Vorprozesses (5.184,66 EUR) und auf ein Drittel des von der Klägerin ersetzen Sachschadens (9.698,92 EUR) zu bestätigen. Im Übrigen sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, und dem Erstgericht ist insofern die neuerliche Entscheidung aufzutragen. Nimmt es als erwiesen an, dass der Schaden durch einen unfallbedingten Kurzschluss verursacht wurde, besteht der verbliebene Anspruch dem Grunde nach zu Recht; sonst hätte es auch insofern bei der Abweisung zu bleiben. Ob für die Feststellung der Brandursache eine Ergänzung des Verfahrens erforderlich ist, hat zunächst das Erstgericht zu beurteilen. Gleiches gilt für die Frage, ob weitere Beweise zum Verdienstentgang der K***** GmbH aufzunehmen sind (vgl AS 37).

9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 und 2 ZPO.

Textnummer

E95748

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00146.10I.1109.000

Im RIS seit

21.12.2010

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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