TE OGH 2018/3/6 14Os15/18i

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.03.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Oleksandr M***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Andrii K***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 26. Juli 2017, GZ 16 Hv 76/17w-104, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Andrii K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Oleksandr M***** und Andrii K***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie am 12. März 2015 in S***** im einverständlichen Zusammenwirken mit einem weiteren nicht ausgeforschten Mittäter mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Susanna G***** einen Tresor mit Goldschmuck im Wert von etwa 30.000 Euro sowie diverse Gemälde und Zeichnungen und Tamara Ko***** eine 30 Euro Bargeld beinhaltende Brieftasche mit Gewalt weggenommen, indem sie zunächst durch Aufzwängen eines Kellerfensters in das Einfamilienhaus der Familie G***** eindrangen, Susanne G***** mit einem Gürtel und Tamara Ko***** mit Kabelbindern fesselten, Letztgenannter mehrmals mit der geballten Faust ins Gesicht schlugen und sodann die angeführten Wertgegenstände an sich nahmen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Andrii K*****, der keine Berechtigung zukommt.

Entgegen dem Einwand der Verfahrensrüge (Z 4) erfolgte die Abweisung der in der Hauptverhandlung am 26. Juli 2017 gestellten Beweisanträge ohne Verletzung von Verteidigungsrechten.

Jener auf Beischaffung und Übersetzung sämtlicher Unterlagen (Reisedokumente, Reisepass und eine Versicherungspolizze), die der Beschwerdeführer bei seiner Verhaftung bei sich hatte, zum Beweis dafür, dass er erstmals im Jahr 2016 nach Österreich kam, um sich einer medizinischen Behandlung zu unterziehen (ON 103 S 17), ließ – auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens (ON 103 S 18) – nicht erkennen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme trotz der Einlassung des Angeklagten, 2014 und 2015 immer wieder monatelang in Tschechien, also innerhalb des Schengenraums, gearbeitet zu haben (ON 103 S 11), und der (notorischen) Möglichkeit der Verwendung älterer oder auf einen der zahlreichen Aliasnamen (US 12) lautender Reisedokumente das behauptete Ergebnis erwarten lasse (RIS-Justiz

RS0099189). Eine – frühere Inlandsaufenthalte nicht ausschließende – Einreise nach Österreich im Jahr 2016 und deren Zweck ist zudem für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage unerheblich und damit auch unter dem Aspekt der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers (vgl erneut ON 103 S 18) ohne Relevanz (RIS-Justiz RS0120109 [T3]).

Das Begehren auf „ergänzende Fragestellung an die Sachverständige Gerichtsmedizin Innsbruck in Bezug auf die Angaben der Zeugin Ko*****, dass die Täter, insbesondere jener Täter, der ihr den Mund zugehalten hat, Handschuhe, nämlich Gummihandschuhe getragen habe, ob diesbezüglich von einem sekundären Spurentransfer auszugehen ist, sowie zur Frage, ob ein Gummihandschuh als ein optimales Material für einen sekundären Spurentransfer in Frage kommt. Dies sei entscheidungsrelevant, zumal der Zweitangeklagte beim Raubüberfall am 12. März 2015 nicht anwesend war“ (ON 103 S 17 f), zielte schon mit Blick auf dessen Wortlaut auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab

(RIS-Justiz

RS0118123).

Zudem wurde die Sachverständige Dr. H***** über ausdrückliches Ersuchen des Beschwerdeführers (ON 93) beauftragt, sich schriftlich mit von ihm verfassten Fragen zu befassen, die im Wesentlichen den im Beweisantrag genannten entsprachen. In ihrer darauf bezogenen – in der Hauptverhandlung einverständlich vorgetragenen (§ 252 Abs 2a StPO; ON 103 S 19 f) – Expertise hat sie einen sekundären Spurentransfer mit ausführlicher Begründung für grundsätzlich möglich erachtet, im konkreten Fall aber als unwahrscheinliche Variante („nicht sehr plausibel“) eingestuft, wobei sie dabei auch den Umstand berücksichtigte, dass die Täter Handschuhe (welcher Beschaffenheit auch immer) trugen (ON 97 S 12 ff).

Mängel dieses Gutachtens im Sinn des § 127 Abs 3 StPO spricht die Beschwerde in diesem Zusammenhang gar nicht an.

Aus welchem Grund die erneute Befragung der Expertin (deren persönliche Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht deutlich und bestimmt begehrt wurde) zum selben, bloß in Bezug auf das Material der Handschuhe konkretisierten Beweisthema dennoch ein für den Antragsteller günstigeres Ergebnis erwarten ließ, wurde im Antrag nicht dargelegt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351;

RIS-Justiz RS0117263, RS0107040 [va T2]).

In der Beschwerde

nachgetragene Argumente zur

Antragsfundierung sind unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Die Tatrichter haben ihre Überzeugung von der Täterschaft des Beschwerdeführers (unter anderem) auf die
– in freier Beweiswürdigung (RIS-Justiz

RS0097433; Hinterhofer, WK-StPO § 125 Rz 31 sowie erneut Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351) – für schlüssig und nachvollziehbar („aussagekräftig“) erachteten Ausführungen der Sachverständigen Dr. H***** gestützt (US 9 ff).

Entgegen dem Beschwerdestandpunkt waren sie dabei unter dem Aspekt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht verhalten, im Rahmen der (gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO) auf eine gedrängte Darstellung zu beschränkenden Urteilsbegründung näher auf den Inhalt deren Gutachtens einzugehen. Eine solche Verpflichtung bestünde nur dann, wenn die Expertise Hinweise enthielte, die gegen die darauf gegründete Annahme sprechen (RIS-Justiz RS0098716). Dies trifft auf die von der Mängelrüge als übergangen reklamierte Aussage zur (auch wochenlangen) Halt- und Verwertbarkeit von DNS oder biologischen Spuren auf Gegenständen, die die Sachverständige ihrer Einschätzung der Unwahrscheinlichkeit eines sekundären Spurentransfers ohnehin zugrunde gelegt hat (ON 97 S 11 ff), nicht zu.

Mit dem auf Z 5 dritter Fall gestützten Vorbringen bezieht sich die weitere Mängelrüge auf
– ungeachtet § 270 Abs 2 Z 5 StPO – im Rahmen der Beweiswürdigung (im Konjunktiv) zitierte Passagen aus dem in Rede stehenden Sachverständigengutachten (US 11 iVm ON 97 S 13 f) und erachtet damit der Sache nach dieses und nicht die Urteilsbegründung für widersprüchlich.

Einen derartigen Mangel der Expertise, der allenfalls ein – in diesem Zusammenhang nicht beantragtes – Vorgehen nach § 127 Abs 3 StPO gerechtfertigt hätte, zeigt die Beschwerde aber nicht auf. Die angesprochene Aussage der Sachverständigen, nach der die wahrscheinlichste Erklärung für die bei den sichergestellten Mischspuren (auf einem Kabelbinder und dem Gesicht des Opfers Tamara Ko*****) vergleichsweise geringe Zahl der Typisierung sei, dass an diesen zwei Spuren vermehrt weibliches Opfermaterial der Genannten mit dem DNA-Material des männlichen Spurenverursachers (Andrii K*****) konkurriert hat, steht dem Rechtsmittelstandpunkt zuwider nämlich keineswegs im Widerspruch zu jener, wonach die Höhe und Qualität der gefundenen Signale bei diesen zwei Spuren aber dennoch für einen primären und damit jedenfalls gegen den vom Beschwerdeführer in den Raum gestellten sekundären Spurentransfer in zwei Transferschritten spreche.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) anknüpfend an die Ausführungen der Mängelrüge aus dem Sachverständigengutachten im Verein mit der – im Urteil erörterten (US 11 f) – Aussage der Zeugin Tamara Ko*****, nach der die Täter Handschuhe trugen, andere Schlüsse zieht als jene der Tatrichter, auf die Behauptung der Angeklagten, einander nicht zu kennen, verweist, welche das Erstgericht für widerlegt erachtete (US 12), und schließlich unter Berufung auf Ermittlungsergebnisse (die Auswertung von Telefondaten und die Überprüfung eines bei Andrii K***** sichergestellten Autoschlüssels) die Ansicht vertritt, es gebe „keinen einzigen eindeutigen Beweis“ für eine Beteiligung des Beschwerdeführers am verfahrensgegenständlichen Raubüberfall,

weckt sie keine

erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0099674).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht;

Textnummer

E120927

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00015.18I.0306.000

Im RIS seit

20.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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