TE Vwgh Erkenntnis 2000/1/27 98/20/0581

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Veröffentlicht am 27.01.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §10 Abs1;
AsylG 1997 §11 Abs1;
AsylG 1997 §11 Abs2;
AsylG 1997 §32 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):98/20/0583 98/20/0582

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerden des 1) AG in Wien, geboren am 1. März 1990, 2) BG in Wien, geboren am 4. April 1993, und 3) CG in Wien, geboren am 15. November 1988, alle vertreten durch Dr. Peter Armstark, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 25, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom 29. Juli 1998, zu

1)

Zl. 203.460/0-VIII/22/98, zu 2) Zl. 203.461/0-VIII/22/98 und zu

3)

Zl. 203.459/0-VIII/22/98, betreffend Erstreckung von Asyl gemäß § 10 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzleramt) hat den beschwerdeführenden Parteien jeweils Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der den vorliegenden Asylerstreckungsanträgen zu Grunde liegende Asylhauptantrag der Mutter der Beschwerdeführer vom 15. Jänner 1998 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. Mai 1998 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Juli 1998 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Mit dem Erkenntnis vom 21. Oktober 1999 hat der Verwaltungsgerichtshof die gegen diesen Berufungsbescheid erhobene und zur Zl. 98/20/0467 protokollierte Beschwerde der Mutter der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer beantragten durch ihre Mutter als ihre gesetzliche Vertreterin am 15. Jänner 1998/12. Februar 1998 gemäß § 10 Abs. 1 AsylG die Erstreckung des ihrer Mutter gewährten Asyls. Mit den Bescheiden vom 8. Mai 1998 wies das Bundesasylamt diese Asylerstreckungsanträge ab, weil "zum Entscheidungszeitpunkt keine Asylgewährung eines in § 10 Abs. 2 AsylG angeführten Angehörigen" vorliege.

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die dagegen erhobenen Berufungen gemäß § 10 AsylG mit der wesentlichen Begründung ab, dass der Mutter der Beschwerdeführer kein Asyl gewährt worden sei und dieses nicht gewährte Asyl daher auch nicht auf die Beschwerdeführer habe erstreckt werden können.

Gegen diese Bescheide richten sich die gleich lautenden Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie die Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG begehren Fremde mit einem Asylerstreckungsantrag die Erstreckung des einem - der in Abs. 2 dieser Bestimmung aufgezählten - Angehörigen auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyls. Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG hat die Behörde auf Grund eines zulässigen Antrages durch Erstreckung Asyl zu gewähren, wenn dem Asylwerber die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

§ 11 Abs. 2 AsylG lautet:

"(2) Fremde, die einen Asylerstreckungsantrag eingebracht haben, können im Verfahren über den Asylantrag ihres Angehörigen aus eigenem alles vorbringen, was ihnen für dieses Verfahren maßgeblich erscheint. Wird der Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen oder als offensichtlich unbegründet abgewiesen, so gelten die der Sache nach damit verbundenen Asylerstreckungsanträge, sofern der Betroffene nach Belehrung über die Folgen nicht ausdrücklich darauf verzichtet, als Asylanträge. Die Behörde hat über diese Anträge unverzüglich zu entscheiden; im Falle eines Verzichtes sind Asylanträge dieser Fremden innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft der die Asylerstreckungsanträge abweisenden Entscheidung unzulässig."

In der Beschwerde wird unter anderem geltend gemacht, die belangte Behörde habe nicht beachtet, dass die mit einem Asylantrag verbundenen Asylerstreckungsanträge in einem Fall wie dem vorliegenden als Asylanträge gelten.

Die belangte Behörde hält dem in der Gegenschrift entgegen, auf den Fall einer Zurückweisung des Asylantrages nicht aus den Gründen der §§ 4 und 5 AsylG, sondern wegen entschiedener Sache sei die Umdeutungsregelung des § 11 Abs. 2 zweiter Satz AsylG nicht anzuwenden.

Diese Auffassung vermag sich weder auf den Wortlaut des § 11 Abs. 2 zweiter Satz AsylG noch auf die Materialien (686 BlgNR 20. GP 21) zu stützen, weshalb ihr nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht beizupflichten ist.

Das weitere Argument der belangten Behörde, als Berufungsbehörde sei sie "nicht berechtigt, eine Änderung der Verfahrensgrundlage im Berufungsverfahren vorzunehmen", und ein allfälliges eigenes Asylverfahren der Beschwerdeführerinnen müsse in erster Instanz geführt werden, betrifft nicht nur Fälle wie den vorliegenden, sondern auch Fälle, in denen die Zurückweisung des Asylantrages dem abgekürzten Berufungsverfahren unterliegt und § 11 Abs. 2 zweiter Satz AsylG jedenfalls anzuwenden wäre. Wird die gesetzlich angeordnete Umdeutung von der Behörde erster Instanz missachtet und ein Bescheid erlassen, mit dem ohne Verzicht des Erstreckungswerbers auf die Umdeutung ein - nicht mehr vorliegender - Antrag auf Asylerstreckung abgewiesen wird, so hat dies aber nicht zur Folge, dass nun im Berufungsverfahren die Frage der Rechtmäßigkeit einer Asylerstreckung zu prüfen und darüber zu entscheiden wäre. In einem solchen Fall ist der erstinstanzliche Bescheid vielmehr aufzuheben und dem Bundesasylamt die Entscheidung über den Asylantrag aufzutragen. Ob der ursprüngliche Erstreckungswerber dann, wenn ihm im bisherigen Verfahren keine Gelegenheit zur Ausübung seines Wahlrechtes gegeben wurde, durch eine Verzichtserklärung im Berufungsverfahren bewirken würde, dass von der Berufungsbehörde statt einer ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bescheides über die Frage der Erstreckung zu entscheiden wäre, braucht aus Anlass des vorliegenden Falles auf Grund des Beschwerdevorbringens nicht weiter untersucht zu werden.

Durch die - mangels Vorliegens der erforderlichen Verzichtserklärungen - unzutreffende Deutung der verfahrensgegenständlichen Anträge als Asylerstreckungsanträge infolge der irrigen Annahme, § 11 Abs. 2 zweiter Satz AsylG sei auf Fälle wie den vorliegenden nicht anzuwenden, hat die belangte Behörde ihre Entscheidungen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Die angefochtenen Bescheide waren daher wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Jänner 2000

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung KassationZurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998200581.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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