TE OGH 2020/3/17 14Os11/20d

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Veröffentlicht am 17.03.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. März 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in der Strafsache gegen Selman D***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 18. Oktober 2019, GZ 38 Hv 97/19k-34, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Selman D***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 22. Dezember 2018 in W***** ***** K***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie von hinten an den Schultern erfasste, sie in Richtung Couch schob und auf diese schubste, sich auf sie legte und vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine sonstige Reaktion auf schwere Belastungen mit Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung (US 5 f), zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) begegnet die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Herbeiführung der in § 201 Abs 2 erster Fall StGB genannten Folgen (US 5 f) aus dem
– detailliert beschriebenen (US 4 f) – äußeren Tatablauf (US 9) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

Ob der Beschwerdeführer (im Detail) von der
– im Übrigen mit einer massiven Gangstörung verbundenen – schweren Erkrankung des Tatopfers (US 3 f) wusste, worauf sich der von der Beschwerde kritisierte unvollendete Satz der beweiswürdigenden Erwägungen ersichtlich bezog (US 9 iVm US 10), ist dabei ohne Relevanz.

Davon abgesehen betrifft die Frage der (bedingt) vorsätzlichen Herbeiführung dieser Erfolgsqualifikation (§ 7 Abs 2 StGB) keine entscheidende Tatsache, genügt doch diesbezüglich Fahrlässigkeit (Fabrizy, StGB13 § 201 Rz 14). Die darauf bezogene objektive Sorgfaltswidrigkeit ist im konkreten Fall – wie der Vollständigkeit halber anzumerken bleibt – bereits durch die Begehung des Grunddelikts mitverwirklicht (RIS-Justiz RS0089151, RS0089253), das Vorliegen von Anhaltspunkten dafür, dass der Angeklagte infolge seiner individuellen geistigen Verhältnisse zur Tatzeit nicht wie jedermann dazu in der Lage gewesen wäre, den durch das im Urteil beschriebene Verhalten eingetretenen Erfolg und den zu ihm führenden Kausalverlauf zu erkennen (vgl RIS-Justiz RS0088909), wurde gar nicht behauptet.

Die von der Beschwerde als unberücksichtigt geblieben reklamierten (Z 5 zweiter Fall) Passagen aus den
– jeweils in ihrer Gesamtheit erörterten (US 7 ff) – Aussagen des Zeugen Mehmet D***** (zu früherem Verhalten des Tatopfers in „rauschigem“ Zustand) und der Zeuginnen K***** (zu einem „angenehmen Geruch“ des Angeklagten und ihrer eigenen Medikation) sowie Rita T***** (wonach sie bei Ankunft in der Wohnung ihrer Schwester kurz nach dem inkriminierten Vorfall „glaublich“ ein Glas „Weiß-Sauer“ auf dem Couchtisch gesehen habe; ON 33 S 14), beziehen sich ebenso wenig auf entscheidende Tatsachen wie das Ergebnis der medizinischen Untersuchung K*****s, nach der keine Verletzungen im Intimbereich feststellbar waren, und der – einen Atemalkoholgehalt des Tatopfers von 0,72 mg/l am Tattag ergebende – Alkoholvortest. Diese Verfahrensergebnisse bedurften daher – auch unter dem Aspekt einer Unvollständigkeit in Ansehung der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin K***** – keiner gesonderten Erörterung im Urteil (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO; RIS-Justiz RS0117499, RS0106295, RS0106642, RS0119422 [T4]).

Indem die Rüge unter Hinweis auf isoliert zitierte Details aus den – den Urteilsfeststellungen zugrunde
gelegten – Depositionen des Tatopfers zum eigentlichen Tatgeschehen auf Basis eigener Plausibilitätserwägungen zum Schluss kommt, dessen Schilderung sei nicht nachvollziehbar und „bereits mit der Anatomie des menschlichen Körpers nicht vereinbar“, erschöpft sie sich in unzulässiger Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung.

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nur bei einer (erheblich) unrichtigen oder unvollständigen Wiedergabe des Inhalts einer Urkunde oder einer Aussage vor (RIS-Justiz RS0099431). Ein solches Fehlzitat spricht die Beschwerde mit der Behauptung, einzelne Schlüsse des Erstgerichts – zu im Übrigen erneut irrelevanten Umständen (konkret zum Wissen des Angeklagten um die Erkrankung K*****s sowie zur Position deren Hose während der Vergewaltigung) – fänden in der Aussage der Genannten keine Deckung, nicht an.

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) auf das Vorbringen der Mängelrüge verweist und dieses weitgehend wiederholt, lässt sie den wesensmäßigen Unterschied der einzelnen Nichtigkeitsgründe außer Acht (RIS-Justiz RS0115902).

Indem sie erneut die Glaubwürdigkeit der Zeugin K***** mit dem Hinweis auf deren Aussageverhalten während der kontradiktorischen Vernehmung und einen weiteren (ebenso unerheblichen) Widerspruch innerhalb ihrer Angaben in Zweifel zu ziehen versucht, die Verantwortung des Beschwerdeführers als nachvollziehbar und stimmig beurteilt, weiters die Ansicht vertritt, die Angaben der Zeugin T***** zur Gangstörung des Tatopfers würden „nicht überzeugen“ und die dokumentierten Hautrötungen im Gesicht des Opfers keinen tauglichen Beweis für eine Vergewaltigung darstellen, bekämpft sie ein weiteres Mal unzulässig die Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen werden damit nicht dargetan.

Mit der Berufung auf den

Zweifelsgrundsatz wird Nichtigkeit aus

Z 5a gleichfalls nicht aufgezeigt (RIS-Justiz

RS0102162).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E127880

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00011.20D.0317.000

Im RIS seit

04.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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