TE OGH 2021/4/27 5Ob189/20k

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.2021
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. P***** G*****, 2. Mag. I***** M*****, beide vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. P***** G*****, 2. E***** R*****, beide vertreten durch die Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, wegen § 838a iVm § 836 ABGB, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Juli 2020, GZ 39 R 113/20m-28, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 3. März 2020, GZ 35 Msch 10/18y-24, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller sind schuldig, den Antragsgegnern die mit 385,61 EUR (darin 64,27 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]            Die beiden Antragsteller sind jeweils zu einem Sechstel und die beiden Antragsgegner jeweils zu einem Drittel Miteigentümer von vier in verschiedenen Katastralgemeinden gelegenen Liegenschaften. Die Parteien sind miteinander verwandt. Die Großmutter der Antragsgegner war die Schwester des Großvaters der Antragsteller. Die Miteigentumsanteile der Antragsteller waren zum Zeitpunkt der Einleitung dieses Verfahrens mit einem Fruchtgenussrecht zugunsten ihres Vaters belastet; dieser ist mittlerweile verstorben.

[2]            Die Verwaltung der Liegenschaften und den darauf errichteten Zinshäusern führt seit Mitte der 1990er der Erstantragsgegner; das bis 2002 gemeinsam mit seinem Vater und seit diesem Zeitpunkt alleine.

[3]            Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag, den Erstantragsteller wegen grober Pflichtverletzung mit sofortiger Wirkung als Verwalter abzuberufen. Die Antragsteller werfen dem Erstantragsgegner vor, er habe Kautionen in beträchtlicher Höhe kassiert und diese nicht gemäß § 16b MRG ordnungsgemäß auf Sparbüchern verwahrt, sondern diese Beträge an sich und die anderen Miteigentümer ausgeschüttet. Außerdem habe er in seiner Funktion als Verwalter der Miteigentumsgemeinschaft im Rahmen eines unzulässigen Insichgeschäfts ein Darlehen zur Verfügung gestellt und hierfür exorbitant hohe Zinsen verrechnet.

[4]            Der in diesem Verfahren zu beurteilende Antrag bezieht sich (nur) auf eine der vier im Eigentum der Parteien stehenden Liegenschaften. Die Abberufung des Erstantragsgegners als Verwalter der anderen Liegenschaften ist zufolge der unterschiedlichen örtlichen Zuständigkeit Gegenstand gesonderter Verfahren. Eines dieser Verfahren ist bereits rechtskräftig abgeschlossen; in diesem wurde der Erstantragsgegner als Verwalter abberufen (vgl 6 Ob 169/20a).

[5]            Das Erstgericht wies den Antrag, den Erstantragsgegner wegen grober Pflichtverletzung abzuberufen, hingegen ab.

[6]            Die Enthebung des Verwalters stehe nur der Mehrheit zu, auch dann, wenn der zu Enthebende Miteigentümer sei. Ein schlichter Miteigentümer sei bei der Abstimmung über seine Bestellung zum Verwalter im Regelfall auch nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen. Die Antragsteller hätten gemeinsam nur ein Drittel der Miteigentumsanteile. Als Minderheit könnten sie die Enthebung gegen den Willen der Mehrheit nicht herbeiführen. Schon aus diesem Grund sei der Antrag abzuweisen.

[7]            Ginge man auch im Anwendungsbereich des ABGB von einem Stimmrechtsausschluss des verwaltenden Miteigentümers aus, so würde das Drittel der Zweitantragsgegnerin gegen das Drittel der Antragsteller stehen. Bei einer solchen Pattstellung könnte das Außerstreitgericht angerufen werden und der Antrag wäre meritorisch zu prüfen. Nach den getroffenen Feststellungen habe der Erstantragsteller seine Pflichten gegenüber der Miteigentümergemeinschaft allerdings nicht, jedenfalls nicht in einem Ausmaß verletzt, das dessen Abberufung rechtfertige.

[8]       Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge.

[9]            Der Miteigentümer sei bei der Abstimmung über seine Bestellung zum Verwalter im Regelfall nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen; jedenfalls dann nicht, wenn der beabsichtigte Verwaltervertrag übliche Konditionen enthalte und dem Verwalter keine über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Befugnisse eingeräumt werden sollen. Vice versa könne dem verwaltenden Minderheitseigentümer das Stimmrecht bei seiner Enthebung nicht genommen werden, vor allem dann nicht, wenn die Verwaltungsvollmacht – wie hier – den üblichen Umfang aufweise. Komme aber dem Erstantragsgegner ein Stimmrecht zu, dann sei der Antrag auf dessen Enthebung ohne die dafür erforderliche Mehrheit geblieben. Die Anrufung des Außerstreitgerichts sei daher nicht zulässig.

[10]     Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil seine Entscheidung von der Entscheidung des Rekursgerichts in dem in ein und derselben Angelegenheit geführten Parallelverfahren abweiche. Abgesehen davon fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des Stimmrechtsausschlusses des verwaltenden Miteigentümers bei seiner Abberufung.

[11]     Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller. Sie beantragen den Beschluss des Rekursgerichts abzuändern und dem Antrag stattzugeben. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

[12]     Die Antragsgegner beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[13]     Der Revisionsrekurs ist – entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts – nicht zulässig.

[14]            1.1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RIS-Justiz RS0112921, RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn die Rechtsfrage durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt wurde (RS0112921 [T5, T14], RS0112769 [T12]).

[15]     Das ist hier in Bezug auf die vom Rekursgericht und von den Rechtsmittelwerbern als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG angesprochene Frage des Stimmrechtsausschlusses des verwaltenden Miteigentümers der Fall.

[16]            1.2. Der Oberste Gerichtshof hat mittlerweile in der ausführlich begründeten Entscheidung 6 Ob 169/20a ausgesprochen, dass der zum Verwalter bestellte Miteigentümer von der Abstimmung über seine Abberufung im Regelfall nicht ausgeschlossen ist (RS0133287). Bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen kann dieser Miteigentümer im Rahmen der Beschlussfassung daher eine (sofortige) Abberufung mit seiner eigenen Stimme verhindern.

[17]     Allen übrigen Miteigentümern gemeinsam steht gegen den verwaltenden Miteigentümer allerdings ein Abberufungsantrag aus wichtigem Grund zu. Die Abberufung ist als Streitigkeit im Zusammenhang mit der Verwaltung iSd § 838a ABGB im außerstreitigen Rechtsweg geltend zu machen. Miteigentümer, die nicht als Mitantragsteller auftreten wollen, sind als Mitantragsgegner in das Verfahren einzubeziehen und auf Duldung der geltend gemachten Rechtsgestaltung in Anspruch zu nehmen (RS0133288).

[18]            1.3. Die Revisionsrekurswerber zeigen keine Argumente auf, die Anlass geben, von dieser Rechtsprechung wieder abzugehen.

[19]            2.1. Für die Beurteilung der inhaltlichen Berechtigung eines solchen Abberufungsantrags, also der Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, der die Abberufung eines Miteigentümers als Verwalter der Miteigentumsgemeinschaft rechtfertigt, kann auf die zur Auflösung des Verwaltungsvertrags wegen grober Vernachlässigung der Verwalterpflichten nach § 21 Abs 3 WEG 2002 ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zurückgegriffen werden (6 Ob 169/20a).

[20]     Das Individualrecht auf Auflösung des Verwaltungsvertrags kann nur dann erfolgreich ausgeübt werden, wenn nach dem Verhalten des Verwalters begründete Bedenken gegen seine Treue- und Interessenwahrungspflicht bestehen. Es muss sich dabei um Gründe handeln, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung so gewichtig sind, dass die Wahrnehmung der Interessen der Wohnungseigentümer nicht mehr gesichert ist (RS0083249). Es bedarf einer gravierenden, die Vertrauensbasis zerstörenden Pflichtverletzung (RS0083249 [T4]). Unter diesen Voraussetzungen können auch mehrere einzelne Pflichtverletzungen des Verwalters, die für sich allein betrachtet noch keine grobe Vernachlässigung seiner Pflichten darstellen, bei einer Gesamtschau die Abberufung rechtfertigen (RS0083249 [T2], RS0111894 [T1]). Bei der Prüfung von Auflösungsgründen ist auch jeweils eine Zukunftsprognose anzustellen (RS0101593 [T1]).

[21]     Ob ausreichende Gründe vorliegen, den Verwaltungsvertrag auf Antrag eines Mit- und Wohnungseigentümers aufzulösen, lässt sich immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen (RS0111893). Solange das Rekursgericht seine Entscheidung innerhalb des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums trifft, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RS0042763).

[22]            2.2. Schon das Erstgericht verneinte ein die Abberufung rechtfertigendes pflichtwidriges Verhalten des Erstantragstellers.

[23]           Zum Vorwurf der nicht dem § 16b MRG entsprechenden Gebarung der Kautionen verwies das Erstgericht auf den von ihm festgestellten Sachverhalt. Danach war es zwischen den Miteigentümern abgesprochen und jahrzehntelange Übung, dass während des laufenden Jahres, und zwar ungeachtet des tatsächlichen Betriebsergebnisses, den jeweiligen Miteigentumsanteilen entsprechende Akontierungen auf den zukünftigen Ertrag der Liegenschaften ausbezahlt werden. In einer den Miteigentümern und Fruchtgenussberechtigten übermittelten „Notiz“ vom 6. 5. 2010 berichtete der Erstantragsgegner über den aktuellen Stand der vereinnahmten Kautionen und hielt dazu fest, dass die Kautionen jeweils in die laufenden Betriebsmittel aufgenommen und nicht weiter „separat gestioniert“ worden seien. Nach der „Mietrechtsänderung 2009“ sei allerdings ab September 2009 vorgeschrieben, Kautionen (auch die vor April 2009 vereinnahmten) namens der Kautionsgeber in einer eindeutig vom Vermögen der Vermieter abgegrenzten Form zum Eckzinssatz verzinst zu führen. Für eine solche Umstellung fehle aber derzeit die Liquidität, dies müsse auf später verschoben oder gegebenenfalls „bankvorfinanziert“ werden. Sanktionen seien seines Wissens keine festgelegt. Dass die anderen Miteigentümer den Erstantragsgegner danach zur gesetzeskonformen Gebarung der Kautionen aufgefordert hätten, steht nicht fest. Anlässlich einer Diskussion über eine Übernahme der Kosten für Trockenlegungsarbeiten und eines Mietzinsrückstands im November 2013 verwahrte sich der Vater der Antragsteller (als Fruchtgenussberechtigter ihrer Liegenschaftsanteile) gegen die Verminderung der monatlichen Ausschüttungen und drohte für diesen Fall mit Wissen und Willen des Erstantragstellers rechtliche Schritte an. Da zu diesem Zeitpunkt die Summe der Ausschüttungen das operative Jahresergebnis schon mehrmals überschritten hatte, konnte der Erstantragsgegner diesem Begehren auf Aufrechterhaltung der Akontierung nur nachkommen, indem er (ua) die vereinnahmten Kautionen weiterhin auf dem Gemeinschaftskonto beließ. Die entsprechenden Verrechnungspositionen waren den Miteigentümern aufgrund der ihnen übermittelten Jahresabrechnung auch bekannt. Erst im Jahr 2017 verlangte der Vater der Antragsteller die separierte Verwahrung der Kautionen auf einem Sparbuch. Dieses Begehren war ursprünglich auch Gegenstand des dieses Verfahren einleitenden Antrags vom Februar 2018. Der Erstantragsgegner verlangte daraufhin von den Miteigentümern und Fruchtgenussberechtigten die anteilige Einzahlung des zur Veranlagung der noch nicht auf einem gesonderten Sparbuch verwahrten Kautionen erforderlichen und nicht liquide verfügbaren Betrags. Der Vater der Antragsteller bezahlte den auf ihn entfallenden Anteil nicht, sodass der Erstantragsgegner – wie für diesen Fall angekündigt – bis zur Abdeckung dieses Anteils keine monatlichen Ausschüttungen an diesen vornahm. Bis zum Ende des Jahres 2018 wurden sämtliche vereinnahmten Kautionen aus dem Gemeinschaftskonto ausgegliedert und auf Sparbücher gelegt.

[24]           Aus diesen Feststellungen zog das Erstgericht den Schluss, dass es das Hauptanliegen der Antragsteller und ihres Vaters gewesen sei, die monatlichen Akontozahlungen aus dem Liegenschaftsbesitz zu erhalten. Die Warnung des Erstantragsgegners vor der Änderung der Rechtslage für die Verwahrung der Kautionen sei klar und deutlich gewesen, er habe den Gesetzeswortlaut wiedergegeben und die daraus folgende Problematik für die Liquidität der Miteigentumsgemeinschaft aufgezeigt. Die nun im Nachhinein beanstandete Vorgangsweise des Erstantragsgegners hätten die Miteigentümer offenbar akzeptiert und diesem zugestanden. Er habe daher seine Pflichten als Verwalter gegenüber der Miteigentümergemeinschaft nicht verletzt.

[25]     Auch zum Vorwurf, der Erstantragsgegner habe sich durch Vergabe eines Darlehens zu überhöhten Zinsen auf Kosten der Miteigentumsgemeinschaft Vorteile verschafft, traf das Erstgericht detaillierte Feststellungen. Danach weist das Konto der Miteigentümergemeinschaft einen Überziehungsrahmen von 45.000 EUR auf. Der Sollzinssatz beträgt 8,75 %, der Überziehungszinssatz 14,25 %. Wenn über den Kontokorrentrahmen hinaus Geld benötigt wurde, gab es die langjährige Übung der Miteigentümer, Beträge aus dem Privatvermögen zuzuschießen. Diese Beträge wurden, bei Wiederherstellung der Liquidität, wiederum zurückbezahlt, mit einer Verzinsung entsprechend des Sollzinssatzes am Konto. Ab 2013 tätigte der Vater der Antragsteller keine Privateinlagen mehr. Der Erstantragsgegner und die Zweitantragsgegnerin leisten solche; die mit 8,5 % berechnet und ausgezahlten Zinsen für den Zeitraum Jänner 2013 bis Jänner 2015 betrugen für den Erstantragsgegner gesamt 1.774,94 EUR und für die Zweitantragsgegnerin 840,91 EUR. Nach Auffassung des Erstgerichts habe der Erstantragsgegner damit gemeinsam mit der Zweitantragsgegnerin Liquiditätsengpässe durch private Einlagen abgefedert, wie es in den Zeiträumen davor auch der Vater der Antragsteller
– von diesen unwidersprochen – getan habe. Die Verzinsung der Beträge habe dem Sollzinssatz des Geschäftskontos entsprochen und sei unter dem Verzugszinssatz gelegen. Den Antragstellern als Eigentümern sei daher aufgrund dieser Verzinsung kein Schaden erwachsen, weil sie bei Ausnutzung des Geschäftskontos keinesfalls weniger bezahlt hätten. Eine gesonderte Kreditaufnahme für die jeweiligen Beträge hätte aufgrund der vorhandenen finanziellen Basis für die Miteigentümergemeinschaft einen höheren finanziellen, aber auch arbeitsmäßigen Aufwand nach sich gezogen. Diese Praxis der Privateinlage mit der Verzinsung in Höhe des Geschäftskontos sei dem Erstantragsgegner daher nicht als grobe Pflichtverletzung vorzuwerfen; das ungeachtet dessen, dass er diesen Zinssatz für eine private Spareinlage nicht erzielen hätte können.

[26]            2.3. In dieser Abwägung der konkreten Umstände liegt keine aus Gründen der Rechtssicherheit auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die Antragsteller zeigen in ihrem Revisionsrekurs eine solche schon deshalb nicht auf, weil sie in ihrer Argumentation einerseits die nicht für ihren Standpunkt sprechenden Feststellungen ignorieren und dieser andererseits Behauptungen zugrunde legen, die in ihrem Tatsachengehalt vom festgestellten Sachverhalt abweichen. So hat sich der Erstantragsgegner die Kautionen nicht etwa „gesetzwidrig zugeeignet“.

[27]            3.1. Der Entscheidung 6 Ob 169/20a lag der Antrag der Antragsteller auf Abberufung des Erstantragsgegners als Verwalter der in Wiener Neustadt gelegenen Liegenschaft zugrunde. In diesem Verfahren haben die Vorinstanzen ins Gewicht fallende Pflichtverletzungen des Erstantragsgegners und damit einen die Abberufung des Erstantragsgegners als Verwalter der Miteigentumsgemeinschaft rechtfertigenden wichtigen Grund bejaht und dem Antrag statt gegeben.

[28]           Der 6. Senat führte dazu aus, dass das Ergebnis dieser Abwägung nach dem (dort) festgestellten Sachverhalt nicht zu beanstanden sei.

[29]            3.2. Der andere Verfahrensausgang erklärt sich nicht (nur) durch den dem Außerstreitgericht bei dieser Entscheidung stets eingeräumten Beurteilungsspielraum. Vielmehr weichen die im Parallelverfahren zu 6 Ob 169/20a von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen zur Gebarung des Erstantragsgegners als Verwalter offenbar in entscheidenden Punkten von dem in diesem Verfahren festgestellten Sachverhalt ab. Aus diesem ist vor allem nicht abzuleiten, dass die zwischen den Miteigentümern abgesprochene, jahrzehntelange geübte und insbesondere vom Rechtsvorgänger der Antragsteller bis relativ kurz vor Einleitung dieses Verfahrens ausdrücklich eingeforderte Praxis der Auszahlungen von Ausschüttungen auf einer Fehleinschätzung der Gewinnsituation beruht.

[30]            3.3. Den Sachverhaltsfeststellungen in Entscheidungen aus anderen Verfahren kommt grundsätzlich keine Bindungswirkung für spätere Verfahren zu (RS0123760 [T2]), die Feststellung von Tatsachen erfolgt in jedem Rechtsstreit also ohne Bindung an die Beurteilung in einem anderen Verfahren (RS0036826). Die Tatsachenfeststellungen eines Gerichts, die es als zur Gewinnung des für die Subsumtion erforderlichen Tatbestands benötigt, erwachsen nicht in Rechtskraft (RS0041342 [T4], RS0118570 [T1], RS0041285 [T4]). Diese Grenzen der materiellen Rechtskraft können aus Gründen der „Entscheidungsharmonie“ allein nicht ausgeweitet werden; materielle Nahebeziehungen oder Abhängigkeiten zwischen den Streitgegenständen, teleologische Sinnzusammenhänge der Entscheidungsgegenstände oder Rechtsverhältnisse, oder das Bedürfnis nach Rechtssicherheit sind keine hinreichenden Gründe für eine Erweiterung der Bindungswirkung (RS0102102 [T15], RS0039843 [T42], RS0041572 [T24]). Mit dem Gedanken der „Rechtssicherheit“ ist es durchaus vereinbar, wenn die Sachverhaltsgrundlage der Entscheidung in dem einen Verfahren der Entscheidung im anderen nicht zu Grunde gelegt wird (RS0102102 [T12]).

[31]           4. Zusammenfassend hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ab. Der Revisionsrekurs ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

[32]            5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG. Bemessungsgrundlage für den Ersatz der Vertretungskosten ist der im Antrag als Wert des Verfahrensgegenstands (Abberufung) angegebene Betrag (§ 4 RATG).

Textnummer

E131720

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00189.20K.0427.000

Im RIS seit

04.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.07.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten