TE OGH 2020/9/16 7Ob117/20m

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Veröffentlicht am 16.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** H*****, vertreten durch Mag. Martin Divitschek und andere Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Wiedenbauer Mutz Winkler & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2020, GZ 5 R 168/18i-22, womit das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 28. September 2018, GZ 3 Cg 106/17f-15, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung – unter Einschluss der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung von 800 EUR sA – insgesamt wie folgt lautet:

„Die Klagsforderung besteht mit 19.200 EUR zu Recht.

Die Gegenforderung besteht mit 14,69 EUR zu Recht.

Die beklagte Partei ist daher schuldig, der klagenden Partei 19.185,31 EUR samt 4 % Zinsen seit 29. 7. 2016 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 814,69 EUR samt 4 % Zinsen seit 29. 7. 2016 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.005,56 EUR (darin 543,76 EUR USt und 743 EUR Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.613,46 EUR (darin 530,41 EUR USt und 1.431 EUR Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Verbraucher, österreichischer Staatsbürger und wohnt in Österreich. Er schloss mit der Beklagten, einem in Deutschland ansässigen Versicherer, einen Vertrag über eine fondsgebundene Rentenversicherung mit Garantieleistungen „G***** VarioRent – ReFlex“ ab 1. 10. 2011 mit einer Laufzeit bis 1. 10. 2044.

Dem Kläger wurde im von ihm am 12. 8. 2011 unterfertigten Versicherungsantrag unter der Überschrift „Erklärungen und wichtige Hinweise für Versicherungsnehmer in Österreich“ unter anderem folgende Belehrung erteilt:

„Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Telefax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt, nachdem Sie den Versicherungsschein, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die weitere Informationen nach § 7 Abs. 1 und 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in Verbindung mit den §§ 1 bis 4 der VVG-Informationspflichtenverordnung und diese Belehrung jeweils in Textform erhalten haben. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: G***** AG, *****, Deutschland.

? Widerrufsfolgen

Im Falle eines wirksamen Widerrufs endet der Versicherungsschutz, und wir erstatten Ihnen den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Beiträge, wenn Sie zugestimmt haben, dass der Versicherungsschutz vor dem Ende der Widerrufsfrist beginnt. Den Teil des Beitrags, der auf die Zeit bis zum Zugang des Widerrufs entfällt, dürfen wir in diesem Fall einbehalten; dabei handelt es sich pro Tag um einen Betrag in Höhe von 1/360 des von Ihnen für ein Jahr zu zahlenden Beitrags. Den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 des Versicherungsvertragsgesetzes zahlen wir Ihnen aus. Die Erstattung zurückzuzahlender Beiträge erfolgt unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs. Beginnt der Versicherungsschutz nicht vor dem Ende der Widerrufsfrist, hat der wirksame Widerruf zur Folge, dass empfangene Leistungen und gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben sind.

? Besondere

   Hinweise

Ihr Widerrufsrecht erlischt, wenn der Vertrag auf Ihren ausdrücklichen Wunsch sowohl von Ihnen als auch von uns vollständig erfüllt ist, bevor Sie ihr Widerrufsrecht ausgeübt haben. Soweit eine vorläufige Deckung erteilt wurde, endet diese mit dem Zugang des Widerrufs bei uns.

? Rücktrittsrecht

Die Darstellung der Regelung nach österreichischem Recht (§ 3b des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes und § 5b des österreichischen Versicherungsvertragsgesetzes) entfällt, da durch das eingeräumte Widerrufsrecht alle diesbezüglichen Interessen zu Gunsten des Kunden gewahrt sind. Der Rücktritt ist in Schriftform gegenüber der G***** AG, Niederlassung Österreich, *****, ÖSTERREICH, zu erklären.“

Oberhalb einer Unterschrift des Klägers findet sich die Wortfolge:

„Für den von Ihnen beantragten Versicherungsvertrag wird in Übereinstimmung mit den Verbraucherinformationen deutsches Recht, insbesondere das deutsche Versicherungsvertragsgesetz, vereinbart. Soweit dieses zwingenden österreichischen Rechtsvorschriften (z.B. Konsumentenschutzgesetz) widerspricht, gilt das entsprechende österreichische Recht. [...]“

In der dem Kläger mit Schreiben vom 19. 9. 2011 übermittelten Versicherungspolizze finden sich folgende Belehrungen:

„Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Telefax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt, wenn Ihnen die Police, die Vertragsbestimmungen einschließlich unserer Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die Vertragsinformationen (Produkinformationsblatt und Versicherungsinformationen) und diese Belehrung zugegangen sind. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an die G***** AG, [Adressen in der BRD].

Widerrufsfolgen

Im Falle eines wirksamen Widerrufs endet der Versicherungsschutz und wir erstatten Ihnen den Teil Ihres Beitrags, der auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfällt.

Den Teil Ihres Beitrags, der auf die Zeit bis zum Zugang des Widerrufs entfällt, können wir einbehalten, wenn Sie zugestimmt haben, dass der Versicherungsschutz vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Wir erstatten Ihnen aber einen ggf. vorhandenen Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 Versicherungsvertragsgesetz.

Haben Sie eine solche Zustimmung nicht erteilt oder beginnt der Versicherungsschutz erst nach Ablauf der Widerrufsfrist, erstatten wir Ihnen den gesamten Beitrag.

Beiträge erstatten wir Ihnen unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs.

Gültiges Recht

Auf Ihren Vertrag findet das Recht der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Die Vertragssprache ist deutsch.“

In den „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die „G***** VarioRent – ReFlex“ (FR08-8) für Österreich“ der Beklagten finden sich in „Teil B: Allgemeine Bestimmungen“ folgende Regelungen:

„§ 12 Mitteilungen – Umzug

(1) […]

(2) Auch alle anderen Mitteilungen, die Ihren Vertrag betreffen, erbitten wir so früh wie möglich schriftlich, damit wir genügend Zeit haben, uns auf Ihre Wünsche und Bedürfnisse einzustellen. Das betrifft z.B. Anträge auf Änderung Ihres Vertrages oder auch eine Kündigungserklärung.

[...]

§ 13 Anwendbares Recht – Gerichtsstand – Verjährung

(1) Auf Ihren Vertrag findet das Recht der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Alle in diesen Versicherungsbedingungen genannten Gesetze und Verordnungen bezeichnen jeweils die deutschen Gesetzestexte und Verordnungen. Soweit diese zwingenden Bestimmungen des österreichischen Konsumentenschutzrechts widersprechen, gilt das entsprechende österreichische Recht. […]“

Der Versicherungsvertrag wurde aufgrund eines Schreibens des Klägers vom 24. 4. 2016 ab 1. 10. 2016 beitragsfrei gestellt. Mit Schreiben vom 29. 7. 2016 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Versicherungsvertrag gemäß § 165a VersVG.

Der Kläger zahlte insgesamt 20.000 EUR an Prämien, worin eine Risikoprämie von 14,69 EUR und 800 EUR Versicherungssteuer enthalten waren.

Der Kläger begehrt mit seiner am 9. 11. 2017 bei Gericht eingelangten Klage die Rückzahlung der Prämien von 20.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 29. 7. 2016. Die Vereinbarung deutschen Rechts sei nach Art 7 Abs 3 Rom-I-VO unzulässig; das Rücktrittsrecht sei nach österreichischem Recht zu beurteilen. Der Kläger könne zeitlich unbefristet zurücktreten, weil er über sein Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG fehlerhaft belehrt worden sei. Er sei nicht auf die Möglichkeit einer mündlichen Rücktrittserklärung hingewiesen worden.

Die Beklagte wandte ein, die Belehrung über die zulässig und wirksam vereinbarten deutschen Bestimmungen der §§ 8, 152 VVG sei richtig und vollständig gewesen. § 165a VersVG sei unanwendbar; der nur nach dieser Bestimmung erklärte Rücktritt sei unzulässig und unwirksam. Durch die Bestimmungen über den Widerruf nach deutschem Recht und die diesbezüglich erfolgte zutreffende Belehrung seien die „europarechtlich vorgegebenen Rechte des Versicherungsnehmers“ ausreichend gewahrt. Durch die erteilten Belehrungen seien auch die Erfordernisse der Rücktrittsbelehrung nach § 165a VersVG erfüllt worden. Der Kläger sei an der Ausübung des Rechts, sich vom Vertrag lösen zu können, nicht gehindert worden; er habe in Kenntnis des Rücktrittsrechts von diesem bewusst nicht Gebrauch gemacht. Widerrufs- und Rücktrittsfrist seien längst abgelaufen. Der Rücktritt werde wider Treu und Glauben erklärt und sei rechtsmissbräuchlich; das Verhalten des Klägers sei widersprüchlich. Das Rücktrittsrecht sei erloschen, präkludiert und verjährt. Im Falle des Rücktritts stünde nur der Rückkaufswert nach § 176 VersVG zu. Jedenfalls müsse sich der Kläger die Risikoprämie entgegenhalten lassen. Eine 4%-ige Verzinsung der Prämie stehe nicht zu; mehr als drei Jahre rückwirkend wären Bereicherungszinsen zudem verjährt. Zwischenzeitige Fondsverluste seien abzuziehen.

Das Erstgericht gab dem auf Zahlung der Nettoprämie von 19.200 EUR samt 4 % Zinsen seit 29. 7. 2016 gerichteten Begehren statt und wies einen Teilbetrag von 800 EUR sA an Versicherungssteuer ab. Das deutsche Recht weiche von § 165a VersVG, der keine Textform vorsehe, nachteilig ab. Weder Unionsrecht noch österreichisches Recht sähen eine solche Formvorschrift vor. Da der Kläger nicht korrekt über sein Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG belehrt worden sei, stehe ihm ein unbefristetes Rücktrittsrecht zu, das zur ex tunc-Auflösung des Vertrags führe. Die Beklagte habe kein Todesfallsrisiko zu tragen gehabt, sodass ihr hierfür keine Prämie gebühre.

Nachdem das Berufungsgericht sein Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über die Vorabentscheidungsersuchen in den verbundenen Rechtssachen C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, Rust-Hackner, unterbrochen und nach Vorliegen dieser Entscheidung wieder fortgesetzt hatte, gab es der Berufung der Beklagten gegen die Klagsstattgebung Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, dass es das gesamte Klagebegehren abwies. Es sei gemäß Art 7 Abs 3 lit c Rom-I-VO (auf den die Öffnungsklausel nach § 35a IPRG nicht anzuwenden sei) österreichisches Sachrecht anzuwenden. Die erteilte Belehrung über das im deutschen Recht (das hinsichtlich der Frist von 30 Tagen und den Polizzenzugang als Fristbeginn österreichischem Recht entspreche) enthaltene Textformerfordernis habe den Kläger auch bei Anwendung österreichischen Sachrechts nicht daran gehindert, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, ob eine das Erfordernis der „Textform“ beinhaltende Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG fehlerhaft im Sinn der unionsrechtlichen Vorgaben sei.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung dahin, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch teilweise berechtigt.

1.1. Art 7 der Verordnung (EG) Nr 593/2008 des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-VO) gilt nach seinem Abs 1 für alle anderen als Großrisiko-Versicherungsverträge, durch die Risiken gedeckt werden, die im Gebiet der Mitgliedstaaten belegen sind. Nach Art 7 Abs 6 Rom-I-VO ist bei Lebensversicherungen der Staat, in dem das Risiko belegen ist, der Staat der Verpflichtung im Sinne von Art 1 Abs 1 lit g Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen; nach dieser Bestimmung ist der Mitgliedstaat der Verpflichtung der Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach ihrem Art 2 Z 1 betrifft diese Richtlinie 2002/83/EG die Aufnahme und Ausübung der selbstständigen Tätigkeit der Direktversicherung durch Unternehmen, die in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind oder sich dort niederzulassen wünschen, unter anderem für folgende sich aus einem Vertrag ergebende Versicherungen (vgl nunmehr Art 2 Abs 3 lit a Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit [Solvabilität II]):

a) die Lebensversicherung, dh insbesondere die Versicherung auf den Erlebensfall, die Versicherung auf den Todesfall, die gemischte Versicherung, die Lebensversicherung mit Prämienrückgewähr sowie die Heirats- und Geburtenversicherung;

b) die Rentenversicherung.

Für andere als Großrisiko-Versicherungsverträge dürfen die Parteien nach Art 7 Abs 3 Rom-I-VO unter anderem die folgenden Rechte wählen:

a) das Recht eines jeden Mitgliedstaats, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Risiko belegen ist;

b) das Recht des Staates, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;

c) bei Lebensversicherungen das Recht des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit der Versicherungsnehmer besitzt.

Soweit die Parteien keine Rechtswahl gemäß Art 7 Abs 3 Rom-I-VO getroffen haben, unterliegt der Vertrag dem Recht des Mitgliedstaats, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Risiko belegen ist. Von der Einräumung einer größeren Wahlfreiheit bezüglich des auf den Versicherungsvertrag anwendbaren Rechts durch Mitgliedstaaten können die Parteien nur in den Fällen nach Art 7 Abs 3 lit a, b oder e Rom-I-VO Gebrauch machen.

1.2. Dementsprechend bestimmt § 35a Abs 1 IPRG, dass die Parteien eines Versicherungsvertrages, für den Art 7 Abs 3 Rom-I-VO Rechtswahlmöglichkeiten eröffnet, in den Fällen des Art 7 Abs 3 lit a, b und e (und somit nicht in den Fällen der Lebensversicherungen betreffenden lit c) Rom-I-VO jedes andere Recht ausdrücklich oder schlüssig bestimmen können.

1.3. Die hier gegenständliche Rentenversicherung ist aber als Lebensversicherung vom Anwendungsbereich des Art 7 Abs 3 lit c Rom-I-VO umfasst, womit festzuhalten ist, dass die Parteien nur das Recht des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit der Versicherungsnehmer besitzt, wählen durften. Die Rechtswahl deutschen Rechts war daher unzulässig; die Rechtssache ist nach österreichischem Recht zu beurteilen.

2.1. Der bei Vertragsabschluss geltende § 165a VersVG (idF BGBl I 2006/95) lautete soweit hier relevant:

„(1) Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, binnen 30 Tagen nach seiner Verständigung vom Zustandekommen des Vertrags von diesem zurückzutreten. Hat der Versicherer vorläufige Deckung gewährt, so gebührt ihm hiefür die ihrer Dauer entsprechende Prämie.“

2.2. Der bei Vertragsabschluss geltende § 178 VersVG (idF BGBl 1994/509) lautete:

„(1) Auf eine Vereinbarung, die von den Vorschriften der §§ 162 bis 164, der §§ 165, 165a und 169 oder des § 171 Abs. 1 Satz 2 zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweicht, kann sich der Versicherer nicht berufen. Jedoch kann für die Kündigung, zu der nach § 165 der Versicherungsnehmer berechtigt ist, die Schriftform ausbedungen werden.“

2.3. Der bei Vertragsabschluss geltende § 9a Abs 1 VAG (idF BGBl 1996/447) lautete soweit hier relevant:

„(1) Der Versicherungsnehmer ist bei Abschluß eines Versicherungsvertrages über ein im Inland belegenes Risiko vor Abgabe seiner Vertragserklärung schriftlich zu informieren über

6. die Umstände, unter denen der Versicherungsnehmer den Abschluß des Versicherungsvertrages widerrufen oder von diesem zurücktreten kann.

…“

3. Der Kläger wurde nach den Feststellungen bei Unterfertigung des Versicherungsantrags über das Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG nicht belehrt. Er wurde unter mehrmaligem Hinweis auf die angebliche Geltung deutschen Rechts auf die Möglichkeit eines in Textform zu erklärenden Widerrufs nach Bestimmungen des deutschen VVG binnen 30 Tagen nach Zugang von „Versicherungsschein bzw Police“ und diverser anderer Unterlagen hingewiesen. In den AVB ist hingegen für den Vertrag betreffende Mitteilungen des Versicherten die Schriftform „erbeten“.

Im Antrag, in der Polizze und in den AVB wurde der Kläger weiters dahin belehrt, dass der Widerruf schriftlich zu erfolgen habe.

4. Es stellt sich die Frage, ob durch diese Belehrungen über dem Versicherten nach deutschem Recht zustehende Rechte eine Erschwernis der Rücktrittsrechte des Klägers bewirkt wurde. Dies ist hier im Ergebnis zu bejahen:

4.1. Zunächst liegt in der unrichtigen Belehrung über die Geltung der deutschen Rechtsordnung schon insofern eine Erschwernis, als diese andere Rechtsbegriffe verwendet, die zudem in ein anderes System von Rechtsbehelfen eingebettet sind als das tatsächlich für den Vertrag geltende österreichische Recht.

4.2. Weiters wird durch den Verweis auf die Gesetzmäßigkeit eines Textformerfordernisses nach deutschem Recht dem Verbraucher erschwert, die ihm nach österreichischem Recht zustehenden Rechte und konkret die Formfreiheit hinsichtlich der Ausübung des Rücktrittsrechts zu erkennen und deren Richtigkeit gegenüber dem Anschein der Rechtskonformität der Belehrung nach angeblich geltendem deutschem Recht zu behaupten.

4.3. In den Stellen der Belehrungen, in denen auf das hier anzuwendende österreichische Recht Bezug genommen wird, sind zudem § 165a Abs 1 oder § 178 Abs 1 VersVG nicht genannt, sondern es finden sich lediglich unspezifische Hinweise auf „zwingende österreichische Rechtsvorschriften (z.B. Konsumentenschutzgesetz)“ bzw „zwingende Bestimmungen des österreichischen Konsumentenschutzrechts“ oder „das entsprechende österreichische Recht“.

Nach dieser unspezifischen Belehrung verbleiben zudem erst recht Zweifel, welche Rechtsordnung und konkreten gesetzlichen Bestimmungen tatsächlich anzuwenden sind und welche Rechte dem Versicherungsnehmer konkret zustehen, zumal darüber keine bzw unklare Erklärungen angeführt sind.

4.4. Unklar ist die Belehrung überdies auch dahin, an welche Adresse Erklärungen des Versicherungsnehmers zu richten wären, da einerseits im Zusammenhang mit – nicht näher erläuterten – Rücktrittsrechten nach § 3b KSchG und § 5b VersVG schriftliche Erklärungen an die Adresse einer österreichischen Niederlassung, für einen „Widerruf“ in „Textform“ aber die deutsche Adresse der Beklagten genannt ist.

4.5. Schließlich entspricht die Belehrung auch inhaltlich nicht dem § 165a VersVG (idF BGBl I 2006/95).

4.6. Zusammengefasst entspricht die dem Kläger erteilte Belehrung in einer Gesamtschau insgesamt nicht den Anforderungen an eine korrekte und verständliche Belehrung über das ihm nach § 165a VersVG (idF BGBl I 2006/95) zustehende Rücktrittsrecht, wodurch dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit genommen wurde, sein Rücktrittsrecht unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie bei Mitteilung zutreffender Informationen auszuüben. Daher hat die Rücktrittsfrist nach § 165a VersVG (idF BGBl I 2006/95) im vorliegenden Fall mangels korrekter Belehrung durch die Beklagte nicht mit dem Zeitpunkt zu laufen begonnen, zu dem der Kläger davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass der Vertrag geschlossen wurde; dies führt zu einem unbefristeten Rücktrittsrecht des Klägers. Sein im Jahr 2016 erklärter Vertragsrücktritt ist daher rechtzeitig.

5. § 1435 ABGB räumt einen Rückforderungsanspruch ein, wenn der zunächst vorhandene rechtliche Grund – etwa bei einem Rücktritt wie hier – wegfällt. Der Wegfall des Vertrags beseitigt bei beiden Parteien den Rechtsgrund für das Behalten der empfangenen Leistungen. Wie der Fachsenat bereits wiederholt ausgesprochen hat, löst – aufgrund der Beantwortung der Vorlagefrage 4 durch den EuGH C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, Rust-Hackner – ein Rücktritt des Versicherungsnehmers nicht die Rechtsfolgen nach § 176

VersVG aus, sondern führt zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des Vertrags (7 Ob 19/20z; 7 Ob 10/20a; 7 Ob 11/20y; 7 Ob 15/20m; 7 Ob 8/20g). Das bedeutet, dass der Kläger aufgrund der infolge des wirksamen Rücktritts vorzunehmenden

bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung grundsätzlich Anspruch auf Rückzahlung der von ihm gezahlten Prämien hat.

6. Das Begehren auf Zahlung der Versicherungssteuer von 800 EUR wurde bereits vom Erstgericht – unangefochten – abgewiesen (vgl dazu nunmehr 7 Ob 105/20x). Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens sind daher nur die Nettoprämien von 19.200 EUR.

7. Zur Frage der Anrechnung von Fondsverlusten bei der Berechnung der Bereicherung ist das Folgende auszuführen:

7.1. Eine Kondiktion ist nicht auf den vorhandenen, sondern auf den verschafften Nutzen (den erlangten Vorteil) gerichtet; maßgeblich ist in der Regel der Leistungszeitpunkt (RS0033921 [T12]). Nach § 1041 ABGB, der auf Kondiktionsansprüche analog anzuwenden ist (9 Ob 98/04h; Koziol/Spitzer in KBB6 [2020] § 1437 ABGB Rz 5 mwN), kann der Eigentümer einer Sache im Fall, dass diese ohne Geschäftsführung zum Nutzen eines Andern verwendet worden ist, sie in Natur, oder, wenn dies nicht mehr geschehen kann, den Wert verlangen, den sie zur Zeit der Verwendung gehabt hat, obgleich der Nutzen in der Folge vereitelt worden ist. Vorteil ist daher das, was in jemandes unbeschränkte Verwendungsmöglichkeit gelangt ist, gleichgültig, ob er davon in der Folge einen nützlichen oder allenfalls verlustbringenden Gebrauch gemacht hat, und gleichgültig, ob davon noch ein Nutzen vorhanden ist oder nicht (RS0016319). Bei Geldleistungen wird generell die nützliche Verwendung durch den Empfänger unterstellt und daher eine Berufung auf den nachträglichen Wegfall der Bereicherung nicht gestattet (10 Ob 35/11m mwN; Rummel in Rummel, ABGB3 § 1437 [1. 1. 2002, rdb.at] Rz 12; krit Perner/Spitzer, Rücktritt von der Lebensversicherung [2020] 41 ff).

7.2. Bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung wie hier investiert der Versicherer in – vom Versicherungsnehmer aus einem durch den Versicherer beschränkten Angebot ausgewählte – Investmentfonds. Nach der Polizze sagte hier die Beklagte dem Kläger zu, „[wir] investieren [… das Vertragsguthaben] nach dem von Ihnen gewünschten Verhältnis in Anteile der von Ihnen ausgewählten Investmentfonds“; nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen versprach die Beklagte: „Zum Rentenbeginn veräußern wir Ihre Fondsanteile.“

Die Beklagte erwarb folglich mit den vom Kläger überwiesenen Versicherungsprämien Anteile an Investmentfonds, deren Miteigentümerin sie selbst wurde (§ 2 Abs 2 iVm § 46 InvFG 2011, BGBl I 2011/77; Perner/Spitzer, Rücktritt 47).

7.3. Der Rücktritt des Klägers vom mit der Beklagten geschlossenen Geschäft (Versicherungsvertrag) beschränkt sich auf dieses Geschäft, erfasst aber nicht den von der Beklagten vorgenommenen Ankauf der Investmentfonds. Das bedeutet aber, dass die Beklagte – ungeachtet des Rücktritts des Klägers – Eigentümerin der von ihr angekauften Wertpapiere geworden und geblieben ist; sie hat insofern einen Vorteil erlangt, der im Zeitpunkt des Ankaufs dem damaligen Wert der Wertpapiere entsprochen hat. Damit ist aber ein in der Folge eingetretener Wertverlust der gekauften Papiere im Vermögen der Beklagten eingetreten und beeinflusst die Höhe des Bereicherungsanspruchs des Klägers nicht: Ist der Nutzen einmal eingetreten, so befreit dessen nachträglicher Wegfall den Bereicherungsschuldner nicht (vgl 9 Ob 98/04h).

7.4. Insofern unterscheidet sich die österreichische von der deutschen Rechtslage, nach welcher die bereicherungsrechtliche Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Werts ausgeschlossen ist, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs 3 BGB). Daher ist auf die Rechtsprechung des BGH, wonach sich der Versicherungsnehmer bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach Widerspruch gemäß § 5a VVG aF auch erhebliche oder vollständige Fondsverluste bereicherungsmindernd anrechnen lassen muss (vgl IV ZR 353/16; IV ZR 513/14), nicht weiter einzugehen.

7.5. Perner/Spitzer (Rücktritt 49 mwH) streben dagegen eine zur Erzielung des Ergebnisses des BGH „wertende“, der „vertraglichen Risikoverteilung zum Durchbruch“ verhelfende Auslegung an. Dem steht jedoch einerseits der Wortlaut des § 1041 ABGB und andererseits der – von den genannten Autoren selbst erkannte – Umstand entgegen, dass gerade die vertragliche Regelung der Risikoverteilung im Rahmen des Versicherungsvertrags zwischen den Parteien zufolge des gültigen Rücktritts des Versicherungsnehmers nicht heranzuziehen ist.

Soweit Perner/Spitzer (Rücktritt 50, 54) auf die „Gefahr risikoloser Spekulation durch den Bereicherungsgläubiger“ (hier den Versicherungsnehmer) verweisen und diesem das Veranlagungsrisiko fondsgebundener Lebensversicherungen zuweisen wollen, könnte dies den Versicherungsnehmer von der Ausübung seines Rücktrittsrechts abhalten, zumal er mit für ihn nicht abschätzbaren Wertentwicklungen der Fonds und damit Abzügen von den gezahlten Prämien in nicht absehbarer Höhe konfrontiert würde. Es ist aber Sache des Versicherers, einer Situation abzuhelfen, die er dadurch selbst herbeigeführt hat, dass er seiner unionsrechtlichen Obliegenheit zur Mitteilung bestimmter Informationen,

insbesondere die Informationen über das Recht des Versicherungsnehmers, vom Vertrag zurückzutreten, nicht nachgekommen ist (vgl C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, Rust-Hackner, Rn 106 ff).

7.6. Zusammengefasst ist im Fall eines (Spät-)Rücktritts von einer fondsgebundenen Lebensversicherung wie hier das Verlustrisiko nicht dem vom Vertrag berechtigt zurückgetretenen Versicherungsnehmer zuzuweisen.

8. Zur Frage des Ablebensschutzes ist das Folgende auszuführen:

8.1. Nach dem Versicherungsvertrag hatte die Beklagte dem Kläger – entgegen der Ansicht des Erstgerichts – Ablebensschutz gewährt: Sie hatte zugesagt, im Todesfall des Versicherten vor Rentenbeginn das vorhandene Vertragsguthaben, mindestens jedoch die unverzinsten Beiträge der fondsgebundenen Rentenversicherung zu leisten. Die Risikoprämie hierfür betrug unstrittig 14,69 EUR. Sie stand in einem Äquivalenzverhältnis zum Versicherthalten durch die Beklagte, weil es sich bei den Risikokosten um die aufgrund des Rücktritts nach § 1435 ABGB grundsätzlich rückforderbare Leistung und somit einen Kondiktionsanspruch der Beklagten handelt (7 Ob 14/20i [2.3]; vgl Schauer, Das Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers nach der EuGH-Entscheidung Rust-Hackner, ZVers 2020, 169 [178 f, Pkt 3.2.1]).

8.2. Zur Rückstellungsverpflichtung des zurückzugebenden Vorteils nach Bereicherungsrecht gehört es, dass im Fall der fortgesetzten Benützung der Sache ein dem verschafften Nutzen angemessenes Entgelt zu entrichten ist (RS0019850), wobei jener (Gebrauchs-)Vorteil zu vergüten ist, der nach den subjektiven Verhältnissen des Rückstellungspflichtigen tatsächlich entstanden ist (vgl 4 Ob 70/18z). Dieser entspricht hier der Risikoprämie.

8.3. Aus § 1435 ABGB ergibt sich, dass durch den Rücktritt vom Vertrag beiderseitige Kondiktionsansprüche entstehen, soweit von beiden Seiten bereits Leistungen erbracht wurden; die beiderseitigen Leistungen sind Zug um Zug zurückzuerstatten (vgl RS0086350). Die Erklärung, dass der Kläger selbst bereit sei, seine Verbindlichkeit zu erfüllen, muss nicht in das Klagebegehren aufgenommen werden (RS0020963). Tut er dies nicht und erhebt der Beklagte die Zug-um-Zug-Einrede, dann hat das Gericht darüber zu verhandeln und kann den Beklagten auch ohne einen ausdrücklichen Urteilsantrag zur Leistung Zug um Zug mit der vom Kläger zu erbringenden Gegenleistung verurteilen. Voraussetzung für die Aufnahme einer Zug-um-Zug-Verpflichtung in den Urteilsspruch durch das Gericht ist somit entweder ein entsprechendes Klagebegehren oder zumindest eine entsprechende, im Klagsvorbringen zum Ausdruck kommende Bereitschaft des Klägers zur Erbringung der Gegenleistung oder aber ein entsprechendes Einwendungsvorbringen der Beklagten (RS0107733, RS0020997 [T11]).

8.4. Die Aufnahme einer Zug-um-Zug-Verpflichtung in den Urteilsspruch kommt aber bei gegenseitigen Geldforderungen nicht in Betracht (6 Ob 263/00w = RS0041069 [T2]): In Geld bestehende Bereicherungsansprüche des Beklagten – wie hier – sind grundsätzlich als Gegenforderungen einzuwenden (4 Ob 70/18z = RS0019850 [T12]; vgl 3 Ob 345/99b).

Schuldtilgung durch Aufrechnung tritt erst zufolge Geltendmachung des Rechts auf Aufrechnung durch einen der Beteiligten, sei es außergerichtlich oder gerichtlich, ein (RS0033835). Inhalt einer prozessualen Aufrechnungseinrede ist die Einwendung einer Gegenforderung des Beklagten gegen den Kläger mit dem Ziel, das Gericht möge durch die Entscheidung über den Bestand und die Aufrechenbarkeit der Gegenforderung die Aufrechnung mit der Klagsforderung vollziehen und das Klagsbegehren abweisen (RS0033911).

Gegenforderungen müssen konkretisiert und beziffert werden, damit sie das Gericht – im Weg der prozessualen Aufrechnung – berücksichtigen kann (vgl 6 Ob 265/01s; 7 Ob 246/18d [3.2]).

8.5. Eine außergerichtliche (materielle) Aufrechnungserklärung (Schuldtilgungseinwand) liegt hier schon mangels Anerkennung der Klagsforderung nicht vor (

RS0033970, RS0033824).

Die Darlegungen der Beklagten zu einem „Abzug der Risikoprämie“ – von unstrittig 14,69 EUR –, den sich der Kläger entgegenhalten lassen müsse, sind aber in Fällen der Rückabwicklung von Lebensversicherungsverträgen als erkennbare Erklärung der Aufrechnung mit dieser Forderung gegen eine allenfalls zu Recht bestehende Klagsforderung (Compensandoeinwendung) zu verstehen und zu berücksichtigen.

8.6. Ein verständiger durchschnittlicher Versicherungsnehmer (RS0112256; RS0008901) ließe sich durch eine von ihm zu leistende Risikoprämie so geringen Ausmaßes nicht von einem Rücktritt von einem seinen Bedürfnissen nicht entsprechenden Vertrag abhalten; durch den Abzug einer solchen Risikoprämie wird daher die Wirksamkeit des Rücktrittsrechts des Versicherungsnehmers (vgl EuGH C-803/19, WWK, Rn 28 und 31 f, unter ausdrücklichem Hinweis auf C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, Rust-Hackner, Rn 104 und 117) nicht beeinträchtigt (vgl Perner/Spitzer, Rücktritt 40).

8.7. Der Kläger ist daher verpflichtet, im Zuge der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung die Risikoprämie für den Ablebensschutz zurückzustellen, was zufolge des von der Beklagten erkennbar erhobenen Compensandoeinwands hier zu berücksichtigen ist.

9. Zusammengefasst besteht die Klagsforderung mit 19.200 EUR an Nettoprämie und die Gegenforderung mit 14,69 EUR an Risikoprämie zu Recht, sodass die Beklagte insgesamt 19.185,31 EUR zurückzustellen hat.

10. Der Kläger begehrte die gesetzlichen Zinsen aus den zurückgeforderten Prämien erst ab 29. 7. 2016, somit weniger als drei Jahre vor Klagseinbringung. Fragen der Verjährung von Vergütungszinsen (vgl 7 Ob 10/20a und 7 Ob 11/20y [jeweils II.E mwN]) wurden in der Berufung der Beklagten nicht releviert und können daher in der Revision nicht nachgetragen werden (RS0043573 [T4, T40-T43]).

11. Soweit beide Parteien im Revisionsverfahren auch zum Feststellungsbegehren argumentieren, übersehen sie, dass dieses bereits in erster Instanz fallen gelassen wurde.

12. Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren beruht auf § 43 Abs 2 erster Fall ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO.

12.1. Da sich durch die geringfügige Abänderung gegenüber dem erstinstanzlichen Urteil um 14,69 EUR weder eine wesentliche Änderung der Obsiegensquote noch Tarifsprünge ergaben, war die Kostenentscheidung des Ersturteils wiederherzustellen.

12.2. Das Berufungs- und das Revisionsinteresse beliefen sich nicht auf 21.500 EUR, sondern auf jeweils 19.200 EUR, da das mit 1.500 EUR bewertete Feststellungsbegehren bereits in erster Instanz fallengelassen wurde und der Kläger die Abweisung von 800 EUR Versicherungssteuer im Ersturteil unbekämpft ließ.

Die richtigen Ansätze auf Basis der vom Kläger obsiegten 19.185,31 EUR betrugen nach TP 3B 615,80 EUR und nach TP 3C 738,90 EUR; bei den Gerichtsgebühren ergab sich kein Tarifsprung. Für den Fortsetzungsantrag ON 21 hat der Kläger keine Kosten verzeichnet.

Textnummer

E129783

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00117.20M.0916.000

Im RIS seit

20.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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