TE AsylGH Erkenntnis 2008/12/30 C5 318817-1/2008

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Veröffentlicht am 30.12.2008
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Spruch

C5 318.817-1/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau K.O., geb. 00.00.1989, StA. Mongolei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4.10.2002, 02 30.553-BAT, 02 30.556-BAT und 02 30.561-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 5.6.2008 zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

1.1. Die damals minderjährige Beschwerdeführerin, eine mongolische Staatsangehörige, reiste am 19.10.2002 - zusammen mit ihrer Mutter J.O., die sich damals C.O. nannte - illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag, vertreten durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin, unter dem Namen E.O. den Antrag, ihr Asyl zu gewähren.

 

Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt (Außenstelle Traiskirchen) am 20.11.2002 schilderte die gesetzliche Vertreterin ihre Probleme in der Mongolei (Bedrohung durch einen alkoholkranken Ehemann); zu Fluchtgründen der Beschwerdeführerin machte sie keine Angaben und wurde sie nicht befragt.

 

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid - der mit 4.10.2002 datiert, aber offenkundig am 4.10.2004 genehmigt worden ist - wies das Bundesasylamt den "Asylantrag" gemäß § 7 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76 (in der Folge: AsylG) idF BG BGBl. I 126/2002 ab (Spruchpunkt I), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG idF der Asylgesetznovelle 2003 BGBl. I 101 (AsylGNov. 2003) stellte es fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Mongolei sei zulässig (Spruchpunkt II); gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wies es sie aus dem österreichischen Bundesgebiet aus (Spruchpunkt III). (Soweit mit diesem Bescheid - er trägt drei Geschäftszahlen - die Anträge der Mutter und des Bruders der Beschwerdeführerin erledigt werden, wird darauf in den Verfahren eingegangen, welche diese Angehörigen betreffen und die beim Asylgerichtshof zu den Zahlen 254.089 und

318.818 eingetragen sind.)

 

Dieser Bescheid wurde der Mutter der Beschwerdeführerin am 7.10.2004 zugestellt.

 

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte, nun als Beschwerde (vgl. Pt. 2.3.1.2) zu behandelnde (und daher in der Folge so bezeichnete) Berufung vom 15.10.2004, welche die Mutter der Beschwerdeführerin in ihrem eigenen Namen, aber erkennbar auch in jenem der Beschwerdeführerin eingebracht hat (so beziehen sich die Berufungsanträge ausdrücklich auch auf die Kinder).

 

1.4. Am 5.6.2008 führte der unabhängige Bundesasylsenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der nur die Beschwerdeführerin, ihre Mutter und ihr Bruder als Parteien teilnahmen und der eine Dolmetscherin für die mongolische Sprache beigezogen wurde. Das Bundesasylamt hatte auf die Teilnahme verzichtet.

 

In der Verhandlung legte die Mutter der Beschwerdeführerin ihren Personalausweis und ihre Geburtsurkunde sowie die Geburtsurkunden ihrer Kinder, mithin auch der Beschwerdeführerin, vor.

 

2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

2.1. Der Entscheidung werden folgende Feststellungen zugrunde gelegt:

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Mongolei. Sie führt den Namen K.O.. Sie ist die Tochter der Asylwerberin J.O., die sich in Österreich zunächst C.O. nannte.

 

2.2. Diese Feststellungen stützen sich auf die Angaben, welche die Mutter der Beschwerdeführerin in der Verhandlung gemacht hat, und auf die von ihr vorgelegten Urkunden.

 

2.3. Rechtlich folgt daraus:

 

2.3.1.1. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 erster Satz B-VG sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig waren, vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005, in der Folge: AsylG 2005) sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF der AsylGNov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.

 

Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag vor dem 1.5.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen (nur auf diese Fassung des AsylG beziehen sich daher die folgenden Rechtsausführungen). Da es am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig war, ist es vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

2.3.1.2. Gemäß § 23 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge:

AsylGHG, Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008 [in der Folge: AsylGH-EinrichtungsG]) idF der DienstRNov. 2008 BGBl. I 147 ist auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf Art. 151 Abs. 39 Z 4 erster Satz B-VG und auf § 38 AsylG. § 38 AsylG spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieses Gericht gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen.

 

Die Zuständigkeit des Einzelrichters ergibt sich aus § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Vorschrift VfGH 6.11.2008, U 97/08).

 

2.3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG begehren Fremde, die in Österreich Schutz vor Verfolgung iSd Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention) suchen, mit einem Asylantrag die Gewährung von Asyl. Gemäß § 10 AsylG dagegen begehren Fremde "mit einem Asylerstreckungsantrag die Erstreckung des einem Angehörigen auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyl".

 

Das Gesetz unterscheidet somit zwischen "Asylanträgen" (im eigentlichen Sinn) und "Asylerstreckungsanträgen" und knüpft an diese beiden Typen von Anträgen unterschiedliche Rechtsfolgen. So gelten Asylerstreckungsanträge unter bestimmten Voraussetzungen als Asylanträge, wenn (und sobald) jener Asylantrag, auf den sie sich beziehen, negativ beschieden wird (§ 11 Abs. 2 zweiter Satz AsylG). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes spricht davon, dass der Erstreckungsantrag von Gesetzes wegen in einen Asylantrag umgedeutet wird (VwGH 27.1.2000, 98/20/0581; 22.7.2004, 2004/20/0132; 4.11.2004, 2003/20/0395). Wird ein Asylantrag abgewiesen, so muss die Asylbehörde feststellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist (§ 8 Abs. 1 AsylG), bei der Abweisung von Erstreckungsanträgen ist dies nicht vorgesehen (VwGH 6.10.1999, 99/01/0219; 15.10.2003, 2002/21/0075; vgl. auch VwGH 20.4.2006, 2005/18/0623). § 11 Abs. 3 AsylG regelt die Reihenfolge, in der ein Asylantrag und ein Asylerstreckungsantrag derselben Person zu behandeln sind, wenn der Erstreckungsantrag erst später gestellt wird. Nach § 11 Abs. 4 AsylG treten Bescheide, mit denen Asyl durch Erstreckung gewährt worden ist, außer Kraft, wenn den Asylberechtigten Asyl auf Grund eines Asylantrags gewährt wird. § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG normiert als Verlusttatbestand, dass, wenn Asyl durch Erstreckung gewährt worden ist, der hiefür maßgebliche Grund weggefallen ist und kein anderer Grund für Asylerstreckung besteht.

§ 32 Abs. 1 AsylG endlich schließt eine Berufung (Beschwerde) gegen Bescheide, mit denen Asylerstreckungsanträge abgewiesen werden, im abgekürzten Berufungsverfahren (Beschwerdeverfahren) aus, fingiert aber eine Berufung (Beschwerde) auf Grund der Anfechtung jenes Bescheides, mit dem der Asylantrag selbst abgewiesen wird.

 

Da das Gesetz somit an Asylanträge und an Erstreckungsanträge unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft und für sie unterschiedliche Verfahrensbestimmungen vorsieht, muss genau unterschieden werden, ob es sich bei einem Antrag um einen Asylantrag iSd § 3 AsylG oder um einen Asylerstreckungsantrag iSd § 10 AsylG handelt. Wie ein Anbringen in dieser Hinsicht zu beurteilen ist, dafür sind sein Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des darin gestellten Begehrens maßgebend. Es kommt nicht auf Bezeichnungen und zufällige verbale Formen an, sondern auf den Inhalt des Anbringens und das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteienschrittes (VwGH 8.4.1992, 91/13/0123; 5.7.1999, 99/16/0115; 25.9.2002, 2000/12/0315; 28.1.2003, 2001/14/0229).

 

2.3.2.2. Maßgeblich für die Frage, ob ein Asylantrag im engeren Sinne oder ein Asylerstreckungsantrag vorliegt, sind die Angaben im Verfahren vor dem Bundesasylamt (und nicht jene in der Beschwerde, vor dem unabhängigen Bundesasylsenat oder vor dem Asylgerichtshof). Die Mutter der Beschwerdeführerin - damals ihre gesetzliche Vertreterin - machte vor dem Bundesasylamt keine Angaben über Fluchtgründe der Beschwerdeführerin. Sie wurde dazu auch nicht befragt, obwohl das Bundesasylamt sie hätte auffordern müssen, ihr Begehren zu präzisieren; dem diente grundsätzlich die in § 27 AsylG vorgesehene Einvernahme. Aus den Angaben, die sie dabei (am 20.11.2002) machte, lassen sich keine Fluchtgründe der Beschwerdeführerin selbst ableiten. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antrag der Beschwerdeführerin als Asylerstreckungsantrag iSd § 10 AsylG zu beurteilen ist, und zwar bezogen auf den Asylantrag ihrer Mutter. Soweit Unklarheiten darüber bestehen bleiben könnten, ob die Angaben vor dem Bundesasylamt auf einen Erstreckungsantrag oder auf einen Asylantrag zielen, ist es aber zulässig, dies im Beschwerdeverfahren zu klären. Der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin gab dazu, in der Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat befragt, an (BW2 und BW3 = die Beschwerdeführerin und ihr Bruder): "Ich betrachte das nach Einsicht in den Akt des Bundesasylamtes im Augenblick als Erstreckungsanträge für BW2 und BW3". Später führte er aus (BW1 = Mutter der Beschwerdeführerin): "Es werden die von der BW1 zu Beginn des Verfahrens auch für ihre Kinder gestellten Anträge nunmehr umgedeutet als originäre Anträge auf Asylgewährung gemäß § 7 AsylG 1997, weil im Zweifel von einem weitgefassten Schutzbegehren auszugehen ist."

 

Wenn und soweit der rechtsfreundliche Vertreter damit zum Ausdruck bringen möchte, dass das Begehren eines Asylantrags nach § 3 AsylG - den er wohl im Auge hat - gegenüber einem Erstreckungsantrag nach § 10 AsylG weiter reicht (dafür spricht das Wort "originär", dagegen das Wort "umgedeutet"), kann ihm nicht gefolgt werden: Beide Antragstypen zielen auf die Gewährung von Asyl und damit auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 12 AsylG). Ob ein Asylantrag oder ein Erstreckungsantrag für den Asylwerber günstiger ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere davon, ob der Asylwerber und sein Angehöriger jeweils tatsächlich Fluchtgründe haben bzw. vorbringen. (Die damit verbundene Unsicherheit war wohl mit einer der Gründe für den Gesetzgeber, anstelle des Erstreckungsantrags mit der AsylGNov. 2003 das Institut des Familienverfahrens einzuführen.) Daraus kann daher nicht auf ein weiteres oder engeres Begehren geschlossen werden.

 

Der Antrag der Beschwerdeführerin ist daher als Asylerstreckungsantrag iSd §§ 10, 11 AsylG zu beurteilen.

 

2.4.1. Dennoch hat die Behörde erster Instanz nach § 7 AsylG einen "Asylantrag" abgewiesen und damit einen gar nicht gestellten Antrag erledigt. Der Asylgerichtshof ist verpflichtet, diese Rechtswidrigkeit (von Amts wegen) aufzugreifen und den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben (VwGH 25.9.2002, 2000/12/0315 zum Berufungsverfahren). Dagegen ist er nicht berechtigt, über die - durch den Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides bestimmte - Sache des Beschwerdeverfahrens hinauszugehen (vgl. nochmals zum Berufungsverfahren VwGH 25.9.2002, 2000/12/0315, und auch zB VwGH 13.4.2000, 99/07/0202). Es ist ihm daher verwehrt, über den Asylerstreckungsantrag selbst zu entscheiden; eine solche (erstmalige) Sachentscheidung fiele nicht in seine funktionelle Zuständigkeit. Aus diesen Gründen kommt es auch nicht darauf an, welches Ergebnis das Verfahren hat, das über den Asylantrag der Mutter der Beschwerdeführerin geführt wird, anders als der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat meinte (der für den Fall einer positiven Erledigung auch eine Asylgewährung durch Erstreckung im Berufungsverfahren [nunmehr Beschwerdeverfahren] annahm).

 

Das Bundesasylamt hat somit über einen nicht gestellten Asylantrag entschieden.

 

2.4.2. Der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin führte in der Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat, wie erwähnt, aus, der Antrag der Beschwerdeführerin werde "nunmehr umgedeutet als originäre[r] Antr[a]g auf Asylgewährung gemäß § 7 AsylG". Wenn und soweit er damit zum Ausdruck bringen wollte, der Erstreckungsantrag werde in einen Asylantrag iSd § 3 AsylG umgewandelt (dafür spricht das Wort "umgedeutet", dagegen das Wort "originär"), ging er möglicherweise davon aus, die Beschwerdeführerin könne ihren Asylerstreckungsantrag in einen eigenen Asylantrag umwandeln, der dann - weiterhin - dem Regime des AsylG (und zwar nunmehr dem § 7 AsylG) unterläge. Dies wäre dann der Fall, wenn der verfahrenseinleitende Antrag gemäß § 13 Abs. 8 AVG (iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG) in einen Asylantrag geändert werden könnte. Nach § 13 Abs. 8 AVG kann der verfahrenseinleitende Antrag in jeder Lage des Verfahrens geändert werden, durch die Antragsänderung darf die Sache "ihrem Wesen nach" jedoch nicht geändert werden. Der Asylgerichtshof geht davon aus, dass die Verfahrensgegenstände eines Asylantrages und eines Asylerstreckungsantrages "ihrem Wesen nach" unterschiedlich sind (vgl. UBAS 30.7.2007, 255.528/0/5E-X/47/04; 6.6.2008, 258.118-2/2E-X/47/08); dies ergibt sich aus den oben (Pt. 2.3.2.1) aufgezählten Unterschieden in den anzuwendenden Rechtsnormen und den Rechtsfolgen (anders läge es, wenn der Familienangehörige, auf den sich der Erstreckungsantrag bezieht, "ausgetauscht" werden soll:

VwGH 25.4.2007, 2007/20/0366). Die Erläuterungen zum Bericht des parlamentarischen Ausschusses, auf dessen Antrag § 13 Abs. 8 AVG zurückgeht (1167 BlgNR 20. GP, 28), lassen erkennen, dass vor allem an Änderungen von "Projekten" - als solche kommen Anbringen um Asyl nach dem Sprachgebrauch wohl nicht in erster Linie in Frage - gedacht war: "Eben solche Antragsänderungen (Änderungen des ¿Vorhabens' [§ 42 Abs. 1 AVG] oder, nach heutigem Sprachgebrauch, des Projekts) sind es, die durch Abs. 8 nunmehr grundsätzlich ermöglicht werden sollen (vgl. § 356 a GewO 1994)." Dass der Ausdruck "Wesen" nicht besonders deutlich ist, räumen letztlich auch die Materialien ein (1167 BlgNR 20. GP, 28): "Wo die Grenze zwischen einer das ¿Wesen' der Sache nicht berührenden, künftig zulässigen Antragsänderung (Projektänderung) und einer auch weiterhin unzulässigen ¿Antragsänderung', die sich in Wahrheit als Beantragung eines ¿anderen' Vorhabens (Projekts) darstellt, verläuft, kann nicht allgemein gesagt werden [...] und wird auch weiterhin letztlich vom Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden sein. Der Gesetzgeber muß sich zwangsläufig darauf beschränken, die Möglichkeit der Antragsänderung gesetzlich vorzusehen und die prinzipielle ¿Änderungsfreundlichkeit' des Gesetzes ausdrücklich hervorzuheben [...]."

 

Eine "Änderung" des Asylerstreckungsantrages in einen Asylantrag nach § 3 AsylG ist daher nicht möglich.

 

2.4.3. Da das Bundesasylamt über einen nicht gestellten Asylantrag entschieden hat, ist der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Der Spruch bezieht sich auf den angefochtenen Bescheid nur, soweit dieser Bescheid die Beschwerdeführerin (und nicht ihre Mutter und ihren Bruder) betrifft (vgl. oben Pt. 1.2).

 

Das Bundesasylamt wird nunmehr über den - noch offenen - Asylerstreckungsantrag der Beschwerdeführerin zu entscheiden haben. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beschwerde der Mutter der Beschwerdeführerin, auf deren Asylantrag sich ihr Erstreckungsantrag bezogen hat, mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.12.2008 abgewiesen worden ist.

 

Der Asylgerichtshof geht davon aus, dass in einem Verfahren, in dem über die Ausweisung der mittlerweile volljährigen Beschwerdeführerin zu entscheiden sein würde - sei es ein fremdenpolizeiliches, sei es ein Asylverfahren -, ihre Integration in die österreichische Gesellschaft zu berücksichtigen sein wird, ebenso die Intensität ihrer Bindung an ihre leberkranke Mutter, die von ihr unterstützt wird, sowie ihre eigene gesundheitliche Situation, auf die sie im Beschwerdeverfahren hingewiesen hat. Schließlich ist zu bedenken, dass der Mutter der Beschwerdeführerin subsidiärer Schutz gewährt worden ist und dass dieser Schutz - auf Grund eines hypothetischen neuen Asylantrags - auf die Beschwerdeführerin auszudehnen wäre (§ 34 Abs. 3 AsylG 2005), wenn sie noch minderjährig wäre, ebenso, dass ihr dieser Schutz im Rahmen eines Familienverfahrens zu gewähren wäre, wenn sie ihren Antrag (noch als Minderjährige, aber) bereits unter dem Regime der AsylGNov. 2003 gestellt hätte (§ 10 Abs. 3 AsylG). Diese zeitlichen Zufälligkeiten ebenso wie die lange Dauer des Asylverfahrens in beiden Instanzen sollten nicht zum Nachteil der Beschwerdeführerin ausschlagen (vgl. - wenngleich zur Asylgewährung - VwGH 9.5.2003, 2002/18/0293, wonach bei der Entscheidung über die Ausweisung eines Fremden nach Abweisung des Asylantrages zu berücksichtigen ist, wenn [fallbezogen] "nicht festgestellt wurde, dass der Asylantrag [...] von vornherein - und nicht etwa wegen einer geänderten Lage im Kosovo - unberechtigt gewesen wäre"; der Grundgedanke [zeitweise Berechtigung des Schutzbegehrens] lässt sich wohl auf den vorliegenden Fall übertragen).

Schlagworte
Asylantragstellung, Asylerstreckung, Berufungsverfahren, non-refoulement Prüfung
Zuletzt aktualisiert am
28.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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