TE OGH 2018/3/14 13Os13/18p

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Veröffentlicht am 14.03.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sinan P***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 4. Oktober 2017, GZ 21 Hv 46/17h-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sinan P***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (I) und mehrerer Vergehen (richtig: eines Vergehens) nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (II) schuldig erkannt.

Danach hat er

I) am 27. Mai 2017 in H***** Onur G***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, indem er mit den Fäusten und einem Teleskopschlagstock auf dessen Kopf und Oberkörper einschlug, sodass der Genannte eine operativ zu versorgende (US 3) Kieferwinkelfraktur links, somit eine an sich schwere Verletzung, sowie blutende Wunden am Kopf und Blutergüsse am Oberkörper erlitt;

II) bis zum 27. Mai 2017 in G*****, wenn auch nur fahrlässig, nachgenannte verbotene Waffen (§ 17 Abs 1 Z 6 WaffG), unbefugt besessen, und zwar

a) einen Teleskopschlagstock;

b) einen Schlagring.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen den Schuldspruch I sowie gegen den Strafausspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wies das Erstgericht die beiden nachangeführten Beweisanträge (ON 14 S 20) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 14 S 21 f):

Der Antrag auf Vernehmung des Zeugen Tolga Ü***** „zum Beweis dafür, dass Onur G***** Gamze Gü***** in ihrer Aussage erheblich beeinflusst und unter Druck gesetzt hat“, damit diese gegenüber der Polizei verschweige, dass Onur G***** die ersten Schläge gesetzt habe und die Aggressionen von ihm ausgegangen seien, und der weiters „dahingehend aussagen [könne], dass ihm seitens Onur G***** mitgeteilt wurde, dass Onur G***** den Erstangeklagten zuerst angegriffen hat“, zielte der Sache nach auf eine Kontrolle und Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Angaben von Onur G***** und Gamze Gü***** (vgl US 5) sowie darauf, der Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen. Wenn auch eine Beweisführung zur Erschütterung der Glaubwürdigkeit der den Angeklagten belastenden Angaben grundsätzlich zulässig ist (RIS-Justiz RS0098429, RS0028345), ließen sich dem Antragsvorbringen keine – für den Erfolg eines solchen Begehrens erforderlichen (RIS-Justiz RS0120109 [T3]) – konkreten Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, die beiden Genannten hätten in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt. Das zur Fundierung des Antrags nachgetragene Beschwerdevorbringen unterliegt dem Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Der Antrag auf Vernehmung des Zeugen Ibrahim Pe***** zum Beweis dafür, dass Onur G***** gegen den Angeklagten tätlich vorgegangen ist und sich dieser ausschließlich zur Wehr gesetzt habe, ließ nicht erkennen, warum der beantragte Beweis das behauptete Ergebnis erwarten lasse (RIS-Justiz RS0118444). Ein solches Vorbringen wäre hier umso mehr geboten gewesen, als sich selbst nach der Aussage des Angeklagten (ON 14 S 21) Ibrahim Pe***** nicht am Tatort befand (vgl § 55 Abs 1 dritter Satz StPO).

Nach den Entscheidungsgründen ging von Onur G***** kein gegenwärtiger oder unmittelbar drohender rechtswidriger körperlicher Angriff auf den Angeklagten aus und wurde ein solcher Angriff vom Angeklagten auch nicht irrtümlich angenommen (US 3). Mangels erörterungsbedürftigen Widerspruchs hiezu waren die Tatrichter entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht dazu verhalten, die von der Beschwerde zudem sinnentstellend verkürzt wiedergegebene Passage der in ihrer Gesamtheit sehr wohl berücksichtigten Aussage des Onur A***** (vgl US 5), wonach Sinan P***** zu Boden gegangen und bewusstlos gewesen sei, nachdem der genannte Zeuge ihn aus dem „Schwitzkasten“ gelassen habe (ON 14 S 18), gesondert zu erörtern.

Wie die Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) selbst einräumt, haben die Tatrichter eingehend dargelegt, warum sie den Angaben des Zeugen Berk C***** (auch: Ce*****) vor der Polizei, nicht aber dessen Aussage in der Hauptverhandlung folgten (US 6). Die eingewendete Unvollständigkeit in Ansehung einzelner Teile der Aussage des Genannten in der Hauptverhandlung liegt daher nicht vor.

Der weiteren Beantwortung der Mängelrüge ist voranzustellen, dass die Behauptung einer offenbar unzureichenden oder gar fehlenden Begründung (Z 5 vierter Fall) stets sämtliche beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter in Ansehung der bekämpften Feststellung berücksichtigen muss, widrigenfalls die Rüge ihren gesetzlichen Bezugspunkt verfehlt (RIS-Justiz RS0119370 [T1]).

Die Feststellungen zum Ablauf der Auseinandersetzung und Schlägerei sowie zur Verneinung einer (putativen) Notwehrsituation (US 3) gründeten die Tatrichter nicht nur auf die als überzeugend beurteilten Schilderungen des Onur G***** vor der Polizei und in der Hauptverhandlung, sondern auch auf die Aussagen der Zeugen Gamze Gü*****, Onur A***** und Berk C*****, sowie auf das Aussageverhalten des Angeklagten (US 5, 7).

Der Einwand der offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) dieser Feststellungen durch einen von der Beschwerde urteilswidrig behaupteten „pauschalen“ Verweis allein auf die Angaben des Onur G***** geht daher ins Leere.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wendet sich gegen die Feststellung, wonach Onur G***** noch vor dem Angriff des Angeklagten mit dem Schlagstock seinerseits zurückgeschlagen, den Angeklagten jedoch nur am Kinnbereich gestreift habe (US 3). Solcherart bezieht sie sich auf keine entscheidende Tatsache (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 476).

Entgegen dem aus Z 9 lit a erhobenen Vorwurf des bloßen Gebrauchs der verba legalia in Ansehung der Feststellungen zur Verneinung einer (putativen) Notwehrsituation (US 3), erfolgte dieser weder unbegründe noch – was der Angeklagte übergeht – ohne Sachverhaltsbezug (US 3, 5; RIS-Justiz RS0119090). Soweit die Beschwerde Feststellungen dazu vermisst, „ob der Angeklagte von Onur G***** zuerst attackiert wurde und ob der Angeklagte aus Angst vor einer weiteren Tätlichkeit von Onur G***** zugeschlagen hat bzw. ob der Angeklagte davon ausgegangen ist, dass er von Onur G***** angegriffen wird“, orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht an den gerade dazu getroffenen, gegenteiligen Konstatierungen (US 3; RIS-Justiz RS0099724).

Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) beschränkt sich auf die substanzlosen Behauptungen, eine schwere Körperverletzung lasse sich „anhand der erstgerichtlichen Feststellungen nicht ableiten“ und „eine Kieferwinkelfraktur und Verletzungen von mehreren Tagen würden allenfalls zu einer Strafbarkeit nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB führen“. Solcherart verfehlt sie mangels methodengerechter Ableitung aus dem Gesetz, warum eine operativ zu versorgende Kieferwinkelfraktur keine an sich schwere Körperverletzung darstellen sollte (vgl Burgstaller/Fabrizy in WK2 StGB § 84 Rz 23) die prozessordnungsgemäße Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0116565).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Anzumerken bleibt, dass im Fall des Besitzes mehrerer nach § 17 WaffG verbotener Waffen durch ein und dieselbe Tat nur ein Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG verwirklicht wird (RIS-Justiz RS0130142). Demnach ist dem Angeklagten zu Punkt II des Urteils nur ein Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG anzulasten, wobei der Subsumtionsfehler mit Blick auf die Berücksichtigung bloß des Zusammentreffens „von einem Verbrechen und Vergehen“ als erschwerend im Rahmen der Strafbemessung (US 9) keinen Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO darstellt.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO). Dabei ist dieses an den aufgezeigten Subsumtionsfehler nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht;

Textnummer

E121123

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00013.18P.0314.000

Im RIS seit

12.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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