TE OGH 1984/11/22 8Ob45/84

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Veröffentlicht am 22.11.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Adolf Lientscher, Rechtsanwalt in St. Pölten als Masseverwalter im Konkurs 8 S 4/82 des Kreisgerichts St. Pölten, über das Vermögen des Herbert B*****, wider die beklagte Partei Firma Hans S*****, vertreten durch DDr. Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 390.237 S sA, infolge Revision der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. Februar 1984, GZ 6 R 4/84-54, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichts Innsbruck vom 24. Mai 1983, GZ 7 Cg 115/83-47, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 17. April 1979 gegen 00:50 Uhr hatte der dem Transportunternehmer Herbert B***** gehörige, von dessen Angestellten Gerd G***** gelenkte LKW der Marke MAN ÖAF Gräf & Stift, Baujahr 1973, auf der Autobahn bei Wörgl (Autobahnkilometer 37) wegen Motorschadens eine Panne. Der Lastzug hatte auf dem Zugfahrzeug 10 Tonnen und auf dem von diesem gezogenen Hänger 8 Tonnen Papier geladen, das für die Schweiz bestimmt war. Der Berufskraftfahrer Gerd G***** verständigte die Autobahnmeisterei, welche anordnete, dass das Fahrzeug nicht auf der Autobahn stehenbleiben dürfe. Deshalb setzte sie die Gendarmerie davon in Kenntnis, die ihrerseits die Beklagte anrief, damit diese den Lastzug abschleppe. Die Beklagte, die ein gewerbliches Abschleppunternehmen betreibt, schickte den bei ihr als Aushilfsfahrer angestellten Karl T***** zum hängengebliebenen Fahrzeug. Dessen Lenker G***** informierte Karl T***** auf dessen Frage nach dem Grund der Panne, dass der LKW einen Motorschaden habe. Während des Abschleppvorgangs geriet der abgeschleppte LKW in Brand, weil er durch das Absinken des Luftdrucks im Bremssystem gebremst und dadurch die Bremsen erhitzt wurden. Bis zum Eintreffen der Feuerwehr war der hintere Teil des Lastzugs samt der Papierladung bereits verbrannt.

Mit der vorliegenden Klage begehrte Herbert B*****, an dessen Stelle nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter als Kläger in den Prozess eintrat, als Schadenersatz den Betrag von 390.237 S sA, der sich wie folgt zusammensetzt:

Fahrzeugschaden am LKW (Totalschaden)

                                             S 102.860,--

Verdienstentgang durch Ausfall des LKWs bis

zur möglichen Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeugs                            S 277.380,--

Kosten der Abschleppung des beschädigten LKWs von Wörgl nach St. Pölten S    9.997,--

Summe                    S 390.237,--.

Zur Begründung brachte der Kläger vor, dass das Alleinverschulden am Schaden die Beklagte treffe, weil deren Lenker den Abschleppvorgang mit überhöhter Geschwindigkeit sowie ohne Anwendung der erforderlichen Sorgfalt und Fachkenntnisse durchgeführt habe. Insbesondere habe er es unterlassen, die Federspeicherbremse am LKW zu lösen und dafür zu sorgen, dass sich der abzuschleppende LKW in einem abschleppbaren Zustand befindet. Aus diesem Grund hätten die Bremstrommeln zu glühen begonnen und sei schließlich der LKW ausgebrannt. Außerdem sei durch das verbotene Wiederauffahren auf die Autobahn die Rettungsaktion der Feuerwehr erheblich verzögert worden. Die Beklagte hafte daher aus diesem groben Verschulden sowie als Halterin des abschleppenden Kraftfahrzeugs sowie des damit beim Abschleppen eine Einheit bildenden LKWs sowie als Abschleppunternehmerin und Frächterin für den Schaden des Klägers nach den §§ 1295 ff, insbesondere §§ 1299 und 1313a ABGB, den §§ 425 ff und 451 HGB sowie den Bestimmungen des EKHG. Für ein allfälliges Fehlverhalten des Dienstnehmers Gerd G***** habe ebenfalls die Beklagte einzutreten, weil sich diese beim Abschleppvorgang des Gerd G***** als Erfüllungsgehilfen bedient habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Schade sei allein durch ein mehrfaches Fehlverhalten des Gerd G***** verursacht worden, das Herbert B***** als dessen Dienstgeber bzw der Kläger gegen sich gelten lassen müsste. Insbesondere habe G***** den Druckverlust und die damit verbundenen Folgen nicht bemerkt und den Lenker des Abschleppfahrzeugs trotz dessen Weisung nicht gewarnt. Durch die Benützung der Autobahn auch für die Rückfahrt nach Wörgl habe sich kein unfallskausaler Nachteil ergeben. Der geltend gemachte Fahrzeugschaden und Verdienstentgang seien weit überhöht.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruchs ein und erkannte mit Zwischenurteil, dass die Forderung des Klägers auf Bezahlung von Fahrzeugschaden, Verdienstentgang und Bergungs- bzw Abschleppkosten dem Grunde nach mit 50 % zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und hob das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich seines Ausspruchs über die Bergungs- bzw Abschleppkosten ohne Rechtskraftvorbehalt auf. Im Übrigen aber gab das Gericht zweiter Instanz weder der Berufung des Klägers noch der Beklagten Folge, sondern bestätigte das Zwischenurteil des Erstgerichts hinsichtlich Fahrzeugschaden und Verdienstentgang.

Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richten sich die Revisionen beider Parteien. Der Kläger stützt sich auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt die Abänderung des berufungsgerichtlichen Urteils dahin, dass die vom Urteil umfasste Klageforderung zur Gänze als zu Recht bestehend erkannt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte, die sich ebenfalls auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung stützt, beantragt die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.

In der Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Der Kläger erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind nicht berechtigt.

Zu dem bereits oben dargestellten Sachverhalt trafen die Vorinstanzen noch nachstehende zusätzliche Feststellungen:

Der Lenker des Abschleppfahrzeugs Karl T***** fragte den Fahrer des abzuschleppenden Fahrzeugs Gerd G*****, wieviel Druck die Bremsanlage des LKW-Zugs noch habe. Darauf gab G***** an, dass sich in dieser noch 6,5 atü Reservedruck befände. Danach forderte T***** den Lenker G***** auf, ihm bei irgendwelchen auftretenden Schwierigkeiten entweder Blink- und Hupzeichen zu geben. Selbst kontrollierte T***** den abzuschleppenden LKW nicht dahin, ob er sich in einem betriebssicheren bzw abschleppfähigen Zustand befand oder nicht; insbesondere überzeugte er sich nicht durch einen Blick auf das Manometer des LKWs vom noch vorhandenen Reservedruck in der Bremsanlage oder von deren Funktionstüchtigkeit.

T***** kuppelte den Lastzug gemeinsam mit dem Anhänger, den G***** bereits vom Bremssystem des Lastzugs abgekoppelt hatte (sodass dieser ungebremst mitlief), an die Abschleppzugmaschine mittels einer Abschleppstange an und fuhr auf dem Pannenstreifen auf der Autobahn bis Kramsach, wo er abfuhr, um auf der Autobahngegenfahrbahn wieder aufzufahren. Dies deshalb, weil der vereinbarte Zweck des Abschleppens die Überführung des defekten LKWs zu einer Reparaturwerkstätte war und weil T***** mit diesem überlangen zusammengekoppelten Lastzug nicht durch die enge Ortsdurchfahrt von Rattenberg fahren wollte, um zu der in Aussicht genommenen Werkstätte in Wörgl zu gelangen.

Die Geschwindigkeit der Fahrzeuge beim Abschleppvorgang betrug zwischen 35 und 44 km/h; das Abschleppen dauerte etwa 39 Minuten. Gerd G***** übersah bei dem Abschleppvorgang, dass der Luftdruck im Bremssystem seines LKWs allmählich abfiel, wodurch die Bremsen mit zunehmender Wirkung bremsten. Insbesondere fiel ihm nicht auf, dass die Warnleuchte am Armaturenbrett rot aufleuchtete, um den zu geringen Luftdruck im Bremssystem anzuzeigen. Er verständige daher den Fahrer T***** nicht vom rapide absinkenden Luftdruck an seinem LKW, was durch die vereinbarten Hup- oder Blinkzeichen hätte erfolgen sollen.

Weder T***** noch G***** bemerkten, dass der Lastzug durch das Absinken des Luftdrucks gebremst wurde. Ebenso wenig nahmen die beiden Fahrer den durch die enorme Reibungswärme in den Bremstrommeln erzeugten Brandgeruch der Bremsen oder der bereits glosenden Reifen wahr. Auch die an den Reifen aufkommende Flammen- und Rauchentwicklung bemerkten sie nicht.

Erst ein überholender anderer Lastzugchauffeur machte sie darauf aufmerksam, dass der abgeschleppte Lastzug zu brennen angefangen hatte, worauf sie sofort stehen blieben. T***** fuhr mit dem Abschleppfahrzeug allein sogleich zur nächsten Notrufsäule, um die Feuerwehr herbeizuholen.

Das Manometer des LKWs zeigte im Zeitpunkt, als der brennende Lastzug gelöscht wurde, gerade noch 2,5 atü Luftdruck an; die Warnleuchte wies durch ihr Aufleuchten auf den Unterdruck auch tatsächlich hin. Als Brandursache kann das langsame Ansprechen der Federspeicherbremse infolge zu geringen Luftdrucks angesehen werden. Eine voll funktionsfähige Druckluftbremse – wie beim geschleppten Fahrzeug – hat in 30 Minuten keinen größeren Druckverlust als 0,10 bar (1 bar – 1,02 atü). Fällt der Luftdruck im Drucksystem unter 5,5 atü, beginnt sich die Feder auszudehnen, die Bremsen sprechen an, und zwar immer mehr, je mehr der Luftdruck abfällt. Wird der Fahrbetrieb fortgesetzt, so wird Reibungswärme in den Bremstrommeln frei, diese beginnen zu glühen, wodurch brennbare Teile des Karosserieaufbaues oder die Reifen in Brand gesetzt werden. Eine zunächst schwächere und zunehmend stärkere Bremsung ist für den Lenker des schleppenden Fahrzeugs nicht erkennbar.

Der Brand wurde durch die Wirkung der Federspeicherbremse hervorgerufen, wobei zwei Ursachen möglich sind: 1) Entweder war die Bremsanlage selbst defekt, nämlich undicht, was einen starken Druckabfall in der Bremsanlage hervorrief und eine Bremsung und damit Reibung und Wärme erzeugte, oder 2) der Luftvorratsdruck war bei Beginn des Abschleppvorgangs nicht 6,5 atü, sondern maximal 5,5 atü, und es wurde beim Abschleppvorgang durch den Lenker des geschleppten Fahrzeugs wiederholt gebremst bzw trat durch den geringeren Luftdruckvorrat (5,5 atü) eine Bremsung ein.

In jedem Fall war für Gerd G*****, den Lenker des geschleppten Fahrzeugs, der vorhandene Luftdruck und der Druckabfall zu jeder Zeit am Druckmanometer ersichtlich und kontrollierbar. Beiden Lenkern, dem Lenker des Zugfahrzeugs Karl T***** und dem Lenker des geschleppten Fahrzeugs Gerd G*****, mussten aufgrund ihrer Ausbildung und des Besitzes des Führerscheins C die Funktion der Federspeicherbremsen und auch die Gefahren, die mit dieser Konstruktion verbunden sind, bekannt sein. Beim Vorhandensein eines Druckluftvorrats von 6,5 atü ist ein Abschleppen ohne Bremsung des mit stehendem Motor abgeschleppten Fahrzeugs gefahrlos möglich, wenn die Fahrbahn annähernd eben ist. Der Luftdruck sinkt hiebei nicht unter 5,5 atü. Beträgt der Druckluftvorrat zum Zeitpunkt des Beginns des Abschleppens nur 5,5 atü, darf das Abschleppen nur mehr mit einer Reservedruckleitung durchgeführt werden oder es müssen die Federspeichen ausgehängt werden. Im vorliegenden Fall wurde der Abschleppvorgang auf annähernd ebener Fahrbahn durchgeführt; eine Reservedruckleitung wurde nicht verwendet, die Federspeichen wurden nicht ausgehängt. Das Abschleppen mittels Kranwagens ist nicht üblich und gefährlich. Gerd G***** waren die Funktion der Federspeicherbremse und deren Gefahren nicht ausreichend bekannt. Die elektrischen Armaturen funktionierten noch am havrierten LKW. Das abgeschleppte Fahrzeug brannte aus. Es musste geborgen werden. Dadurch entstanden dem Kläger außer dem Schaden am Fahrzeug auch Kosten. Durch den Ausfall des Fahrzeugs entstand auch ein Verdienstentgang.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass den Lenker des Abschleppfahrzeugs gemäß §§ 102, 105 KFG grundsätzlich die Pflicht treffe, sich vor Antritt der Fahrt vom betriebs- und verkehrssicheren Zustand der verkehrstechnisch eine Einheit bildenden Fahrzeuge und auch davon zu vergewissern, dass diese den sonstigen Vorschriften entsprechen. Es handle sich um Schutzvorschriften zur Verhinderung von Beschädigungen anderer Verkehrsteilnehmer. Der Abschlepper müsse sich im Rahmen seiner Verpflichtung aus dem Werkvertrag davon überzeugen, dass sich das abzuschleppende Fahrzeug in einem Zustand befindet, in dem ein bevorstehender Abschleppvorgang auch ohne Beschädigung des abzuschleppenden Fahrzeugs durchgeführt werden könne. Dieser Pflicht sei Karl T*****, der rechtlich Erfüllungsgehilfe der Beklagten sei, nicht nachgekommen. Er hätte den Schaden entweder durch Aushängen der Federspeicherbremse oder durch Legen einer Reservedruckleitung verhindern können. Auch den Lenker des Lastzugs Gerd G***** treffe ein Verschulden. Als Kraftfahrer hätte ihm klar sein müssen, das seine Undichtheit im Bremssystem seines Lastzugs oder häufiges Bremsen beim Abschleppen zu einem Bremsluftverlust führt, der bei Erreichen einer bestimmten Grenze die Federspeicherbremsen selbstständig greifen lässt. Außerdem hätte er die Warnung der zu geringen Druck anzeigenden Warnleuchte beachten und als Berufsfahrer auch verstehen müssen. Das Fehlverhalten dieses Angestellten habe der Kläger gegen sich gelten zu lassen. Das Verschulden Gerd G*****s und Karl T*****s wiege etwa gleich schwer, weshalb die Beklagte für den Schaden zur Hälfte hafte.

Das Berufungsgericht führte im Wesentlichen aus, dass sich das abgeschleppte Fahrzeug während des Abschleppvorgangs außer Betrieb befand, weshalb ein Ausgleich gegenseitiger Ansprüche zwischen den Haltern gemäß § 11 EKHG nicht in Frage komme. Für Beschädigungen derartiger Güter seien vielmehr die Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§ 429 HGB) oder die allgemeinen Regeln der Haftung des Werkunternehmers heranzuziehen. Gerd G*****, dem vom Dienstgeber der Lastzug anvertraut worden war, sei beim Abschleppen desselben als deren Erfüllungsgehilfe und nicht der Beklagten tätig gewesen. Dass die Beklagte im Rahmen des Abschleppvertrags die volle Obhut über das abgeschleppte Fahrzeug und damit die alleinige Verantwortung für den Abschleppvorgang übernommen hätte, sei weder behauptet noch festgestellt worden. Die Tätigkeit G*****s beim Abschleppvorgang sei im Rahmen der seinem Dienstgeber obliegenden Mitwirkung erfolgt. Er sei als Erfüllungsgehilfe anzusehen, für dessen Verschulden der Kläger nach § 1313a ABGB einzustehen habe. Ein Schleppvertrag sei regelmäßig nur dann ein Frachtvertrag, wenn der Schleppende nicht nur die Verbringung an einen bestimmten Ort verspricht, sondern auch die Obhut über das geschleppte Fahrzeug voll übernimmt. Werde hingegen das abgeschleppte Fahrzeug vom eigenen Fahrer gelenkt, liege in der Regel nur ein bloßer Werkvertrag ohne Übernahme einer Obhutspflicht vor, es sei denn, dass vereinbarungsgemäß der Fahrer als Erfüllungsgehilfe des Abschleppenden tätig werden soll. Eine solche Vereinbarung sei weder behauptet noch festgestellt worden. Es liege daher ein Werkvertrag vor, mit dem die Beklagte die Verpflichtung übernommen habe, den defekten LKW-Zug zu einer nächstgelegenen Werkstatt abzuschleppen. Gemäß § 1298 ABGB obliege der Beklagten der Beweis, dass sie an der Erfüllung der Verpflichtung – beim Abschleppen alle einschlägigen Vorschriften zu beachten und eine Beschädigung des abzuschleppenden Fahrzeugs zu vermeiden – ohne ihr Verschulden gehindert worden sei. Nach der Rechtsprechung trete die Beweislastumkehr bei Verletzung von vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten ohne Rücksicht auf die Art des Vertragsverhältnisses ein und gelte auch für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen. Der Entlastungsbeweis im Sinne der dargestellten Grundsätze sei der Beklagten nicht gelungen. Es sei aber das Mitverschulden Gerd G*****s zu berücksichtigen, der gegen § 102 Abs 1 und 3 KFG verstoßen habe. Dies sei auch bei Karl T***** der Fall. Bei den Bestimmungen des § 102 Abs 1 und 3 KFG handle es sich um Schutznormen im Sinne des § 1311 ABGB, die insbesondere die Schädigung Dritter durch den Betrieb von Kraftfahrzeugen verhindern sollen. Der dem Kläger und der Beklagten obliegende Beweis, dass der Schaden auch im Falle vorschriftsmäßigen Verhaltens eingetreten wäre, sei nicht erbracht worden. Bei Karl T***** komme noch hinzu, dass er die gemäß § 58 Abs 1 Z 2 lit c KDV beim Abschleppen von Kraftfahrzeugen vorgesehene zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h ständig und zum Teil ganz erheblich überschritten hatte, was die Erhitzung der Bremstrommeln durch die Reibungswärme beeinflusse. Bei Gegenüberstellung des beiderseitigen Verschuldens könne ein überwiegendes Verschulden eines Beteiligten nicht erblickt werden, weshalb eine gleichteilige Verschuldensteilung vorzunehmen sei. Dass der Kläger einen Fahrzeugschaden und Verdienstentgang erlitten habe, welche Schadensposten ihm von der Beklagten entsprechend ihrem Verschulden zu ersetzen seien, sei unbestritten, sodass bezüglich dieser Anspruchsteile – im Gegensatz zu den bisher nicht ausreichend geklärten Bergungs- und Abschleppkosten – die Voraussetzungen für die Erlassung des Zwischenurteils angenommen werden könnten.

Der Kläger stellt sich in der Revision auf den Standpunkt, dass ein Frachtvertrag vorgelegen, Gerd G***** Erfüllungsgehilfe der Beklagen und dessen Verschulden höher gewesen sei, als jenes von Karl T*****. Demgegenüber vertritt die Beklagte die Ansicht, dass das Verschulden des ersteren größer gewesen sei. Außerdem könne beim geltend gemachten Verdienstentgang nicht von einem gleichen Verschulden ausgegangen werden, wie beim Ersatz der begehrten Reparaturkosten.

Beide Rechtsmittel, die zweckmäßigerweise gemeinsam behandelt werden, stellen nicht mehr in Frage, dass § 11 EKHG auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden kann, weil das abgeschleppte Fahrzeug nicht „in Betrieb“ war. Es genügt daher, diesbezüglich auf die zutreffende Begründung des Berufungsurteils und auf die einschlägige Judikatur zu verweisen, wonach der Betrieb jede bestimmungsgemäße Verwendung des Kraftfahrzeugs als Fahrmittel also zur Ortsveränderung unter Benützung seiner Maschinenkraft darstellt (ZVR 1960/169 ua), was beim abgeschleppten Fahrzeug hier nicht der Fall war.

Das Gericht zweiter Instanz hat zutreffend erkannt, dass das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien als ein sogenannter Schleppvertrag anzusehen ist. Nicht jeder Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, die Ausführung einer Beförderung zu übernehmen, ist damit jedoch schon ein Frachtvertrag (6 Ob 673/82 ua); vielmehr kommt es auf die weiteren Umstände an (Helm Großkommentar Handelsgesetzbuch Anm 46 zu § 425). Diese bestanden diesfalls darin, dass der Abschleppende die Obhut über das abzuschleppende Fahrzeug nicht voll übernahm, sondern sie sich mit dem Lenker des Fahrzeugs des Klägers insoweit teilte, als beide gemeinsam den Schleppvorgang bewirkten, um den wegen eines Motorschadens zum Stillstand gelangten LKW-Zug von der Autobahn wegzuführen. Die Betreuung der Beklagten mit diese Aufgabe enthält somit wesentliche Merkmale eines Werkvertrags (vgl SZ 23/292), bei welchem aber weder davon gesprochen werden kann, dass sich Karl T***** dem Gerd G***** unterzuordnen hatte, noch dass dies umgekehrt der Fall gewesen wäre. Vielmehr war bloß das Zusammenspiel beider im Übrigen in ihrem Aufgabenbereich verhafteter Fahrzeuglenker erforderlich. Nach wie vor blieb der Fahrer des Klägers als dessen Angestellter diesem für den LKW-Zug und dessen Fracht verantwortlich, sodass von einer Überleitung in die Rechtssphäre der Beklagten als deren Erfüllungsgehilfe nicht gesprochen werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung hat derjenige, der aufgrund eines Werkvertrags den Erfolg herbeizuführen vertraglich verpflichtet war, zu beweisen, dass die Schadenszufügung aus Anlass der Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten ohne sein Verschulden oder das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen eingetreten ist (ZVR 1977/105; RZ 1968, 194 ua). Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, kann davon im vorliegenden Fall nicht die Rede sein:

Bei einem Abschleppvorgang wie diesem, bei welchem das Funktionieren der Bremsen des mit insgesamt 18 Tonnen Frachtgut beladenen, infolge Defekts über keine eigene Maschinenkraft verfügenden LKW-Zugs eine der wichtigsten Voraussetzungen für die anstandslose Durchführung des Auftrags war, durfte sich der Lenker der Abschleppfirma Karl T***** nicht mit Auskünften des LKW-Zugfahrer über den Druck der Bremsanlage begnügen. Er war vielmehr verpflichtet, sich selbst darüber zu informieren und im Rahmen des ihm Zumutbaren alles vorzukehren, damit ein Bremsdefekt nicht auftreten oder rechtzeitig wahrgenommen werden konnte. Diese Diligenzpflicht traf ihn sowohl gemäß § 1299 ABGB als auch nach §§ 102, 105 KFG. Die Außerachtlassung dieser für ein Abschleppunternehmen bzw dessen Erfüllungsgehilfen wichtigen Vorsichtsmaßnahme stellt ein gravierendes Verschulden dar.

Den Fahrer des abgeschleppten LKW-Zugs des Klägers Gerd G***** trifft ein beträchtlich ins Gewicht fallendes Mitverschulden. Dem Berufungsgericht ist auch hierin zu folgen, dass von ihm verlangt werden musste, über die technischen Einrichtungen seines LKW-Zugs entsprechend informiert zu sein, um die Funktionstüchtigkeit der Bremsanlage ausreichend unter Kontrolle zu halten (Dittrich-Veit-Rassl Kraftfahrrecht zu § 102 Abs 1 KFG). Er hätte das Aufleuchten der Warnvorrichtung unbedingt beobachten müssen. Auch dieses Fehlverhalten ist als ein wesentlich ins Gewicht fallendes Verschulden anzusehen. Stellt man es jenem von Karl T***** gegenüber, ist ein Überwiegen eines der Schuldvorwürfe nicht festzustellen. Zutreffend ging daher das Berufungsgericht vom gleichteiligen Verschulden beider Fahrzeuglenker aus.

Der Hinweis der Beklagten, wonach beim Verdienstentgang aus Gründen der Verletzung der Schadensminderungspflicht des Klägers eine andere Verschuldensteilung zum Tragen komme, ist nicht stichhältig. Die Frage, für welche Zeitspanne der Geschädigte den Verdienstentgang geltend machen kann, ist eine solche der Schadenshöhe. Nur wenn strittig wäre, ob der Kläger überhaupt einen Verdienstentgang aus Gründen der Verletzung von Schadensminderungspflichten geltend machen könnte, wäre dies im Verfahren über den Grund des Anspruchs zu prüfen (vgl Fasching III zu § 393 ZPO). Davon kann aber bei der Art der Beschädigung des LKWs und der Feststellung der Vorinstanzen, wonach der Kläger jedenfalls einen Verdienstentgang erlitt, nicht die Rede sein. Beiden Revisionen war somit der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 50 und 52 Abs 2 ZPO (§ 393 Abs 4 ZPO).

Textnummer

E122610

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00045.840.1122.000

Im RIS seit

13.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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