TE OGH 2011/5/26 5Ob219/10g

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Veröffentlicht am 26.05.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A***** GmbH, 2. U***** GmbH, beide *****, 3. F. L***** Baugesellschaft m.b.H. & Co KG, *****, 4. B***** Ges.m.b.H., *****, alle vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, wegen 339.656,92 EUR sA (Revisionsinteresse 277.427,20 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 1. September 2010, GZ 5 R 26/10w, GZ 5 R 27/10t-117, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

A. Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:

              1. Die Beklagten behaupten einen Mangel des Berufungsverfahrens infolge Verstoßes gegen das in § 182a ZPO normierte Verbot von Überraschungsentscheidungen, weil das Berufungsgericht in mehreren Punkten für die Beklagten überraschende Rechtsansichten vertreten und in diesem Zusammenhang nach Meinung der Beklagten relevante Tatfragen nicht erörtert habe:

1.1.1. Die Beklagten wenden sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach die Schiedsgutachten-Klausel (Punkt 13.1 der „Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Auftragnehmer der ARGE H*****“ [AVB]) dahin zu verstehen sei, dass das dort vorgesehene Schiedsgutachten „nur die Klärung relativ geringfügiger technischer Details“ bezwecke. Richtigerweise sollten jedoch solche Schiedsgutachten nach dem Parteiwillen der Beklagten „gerade bei schwerwiegenden Auseinandersetzungen in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht“ Anwendung finden und die Bindungswirkung eines solchen Schiedsgutachtens sollte jedenfalls von der Bedeutung der „Streitsache“ unabhängig sein. Geringfügige technische Auseinandersetzungen, wie sie bei jedem Bauvorhaben auftreten würden, seien demgegenüber vom Bauleiter vor Ort zu klären. Hätte das Berufungsgericht diese Frage mit den Beklagten erörtert, hätten diese zum Beweis für den genannten Vertragszweck und ihren Parteiwillen näher bezeichnete Beweismittel geltend gemacht.

1.1.2. Die Ausführungen der Beklagten, mit denen sie einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot des § 182a ZPO nachzuweisen versuchen, sind deshalb unberechtigt, weil sie von einem unrichtigen Verständnis der Auslegung der AVB-Klauseln ausgehen. Es kommt dabei nämlich nicht auf eine Auslegung nach dem subjektiven Willen einer Vertragspartei (RIS-Justiz RS0017823), sondern auf ein objektives Verständnis nach dem redlichen Empfängerhorizont an (RIS-Justiz RS0017781; RS0014160). Schon aus diesem Grund sind die zum subjektiven Parteiwillen der Beklagten begehrten Beweisaufnahmen nicht relevant und es kann daher auch der aus deren Unterlassung abgeleitete Mangel des Berufungsverfahrens nicht vorliegen.

1.2.1. Mangelhaft sei das Berufungsverfahren nach Ansicht der Beklagten auch deshalb, weil das Berufungsgericht davon ausgegangen sei, dass die „Zusätzlichen Allgemeinen Vertragsbestimmungen“ (ZAVB) nicht Auftragsgrundlage geworden seien. Dabei habe das Berufungsgericht ohne Erörterung dieser Frage und damit für die Beklagten überraschend angenommen, dass der Klägerin diese ZAVB nicht bekannt gewesen seien.

1.2.2. Auch in diesem Punkt liegt entgegen der Ansicht der Beklagten kein Verstoß gegen das Überraschungsverbot durch das Berufungsgericht und folglich auch kein daraus ableitbarer Mangel des Berufungsverfahrens vor. Bereits das Erstgericht ist nämlich in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass die Klägerin im Zuge der Auftragserteilung die ZAVB nicht übermittelt erhalten hat (Ersturteil S 7 und 32 f) und hat daraus rechtlich gefolgert, diese ZAVB seien nicht Vertragsinhalt geworden. Wenn dann das Berufungsgericht der schon vom Erstgericht vertretenen Argumentation folgte, können die Beklagten davon nicht iSd § 182a ZPO überrascht gewesen sein.

1.3.1. Die Beklagten fühlen sich weiters durch die Annahme des Berufungsgerichts überrascht, sie hätten ein von ihnen behauptetes Schiedsgutachten nicht eingeholt bzw nicht vorgelegt. In Wahrheit hätten die Beklagten bereits vor dem Erstgericht die betreffenden Urkunden tatsächlich vorgelegt und im Fall der gebotenen Erörterung durch das Berufungsgericht auch konkret dazu vorgebracht.

1.3.2. Die Frage der Relevanz eines auf Punkt 13.1 der AVB beruhenden Gutachtens war bereits im erstinstanzlichen Verfahren evident und Gegenstand eines (pauschalen) Einwands der Beklagten. Es war daher deren Aufgabe, bereits vor dem Erstgericht entsprechend detailliertes Vorbringen zu einem solchen Gutachten und den daraus abgeleiteten Folgerungen zu erstatten. Die bloße Vorlage von Urkunden ersetzt ein Prozessvorbringen nicht (RIS-Justiz RS0037915; RS0038037 [T19, T22, T25]). Der Hinweis des Berufungsgerichts auf ein fehlendes bzw nicht eingeholtes Gutachten bezieht sich im Übrigen nicht auf das von den Beklagten während des erstinstanzlichen Verfahrens eingeholte „Schiedsgutachten“, sondern ein allfälliges (thematisch im Sinn der Rechtsansicht des Berufungsgerichts eingeschränktes) „Gutachten in technischer Hinsicht“ (vgl Blg ./34 und ./35; Berufungsurteil S 19). Eine Erörterungspflicht des Erstgerichts hat in diesem Punkt jedenfalls nicht bestanden und ein Verfahrensmangel liegt insoweit nicht vor.

1.4.1. Die Beklagten reklamieren eine Erörterungspflicht des Berufungsgerichts auch zur Frage der für sie nicht bestandenen Möglichkeit einer Weiterverrechnung der Leistungen der Klägerin an den Bauherrn der ARGE.

1.4.2. Die Beklagte hat sich bereits vor dem Erstgericht auf den Entfall ihrer Zahlungspflicht unter Berufung auf die Klausel 9.5 der AVB gestützt. Es lag dann an ihr, bereits vor dem Erstgericht auch alle für den Erfolg dieses Einwands maßgeblichen und nach dem Inhalt dieser Klausel ohnehin auf der Hand liegenden Tatumstände zu behaupten. Auch in diesem Punkt ist eine Erörtertungspflicht des Berufungsgerichts zu verneinen.

1.5.1. Die Beklagten machen zur aus dem Titel des Schadenersatzes eingewandten Gegenforderung geltend, das Berufungsgericht habe die Frage der verspäteten Abrechnung der von der Klägerin geltend gemachten Mehrleistungen mit den Beklagten nicht erörtert. Gegebenenfalls hätten die Beklagten die an den Bauherrn der ARGE gerichtete Schlussrechnung vorgelegt und weitere, näher bezeichnete Beweismittel geltend gemacht, woraus sich ergeben hätte, dass sie die von der Klägerin geltend gemachten Leistungen nicht hätten weiterverrechnen können.

1.5.2. Bereits das Erstgericht hat festgestellt, dass die Klägerin Nachtragskostenvoranschläge vorgelegt hat und auch Regiezettel unterfertigt wurden. Warum dies dennoch (weitere) Verhandlungen der Beklagten mit dem Bauherrn der ARGE (zeitlich) ausgeschlossen haben sollte, vermögen die Beklagten auch in ihrer Revision nicht plausibel zu machen. Überdies bleibt selbst in der Revision unaufgeklärt, wie die zwischen der ARGE und deren Bauherrn getroffene Pauschalpreisvereinbarung mit der angeblichen Möglichkeit einer Nachverrechnung durch die ARGE in Einklang zu bringen ist. Eine Verletzung der Erörterungspflicht durch das Berufungsgericht vermögen die Beklagten in diesem Punkt jedenfalls nicht schlüssig aufzuzeigen.

2. Die Beklagten sehen einen Mangel des Berufungsverfahrens darin, dass das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung bzw -ergänzung von Feststellungen des Erstgerichts abgewichen sei oder diese ergänzt habe und somit ein Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz vorliege:

2.1. Die Beklagten machen unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes erneut geltend, das Berufungsgericht sei in tatsächlicher Hinsicht ohne Beweiswiederholung und damit in unzulässiger Ergänzung der erstgerichtlichen Feststellungen davon ausgegangen, die Beklagten hätten ein „Gutachten in technischer Hinsicht“ entweder nicht eingeholt oder nicht vorgelegt. Dass insoweit unter dem Gesichtspunkt der gerichtlichen Erörterungspflicht kein entscheidungswesentlicher Mangel des Berufungsverfahrens vorliegt, folgt bereits aus den Ausführungen zu 1.3.2.. Selbst wenn aber zur genannten Tatfrage das Vorliegen einer vom Berufungsgericht unzulässig gewonnenen Feststellung angenommen werden müsste, dann hätte dies zunächst nur den Entfall dieser Feststellung und nicht unmittelbar die von den Beklagten gewünschte Annahme des Gegenteils zur Folge.

2.2. Die Beklagten wenden sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach die Klausel 3.4 der AVB den Nachforderungen der Klägerin nicht entgegen stünden. Dabei machen die Beklagten inhaltlich aber keine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht geltend, sondern bekämpfen teils - unzulässig - die Tatsachengrundlage zur fraglichen Verantwortung für eingetretene Verzögerungen bzw Zusatzarbeiten (vgl dazu Ersturteil S 9 ff, 18 f, 20 ff), teils werden die dazu vorliegenden Feststellungen des Erstgerichts zugunsten der Beklagten verkürzt wiedergegeben und teils wird die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen bekämpft. Eine entscheidungswesentliche Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht wird damit aber nicht nachvollziehbar aufgezeigt.

2.3. Erneut beanstanden die Beklagten - hier als Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes - die vermeintlich unzulässig ergänzte Annahme des Berufungsgerichts, die ZAVB seien nicht vereinbart worden bzw der Klägerin nicht bekannt gewesen. Zu dieser Frage reichen allerdings die vom Erstgericht sehr wohl getroffenen Feststellungen über die Auftragserteilung (Ersturteil S 7), den Inhalt des Punktes 1.c) des Auftragsschreibens und die Zurückweisung des Ergänzungsvorbringens der Beklagten durch das Erstgericht (Ersturteil S 32 f).

3. Weitere Verfahrensmängel machen die Beklagten - wenngleich unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung - geltend, in dem sie Verstöße gegen das Verbot der Mehrfachverbesserung („des willkürlichen Wechselns des Standpunkts“), die Grenzen der Anleitungspflicht nach § 182 ZPO und § 405 ZPO sowie die Voraussetzungen für die Wiedereröffnung der geschlossenen Verhandlung (§ 194 ZPO) behaupten. Dabei handelt es sich allerdings durchwegs um angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen bereits das Berufungsgericht verneint hat und die deshalb nicht mehr mit Erfolg als Revisionsgrund geltend gemacht werden können (RIS-Justiz RS0042963).

B. Aktenwidrigkeit:

Nach Ansicht der Beklagten beruht die Entscheidung des Berufungsgerichts betreffend dessen Annahmen über die Nichteinholung bzw Nichtvorlage des Schiedsgutachtens, die Kenntnis und Vereinbarung der ZAVB und die Abgeltung für Erschwernisse, Behinderungen, Forcierungen etc (Punkt 9.4 AVB) auf aktenwidriger Grundlage. Dies trifft aus folgenden Gründen nicht zu:

1. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn Feststellungen auf einer aktenwidrigen Grundlage beruhen, wenn also der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (RIS-Justiz RS0043298 [T1]; vgl auch RS0043284 [T3]; RS0043324 [T8]).

2. Das von den Beklagten während des erstinstanzlichen Verfahrens eingeholte „Schiedsgutachten“ hat das Berufungsgericht aus rechtlichen Erwägungen für nicht maßgeblich erachtet und dessen Hinweis auf ein fehlendes bzw nicht eingeholtes Gutachten bezieht sich nicht auf dieses, sondern ein allfälliges (thematisch im Sinn der Rechtsansicht des Berufungsgerichts eingeschränktes) „Gutachten in technischer Hinsicht“ (vgl Blg ./34 und ./35; Berufungsurteil S 19). Eine Aktenwidrigkeit ist in diesem Standpunkt des Berufungsgerichts weithin nicht zu erkennen.

3. Ob von einer wirksamen Vereinbarung der ZAVB auszugehen ist, beurteilt sich hier nach dem fehlenden Prozessvorbringen der Beklagten zu deren früheren Übermittlung, der vom Erstgericht getroffenen Feststellung zum Fehlen der ZAVB bei der Auftragserteilung (Ersturteil S 7), des missverständlichen Inhalts des Punktes 1.c) des Auftragsschreibens und die Zurückweisung des Ergänzungsvorbringens der Beklagten durch das Erstgericht (Ersturteil S 32 f). Eine entscheidungswesentliche Aktenwidrigkeit liegt in diesen Punkten nicht vor.

4. Die von den Beklagten beanstandete Ansicht des Berufungsgerichts, wonach die Klausel 3.4 der AVB bestimmten Nachforderungen der Klägerin im Zusammenhang mit Erschwernissen, Behinderungen und Forcierungen nicht entgegenstehe, erweist sich als Beurteilung der vom Erstgericht für diese Zusatzleistungen der Klägerin festgestellten Gründe und kann daher ebenfalls keine Aktenwidrigkeit darstellen (RIS-Justiz RS0043256).

C. Unrichtige rechtliche Beurteilung:

1.1. Die Beklagten sehen sich als die größten Bauunternehmen Österreichs und verweisen darauf, dass vorliegend nach den Maßstäben der österreichischen Bauwirtschaft ein Großbauvorhaben realisiert worden sei. Dabei seien durchwegs standardisierte Auftragsschreiben verwendet und Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart worden, wie sie weitgehend übereinstimmend bei den österreichischen Baukonzernen in Verwendung stünden und daher für die gesamte österreichische Bauwirtschaft Bedeutung hätten. Auch die Beklagten seien ihrerseits mit nahezu wortidenten standardisierten Auftragsbedingungen ihrer Bauherrn konfrontiert, weshalb, „eine - endgültige - Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof … weit über den gegenständlichen Einzelfall hinaus von Bedeutung“ sei. Die deshalb gebotene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs werde Anlass sein, sie künftigen Werkverträgen zugrunde legen bzw Allgemeine Geschäftsbedingungen anpassen zu können.

Das hier betroffene Bauvorhaben und die bei dessen Abwicklung zu Tage getretenen Erfordernisse des Zusammenwirkens von General- und Subunternehmern würden auch im Hinblick auf eine der „europäischen Bautradition“ entsprechende Fortentwicklung des Planungsstandes parallel zur Ausführung des Bauvorhabens nicht von vergleichbaren aktuellen Baustellen abweichen.

All dies begründe die Zulässigkeit der Revision iSd § 502 Abs 1 ZPO.

1.2. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es im Rahmen eines Rechtsstreits über die Abrechnung eines bestimmten Gewerks auch dann, wenn es sich beim betreffenden Bauvorhaben um ein Großprojekt handelt, nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, eine gesamthafte Überprüfung von - wenn auch vorgeblich häufig verwendeten - Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorzunehmen oder die „europäische Tradition der fortschreitenden Planungsentwicklung“ (rechtlich) zu begleiten. Auch in solchen Konstellationen ist im Einzelfall das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zu prüfen (vgl RIS-Justiz RS0121516).

2. Zur von den Beklagten in Anspruch genommenen bindenden Wirkung des von diesen eingeholten Schiedsgutachtens stützen sich diese auf Punkt 13.1 der AVB. Danach kann der Auftraggeber, „sollten sich in technischer Hinsicht Meinungsverschiedenheiten ergeben, … das Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen seiner Wahl einholen, welches dann für beide Teile bindend ist. Die Kosten des Gutachtens trägt derjenige, zu dessen Ungunsten das Gutachten lautet“. Die Beklagten haben (während des laufenden Verfahrens) ein Sachverständigengutachten eingeholt, in dem der Sachverständige unter Beurteilung von Tat- und Rechtsfragen einen allfälligen restlichen Werklohn der Klägerin beurteilt hat. Dass ein derartiges Gutachten kein solches mehr sein kann, das bloß „in technischer Hinsicht (bestehende) Meinungsverschiedenheiten“ löst, folgt schon aus dem eindeutigen Wortsinn, ohne dass dabei eine erhebliche Rechtsfrage zu klären wäre. Wenn daher das Berufungsgericht das im vorliegenden Einzelfall eingeholte Gutachten nicht als Schiedsgutachten im Sinn von Punkt 13.1 AVB erkannt hat, dann liegt darin keine vom Obersten Gerichtshof als unvertretbar aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vertragsauslegung (RIS-Justiz RS0042936; RS0112106 [T1]).

Die von den Beklagten immer wieder beanstandete Annahme, ein Schiedsgutachten sei entweder nicht eingeholt oder nicht vorgelegt worden, bezieht sich - wie schon mehrfach angesprochen (A1.3.2.; B.2.) - auf ein allfälliges (thematisch im Sinn der Rechtsansicht des Berufungsgerichts eingeschränktes) „Gutachten in technischer Hinsicht“ (vgl Blg ./34 und ./35; Berufungsurteil S 19).

3. Zur fraglichen, von den Beklagten reklamierten wirksamen Vereinbarung der ZAVB steht nach den Tatsachenannahmen des Erstgerichts zunächst fest, dass diese dem Auftragsschreiben nicht angeschlossen waren (Ersturteil S 7). Zu einer früheren Zurverfügungstellung der ZAVB an die Klägerin liegt mangels konkreten erstinstanzlichen Vorbringens der Beklagten keine Feststellung des Erstgerichts vor und das Vorbringen der Beklagten zur vertraglichen Relevanz der ZAVB hat das Erstgericht zurückgewiesen (Ersturteil S 33). Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage die vertragliche Geltung der ZAVB verneinte, kann darin eine unvertretbare Beurteilung der im Einzelfall vorliegenden Vertragserklärungen nicht erkannt werden.

4. Die Beklagten wenden sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach für den örtlichen Bauleiter der ARGE jedenfalls die Voraussetzungen der sogenannten Anscheinsvollmacht vorlagen. Dafür muss ein „äußerer Tatbestand“ die Grundlage für die Überzeugung des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht bieten und vom Vertretenen selbst geschaffen sein (RIS-Justiz RS0020145; RS0020331; vgl auch RS0019609). Die Beurteilung von Bestand und Reichweite einer solchen Anscheinsvollmacht stellt typischerweise eine Einzelfallbeurteilung dar (RIS-Justiz RS0020145 [T15 und T17]; ferner RS0053038; RS0019533). In Punkt 13. des Auftragsschreibens waren Ing. M***** (bzw dessen Stellvertreter Herr S*****) als örtlicher Bauleiter genannt und deren Anordnungen wurden der Klägerin gegenüber ausdrücklich für die gesamte Dauer der Arbeiten für verbindlich erklärt. Nach den maßgeblichen Feststellungen des Erstgerichts, auf welche sich das Berufungsgericht mit seiner Rechtsansicht stützt, während sie die Beklagten weitgehend ignorieren, hat der anordnungsbefugte örtliche Bauleiter der ARGE von der Klägerin immer wieder nach gelegten Nachtragsangeboten bestimmte Arbeiten verlangt, die von der ARGE dann mehrfach auch bezahlt wurden. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen zumindest von einer Anscheinsvollmacht des örtlichen Bauleiters betreffend die von der Klägerin erbrachten, aber noch nicht honorierten Leistungen ausging, ist weithin kein Grund zu erkennen, diese Ansicht als unvertretbare Einzelfallbeurteilung aufzugreifen.

5. Der Standpunkt der Beklagten, dass praktisch alle von der ARGE bislang nicht honorierten Arbeiten der Klägerin in die Pauschalpreissumme einkalkuliert gewesen und daher nicht gesondert zu entlohnen seien, widerspricht in mehreren Punkten gegenteiligen Feststellungen des Erstgerichts, der eigenen Gestion der ARGE, die etliche Regie- und Nachtragsarbeiten bezahlt hat und Punkt 12.1 des Auftragsschreibens, in dem „Zusatzleistungen und Nachträge“ ausdrücklich angesprochen sind.

Im Übrigen ist die Revision, soweit (pauschal) die Verantwortung für Mehrleistungen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt mangelnder Koordination durch die Klägerin, nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil keine konkrete Auseinandersetzung mit den vom Erstgericht festgestellten Ursachen für die Notwendigkeit einzelner Mehrleistungen erfolgt.

6. Die Argumentation der Beklagten, der Zinsenzuspruch widerspreche bestimmten Regelungen der ZAVB, geht ins Leere, weil das Berufungsgericht - aus schon dargelegten Gründen - im Ergebnis vertretbar von der Unbeachtlichkeit der ZAVB für die Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und der ARGE ausgegangen ist.

7. Betreffend die wiederum ganz pauschal erhobenen Einwände der Beklagten, für die der Klägerin nicht honorierten Leistungen fehle es an einer vertraglichen Einigung über deren Erbringung und über die Höhe des Entgelts, ist die Revision ebenfalls nicht gesetzmäßig ausgeführt. Dabei werden die vom Erstgericht zur fraglichen Beauftragung der von der Klägerin erbrachten Leistungen getroffenen Feststellungen ignoriert und es wird folglich nicht berücksichtigt, dass mehrfach für bestimmte Leistungen der Klägerin (ausdrückliche) Aufträge der ARGE vorlagen, sodass insoweit weder am Zustandekommen einer vertraglichen Einigung noch am vertraglichen Entgeltanspruch Zweifel bestehen können. Für welche - einzelnen - Positionen dies allenfalls nicht zutreffen könnte, wird von den Beklagten nicht konkret herausgearbeitet.

Das Erstgericht und das Berufungsgericht haben jene Beträge, die in der ins Ersturteil integrierten Abrechnung bei den einzelnen Positionen ausgewiesen sind, für angemessen erachtet. Ein solches angemessenes Entgelt steht jedenfalls zu (RIS-Justiz RS0021567 [T3]; RS0021559; RS0021263). Nach Lehre und Rechtsprechung ist jenes Entgelt als angemessen anzusehen, das sich unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Bedachtnahme auf das, was unter ähnlichen Umständen geleistet wird, ergibt (RIS-Justiz RS0021636). Konkrete Punkte, die Zweifel an der Angemessenheit des von den Vorinstanzen jeweils angesetzten Entgeltanspruchs begründen könnten, werden in der Revision nicht aufgezeigt.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision unzulässig und zurückzuweisen.

Textnummer

E97468

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00219.10G.0526.000

Im RIS seit

16.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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