TE OGH 1983/5/26 6Ob673/82

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Veröffentlicht am 26.05.1983
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Norm

ABGB §859
CMR Art17
HGB §425
HGB §451

Kopf

SZ 56/83

Spruch

Ein Frachtgeschäft liegt nur vor, wenn die Verpflichtung zur Beförderung der Hauptinhalt des Vertrages ist

Wer weder Eigentümer noch Absender oder Empfänger des beförderten Gutes ist, sondern nur die Zollabwicklung durchgeführt und die Zollgebühren entrichtet hat, kann Ansprüche gegen denjenigen, der die Beförderung des Gutes vornahm nicht auf die Bestimmungen der CMR stützen

OGH 26. 5. 1983, 6 Ob 673/82 (LG Salzburg 32 R 187/82; BG Zell am See 1 C 7/79)

Text

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Bezahlung des Schillinggegenwertes von 990 000 Lire sA. Sie brachte vor, die Beklagte habe im Dezember 1977 Holz an die Firma A in Treviso verkauft und auch mit eigenem LKW nach Italien verfrachtet. Hinsichtlich der Verzollung der Ware sei die Beklagte vom Käufer der Ware angewiesen worden, sich der Klägerin zu bedienen, die ihrerseits die Verzollung durch die Spedition Firma C habe vornehmen lassen. Der Angestellte dieser Firma, Bernhard B, habe dem Kraftfahrer des Beklagten, Josef S, den Auftrag erteilt, den Zollbetrag von 990 000 Lire beim Empfänger der Ware zu kassieren und im Falle der Weigerung die Ware nicht abzuliefern, sondern die Weisung der Klägerin einzuholen. Josef S habe weder die Zollspesen kassiert noch die Weisung der Klägerin eingeholt. Die Beklagte hafte für das Verschulden ihres Kraftfahrers. Die Klägerin stützte ihr Begehren ferner auf Art. 3 des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im Internationalen Straßenverkehr, BGBl. 1961/138 (CMR).

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und wendete mangelnde Passivlegitimation ein. Sie behauptete, sie habe mit der Verzollung der Ware nichts zu tun gehabt. Die Firma A habe als Käuferin des Holzes der Beklagten mit Schlußbrief vom 25. 10. 1977 ausdrücklich den Auftrag gegeben, die Klägerin als Spedition zur Verzollung zu nehmen. Die Beklagte habe das Holz an die Firma A unverzollt verkauft. Die Spesen hätten zu Lasten der Käuferfirma gehen sollen. Josef S habe auch von der Klägerin nie den Auftrag erhalten, die Ware nur bei Bezahlung des Zolles auszufolgen. Selbst wenn ein solcher Auftrag erteilt worden wäre, sei die Beklagte für die Nichterfüllung nicht haftbar, weil Josef S in diesem Fall Beauftragter der Klägerin gewesen wäre. Die CMR sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Das Unternehmen A in Treviso kaufte bei der Beklagten Holz, welches diese am 17. 1. 1978 mit ihrem von Josef S gelenkten LKV-Zug anlieferte. Ursprünglich war vorgesehen, die Ware am Grenzübergang Innichen durch die Firma D verzollen zu lassen. Die Verzollung wurde aber auf ausdrücklichen Wunsch des Käufers der Klägerin übertragen. Die schon vorbereiteten Begleitpapiere mußten entsprechend abgeändert werden. Die Klägerin gab den Auftrag zur Verzollung an das am Grenzort befindliche Büro der Firma C weiter. Deren Angestellter Bernhard B erledigte die Verzollung und teilte anschließend Josef S mit, an Zollspesen seien einschließlich Mehrwertsteuer 990 000 Lire zu bezahlen gewesen. Bernhard B richtete Josef S die vom Büro der Klägerin gegebene Weisung aus, die Zollspesen müßten vor Ablieferung der Ware unbedingt mit Scheck kassiert werden. Andernfalls dürfe die Ware dem Käufer nicht übergeben werden. Bernhard B ließ Josef S ein Geschäftsformular der Klägerin unterfertigen, in welchem in italienischer Sprache die Beklagte als Frächter (Autobeförderer), die Bezeichnung des Fahrzeuges, die Warenbeschreibung, der Empfänger der Ware und der bezahlte Zoll von 990 000 Lire aufschienen. Bernhard B verlangte von Josef S, er müsse im Büro der Klägerin anrufen, wenn er keinen Scheck vom Käufer bekomme. Josef S lieferte ungeachtet dieser Aufträge noch am selben Tag die Ware in Treviso bei der Firma A ab, obwohl deren Beauftragter dem Verlangen auf sofortige Bezahlung des Zollbetrages mit Scheck nicht nachgekommen war. Josef S unterließ es auch, sich vorher mit der Klägerin in Verbindung zu setzen.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, es liege ein außervertraglicher Schadenersatzanspruch vor, der gemäß § 48 IPR-Gesetz nach italienischem Recht zu beurteilen sei. Zwar würde die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Güterbeförderer (Frächter) nach Art. 1692 Codice civile dafür haften, wenn sie "eine die Sache beschwerende Nachnahme einzuziehen unterlassen habe". Diese Haftung obliege aber nur dem Absender des Frachtgutes - vorliegendenfalls sei dies die Beklagte selbst - und nicht einem Dritten gegenüber. Somit bleibe die Rechtsfrage offen, ob und wie Josef S dadurch, daß er den ihm durch Bernhard B übermittelten Aufträgen nicht nachgekommen sei, seinen Dienstgeber, die Beklagte, haftbar gemacht habe. Dies behaupte die Klägerin, ohne jedoch auf eine konkrete Bestimmung des italienischen materiellen Rechtes hinweisen zu können. Die Bemühungen des Gerichtes, das entstprechende Recht zu ermitteln, seien vergeblich gewesen, weil in den auf diplomatischem Weg beigeschafften Gesetzes- und Kommentartexten keine brauchbaren Unterlagen zur Lösung der Frage hätten gefunden werden können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte rechtlich aus, nach den getroffenen Feststellungen sei die Beklagte nicht nur Verkäuferin und Absenderin des an die Firma A verkauften Lärchenschnittholzes, sondern zugleich auch Frachtführer (§ 425 HGB) gewesen. Die Beklagte habe nämlich mit der italienischen Käuferfirma vereinbart, daß sie das bei ihr gekaufte Lärchenschnittholz an sie mit firmeneigenem Fahrzeug an den in Italien gelegenen Ort der Übernahme des Gutes befördern werde. Aus Gründen, die im Bereich der italienischen Käuferfirma zu suchen seien, sei mit der Verzollung dieser Ware die in Innichen ansässige klägerische Speditionsfirma betraut worden, die den Auftrag wieder durch die Speditionsfirma C habe ausführen lassen. Das Erstgericht habe hiezu zwar die Feststellung getroffen, daß die Verzollung auf ausdrücklichen Wunsch der Firma A der Klägerin übertragen worden sei, jedoch dazu nicht die weitere Feststellung, wer tatsächlich Auftraggeber und damit Vertragspartner der Klägerin gewesen sei, und ob demnach der Auftrag zur Durchführung der Verzollung von der Beklagten oder der Firma A erteilt worden sei. Auf den vorliegenden Rechtsstreit seien die Bestimmungen der CMR anzuwenden. Gemäß Art. 3 CMR sei die Haftung des Frachtführers für seine Bediensteten (Erfüllungsgehilfen) bei Ausführung der Beförderung auf jene Handlungen oder Unterlassungen beschränkt, die diese in Ausübung ihrer Verrichtungen setzten. Der Frachtführer hafte dagegen nicht für ein Verhalten seiner Bediensteten, das diese nur gelegentlich der Ausübung der ihnen übertragenen Tätigkeit, also ohne solchen Zusammenhang mit ihr setzten. Maßgebend für diese Abgrenzung sei dabei der den Bediensteten "aufgetragene Aufgaben- und Pflichtenkreis". Die Beklagte hätte für die Pflichtverletzung ihres Fahrers Josef S dann einzustehen, wenn sie entweder selbst Vertragspartner der Klägerin gewesen sei oder im Auftrag der Käuferfirma A für diese die Verzollungsabwicklung durchzuführen gehabt habe, da dann Josef S in Ausübung seiner Verrichtung die Zollspesen vor Ablieferung der Ware an die Käuferfirma auftragsgemäß mittels Schecks hätte kassieren müssen. Falls jedoch Auftraggeber der Klägerin und damit ihr Vertragspartner die Firma A gewesen und die Beklagte demnach weder als Vertragspartner noch im Namen und Auftrag der Firma A gegenüber der Klägerin bei Durchführung der Verzollung tätig geworden sein sollte, wäre die aufgetragene Geltendmachung und Einhebung der Zollspesen für die Klägerin nicht den Josef S von der Beklagten aufgetragenen Aufgaben und Pflichten zuzuzählen und hätte die Beklagte für die Unterlassung ihres Dienstnehmers auch nicht einzustehen. Darüber seien noch Feststellungen zu treffen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kann zunächst nicht gesagt werden, daß die Beklagte bei Durchführung des Holztransportes die Steilung eines Frachtführers gemäß § 425 HGB, allenfalls in Verbindung mit § 451 HGB, gehabt hätte. Nach dem Inhalt der Auftragsbestätigung hatte die Beklagte, welche Verkäuferin des Holzes war, dieses "frei Treviso" zu liefern. Nicht jeder Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, die Ausführung einer Beförderung zu übernehmen, ist damit schon ein Frachtgeschäft. Diese Verpflichtung muß vielmehr, damit der Vertrag zum Frachtgeschäft wird, der Hauptinhalt des Vertrages sein. Ist die Verpflichtung nur eine Nebenverpflichtung im Rahmen eines hauptsächlich auf andere Zwecke gerichteten Vertrages, liegt ein Frachtgeschäft nicht vor. Der Vertrag unterliegt dann den für den Hauptzweck geltenden Rechtsregeln. Beim Kauf einer Ware ist zum Beispiel ihre Übersendung an den Käufer oder am eine von ihm bestimmte Stelle eine Nebenverpflichtung, die der Verkäufer eingehen kann, die ihn aber noch nicht zum Frachtführer macht. Das Geschäft bleibt vielmehr ein Kaufvertrag (Gessler in Schlegelberger, HGB[5] VI 728 f.; Helm in GroßkommHGB 3 V/2 Anm. 37 und 48 zu § 425). Daß aber zwischen der Beklagten und der Firma A neben dem Kaufvertrag ein Frachtvertrag abgeschlossen worden wäre, wurde nicht behauptet.

Allerdings behandelt die CMR nicht die Fracht oder den Frachtführer, sondern stellt die Anwendung ihrer Bestimmungen auf die entgeltliche Beförderung ab (Groth, Übersicht über die Internationale Rechtsprechung zu CMR 15). Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob auf das der Güterbeförderung zugrundeliegende Geschäft überhaupt die Bestimmungen der CMR anzuwenden wären. Im Verhältnis zwischen den Streitteilen ist dies keineswegs der Fall. Die CMR regelt bei weitem nicht alle privatrechtlichen Fragen, die sich aus der Güterbeförderung auf der Straße ergeben. Im wesentlichen wird darin die Haftung des Frachtführers für den Verlust und die Beschädigung des Gutes sowie der Überschreitung der Lieferfrist geregelt, ferner die Haftung von mehreren Frachtführern und der Regreßanspruch des Frachtführers, der eine Entschädigung bezahlt hat, gegenüber den übrigen an der Beförderung beteiligten Frachtführern. Auch die Bestimmung des Art. 3 CMR gilt nur für die in der CMR geregelten Haftungstatbestände. Sie ist unanwendbar, wenn sich die Haftung des Beförderers nicht aus der CMR ergibt (Heuer, Die Haftung des Frachtführers nach der CMR 166; Muth - Glöckner, Leitfaden zur CMR[5] 96; NJW 1979, 2470). Gegenüber der Klägerin, die weder Absender noch Empfänger oder Eigentümer des beförderten Gutes war, sondern nur die Zollabwicklung durchgeführt und die Zollgebühren entrichtet hat, besteht aber keine Haftung der Beklagten nach den Bestimmungen der CMR.

Die Rechtssache ist dessen ungeachtet noch nicht spruchreif. Im bisherigen Verfahren wurde nicht geklärt, wer der Klägerin den Auftrag zur Verzollung erteilt hat, welche Vereinbarungen in diesem Zusammenhang getroffen wurden und welches Recht darauf anzuwenden wäre. Erst nach Klärung dieser Fragen kann beurteilt werden, ob die Klägerin berechtigt war, dem Fahrer der Beklagten Weisungen zu erteilen, ob der Fahrer der Beklagten diese durch die Annahme solcher Weisungen verpflichten konnte und ob daher die Beklagte für Schäden, welche sich aus der Nichtbeachtung solcher Weisungen für die Klägerin ergaben, haftet.

Anmerkung

Z56083

Schlagworte

Frachtführer, Ansprüche gegen - nach der CMR dessen, der nur die, Zollabwicklung übernommen hat, Frachtgeschäft, Vorliegen eines -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0060OB00673.82.0526.000

Dokumentnummer

JJT_19830526_OGH0002_0060OB00673_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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