TE OGH 2018/12/13 5Ob184/18x

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Veröffentlicht am 13.12.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Dr. H***** S*****, vertreten durch Dr. Christian Strobl, Rechtsanwalt in Hartberg, und der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei I***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch die Gheneff–Rami–Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen (eingeschränkt) 14.572,90 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 13.850,77 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. April 2018, GZ 4 R 177/17d-206, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. August 2017, GZ 12 Cg 84/09m-198, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.017,90 EUR (darin 169,65 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, unter anderem für den Bereich Brandschutz. Die Beklagte erteilte ihm im Zusammenhang mit der Sanierung ihres Bürohauskomplexes verschiedene Aufträge. Die Nebenintervenientin war von der Beklagten mit den Fassadenarbeiten zur thermischen Sanierung des 6. und 7. Obergeschoßes des Bürohauskomplexes beauftragt.

In einem zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin geführten Rechtsstreit wandte die Beklagte gegen die Werklohnforderung der Nebenintervenientin unvollständige Leistungserbringung und Mangelhaftigkeit der Leistungen ein. Zur Beendigung der von der Nebenintervenientin (im Jahr 2003) und der Beklagten (im Jahr 2005) in diesem Zusammenhang angestrengten Prozesse schlossen diese am 11. 10. 2007 einen gerichtlichen Vergleich, mit dem sich die Nebenintervenientin zu näher beschriebenen Mängelbehebungsarbeiten verpflichtete. Der Kläger wurde in diesem Vergleich mit der Beaufsichtigung und kontrollierenden Begleitung dieser Arbeiten beauftragt und zum unabhängigen Schiedsgutachter bestellt.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von (zuletzt) 14.572,90 EUR samt Zinsen an Honorar für Leistungen im Rahmen eines (anderen) Auftrags.

Die Beklagte bestritt die Klageforderung und wandte aufrechnungsweise eine Schadenersatzforderung aus der Schiedsgutachtertätigkeit des Klägers im Rechtsstreit mit der Nebenintervenientin ein. Der Kläger habe die ordnungsgemäße Erbringung der Mängelbehebungsarbeiten der Nebenintervenientin insbesondere für die Brandschutzkonstruktion verfrüht bestätigt und so die verfrühte Auszahlung des restlichen Werklohns an die Nebenintervenientin veranlasst. Die Beklagte habe dadurch einen Zinsschaden in Höhe von 60.083,78 EUR erlitten.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung zu Recht, die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und die Beklagte daher schuldig sei, dem Kläger 14.572,90 EUR samt Zinsen zu zahlen. Die Gegenforderung der Beklagten sei unberechtigt, weil der Kläger nicht gegen seine schiedsgutachterlichen Pflichten zur Beaufsichtigung und kontrollierenden Begleitung der Arbeiten der Nebenintervenientin verstoßen habe. Der Brandschutzzustand sei ab Oktober 2011 ohnehin ordnungsgemäß gewesen, der bis dahin durch die allenfalls verfrühte Ziehung der Bankgarantie eingetretene Zinsverlust betrage daher nur 28.829,63 EUR und sei ohnehin von der von der Beklagten gezogenen Haftrücklassgarantie umfasst.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es sprach aus, dass die Klageforderung zur Gänze, die Gegenforderung mit 722,13 EUR zu Recht bestehe und die Beklagte daher (nur) schuldig sei, dem Kläger 13.850,77 EUR samt Zinsen zu zahlen. Der im Zusammenhang mit dem als Gegenforderung eingewandten Zinsschadenersatzanspruch erhobene Vorwurf der verfrüht erteilten Schlussbestätigung sei (lediglich) in Ansehung der Mangelhaftigkeit des Brandschutzes im Bereich der Nachtlüftungsschächte stichhältig. Der Kläger habe die Erfordernisse der Arbeiten zur Herstellung eines Brandschutzes festzulegen gehabt. Zur Erfüllung dieser Überwachungs- und Kontrollpflicht sei eine bloß stichprobenartige Überprüfung der (Detail-)Pläne unzureichend. Da es erst im Jahre 2010 zur Ausführung der Detailpläne für die Nachtlüftungsschächte und damit zur Sanierung dieses Mangels gekommen sei, sei die Fertigstellungsanzeige des Klägers tatsächlich verfrüht gewesen. Aus diesem Versäumnis resultiere kein Ersatz eines Zinsschadens in dem von ihr begehrten Ausmaß. Zwar wäre die Beklagte als Werkbestellerin der Nebenintervenientin gegenüber zur Zurückbehaltung des Werklohns berechtigt gewesen, weil der Werklohn erst nach Vollendung des Werks fällig werde. Der Zurückbehaltung des gesamten restlichen Werklohns von knapp unter 250.000 EUR zur Sicherstellung der Verbesserung, deren Kosten nach den Feststellungen nur knapp 5.500 EUR und demnach nur ca 2 % des restlichen Werklohns ausmachten, wäre vielmehr das Schikaneverbot entgegengestanden. Dieser Grundsatz sei auch auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt übertragbar, nach welchem es zu keiner formellen Abnahme des Werks gekommen sei. Die Beklagte sei daher bloß zur Zurückbehaltung der genannten Verbesserungskosten bis zur tatsächlichen Sanierung im Jahr 2011 berechtigt gewesen. Der dadurch verursachte Zinsschaden belaufe sich auf 722,13 EUR. Nur diesen Zinsschaden habe der Kläger durch seine verfrühte Schlussbestätigung verursacht. Der Haftrücklass sei Teil des Werklohns und ohne Einfluss auf die Berechnung des Zinsschadens. Die Gegenforderung bestehe daher mit 722,13 EUR zu Recht.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob das Schikaneverbot im Zusammenhang mit dem Zurückbehaltungsrecht des Werkbestellers nach § 1170 ABGB bereits vor Übergabe des Werks zustehe.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinn abzuändern. Als Revisionsgrund macht sie erkennbar die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1.1. Über das Vermögen der Nebenintervenientin wurde am 8. 5. 2018 ein Insolvenzverfahren eröffnet (Tag der Bekanntmachung in der Ediktsdatei). Die Beklagte macht in diesem Zusammenhang als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 ZPO geltend, dass keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu vorliege, ob das Berufungsgericht nicht angesichts der Auffälligkeit des Umstands, dass die Nebenintervenientin sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt habe, die das Verfahren ex lege unterbrechende Insolvenzeröffnung zu prüfen gehabt hätte.

1.2. Das Berufungsurteil wurde am 27. 4. 2018 gefasst. Das erst später eröffnete Insolvenzverfahren konnte daher vom Berufungsgericht gar nicht berücksichtigt werden. Davon abgesehen werden gemäß § 7 Abs 1 IO nur Rechtsstreitigkeiten unterbrochen, in denen der Schuldner Kläger oder Beklagter ist. Die Konkurseröffnung über das Vermögen des (einfachen) Nebenintervenienten unterbricht den Rechtsstreit hingegen nicht (Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 7 KO Rz 4; Fink in Fasching/Konecny3 II/3 § 159 ZPO Rz 57 [mwN]).

2.1. Die beiden anderen Rechtsfragen, die nach Auffassung der Beklagten die Zulässigkeit der Revision iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen, betreffen jeweils den von ihr behaupteten Anspruch auf Ersatz des Zinsschadens aus der verfrühten Zahlung des Werklohns und die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang angenommene Schikane.

2.2. Dem Besteller eines Werks ist es zum Schutz seines Gewährleistungsanspruchs (§§ 932, 1167 ABGB) gestattet, den Vollzug der Gegenleistung solange hinauszuschieben, bis der andere Teil seinen Verpflichtungen voll entsprochen hat (RIS-Justiz RS0019891 [T2]). Dem Werkbesteller steht also bis zur vollständigen Verbesserung bestehender Mängel die ein Leistungsverweigerungsrecht begründende Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags zu (§ 1052 ABGB). Dabei kann der Werkbesteller nach ständiger Rechtsprechung – Schikane ausgenommen – den gesamten aushaftenden Werklohn zurückbehalten (RIS-Justiz RS0018507 [T1], RS0021872, RS0025221). Dieses Leistungsverweigerungsrecht gilt grundsätzlich auch bei Vorliegen geringfügiger Mängel, findet seine Grenze aber dort, wo die Ausübung dieses Rechts zur Schikane ausartet. Diese liegt dann vor, wenn das unlautere Motiv der Handlung die lauteren Motive eindeutig überwiegt, es also augenscheinlich im Vordergrund steht, oder auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des Anderen ein krasses Missverhältnis besteht (RIS-Justiz RS0020161; RS0018507 [T7, T8]; RS0021872 [T4, T9, T10]). Dieses Recht auf Verweigerung der Gegenleistung ist also durch das Verbot der schikanösen Rechtsausübung beschränkt (RIS-Justiz RS0021730).

3.1. Die Beklagte macht in ihrer Zulassungsbegründung geltend, dass diese Rechtsgrundsätze zwischen der Beklagten als der Werkbestellerin und dem Kläger als dem von ihr beauftragten Schiedsgutachter nicht zur Anwendung kämen. In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sei die Frage, ob das Schikaneverbot nicht nur im Verhältnis zwischen Werkbesteller und Werkunternehmer, sondern auch gegenüber Dritten gelte, allerdings noch nicht geklärt.

3.2. Die Beklagte übersieht, dass sie den ersetzt begehrten Zinsschaden auf die verfrühte Zahlung des Werklohns an die Nebenintervenientin stützt. Sie habe wegen der verfrühten Freigabe des Klägers den gesamten Werklohn gezahlt, obwohl sie diesen noch zurückbehalten hätte können. Die Frage, ob und in welchem Umfang ein solches Leistungsverweigerungsrecht bestanden hat, ist daher für das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten als der Werkbestellerin und der Nebenintervenientin als der Werkunternehmerin zu beantworten. Das Berufungsgericht hat also zutreffend geprüft, ob die Zurückbehaltung des vollen restlichen Werklohns im Verhältnis zur Nebenintervenientin berechtigt oder – weil schikanös – unzulässig gewesen wäre.

4.1. Dem Berufungsgericht folgend sieht die Beklagte die Zulässigkeit der Revision schließlich auch darin begründet, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob das Schikaneverbot im Zusammenhang mit dem Zurückbehaltungsrecht des Werkbestellers nach § 1170 ABGB auch bereits vor Übergabe des Werks zustehe.

4.2. Beim Werkvertrag ist das Entgelt in der Regel nach vollendetem Werk zu entrichten (§ 1170 erster Satz ABGB; RIS-Justiz RS0022038). Vollendet ist das Werk, wenn es vertragsmäßig fertiggestellt und übergeben bzw abgenommen wurde (M. Bydlinski, KBB5 § 1170 ABGB Rz 2). Das „Zurückbehaltungsrecht des Werkbestellers nach § 1170 ABGB“ ist Folge der mit dieser Bestimmung normierten Vorleistungspflicht des Unternehmers; § 1052 ABGB ist in der Regel nicht anwendbar. Vor der gehörigen Erbringung der zugesagten Leistung ist der Werkvertrag noch nicht erfüllt. Klagt der Werkunternehmer den Besteller vor gehöriger Erfüllung auf Bezahlung des Werklohns, so kann der beklagte Besteller die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erheben und damit zugleich die mangelnde Fälligkeit des Entgeltanspruchs geltend machen (RIS-Justiz RS0020092 [T8]). Für die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags nach § 1052 ABGB und das dieses Leistungsverweigerungsrecht begrenzende Schikaneverbot besteht vor Fälligkeit des Werklohns daher kein Raum.

4.3. Ungeachtet der missverständlichen Formulierungen bezieht sich das Berufungsgericht in seinen Ausführungen zum Ausmaß des kausalen Zinsschadens inhaltlich aber ohnedies auf das dem Werkbesteller eingeräumte Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 ABGB. Dieses besteht – trotz der grundsätzlichen Fälligkeit des Werklohns (vgl RIS-Justiz RS0088997) – bis zur vollständigen Verbesserung der bestehenden Mängel. Gegenstand des Auftrags des Klägers waren die Beaufsichtigung und kontrollierende Begleitung gerade solcher Mängelbehebungsarbeiten der Nebenintervenientin. Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 ABGB ist zwar grundsätzlich dispositiv (RIS-Justiz RS0019979). Indem es die Grundsätze der Rechtsprechung zum Schikaneverbot auf die vorliegende Konstellation übertragen hat, hat das Berufungsgericht das Bestehen einer Parteienvereinbarung, mit der das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 ABGB abgeändert und die Beklagte vom Schikaneverbot befreit worden wäre, allerdings implizit verneint. Insbesondere hat es die Bestimmungen des Vergleichs vom 11. 10. 2007 über die Bekanntgabe der Fertigstellung der zu erbringenden Arbeiten, über die Bestätigung ihrer ordnungsgemäßen Ausführung, über deren Abnahme und über die Zahllast der Beklagten nicht in diesem Sinn ausgelegt. Dieses im Hinblick auf die im Vergleich ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit von bloßen Teilabnahmen den Grundsätzen der Rechtsprechung nicht widersprechende Ergebnis einer solchen einzelfallbezogenen Auslegung ist vom Obersten Gerichtshof nicht aufzugreifen (vgl RIS-Justiz RS0042936; RS0113785). Die Beklagte ist diesem Verständnis der getroffenen Vereinbarungen in ihrer Revision auch gar nicht substanziiert entgegengetreten.

5.1. Die Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

5.2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass diese der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente (RIS-Justiz RS0112296; RS0035962; RS0035979). Dem Kläger gebührt daher der Ersatz der Kosten auf Basis der (richtigen) Bemessungsgrundlage von 13.850,77 EUR und mangels einer nach Art und Umfang den Durchschnitt erheblich übersteigenden Leistung des Rechtsanwalts ohne Berücksichtigung des verzeichneten Zuschlags nach § 21 RATG.

Textnummer

E123646

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00184.18X.1213.000

Im RIS seit

07.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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