TE OGH 2019/6/13 5Ob51/19i

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Veröffentlicht am 13.06.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei E*****, vertreten durch Mag. Alfred Witzlsteiner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Februar 2019, GZ 5 R 24/18w-33, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1

 Der Eintritt des Vorkaufsfalls setzt voraus, dass der Verpflichtete entweder bereits einen gültigen Kaufvertrag mit einem Dritten abgeschlossen hat oder ein bindendes Anbot eines Dritten vorliegt und der Verpflichtete verkaufen will (RIS-Justiz RS0020193; RS0020275). Macht der Berechtigte von seinem Recht nicht fristgerecht Gebrauch, obwohl es ihm gehörig angeboten worden ist, gilt es als erloschen (§ 1075 letzter Satz ABGB; RS0119205; Apathy/Perner in KBB5 § 1075 Rz 3).

Ein vom Kläger als Käufer unterfertigter Kaufvertrag und damit jedenfalls ein verbindliches Angebot über den Kauf der Wohnungen lag der Verlassenschaft nach dem Vorkaufsverpflichteten nach den Feststellungen spätestens Mitte Mai 2017 vor. Es wurde dem Vertreter der vorkaufsberechtigten Beklagten mit Mail vom 24. 5. 2017 zusammen mit der Aufforderung übermittelt, innerhalb der gesetzlichen Frist mitzuteilen, ob sie [Anm: die Beklagte]„diesen Kaufvertrag als Vorkaufsberechtigte auch erfüllen möchte oder nicht“. Daran schloss sich eine Korrespondenz über die Rechtzeitigkeit und Wirksamkeit der Einlösung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte an. Der Kläger begehrte gegenüber der Beklagten die Feststellung, dass das Vorkaufsrecht erloschen sei, weil sie es nicht fristgerecht ausgeübt habe.

1.2 Nach ständiger Rechtsprechung beginnt die (hier relevante) 30-tägige Einlösungsfrist des § 1075 ABGB zu laufen, sobald der Vorkaufsverpflichtete dem Vorkaufsberechtigten die Kenntnis aller Tatsachen verschafft hat, die dieser benötigt, um sich über die Ausübung des Vorkaufsrechts schlüssig werden zu können, wie Gegenstand, Preis, Zahlungsmodalitäten, Bedingungen, Nebenrechte und Nebenpflichten (RS0020180). Eine unzureichende Anbietung löst die Einlösungspflicht nicht aus (RS0020353; RS0024918).

2. Ein aufschiebend bedingtes Rechtsgeschäft wirkt auch als Vorkaufsfall aufschiebend bedingt, sodass die Pflicht zum Einlösungsanbot für den Verpflichteten und die Einlösungsbefugnis des Berechtigten noch nicht bestehen, sondern erst mit Bedingungseintritt begründet werden (RS0017494; RS0020327). Das trifft bei einem Kaufvertrag zu, der nach § 810 Abs 2 ABGB einer verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf. Solange das Verlassenschaftsgericht einen Veräußerungsvertrag der Erben nicht genehmigt hat, ist dieser schwebend unwirksam (RS0008220 [T1]); er wird erst mit dem nachträglichen Hinzutreten der Rechtsbedingung, der Genehmigung durch das Gericht, wirksam (vgl RS0053275). Erst der Eintritt der (Rechts-)Bedingung begründet dann die Einlösebefugnis des Berechtigten (RS0017494; RS0020327); ein vor dem Eintritt des Vorkaufsfalls gemachtes Einlösungsangebot setzt den Lauf der Einlösungsfrist nach § 1075 ABGB nicht in Gang (4 Ob 112/14w mwN).

3.1 Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin besteht zu der von ihr als erheblich gemäß § 502 Abs 1 ZPO bezeichneten Rechtsfrage nach den Wirkungen einer aufschiebenden Bedingung auf den Vorkaufsfall bereits eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Die Entscheidung des Berufungsgerichts bedarf im Ergebnis auch keiner Korrektur:

3.2 Das Verlassenschaftsgericht genehmigte den Kauf (entsprechend dem Anbot des Klägers, dessen Unterschrift am 4. 7. 2017 notariell beglaubigt worden war) am 24. 7. 2017. Davon und damit vom Bedingungseintritt wurde die vorkaufsberechtigte Beklagte verständigt, indem der Vertreter der Erbin ihrem Rechtsvertreter den verlassenschaftsgerichtlich genehmigten Kaufvertrag am 20. 9. 2017 zusendete. Die Beklagte war damit jedenfalls in Kenntnis aller für die Einlösung des Vorkaufsrechts relevanten Umstände und des Bedingungseintritts. Mit ihrer Ansicht, die Wirksamkeit des Anbots zur Einlösung sei erst mit der Unterfertigung des Vertrags durch die Verkäuferin (richtig: Vertreterin der Verlassenschaft) eingetreten, übersieht sie, dass bereits das Vorliegen des verbindlichen Anbots (dazu

RS0020275; Apathy/Perner aaO § 1072 Rz 3) den Vorkaufsfall auslöste und eine neuerliche Anbietung unterbleiben kann, wenn der Berechtigte bereits in Kenntnis aller wesentlichen Umstände ist (RS0020309).

3.3

 Die bloße (fristgerechte) Erklärung, das Vorkaufsrecht auszuüben, genügt in aller Regel nicht für eine „wirkliche Einlösung“ im Sinn des § 1075 ABGB (Apathy/Perner in KBB5 § 1075 ABGB Rz 1 f; Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1075 Rz 5; Verschraegen in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.06 § 1075 Rz 2). Es bedarf vielmehr innerhalb der Einlösungsfrist auch der Leistung des Kaufpreises, wie ihn der Drittkäufer zu leisten hätte oder zumindest eines realen Zahlungsangebots (RS0021984 [T11]). Der vom Berufungsgericht dazu vertretenen Ansicht, die wirkliche Einlösung hätte durch fristgerechte Sicherstellung erfolgen müssen (vgl RS0020217; 5 Ob 231/13a: Treuhanderlag), hält die Revisionswerberin lediglich das Vorbringen vom 8. 3. 2018 entgegen, dass der Erlag des Kaufpreises auf einem Treuhandkonto ihres Rechtsvertreters rechtzeitig erfolgt sei. Damit vermag sie aber schon deshalb keine Korrekturbedürftigkeit aufzuzeigen, weil dieser Erlag in jedem Fall deutlich außerhalb der Frist des § 1075 ABGB erfolgte. Damit ist es für das Ergebnis auch ohne jede Bedeutung, dass die Vertretungsbefugnis der Erbin ex lege durch die Abgabe der Erbantrittserklärung und der Erbringung des Erbrechtsausweises (vgl RS0008167 [T4; T5]) entsteht und der Amtsbestätigung nach § 172 AußStrG nur deklarative Bedeutung zukommt (etwa Spruzina in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 810 ABGB Rz 3 f), sodass deren Vorlage im Verfahren mit 31. 1. 2018 für die Wirksamkeit des Anbots zur Einlösung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch keine Relevanz mehr zukommen konnte. Dessen Ansicht, dass die Beklagte als Berechtigte von ihrem Vorkaufsrecht nicht fristgerecht Gebrauch machte, ist bei der gegebenen Sachlage aber keinesfalls zu beanstanden, sodass die Feststellung, dass das Vorkaufsrecht erloschen sei im Ergebnis auch keiner Korrektur bedarf.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E125502

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00051.19I.0613.000

Im RIS seit

12.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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