TE OGH 2011/1/19 7Ob219/10x

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Veröffentlicht am 19.01.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** Z***** und 2. M***** Z*****, beide: Dienstnehmer, *****, vertreten durch Mag. Christian Schönhuber, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, gegen die beklagte Partei S***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Heinrich Oppitz, Rechtsanwalt in Wels, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. September 2010, GZ 6 R 163/10y-12, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Es können weder Verfahrensmängel erster Instanz, die in der Berufung nicht beanstandet wurden (RIS-Justiz RS0043111) noch Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Berufungsgericht bereits verneint wurden (RIS-Justiz RS0042963), in der Revision geltend gemacht werden.

Zutreffend erkennt allerdings die Revision, dass die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, den Klägern fehle es am rechtlichen Interesse an der Feststellungsklage, nicht der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs entspricht. Danach ist für eine negative Feststellungsklage das rechtliche Interesse darin zu sehen, dass die Beklagte ein Recht behauptet, wobei es gleichgültig ist, ob dieses Recht bei objektiver rechtlicher Beurteilung überhaupt bestehen kann (RIS-Justiz RS0039260). Die negative Feststellungsklage hat den Zweck, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben (RIS-Justiz RS0039109, RS0038974). Es genügt dazu eine den Kläger belastende fälschliche Berühmung und die dadurch hervorgerufene Gefährdung seiner Rechtsstellung. Es genügt, wenn der Kläger in seiner Bewegungsfreiheit im Rechtsleben, in der Vornahme wirtschaftlicher Maßnahmen behindert wird (RIS-Justiz RS0039096).

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Beklagte die Kläger als Interzedenten gemahnt hat und dass sie beabsichtigt, diese im Falle des Zahlungsverzugs mit Kreditraten als Bürgen und Zahler in Anspruch zu nehmen. Dies genügt, um ein rechtliches Interesse am vorliegenden Feststellungsbegehren, dass die Zahlungsverpflichtung der Kläger aus den Bürgschaftsverträgen nicht bestehe, zu begründen. Die zu Unrecht erfolgte Verneinung des Feststellungsinteresses der Kläger durch das Berufungsgericht schadet aber im Ergebnis nicht, da das Berufungsgericht ohnedies auch den von der Beklagten behaupteten Anspruch geprüft hat.

Dem Gläubiger, der bis zum Zeitpunkt der Interzession erkennt oder erkennen muss, dass der Hauptschuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht (vollständig) erfüllen wird, trifft eine Informationspflicht. Er hat den interzedierenden Verbraucher auch dann auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen, wenn der Interzedent über dessen finanzielle Situation Bescheid weiß. Dies dient der Verminderung des Risikos für den Interzedenten und seiner nachdrücklichen Warnung (RIS-Justiz RS0113880). Ob ein Kreditgeber dem Interzedenten ausreichende Information über die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Sinn des § 25c KSchG gegeben hat, ist von der Beurteilung ganz konkreter Individualumstände abhängig (RIS-Justiz RS0112839). Die Haftungsbefreiung tritt bei Unterbleiben der Information nicht schon jedenfalls, sondern nur dann ein, wenn der Kreditgeber bei Abschluss des Interzessionsvertrags erkannte oder erkennen musste, dass der Kredit wahrscheinlich notleidend werden wird. Nur dann ist ein Verstoß gegen die Informationspflicht denkbar (RIS-Justiz RS0115983). Die Frage, ob ein Gläubiger unter den gegebenen Umständen erkennt oder erkennen muss, dass der Hauptschuldner seine Verbindlichkeiten voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen werde, kann ebenfalls nur einzelfallbezogen beantwortet werden (RIS-Justiz RS0116208).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass sich aufgrund der festgestellten Einkommensverhältnisse des Kreditnehmers und des Umstands, dass dieser auch seit dem Jahr 2006 ohne Mithilfe der Kläger die laufenden Kreditverbindlichkeiten tatsächlich erfüllen konnte, ergebe, dass der Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bürgschaftsvertrags nicht bekannt sein habe müssen, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen werde, hält sich im Rahmen der Judikatur. Ob der Kreditnehmer seine Kreditverbindlichkeiten gegenüber der Beklagten auch in Hinkunft erfüllen wird können, obwohl er arbeitslos geworden ist, steht zwar nicht fest. Der Eintritt dieses Umstands war aber zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags nicht abzusehen.

Die Kläger haben im erstinstanzlichen Verfahren weder Sittenwidrigkeit behauptet noch ein Vorbringen erstattet, aus dem maßgebliche Kriterien zur Beurteilung ihrer rechtsgeschäftlichen Haftungserklärung als sittenwidrig abzuleiten gewesen wären (vgl RIS-Justiz RS0048300, RS0048309). Ihre diesbezüglichen Ausführungen in der Revision sind unzulässige (§ 504 ZPO) Neuerungen, auf die nicht einzugehen ist.

Sofern ihr erstinstanzliches Vorbringen überhaupt als Geltendmachung des richterlichen Mäßigungsrechts nach § 25d KSchG aufgefasst werden kann, ist darauf zu verweisen, dass für dessen Anwendung im Rahmen des Feststellungsbegehrens kein Raum besteht. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger, die im erstinstanzlichen Verfahren nicht konkret und ausreichend Gegenstand des Vorbringens waren, konnten unerörtert bleiben, weil diese nur zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Interzedenten, die noch nicht erfolgt ist, beachtlich sein könnten. Gelangt nämlich der ursprünglich einkommens- und vermögenslose Mithaftende später zu Einkommen oder Vermögen, so soll er mangels sozialen Bedarfs von der Schutzbestimmung nicht erfasst werden. Eine entsprechende teleologische Reduktion der Bestimmung ist daher geboten (RIS-Justiz RS0113938, RS0113934).

Es werden insgesamt keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Schlagworte

Gruppe: Konsumentenschutz,Produkthaftungsrecht

Textnummer

E96111

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00219.10X.0119.000

Im RIS seit

02.02.2011

Zuletzt aktualisiert am

17.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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