TE OGH 2021/11/24 7Ob148/21x

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Veröffentlicht am 24.11.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch die Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei W* AG *, vertreten durch die MUSEY rechtsanwalt gmbh in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. Mai 2021, GZ 3 R 2/21t-22, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. Oktober 2020, GZ 11 Cg 64/20d-16, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die im Übrigen in der Hauptsache zur Gänze bestätigten und aufrecht bleibenden Urteile der Vorinstanzen werden nur hinsichtlich der Klausel 2 dahin abgeändert, so dass es lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der Klausel:

'2. Voraussetzung für die Leistung ist:

- [...]

- Die Invalidität ist innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichtes, aus dem Art und Umfang der Gesundheitsschädigung und die Möglichkeit einer auf Lebenszeit dauernden Invalidität hervorgeht und innerhalb von 24 Monaten ab dem Unfalltag gerechnet bei uns schriftlich geltend gemacht worden.'

oder die Verwendung sinngleicher Klauseln zu unterlassen; sie sei ferner schuldig es zu unterlassen, sich auf die vorstehend genannte Klausel oder sinngleiche Klauseln zu berufen und das sich auf diese Klausel beziehende Urteilsveröffentlichungsbegehren werden abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.449,04 EUR (darin enthalten 784,34 EUR an USt und 743,-- EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit 2.832,72 EUR (darin enthalten 472,12 EUR an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 1.831,68 EUR (darin enthalten 305,28 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Der Kläger ist ein gemäß § 29 KSchG zur Unterlassungsklage berechtigter Verein. Die Beklagte ist Unternehmerin im Sinn des § 1 KSchG, betreibt das Versicherungsgeschäft und bietet ihre Leistungen im gesamten österreichischen Bundesgebiet an. Sie tritt laufend mit Verbrauchern im Sinn des § 1 KSchG in rechtsgeschäftlichen Kontakt und schließt mit diesen Verträge.

[2]       Der Kläger begehrte von der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung von 10 (im Folgenden näher bezeichneten) Klauseln oder sinngleicher Klauseln zu unterlassen, sowie es zu unterlassen, sich auf die genannten oder sinngleiche Klauseln zu berufen. Weiters stellte der Kläger ein Urteilsveröffentlichungsbegehren.

[3]       Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

[4]       Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt.

[5]       Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

[6]       Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag.

[7]       Der Kläger begehrt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[8]       Die Revision ist zulässig, sie ist auch teilweise, nämlich hinsichtlich der Klausel 2 berechtigt.

1. Allgemeines:

Für sämtliche Klauseln sind folgende Grundsätze im Verbandsprozess maßgeblich:

[9]       1.1. Die Geltungskontrolle nach § 864a ABGB geht der Inhaltskontrolle gemäß § 879 ABGB vor (RS0037089). Objektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB ist eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der Klausel muss ein „Überrumpelungseffekt“ innewohnen (RS0014646). Entscheidend ist, ob die Klausel beim entsprechenden Geschäftstyp üblich ist und ob sie den redlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht (RS0105643 [T3]). Auf ihren Inhalt allein kommt es aber nicht an. Er spielt vor allem im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich besonders aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (RS0014659 [T2]). Die Bestimmung darf im Text nicht derart „versteckt“ sein, dass sie der Vertragspartner – ein durchschnittlich sorgfältiger Leser – dort nicht vermutet, wo sie sich befindet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte (RS0014646 [T14]). Gegen die für die Art des Rechtsgeschäfts typischen Vertragsbestimmungen kann auch ein unerfahrener Vertragspartner nicht ins Treffen führen, er sei von ihnen überrascht worden (RS0014610). Die Ungewöhnlichkeit eines Inhalts ist nach dem Gesetzestext objektiv zu verstehen (RS0014627). Erfasst sind alle dem Kunden nachteiligen Klauseln; eine grobe Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RS0123234). Die Geltungskontrolle ist nicht allein auf Nebenabreden beschränkt, sondern umfasst auch Vertragsbestimmungen über die Begründung, Umgestaltung bzw Erweiterung der Hauptpflichten (RS0014603).

[10]     1.2. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Das durch § 879 Abs 3 ABGB geschaffene bewegliche System berücksichtigt einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ (RS0016914); beide Elemente zusammen ergeben in Kombination das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit (RS0016914 [T7]). Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, orientiert sich am dispositiven Recht, das als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs für den Durchschnittsfall dient (RS0014676). Bei der Abweichung einer Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften liegt gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn sie unangemessen ist (RS0016914; vgl auch RS0014676). Maßgeblich ist, ob es für die Abweichung eine sachliche Rechtfertigung gibt (vgl RS0016914 [T2, T3]; RS0014676 [T21]). Eine gröbliche Benachteiligung ist jedenfalls stets dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in auffallendem Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (RS0014676 [T21]; RS0016914 [T4]).

[11]           Im Versicherungsvertragsrecht sind der Kontrollmaßstab für die Leistungsbeschreibung außerhalb des Kernbereichs die berechtigten Deckungserwartungen des Versicherungsnehmers. Gröbliche Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB liegt nicht nur dann vor, wenn der Vertragszweck geradezu vereitelt oder ausgehöhlt wird, sondern bereits dann, wenn die zu prüfende Klausel eine wesentliche Einschränkung gegenüber dem Standard bringt, den der Versicherungsnehmer von einer Versicherung dieser Art erwarten kann (RS0128209 [insb T2]).

[12]     1.3. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll es dem Kunden ermöglichen, sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren (RS0115217 [T41]). Es soll eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sicherstellen, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Verbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigt Pflichten abverlangt werden. Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig ist oder von ihm jedenfalls festgestellt werden kann. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht. Der durch ihre Verwendung geschaffene weite Beurteilungsspielraum schließt es aus, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann (RS0115217 [T3]). Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169). Mit dem Verbandsprozess soll nicht nur das Verbot von gesetzwidrigen Klauseln erreicht, sondern es sollen auch jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position oder ein unrichtiges Bild der Rechtslage vermitteln (RS0115219 [T14, T21]; RS0121951 [T4]).

[13]     1.4. Im Verbandsprozess nach § 28 KSchG hat die Auslegung der Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen (RS0016590). Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsprozess nicht möglich ist (RS0038205).

2. Zu den einzelnen Klauseln in den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen der Beklagten (AUVB Unfallvorsorge Premium, 20V):

2.1. Klausel 1 (Art 6.2.):

2.1.1. „Ein Herzinfarkt oder Schlaganfall gilt in keinem Fall als Unfallfolge.“

[14]     2.1.2. Das Erstgericht beurteilte die Klausel unter Verweis auf die Entscheidung 7 Ob 113/19x als gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB.

[15]     Das Berufungsgericht schloss sich dieser Beurteilung an.

[16]     Die Revision argumentiert, die Klausel sei im Sinn des beweglichen Systems des § 879 Abs 3 ABGB nicht gröblich benachteiligend. Herzinfarkt und Schlaganfall seien nämlich im allgemeinen Verständnis des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers keine Unfallfolgen, sondern typische Krankheitsbilder. Die sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses sei auch darin zu sehen, dass eine Differenzierung zwischen Krankheit und Unfallfolge bei Herzinfarkt oder Schlaganfall regelmäßig Beweisschwierigkeiten zur Folge habe.

[17]     Die Revisionsbeantwortung argumentiert, dass aufgrund der eindeutigen Judikatur zu wortgleichen Klauseln und der Lehre kein Raum für die gegenteiligen Überlegungen der Revisionswerberin verbleibe.

[18]     2.1.3. In der Entscheidung 7 Ob 113/19x (= RS0016914 [T76]) beurteilte der Senat eine wortgleiche Klausel in einem Individualprozess als gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB. „Folgenklauseln“ im Allgemeinen hätten nur einen Zweck, nämlich zu verhindern, dass der Versicherer „Unfallfolgen“ tragen soll, die zwar möglicherweise durch den Unfall ausgelöst werden, früher oder später aber ohnehin aufgetreten wären, weil im Körper des Versicherten bereits entsprechende degenerative Veränderungen „angelegt“ waren. Vor diesem Hintergrund erweise sich aber der sehr weite Ausschluss, nämlich Herzinfarkt und Schlaganfall kategorisch, selbst bei ausschließlicher Ursächlichkeit des versicherten Unfallereignisses und ohne jegliche Mitwirkung eines degenerativen Geschehens undifferenziert nicht unter Versicherungsschutz zu stellen, als gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB, weil dieser unbedingte Ausschluss über das aufgezeigte legitime Interesse des Versicherers hinausgehe und deutlich von den Erwartungen des Versicherungsnehmers abweiche.

[19]     Diese Entscheidung wurde in der Lehre überwiegend zustimmend aufgenommen (Perner in Fenyves/Perner/Riedler, § 179 VersVG Rz 19; Maitz, Urteil zur Herzinfarktklausel – Hintergründe und Auswirkungen des Urteils, versdb print 2020 H 5, 13 [17]; krit Kath, Unfallversicherung: Totalausschluss von Herzinfarkt bzw Schlaganfall als Unfallfolge, ZVers 2020, 42 [45]).

[20]     Die Revisionswerberin kann nicht nachvollziehbar darlegen, worin das legitime Interesse des Versicherers liegen soll, Herzinfarkt und Schlaganfall selbst bei ausschließlicher Ursächlichkeit des versicherten Unfallereignisses und ohne jegliche Mitwirkung eines degenerativen Geschehens nicht unter Versicherungsschutz zu stellen. Bloße Beweisschwierigkeiten können den dargestellten „kategorischen“ Ausschluss jedenfalls nicht rechtfertigen. Es mag zwar sein, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer Herzinfarkt und Schlaganfall typischerweise als Krankheitsfolgen wertet, nichtsdestotrotz weicht es deutlich von seinen berechtigten Deckungserwartungen ab, wenn für Herzinfarkt und Schlaganfall auch bei ausschließlicher Ursächlichkeit eines Unfallereignisses kein Versicherungsschutz besteht. Es gibt daher keinen Grund, von der dargestellten Rechtsansicht abzugehen.

2.2. Klausel 2 (Art 7.2.1.):

2.2.1. „Voraussetzung für die Leistung ist:

- [...]

- Die Invalidität ist innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichtes, aus dem Art und Umfang der Gesundheitsschädigung und die Möglichkeit einer auf Lebenszeit dauernden Invalidität hervorgeht und innerhalb von 24 Monaten ab dem Unfalltag gerechnet bei uns schriftlich geltend gemacht worden.“

[21]     2.2.2. Das Erstgericht beurteilte die Klausel als objektiv und subjektiv ungewöhnlich im Sinn des § 864a ABGB. Eine Bedingung, die eine Ausschlussfrist regle und allein auf einen objektiven fristauslösenden Zeitpunkt abstelle, sei im Zusammenhang mit § 33 Abs 1 VersVG ungewöhnlich, weil dadurch der Anspruch auch dann erlösche, wenn unverzüglich nach Kenntnis vom Versicherungsfall eine Schadensanzeige erstattet werde.

[22]     Das Berufungsgericht schloss sich dieser Beurteilung an und ergänzte, dass die den Entscheidungen 7 Ob 47/19s und 7 Ob 250/01t zugrunde liegenden Wertungen auch auf eine längere Ausschlussfrist von 24 Monaten zu übertragen seien.

[23]     Die Revision stützt sich darauf, dass der Oberste Gerichtshof die in 7 Ob 47/19s und 7 Ob 250/01t vertretene Rechtsansicht im Zusammenhang mit der Ausschlussfrist seit der Entscheidung 7 Ob 156/20x nicht mehr aufrechterhalte. Die Klausel regle nach nunmehriger Ansicht des Fachsenats keinen Fall des § 33 VersVG. Auch eine analoge Anwendung werde vom Obersten Gerichtshof abgelehnt, zumal die Klausel nur auf den objektiven Ablauf der Ausschlussfrist und nicht auf die (verschuldete) Unkenntnis des Versicherungsnehmers abstelle. Unsicherheiten über das Vorliegen der dauernden Invalidität würden dadurch gepuffert, dass für die Anspruchserhebung schon die Möglichkeit einer dauernden Invalidität genüge. Aufgrund der Fristlänge von 24 Monaten könne nicht von einer gröblichen Benachteiligung ausgegangen werden.

[24]     Die Revisionsbeantwortung argumentiert, dass sich aus der Rechtsprechung des EuGH und aus Literaturmeinungen im Zusammenhang mit der Verjährung von Bereicherungsansprüchen ein allgemeiner Grundsatz ableiten lasse, wonach vor allem bei kurzen Verjährungs-, Präklusiv- und Ausschlussfristen das Abstellen allein auf einen objektiven fristauslösenden Zeitpunkt unzulässig sei. Es sei im Übrigen auch mit § 12 Abs 1 Satz 1 VersVG unvereinbar, wenn für die Geltendmachung von Ansprüchen nicht einmal eine Frist von drei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls verbleibe. Außerdem sei die Klausel schon deshalb intransparent, weil sie keinen Hinweis enthalte, dass es sich bei der genannten Frist um eine Ausschlussfrist handle. Die Klausel enthalte auch keinen Hinweis darauf, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer entsprechend hinweisen werde, sollte sie in einer Schadensmeldung oder der Vorlage von Befunden noch keine ausreichende Geltendmachung eines Anspruchs auf dauernde Invalidität erblicken. Aus der Klausel gehe auch nicht hervor, welchen Inhalt der ärztliche Befundbericht (wobei schon die Bezeichnung irreführend sei) genau haben müsse, sodass dem Versicherer ein unzulässiger Beurteilungsspielraum überlassen werde, ob der Versicherungsnehmer den erforderlichen Beleg erbracht habe.

[25]     2.2.3. Mit Art 7.2.1. AUVB vergleichbare Klauseln waren bereits Gegenstand zahlreicher oberstgerichtlicher Entscheidungen. Zur 15-Monatsfrist (hier 24-Monatsfrist) wird in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass es sich dabei um eine Ausschlussfrist handelt, bei deren – auch unverschuldeter (vgl RS0034591) – Versäumung der Entschädigungsanspruch des Unfallversicherten erlischt (RS0082292). Die Zweckrichtung der Regelung liegt in der Herstellung von möglichst rascher Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. So soll der verspätet in Anspruch genommene Versicherer vor Beweisschwierigkeiten infolge Zeitablaufs geschützt und eine alsbaldige Klärung der Ansprüche herbeigeführt werden (RS0082216 [T1]). Die durch Setzung einer Ausschlussfrist vorgenommene Risikobegrenzung soll damit im Versicherungsrecht (in aller Regel) eine Ab- und Ausgrenzung schwer aufklärbarer und unübersehbarer (Spät-)Schäden bewirken (7 Ob 156/20x mwN zu Klausel 3).

[26]     Nach bereits vorliegender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bedeutet eine kürzere Ausschlussfrist in Allgemeinen Versicherungsbedingungen als die im § 12 VersVG normierte Verjährungsfrist grundsätzlich noch keine Gesetzwidrigkeit. Der richtige Ansatz für die Kontrolle von Risikobegrenzungen durch Ausschlussfristen sind nicht Verjährungsvorschriften; vielmehr hat die Prüfung solcher Ausschlussfristen im Allgemeinen über die Inhalts-, Geltungs- und Transparenzkontrolle zu erfolgen (RS0116097). In seiner jüngst ergangenen Entscheidung 7 Ob 156/20x (Klausel 3 = RS0122119 [T7] = RS0109447 [T8] = RS0082292 [T19]) stellte der Oberste Gerichtshof nochmals klar, dass die 15-Monatsklausel in der Unfallversicherung weder gegen § 864a ABGB noch gegen § 879 Abs 3 ABGB noch gegen § 6 Abs 3 KSchG verstoße. Für die Unfallversicherung wurde die vor der Entscheidung des EuGH vom 14. 6. 2021, C-618/10, Banco Espanol de Crédito (vgl RS0128735), in 7 Ob 250/01t vertretene – in 7 Ob 47/19s bloß referierte – Rechtsansicht, wonach in dem Fall, in dem der Versicherungsnehmer vor Ablauf der Ausschlussfrist keinen Hinweis darauf habe, dass sich ein Versicherungsfall innerhalb der Frist ereignet haben könnte, der Anspruchsverlust auch bei unverzüglicher Meldung im Sinn des § 33 Abs 1 VersVG als objektiv und subjektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB und damit die Klausel als teilnichtig angesehen werde, ausdrücklich nicht aufrecht erhalten.

[27]     Diese Rechtsansicht ist in der Lehre teilweise auf Kritik gestoßen (vgl Gisch/Weinrauch, Private Unfall- und Rechtsschutzversicherung: 12 von 13 überprüften Klauseln unzulässig, ZVers 2021, 80 [90]; Fasoli/Neissl, Verbandsklage gegen 13 teils branchenübliche Versicherungsklauseln, Entscheidungsbesprechung zu OGH 7 Ob 156/20x, ecolex 2021, 302 [305]; Ramharter, Fallfristen und Fallstricke in der Unfallversicherung, VbR 2021, 114 [115]). Allerdings werden keine neuen Argumente gebracht, die der Oberste Gerichtshof nicht bereits bedacht hat und die ihn zu einem Abgehen von seiner Rechtsansicht veranlassen könnten (vgl schon 7 Ob 115/21v).

[28]     Die vom Kläger zitierte Entscheidung des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C-698/18 und C-699/18, SC Raiffeisen Bank SA, BRD Groupe Société Générale SA, sowie die Entscheidungen C-485/19, Profi Credit Slovakia s. r. o., C-224/19, C-259/19, Caixabank SA, Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA, und C-776/19 bis C-782/19, BNP Paribas Personal Finance SA, betreffen Fragen der Verjährung im Zusammenhang mit Bereicherungsansprüchen und sind daher nicht einschlägig. Aus diesen Entscheidungen kann auch nicht ein allgemeiner Grundsatz abgeleitet werden, wonach bei Ausschlussfristen das Abstellen auf einen objektiven fristauslösenden Zeitpunkt jedenfalls unzulässig sei. Im Übrigen geht es hier um eine 24-monatige Frist, die mit dem – nicht zweifelhaften – Unfallereignis zu laufen beginnt und daher dem Versicherungsnehmer bzw Versicherten die Ausübung seiner Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert.

[29]     Die weiteren Argumente des Klägers hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 7 Ob 156/20x behandelt.

[30]     Zusammengefasst verstößt die 24-Monatsfrist daher weder gegen § 864a ABGB noch gegen § 879 Abs 3 ABGB oder § 6 Abs 3 KSchG. Die Revision ist daher in diesem Punkt berechtigt.

2.3. Klausel 3 (Art 7.2.2.):

2.3.1. „Die Invaliditätsleistung zahlen wir

- als Kapitalbetrag bei Unfällen der versicherten Person vor Vollendung des 75. Lebensjahres;

- als Rente – sofern nichts anderes vereinbart ist – nach der im Anhang beigefügten Rententafel bei Unfällen nach diesem Zeitpunkt. Kapitalwert dieser Rente ist jener Betrag, der bei Kapitalzahlung zu erbringen wäre.“

[31]     2.3.2. Das Erstgericht sah einen Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB, weil eine Diskriminierung älterer Versicherungsnehmer durch Umstellung von einer Kapital- auf eine Rentenleistung vorliege und gegen § 864a ABGB, weil die Bestimmung zur Auszahlung der Invaliditätsleistung als Rente ab Erreichen eines bestimmten Alters für den Versicherungsnehmer überraschend sei.

[32]     Das Berufungsgericht schloss sich dieser Beurteilung an und ergänzte, dass keine sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung von Versicherungsnehmern bei der Auszahlung der Invaliditätsleistung in Abhängigkeit von ihrem Alter vorliege. Wer in jungen Jahren einen Unfallversicherungsvertrag abschließe, rechne außerdem nicht damit, dass dieser gerade dann einen eingeschränkten Schutz biete, wenn er in höherem Alter einen Unfall erleide.

[33]     Die Revision argumentiert, dass ein Überraschungseffekt nicht vorliege. Dieser würde erfordern, dass sich der Regelungsgegenstand an einem untypischen Ort befinde. Die Bestimmung sei nach dem beweglichen System des § 879 Abs 3 ABGB auch nicht gröblich benachteiligend, weil im Alter der Versorgungscharakter bis zum Lebensende bei körperlicher Funktionsminderung eine höhere Bedeutung habe als eine einmalige Kapitalleistung. Nach der deutschen Literatur und Rechtsprechung halte diese Klausel der (deutschen) Inhaltskontrolle stand.

[34]     Die Revisionsbeantwortung argumentiert, die Klausel sei überraschend und nachteilig im Sinn des § 864a ABGB, weil eine Änderung der Leistungsart trotz anderslautender Vereinbarung erfolge.

[35]     2.3.3. In der Entscheidung 7 Ob 156/20x (Klausel 4 = RS0133389 [T1]; zust Gisch/Weinrauch, ZVers 2021, 80 [90]) beurteilte der Senat eine inhaltsgleiche Klausel als objektiv ungewöhnlich und nachteilig gemäß § 864a ABGB (idS auch Maitz, AUVB, Art 7, 81).

[36]     Eine Klausel, wonach statt der Kapitalleistung eine Rentenleistung erbracht wird, wenn die versicherte Person im Zeitpunkt des Unfalls das 75. Lebensjahr bereits vollendet hat, weicht von den Erwartungen des durchschnittlichen Unfallversicherungsnehmers schon insoweit erheblich ab, als üblicherweise die – vom Invaliditätsgrad abhängige – Auszahlung eines Kapitalbetrags erwartet wird, zumal die Versicherungssumme für dauernde Invalidität in der Versicherungspolizze auch regelmäßig als eine (einmalige) Kapitalleistung ausgewiesen ist. Der Versicherungsnehmer rechnet daher nicht damit, dass von einer in der Polizze konkret vereinbarten Kapitalleistung in den Allgemeinen Bedingungen – allein aufgrund des Erreichens einer bestimmten Altersgrenze – abgegangen wird. Schon darin liegt der „Überrumpelungseffekt“ für den Versicherungsnehmer, sodass es auf den Regelungsort gar nicht ankommt. Die Nachteiligkeit der Klausel für den Versicherungsnehmer ist evident, erhält er doch nach jahre- oder jahrzehntelanger Prämienzahlung nun nicht die erwartete Kapitalleistung, sondern bloß eine Rente bis zum Eintritt des Todes, wodurch vom vereinbarten Leistungsumfang überraschend abgewichen wird.

[37]           Es gibt daher keinen Grund, von der bisherigen Rechtsansicht abzugehen.

2.4. Klausel 4 (Art 11.1.):

2.4.1. „Übt die versicherte Person im Zeitpunkt des Unfalles keine Erwerbstätigkeit im Beruf oder der Beschäftigung aus, dann ist der Versicherungsschutz für Taggeld trotz Prämienzahlung nicht gegeben.“

[38]     2.4.2. Das Erstgericht beurteilte die Klausel als gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB. Als Summenversicherung werde das Taggeld auch gewährt, wenn die Behinderung der Arbeitsfähigkeit keinerlei Vermögensnachteil gebracht habe. Die Gewährung von Taggeld ausschließlich an erwerbstätige Versicherungsnehmer sei daher gröblich benachteiliegend.

[39]     Das Berufungsgericht schloss sich dieser Beurteilung an und ergänzte, bei kundenfeindlichster Auslegung bedeute die Klausel, dass der Versicherungsnehmer für Zeiten, in denen er keiner Erwerbstätigkeit nachgehe, weiterhin die Prämie bezahlen müsse, dafür aber kein Taggeld erhalte.

[40]     Die Revision argumentiert, die Risikokalkulation und die Risikoerwägung des Verhaltens eines Versicherungsnehmers, nämlich bei mangelnder Berufsausübung einen Zustand möglichst lange aufrecht zu erhalten, der die Leistungsvoraussetzungen des Taggeldbausteins realisiere, sei ein berechtigtes Anliegen des Versicherers. Der Versicherungsnehmer habe auch keinen Nachteil, weil er gemäß Art 26 AUVB die Möglichkeit der Prämienanpassung habe, wofür er den Status der mangelnden Berufsausübung an den Versicherer melden müsse.

[41]     Die Revisionsbeantwortung hält dem entgegen, dass die Klausel nicht darauf abstelle, ob der Versicherungsnehmer seinen Anzeigepflichten nachkomme oder nicht. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Klausel bestehe der Anspruch der Beklagten auf Prämienzahlung nämlich selbst bei Anzeige der Arbeitslosigkeit durch den Versicherungsnehmer.

[42]     2.4.3. Beim Anspruch auf Taggeld handelt es sich um eine Summenversicherung, weil die Leistung unabhängig vom Nachweis eines konkreten Vermögensnachteils in voller Höhe gebührt (RS0081358 [T3]). Taggeld wird also auch dann gewährt, wenn die Behinderung der Arbeitsfähigkeit keinerlei Vermögensnachteil brachte (7 Ob 82/11a mwN; 7 Ob 187/20f). Auch arbeitslose Personen haben nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs Anspruch auf Taggeld, weil die Invalidität auch auf die Arbeitsfähigkeit eines Arbeitslosen Einfluss hat, nämlich auf seine potentielle Chance, wieder ins Berufsleben einzusteigen (7 Ob 316/04b; Maitz, AUVB, Art 10, 144).

[43]     Die Klausel verwehrt dem im Unfallzeitpunkt nicht (mehr) erwerbstätigen Versicherungsnehmer diesen Anspruch und erfasst dabei auch Fälle, in denen er die Versicherungsprämie jahre- oder jahrzehntelang bezahlt hat und nach dem Unfall auch weiterhin bezahlt. Das ist jedenfalls als gröblich benachteiligend zu qualifizieren (für Intransparenz Maitz, AUVB, Art 10, 147). Unabhängig davon, ob Art 26 AUVB überhaupt anzuwenden ist, wenn der Versicherungsnehmer im Zeitpunkt des Versicherungsfalls nicht mehr erwerbstätig ist (arg „Ergibt sich für die neue Berufstätigkeit bzw Beschäftigung […] eine niedrigere Prämie“), führt diese Bestimmung nur zu einer Reduktion der Prämie aber nicht zu einer Leistungskürzung.

2.5. Klausel 5 (Art 14):

2.5.1. „Welche Leistungen sind bei Kinderlähmung und Erkrankung durch Zeckenbiss vereinbart?

[...]

Eine Leistung wird von uns nur für Tod oder dauernde Invalidität erbracht und bleibt mit der Höhe der vereinbarten Versicherungssummen begrenzt.“

[44]     2.5.2. Das Erstgericht beurteilte die Klausel als intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG, weil für den Versicherungsnehmer unklar bleibe, ob damit eine Unfallrentenleistung ausgeschlossen werden soll oder nicht.

[45]     Das Berufungsgericht schloss sich dieser Beurteilung unter Hinweis auf die Entscheidung 7 Ob 182/19v an. Dass die Wortfolge „nur für Tod oder dauernde Invalidität“ als Anspruchsvoraussetzung zu verstehen sei, gehe aus der Klausel nicht mit der gebotenen Deutlichkeit hervor.

[46]     Die Revision argumentiert, die Entscheidung 7 Ob 182/19v sei korrekturbedürftig bzw auf die hier relevanten AUVB nicht anzuwenden. Für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer sei erkennbar, dass Art 7 AUVB den Leistungsbaustein dauernde Invalidität und Art 8 AUVB den Leistungsbaustein Unfallrente beinhalte und behandle. Art 14 AUVB sehe nun für den Gegeneinschluss bestimmter Krankheiten nach Art 6 AUVB die für diesen Gegeneinschluss ausschließlich anzuwendenden und relevanten Leistungsbausteine vor. Das Aufgreifen der wortidenten Formulierungen von dauernder Invalidität aus Art 7 AUVB und Tod aus Art 10 AUVB sei für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer eine direkte transparente Verknüpfung.

[47]     Die Revisionsbeantwortung argumentiert, aus der Klausel gehe nicht mit der gebotenen Deutlichkeit hervor, ob es sich bei ihr um eine Anspruchsvoraussetzung oder eine Beschränkung auf bestimmte Leistungsbausteine handle.

[48]     2.5.3. In der Entscheidung 7 Ob 182/19v (zust Reisinger, VersE 24. Lfg, 03/2021) beurteilte der Senat eine inhaltsgleiche Klausel als den berechtigten Deckungserwartungen des Versicherungsnehmers widersprechend. Die Revision zeigt keine Gründe auf, von dieser Beurteilung abzugehen.

[49]           Aus Art 7 ff AUVB folgt, dass der Begriff „dauernde Invalidität“ nicht bloß eine einzelne und selbständige Versicherungsleistung beschreibt, sondern maßgeblicher Anknüpfungspunkt für weitere, in den Art 8 ff AUVB beschriebene Versicherungsleistungen ist. Der Begriff „dauernde Invalidität“ wird daher einerseits als Leistungsbaustein (Art 7 AUVB) und andererseits als Anspruchsvoraussetzung für die vom Versicherer zu erbringenden Versicherungsleistungen (Art 8 ff AUVB) verwendet. So knüpft etwa nicht nur die Versicherungsleistung des Art 7 AUVB, sondern auch der Anspruch auf Unfallrente gemäß Art 8 AUVB oder auf Taggeld gemäß Art 11 AUVB an das Vorliegen dauernder Invalidität an, nicht hingegen das Spitalsgeld gemäß Art 12 AUVB. Aus der Klausel geht nun nicht mit der aus Sicht eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers erforderlichen Deutlichkeit hervor, ob mit „dauernde Invalidität“ eine Anspruchsvoraussetzung oder eine Beschränkung auf bestimmte Versicherungsleistungen gemeint ist (idS auch Reisinger, aaO). Sie ist daher schon aus diesem Grund intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG.

2.6. Klauseln 6 und 7 (Art 27.2.6. und Art 27.2.7.):

2.6.1. „Als Obliegenheiten, deren Verletzung unsere Leistungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 3 VersVG bewirkt, werden bestimmt:

Der behandelnde Arzt oder die behandelnde Krankenanstalt sowie diejenigen Ärzte oder Krankenanstalten, von denen die versicherte Person aus anderen Anlässen behandelt oder untersucht worden ist, sind zu ermächtigen und aufzufordern, die von uns verlangten Auskünfte zu erteilen und Berichte zu liefern. Ist der Unfall einem Sozialversicherer gemeldet, so ist auch dieser im vorstehenden Sinne zu ermächtigen.

Die mit dem Unfall befassten Behörden sind zu ermächtigen und zu veranlassen, die von uns verlangten Auskünfte zu erteilen.“

[50]           2.6.2. Das Erstgericht beurteilte die Klauseln als intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG. Die Klauseln würden verschleiern, dass Leistungsfreiheit des Versicherers nur nach Maßgabe des § 6 Abs 3 VersVG eintrete, wodurch dem Versicherungsnehmer ein unklares Bild der Rechtslage und seiner vertraglichen Position vermittelt werde.

[51]           Das Berufungsgericht schloss sich der Beurteilung des Erstgerichts unter Hinweis auf die Entscheidung 7 Ob 216/11g an.

[52]           Die Revision bringt vor, aus der Klausel würde hervorgehen, dass die Leistungsfreiheit nur nach Maßgabe des § 6 Abs 3 VersVG eintrete. Die Klausel sei nämlich mit dem Hinweis überschrieben, dass als Obliegenheiten solche Umstände nur in Verknüpfung mit der Leistungsfreiheit gemäß § 6 Abs 3 VersVG bewirkt würden.

[53]           Die Revisionsbeantwortung argumentiert, neben der von den Vorinstanzen angenommenen Intransparenz seien die Klauseln auch aus weiteren Gründen unzulässig.

[54]           2.6.3. In der Entscheidung 7 Ob 216/11g (= RS0014676 [T34a] = RS0014627 [T7] = RS0016914 [T49a]; zust Ertl, Schriftform, Totalschaden und Transparenz – Zugleich eine Besprechung der E 7 Ob 216/11g, ecolex 2012, 769 [771]; krit Palten, VR 2013, 26 [27 f]) beurteilte der Senat eine Klausel, in der der Verweis auf § 6 Abs 3 VersVG in Form eines bloßen Klammerzitats erfolgte, als intransparent, weil dieser nach dem Klauselwortlaut nicht erkennen lasse, dass dort Ausnahmen von der aufgrund von Obliegenheitsverletzungen gegebenen Leistungsfreiheit des Versicherers statuiert seien. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer werde jeweils das gesamte Regelwerk durchlesen, damit auch auf den im Anhang abgedruckten Text des § 6 Abs 3 KSchG stoßen und die dort normierten Ausnahmen von der Leistungspflicht des Versicherers erkennen.

[55]           Anders verhält es sich in folgenden Fällen:

[56]           In der Entscheidung 7 Ob 66/12z beurteilte der Oberste Gerichtshof eine Klausel, wonach Obliegenheitsverletzungen „nach Maßgabe von § 6 (Abs 3) VersVG“ zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen hingegen als nicht intransparent. Diese Rechtsansicht bestätigte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 113/14i und ergänzte: Da die Leistungsfreiheit des Versicherers nur „nach Maßgabe des § 6 Abs 3 VersVG“ eintrete, lasse der Klauselwortlaut erkennen, dass dort Ausnahmen von der aufgrund von Obliegenheitsverletzungen gegebenen Leistungsfreiheit des Versicherers statuiert seien, zumal auf der ersten Seite der AUVB [2008] auf § 6 Abs 3 VersVG verwiesen werde und diese Norm im Anhang zu den Versicherungsbedingungen abgedruckt sei.

[57]           Diese Argumentation gilt gleichermaßen im vorliegenden Fall. Auch hier wird bloß auf § 6 Abs 3 VersVG verweisen, ohne dem Versicherungsnehmer im Klauselwerk auch nur ansatzweise zu eröffnen, dass an anderer Stelle der AUVB die gesetzliche Bestimmung abgedruckt ist und warum er sich diese (zum Erkennen von Einschränkungen) durchlesen sollte. Die Klauseln sind somit intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG. Auf das weitere Vorbringen des Klägers zur Unzulässigkeit der Klauseln braucht nicht mehr eingegangen werden.

2.7. Klausel 8 (Art 29.1.2.):

2.7.1. „Nach Eintritt des Versicherungsfalles können wir kündigen, wenn wir den Anspruch auf die Versicherungsleistung dem Grunde nach anerkannt oder die Versicherungsleistung erbracht haben, […]

Die Kündigung ist innerhalb eines Monats

- nach Anerkennung dem Grunde nach;

- nach erbrachter Versicherungsleistung;

[…]

von uns vorzunehmen.“

[58]           2.7.2. Das Erstgericht beurteilte die Klausel als gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB. Der Beklagten werde darin eine Kündigungsmöglichkeit beim ersten Versicherungsfall und ohne objektivierbare Kriterien eingeräumt.

[59]           Das Berufungsgericht schloss sich dieser Beurteilung an und ergänzte, der Beklagten werde bei kundenfeindlichster Auslegung eine Kündigung auch bei einem sehr geringfügigen oder dem ersten Versicherungsfall ermöglicht. Dadurch werde ihr die Möglichkeit eingeräumt, die Prämien während eines langen Zeitraums zu lukrieren und beim ersten Versicherungsfall den Vertrag zu kündigen. Das Kündigungsrecht des Versicherers sei daher gemäß § 879 Abs 3 ABGB unwirksam.

[60]           Die Revision argumentiert, der Oberste Gerichtshof habe sich in der Entscheidung 7 Ob 156/20x nicht mit der deutschen Ansicht über die grundsätzliche Zulässigkeit eines paritätischen Kündigungsrechts nach Eintritt des Versicherungsfalls auseinandergesetzt. Es sei auch nicht begründet, warum ein solches Kündigungsrecht einen besonderen Vorteil für den Versicherer darstelle, zumal dieser keine Prämien mehr lukriere. Auch sei nicht verständlich, warum in der Schadenversicherung ein Kündigungsrecht zulässig sei und in der Unfallversicherung nicht. Aufgrund der Privatautonomie und der mangelnden Determinierung durch das dispositive Recht müsse einem Vertragspartner die Möglichkeit gegeben werden, den Vertrag ohne sachlich nachvollziehbare Kriterien zu lösen.

[61]           Die Revisionsbeantwortung hält dem entgegen, die Klausel sei schon deshalb gröblich benachteiligend, weil sie dem Versicherer ein Kündigungsrecht ohne objektivierbare Kriterien und bei jedem noch so kleinen Schadenfall einräume.

[62]           2.7.3. In der Entscheidung 7 Ob 84/16b (= RS0128803 [T1]) hielt der Senat ein paritätisch ausgestaltetes Kündigungsrecht im Schadenfall in der Rechtsschutzversicherung für gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB, weil dem Versicherer eine völlig undeterminierte Kündigungsmöglichkeit beim ersten – noch so kleinen – Rechtsschutzversicherungsfall eingeräumt werde. Zum selben Ergebnis kam der Senat in der Entscheidung 7 Ob 156/20x (Klausel 8, zust Gisch/Weinrauch, ZVers 2021, 80 [90]; abl Kath, ZVers 2021, 94 [98]) in Bezug auf eine inhaltsgleiche Klausel in der Unfallversicherung, die dem Versicherer ein paritätisches Kündigungsrecht nach Eintritt des Versicherungsfalls einräumte.

[63]           Im vorliegenden Fall ist das Kündigungsrecht jedoch sogar imparitätisch ausgestaltet, weil der Versicherungsnehmer gemäß Art 29.1.1. AUVB nach Eintritt des Versicherungsfalls nur kündigen kann, wenn der Versicherer einen gerechtfertigten Anspruch auf die Versicherungsleistung abgelehnt oder dessen Anerkennung verzögert hat. Ist das Kündigungsrecht imparitätisch ausgestaltet, müssen dessen Voraussetzungen für den Versicherer besonders genau präzisiert und objektivierbar sein, um beurteilen zu können, ob es im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB auch sachlich gerechtfertigt ist (vgl RS0128803 zu Art 15.3.2. ARB 2010 und Art 15.3.2. Fall 1 ARB 2005). Davon kann hier keine Rede sein, wird die Kündigung doch ohne objektivierbare Kriterien in das freie Ermessen des Versicherers gestellt und räumt die Klausel dem Versiche

Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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