TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/25 2007/20/0366

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.04.2007
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §10 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §10;
AsylG 1997 §11;
AsylGNov 2003;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2007/20/0368 2007/20/0367

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie den Hofrat Dr. Berger, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerden 1. der M K, geboren 1998, 2. der M K, geboren 1993, und 3. des I K, geboren 2002, alle in F, und vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. Jänner 2007, Zlen. 245.961/7E-VII/43/04, 245.962/6E-VII/43/04 und 245.960/7E-VII/43/04, jeweils betreffend §§ 10 und 11 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 991,20 (insgesamt EUR 2.973,60) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, reisten gemeinsam mit ihren Eltern I K und Z K am 27. November 2003 in Österreich ein. Die Mutter der Beschwerdeführer erklärte vor dem Bundesasylamt am 2. Jänner 2004, sie übernehme die gesetzliche Vertretung für die Beschwerdeführer im laufenden Asylverfahren in Österreich. Sie erklärte jeweils, sie wolle, dass die Asylanträge der Beschwerdeführer in Asylerstreckungsanträge "auf den Asylantrag ihres Vaters" umgedeutet und die Beschwerdeführer so behandelt würden "wie ihr Vater".

Mit Bescheiden jeweils vom 5. Jänner 2004 wies das Bundesasylamt die Asylerstreckungsanträge der Beschwerdeführer ab. Nachdem der Antrag des Vaters der Beschwerdeführer auf Gewährung von Asyl am 5. Jänner 2004 abgewiesen worden sei, seien die Voraussetzungen zur Erstreckung des Asyls nicht gegeben.

In den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen brachten die Beschwerdeführer jeweils vor, die Asylerstreckungsanträge vom 2. Jänner 2004 bezögen sich auf den Asylantrag der Mutter der Beschwerdeführer, über den noch nicht rechtskräftig entschieden sei, da gegen den negativen Bescheid des Bundesasylamtes Berufung erhoben worden sei.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen ab. Die Mutter der Beschwerdeführer habe am 2. Jänner 2004 als gesetzliche Vertreterin der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erstreckung des einem Angehörigen, nämlich der Mutter, gewährten Asyls gestellt. Dieser Asylantrag der Mutter der Beschwerdeführer sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. Jänner 2004, die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Jänner 2007 abgewiesen worden. Es sei sohin der Asylantrag des bezughabenden Angehörigen der Beschwerdeführer abgewiesen worden.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Das bis zum Inkrafttreten der AsylG-Novelle 2003 am 1. Mai 2004 vorgesehene Rechtsinstitut der "Asylerstreckung", das nunmehr durch das "Familienverfahren" ersetzt wurde, war in den - im vorliegenden Fall nach § 75 AsylG 2005 iVm § 44 Abs. 1 AsylG 1997 noch anzuwendenden - §§ 10, 11 AsylG 1997 geregelt. Aus den zuletzt genannten Bestimmungen folgerte der Verwaltungsgerichtshof beginnend mit dem Erkenntnis vom 15. Dezember 1998, Zl. 98/20/0311, in ständiger Rechtsprechung, das Verfahren über den Erstreckungsantrag dürfe nicht vor dem Verfahren über den Hauptantrag rechtskräftig beendet werden. Über einen Asylerstreckungsantrag darf somit vor rechtskräftiger Erledigung des Hauptantrages jedenfalls nicht verfahrensbeendend entschieden werden (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2005, Zl. 2005/20/0145, mwN).

Die Beschwerde rügt zutreffend, die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführer hätten Asylerstreckungsanträge bezogen auf das Asylverfahren ihrer Mutter gestellt, sei aktenwidrig. Die Mutter der Beschwerdeführer hat - entgegen der Darstellung in den angefochtenen Bescheiden - am 2. Jänner 2004 als gesetzliche Vertreterin der Beschwerdeführer Erstreckungsanträge bezogen auf den Asylantrag des Vaters, nicht der Mutter der Beschwerdeführer gestellt. Wenn in den Berufungen der Beschwerdeführer dagegen behauptet wurde, die Asylerstreckungsanträge bezögen sich auf den Asylantrag der Mutter, so erfolgte dies im Widerspruch zum erstinstanzlichen Antrag. Zwar kann gemäß § 13 Abs. 8 AVG der verfahrenseinleitende Antrag in jeder Lage des Verfahrens geändert werden, sofern die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert wird. Eine Änderung des Antrags der Beschwerdeführer kann aber der Berufungsbehauptung nicht entnommen werden. Es wird insbesondere nicht ausgeführt, dass die ursprünglich auf den Asylantrag des Vaters bezogenen Asylerstreckungsanträge nunmehr auf den Asylantrag der Mutter bezogen werden sollten. Die Berufungen behaupteten vielmehr - unzutreffend -, die Asylerstreckungsanträge "vom 02.01.2004" hätten sich (immer schon) auf den Asylantrag der Mutter bezogen.

Somit liegen Asylerstreckungsanträge der Beschwerdeführer bezogen auf den Asylantrag ihres Vaters vor. Anhaltspunkte dafür, dass das Verfahren über den Asylantrag des Vaters mittlerweile - bis zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide - rechtskräftig negativ erledigt worden wäre, sind aber weder den angefochtenen Bescheiden noch der Aktenlage zu entnehmen.

Da somit der Sachverhalt von der belangten Behörde in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen wurde, waren die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 25. April 2007

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007200366.X00

Im RIS seit

26.06.2007

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten