TE OGH 2020/7/21 14Os71/20b

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Veröffentlicht am 21.07.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Juli 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weinhandl in der Strafsache gegen ***** W***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 13. März 2020, GZ 38 Hv 1/20v-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** W***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 20. Jänner 2019 in einem Waldstück in G***** ***** S***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafs und diesem gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er sie in seinem Pkw einsperrte, sie unter Ausnützung seiner überlegenen Körperkraft an Haaren und Armen festhielt, ihre Oberschenkel auseinanderdrückte, sie mehrfach mit seinen Fingern penetrierte und vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf „Einholung eines kfz-technischen Sachverständigengutachtens“, „Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich des Sports“ sowie auf „Beischaffung eines PKW Audi A6“ zum Beweis dafür, dass es jederzeit möglich sei, die Beifahrertüre eines solchen Fahrzeugs von innen zu öffnen, sowie dafür, dass es grundsätzlich, jedenfalls aber dem Angeklagten (aufgrund seiner Größe, seines Gewichts und seiner körperlichen Verfassung) nicht möglich sei, über die Mittelkonsole in den Bereich des Beifahrersitzes und in den Beifahrerraum zu gelangen und ohne Kooperation des Tatopfers in der ihm vorgeworfenen Weise gegen dieses vorzugehen (ON 28 S 14 f iVm ON 26; vgl RIS-Justiz RS0118060 [T8]), ON 28 S 15 f), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Ob der Beschwerdeführer (entsprechend der Aussage der Zeugin S*****) über die Mittelkonsole kletterte oder – wie von ihm behauptet – zunächst aus dem Fahrzeug aus- und auf der Beifahrerseite wieder einstieg, um die (auch von ihm zugestandenen; ON 28 S 4) inkriminierten sexuellen Handlungen mit dem Tatopfer vorzunehmen, ist für die vorgenommene Subsumtion ebenso wenig entscheidend wie – für sich betrachtet – die Verriegelungsmöglichkeit der Beifahrertüre (vgl dazu RIS-Justiz RS0116655 [T12]). Weshalb die begehrten Beweisaufnahmen das

weiters behauptete Ergebnis erwarten lassen, dass „man“ einen Geschehensablauf, wie ihn die Zeugin S***** schilderte, „ohne Kooperation mit der am Beifahrersitz befindlichen Person ... (demnach gewaltsam gegen deren Willen) nicht durchführen“ könne, ließen die Anträge hinwieder offen (siehe aber RIS-Justiz RS0118444; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Unter dem Aspekt einer – grundsätzlich zulässigen (vgl dazu RIS-Justiz RS0098429, RS0028345; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340 und 350) – Beweisführung zur Erschütterung der

Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin ließen sich dem Vorbringen keine (für den Erfolg eines solchen Begehrens indes erforderlichen: RIS-Justiz RS0120109 [T3]) konkreten Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, die Genannte hätte in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt.

Die in der Rechtsmittelschrift zur ergänzenden Antragsfundierung nachgetragenen Ausführungen sind prozessual verspätet und damit unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Mit dem undifferenziert auf Z 5 und 5a gestützten Vorbringen lässt der Beschwerdeführer zunächst außer Acht, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind (RIS-Justiz RS0115902).

Die Frage, ob das Fahrzeug während der sexuellen Handlungen versperrt war, betrifft – mit Blick auf die damit nicht in Abrede gestellte Annahme auch erfolgter Gewaltanwendung – wie bereits dargelegt keine entscheidende Tatsache (vgl erneut RIS-Justiz RS0116655 [T12]). Nur solche können aber

Gegenstand der Mängel- und der Tatsachenrüge sein (RIS-Justiz RS0117499, RS0118780).

Mit dem der Sache nach erhobenen Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) legt die Beschwerde nicht dar, weshalb die von den Tatrichtern im Wesentlichen aus den für glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin S***** gezogenen Schlussfolgerungen (US 9 ff) den Kriterien folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS-Justiz RS0099413, RS0116732; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444) widersprechen sollten.

Mit dem Vorwurf, das Erstgericht habe „gegen die Pflicht zur amtswegigen Wahrheitserforschung verstoßen“, wird die Subsidiarität der Aufklärungsrüge (Z 5a) gegenüber der Verfahrensrüge (Z 4) außer Acht gelassen (RIS-Justiz RS0115823 [T2]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 479 f). Soweit das Vorbringen die tatrichterliche Bewertung der Aussage der Zeugin S***** kritisiert und die Verantwortung des Angeklagten als „wahrscheinlicher und überzeugender“ ansieht, erschöpft es sich in unzulässiger Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Indem die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) – im Übrigen trotz konstatierter Vorstrafenbelastung des Angeklagten (US 3; vgl RIS-Justiz RS0091561; Ebner in WK2 StGB § 34 Rz 7) – die Berücksichtigung des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 2 StGB reklamiert, bringt sie nur ein Berufungsvorbringen zur Darstellung (RIS-Justiz RS0099911).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E128908

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00071.20B.0721.000

Im RIS seit

26.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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