TE OGH 2021/10/19 13Os78/21a

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Veröffentlicht am 19.10.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Lampret in der Strafsache gegen ***** M***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten ***** K***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 26. Februar 2021, GZ 18 Hv 130/20k-100, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten ***** K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** K***** je eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A III 1) und des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (A III 2) sowie je eines Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A I) und der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (A III 3) schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er in G*****

(A) am 30. Juli 2020

I) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit ***** M***** ***** S***** vorsätzlich (US 6) am Körper verletzt, indem sie ihr eine Tür gegen den Kopf stießen, wodurch sie ein Hämatom auf der Stirn erlitt, weiters

III) 1) die Genannte mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie gegen ihren Willen (US 6 f) entkleidete, sich auf sie legte (US 7), ihr Handgelenk festhielt und ihr einen Polster gegen das Gesicht drückte, sodass sie sich nicht mehr bewegen und nicht schreien konnte, ihre Beine auseinander drückte und mehrmals vaginal und anal mit seinem Penis in sie eindrang (US 7), und

2) durch die zu A III 1 beschriebene Tathandlung eine Person, die wegen einer aus einem Suchtmittelkonsum resultierenden tiefgreifenden Bewusstseinsstörung unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende (geschlechtliche) Handlungen vornahm, sowie

3) im Anschluss an die zu A III 1 beschriebene Tathandlung ***** S***** mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zur Rückkehr in die (Tatort-)Wohnung, zu nötigen versucht, indem er sie im Zuge von zwei Fluchtversuchen einholte, umklammerte und gegen eine Hausmauer drückte, wobei es ihr jeweils gelang, sich von ihm loszureißen.

[3]       Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*****.

Rechtliche Beurteilung

[4]            Der (der Sache nach zu A III 1 und 2 erhobene) Einwand der Mängelrüge (Z 5), die Feststellung, wonach der Angeklagte K***** bereits beim Zusammentreffen mit ***** S***** in einem Park „sexuelle Begierde verspürte“, sie aufgrund ihrer Drogenbeeinträchtigung für „ein leichtes Opfer“ hielt und den Entschluss fasste, sie „in die Wohnung des ***** M***** zu bringen, um sie dort unter Ausnützung ihrer [...] fehlenden Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit, nötigenfalls unter Anwendung von Gewalt, zu missbrauchen und mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen“ (US 6), sei infolge unterbliebener Erörterung diverser Angaben dieses Angeklagten unvollständig (Z 5 zweiter Fall), spricht keine entscheidende Tatsache an (siehe aber RIS-Justiz RS0106268).

[5]            Ob die Zeugin ***** S***** durch das inkriminierte Verhalten zu A III 1 „körperliche Spuren“ und ob ihre Kleidung Beschädigungen aufwies, ist nicht erheblich. Diesbezügliche Verfahrensergebnisse mussten demzufolge unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit nicht erörtert werden.

[6]            Kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) besteht zwischen der Konstatierung, wonach ***** S***** „zwar nicht widerstandsunfähig, jedoch aufgrund ihrer Suchtmittelbeeinträchtigung nicht in der Lage [war], die Bedeutung des Vorgangs, nämlich des sexuellen Missbrauchs, einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln“ (US 7) und jenen Feststellungen, wonach sie auf die Toilette flüchtete, „gegen ihren Willen“ entkleidet wurde und „durch Zucken, Winden und 'Nein' sagen ihren Unwillen […] zum Ausdruck“ brachte (US 6 f).

[7]            Der Beschwerde zuwider ist die Ableitung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite zu A III 2 aus dem äußeren Tatgeschehen (US 15) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671 und RS0116882).

[8]            Mit dem Verweis auf das zu Z 5 zweiter Fall erstattete Vorbringen wird Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) im Sinn eines den Tatrichtern unterlaufenen Fehlzitats (RIS-Justiz RS0099431) nicht dargetan.

[9]            Feststellungen können nicht „aktenwidrig“ sein (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 393; Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 281 Rz 61).

[10]           Das übrige Vorbringen der Mängelrüge erschöpft sich darin, unter isoliertem Hervorheben einzelner Verfahrensergebnisse (siehe aber RIS-Justiz RS0116504) oder auf rein spekulativer Basis anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Angeklagten günstige Schlüsse zu ziehen und wendet sich somit nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[11]           Soweit die Beschwerde einen Teil des zur Mängelrüge (Z 5) erstatteten Vorbringens auch zu jenem der Tatsachenrüge (Z 5a) erklärt, vernachlässigt sie damit den wesensmäßigen Unterschied der – demnach gesondert auszuführenden – Nichtigkeitsgründe (vgl RIS-Justiz RS0115902).

[12]           Indem die Tatsachenrüge zu A III 2 aus den vom Erstgericht angeführten Prämissen, teils unter isolierter Hervorhebung einzelner Aussagepassagen (siehe aber erneut RIS-Justiz RS0116504), für den Beschwerdestandpunkt günstige Schlussfolgerungen anstellt, verfehlt sie ebenfalls den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099674).

[13]           Der von der Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) hinsichtlich der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite zu A III 2 erhobene Vorwurf der bloßen „Wiedergabe [...] der 'verba legalia'“ legt nicht dar, warum es den insoweit getroffenen Feststellungen (US 6 f) am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS-Justiz RS0119090 [T3]).

[14]           Die Subsumtionsrüge (Z 10) argumentiert zu A III 2 nicht auf der Basis der dazu getroffenen Urteilskonstatierungen (US 6 f, siehe aber RIS-Justiz RS0099810).

[15]     Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[16]     Über die Berufung hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).

[17]     Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E132974

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00078.21A.1019.000

Im RIS seit

03.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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