TE OGH 2010/9/29 7Ob156/10g

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Veröffentlicht am 29.09.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Denisa N*****, in Unterhaltssachen vertreten durch das Amt für Jugend und Familie - Rechtsvertretung Bezirke 14, 15, 16, 1150 Wien, Gasgasse 8-10/Stiege 1, Vater Denis K*****, vertreten durch Mag. Gerald Göllner, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Mai 2010, GZ 42 R 143/10f-62, mit dem über Rekurs des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 4. März 2010, GZ 45 PU 20/09f-56, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber seiner Tochter Denisa unter Berücksichtigung bereits eingetretener Teilrechtskraft insgesamt wie folgt festgesetzt wird:

vom 1. 7. 2005 bis 31. 7. 2006                            255 EUR
vom 1. 8. 2006 bis 31. 1. 2007                            305 EUR
vom 1. 2. 2007 bis 31. 12. 2007                            342 EUR
vom 1. 1. 2008 bis 31. 12. 2008                            357 EUR
vom 1. 1. 2009 bis 31. 5. 2009                            354 EUR
ab 1. 6. 2009 bis auf Weiteres                            333 EUR.

Der darüber hinausgehende Unterhaltsantrag der Minderjährigen wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Vater ist außer für Denisa noch für zwei am 8. 12. 2001 und am 8. 5. 1999 geborene Kinder gesetzlich sorgepflichtig und weiters teilweise für seine Ehegattin, die als Reinigungskraft ein Durchschnittsnettoeinkommen von 788 EUR monatlich bezieht. Der Vater hatte im Beobachtungszeitraum folgendes Einkommen:

monatliches Durchschnitts- steuerpflichtige
               nettoeinkommen Bezüge


2005                            2.534,18 EUR                            35.831,27 EUR
2006                            2.285,61 EUR                            31.275,48 EUR
2007                            2.377,78 EUR                            33.287,88 EUR
2008                            2.486,58 EUR                            35.262,72 EUR
2009                            2.430,67 EUR                            32.894,28 EUR

Ihm war bereits von Anfang an bewusst, dass er mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Vater der 1996 geborenen Antragstellerin ist. Er hatte zwar zumindest seit 2003 keinen Kontakt mehr zur Mutter, erfuhr jedoch noch vor der Einleitung des Abstammungsverfahrens anlässlich einer Vorsprache vor dem Jugendamt davon, dass die Feststellung seiner Vaterschaft nunmehr betrieben werde. Die Ladung zur ersten mündlichen Verhandlung im Abstammungsverfahren wurde ihm am 2. 7. 2008 zugestellt. In diesem Verfahren machte er zunächst zwar geltend, dass die Mutter auch mit anderen Männern sexuell verkehrt habe, akzeptierte jedoch nach Einlangen des DNA-Gutachtens vom 4. 10. 2008 seine Vaterschaft, welche dann mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Beschluss vom 9. 10. 2008 festgestellt wurde. Nach Einleitung des Abstammungsverfahrens, aber noch vor Einlangen des DNA-Gutachtens nahm der Vater am 11. 9. 2008 einen Kredit über einen Betrag von 33.690 EUR zum Zweck der Wohnraumbeschaffung auf, für welchen er seither monatlich 369,90 EUR zurückzuzahlen hat. Er lebte vormals mit seiner Ehegattin und den beiden Kindern in einer Wohnung, die nur über Wohnzimmer, Kabinett und Küche verfügte. Mittlerweile ist er mit seiner Familie in die neue, durch den Kredit finanzierte Genossenschaftswohnung übersiedelt.

Die Minderjährige, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie, verband den am 30. 6. 2008 eingelangten Antrag auf Feststellung der Vaterschaft des Antragsgegners mit jenem „auf Festsetzung von Unterhalt“. Mangels Kenntnis über die Einkommenshöhe des Antragsgegners könne vorerst kein bestimmter Unterhaltsbetrag angegeben werden, weshalb die Einholung einer Einkommensbestätigung beantragt werde.

Gegen das Unterhaltsbegehren wendete der ursprünglich unvertretene Vater unter anderem ein, er habe zwei schulpflichtige Kinder, seine Frau arbeite in Teilzeit und seine Eltern in Bosnien seien von ihm abhängig. Weil die jetzige Wohnung für eine Familie mit zwei Kindern nicht geeignet sei, habe er auch einen Kredit für eine größere Wohnung genommen. Er habe monatliche Ausgaben von ca 1.762 EUR (darunter Miete von ca 400 EUR und für einen Wüstenrot-Kredit 369 EUR). Dem stehe sein „Lohn“ von nur ca 1.450 EUR gegenüber.

Daraufhin forderte das Erstgericht den Vertreter des Kindes zur Antragspräzisierung auf, die mit Schreiben vom 12. 11. 2008 dahin vorgenommen wurde, dass für die Zeit vom 1. 6. 2005 bis 31. 7. 2006 ein monatlicher Unterhalt von 255 EUR und ab 1. 8. 2006 von 305 EUR begehrt werde.

Einer Ladung für den 10. 12. 2008 leistete der Vater keine Folge.

Mit Beschluss vom 10. 12. 2008 (in seiner berichtigten Fassung ON 10), verpflichtete das Erstgericht den Vater antragsgemäß ab 1. 6. 2005 zu den begehrten monatlichen Unterhaltszahlungen, jedoch wurde diese Entscheidung mit Beschluss des Rekursgerichts infolge Rekurses des Vaters aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren holte das Erstgericht  - nachdem Aufforderungen an den Vater zur Vorlage von Einkommensnachweisen ab 1. 6. 2005 und von Kreditunterlagen unerledigt blieben - Lohnauskünfte des Vaters für die Zeit ab 1. 1. 2005 ein. Nach deren Vorlage gab das Erstgericht am 14. 1. 2010 dem Vertreter des Kindes Gelegenheit zur Einsicht und Stellungnahme sowohl dazu als auch zu den vom Vater schon früher vorgelegten Gehaltsunterlagen seiner Gattin.

Am 22. 1. 2010 wurde der Unterhaltsantrag der Minderjährigen aufgrund der zwischenzeitig eingeholten Gehaltsauskünfte des Vaters ausgedehnt. Unter Berücksichtigung einer geringfügigen Einschränkung wurde letztlich folgender monatlicher Unterhalt begehrt:

vom 1. 7. bis 31. 12. 2005               350 EUR

vom 1. 1. bis 31. 7. 2006               320 EUR
vom 1. 8. bis 31. 12. 2006                             350 EUR

vom 1. 1. bis 31. 12. 2007                             380 EUR
vom 1. 1. bis 31. 12. 2008                             400 EUR
vom 1. 1. bis 31. 5. 2009                             390 EUR
ab 1. 6. 2009 bis auf Weiteres                             370 EUR.

Der Kredit sei bei der Unterhaltsbemessung nicht zu berücksichtigen, weil der Vater jederzeit mit seiner Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt rechnen habe müssen.

Der Vater legte einen Schuldschein über 33.700 EUR vor und wies darauf hin, keine Kenntnisse über seine Vaterschaft bei Aufnahme des Wohnungskredits gehabt zu haben. In einer weiteren Stellungnahme wendete er auch ein, jedes Erhöhungsbegehren für Unterhaltsbeträge vor dem 19. 1. 2007 sei jedenfalls verjährt. Seine Sorgepflichten für seine Gattin und zwei weitere Kinder seien mit Abzügen von 2 %, 1 % und 2 % zu berücksichtigen. Der Kredit für Wohnraumbeschaffung sei in die Bemessungsgrundlage nicht einzubeziehen, weil dieser zur Grundexistenzsicherung notwendig gewesen sei.

Dem Verjährungseinwand entgegnete der Vertreter des Kindes, aufgrund des Rekurses des Vaters sei eine Unterbrechung der Verjährung eingetreten.

Mit seinem Beschluss vom 4. 3. 2010 verpflichtete das Erstgericht den Vater antragsgemäß zu den begehrten Unterhaltszahlungen. Die vom Vater geltend gemachten Kreditrückzahlungen seien nicht zu berücksichtigen. Die Minderjährige habe vom 1. 7. 2005 bis 31. 7. 2006 einen Unterhaltsanspruch von 15 %, vom 1. 8. 2006 bis 31. 5. 2009 von 17 % und ab 1. 6. 2009 von 16 %. Dabei sei für die Ehegattin nur ein Abzug von 1 %-Punkt gerechtfertigt. Nicht berechtigt sei der Verjährungseinwand, weil der erstmalige (noch nicht präzisierte) Antrag auf Unterhaltsfestsetzung bereits am 30. 6. 2008 beim Erstgericht eingelangt sei.

Das Rekursgericht gab dem neuerlichen Rekurs des Vaters teilweise Folge und änderte ihn dahin ab, dass die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber seiner Tochter Denisa - bei Abweisung des Mehrbegehrens - wie folgt festgesetzt wurde:

vom 1. 7. bis 31. 12. 2005                            324 EUR
vom 1. 1. bis 31. 7. 2006                            292 EUR
vom 1. 8. bis 31. 12. 2006                            331 EUR
vom 1. 1. bis 31. 12. 2007                            342 EUR
vom 1. 1. bis 31. 12. 2008                            357 EUR
vom 1. 1. bis 31. 5. 2009                            354 EUR
ab 1. 6. 2009 bis auf Weiteres              333 EUR.

Ein Abzug von mehr als 1 % von der Unterhaltsbemessungsgrundlage für die Sorgepflicht gegenüber seiner Ehegattin sei nicht gerechtfertigt.

Habe der Unterhaltsschuldner zum Zeitpunkt der Aufnahme von Schulden keine Kenntnis von seinen Unterhaltsverpflichtungen, so könnten ihm eingegangene Schulden in der Regel nicht angelastet werden. Allerdings sei hier unter „Kenntnis“ nicht erst die Gewissheit von der Vaterschaft aufgrund eines entsprechenden Gutachtens oder gar das Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Abstammung zu verstehen, sondern von jenem Zeitpunkt auszugehen, ab welchem eine derartige subjektive Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft vorliege, dass ein verantwortungsbewusster Familienvater auf das rückwirkende Entstehen der Sorgepflicht Rücksicht genommen hätte. In diesem Sinn hätte ein verantwortungsbewusster Familienvater im vorliegenden Fall am 11. 9. 2008 sicherlich nicht mehr leichtfertig einen Kredit aufgenommen, aber ebenso - auch in Kenntnis der auf ihn zukommenden weiteren Sorgepflicht - für eine angemessene Wohnmöglichkeit der bereits vorhandenen, ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienmitglieder gesorgt. Eine Nichtberücksichtigung der Kreditrückzahlungen wäre daher zu restriktiv. Mit der Anschaffung einer Genossenschaftswohnung sei in der Regel eine niedrigere monatliche Mietzinsbelastung verbunden und es werde dadurch auch ein gewisser bleibender Vermögenswert gebildet. Der Wohnungskredit sei somit zu rund einem Drittel zu berücksichtigen.

Zum Verjährungseinwand hob das Rekursgericht hervor, dass die die Erhebung eines Rechtsmittels keine besondere Verjährungsunterbrechung bewirke. Zu prüfen sei, in welchem Umfang die Verjährungsunterbrechung durch eine Antragstellung im außerstreitigen Verfahren das Erlöschen des materiellrechtlichen Anspruchs bewirke. Mit § 9 AußStrG 2005 habe der Gesetzgeber offenbar einen der Manifestations- sowie der Feststellungsklage vergleichbaren Rechtsbehelf für das außerstreitige Verfahren geschaffen. Daher sei davon auszugehen, dass auch die Einbringung eines unbestimmten Antrags nach § 9 Abs 1 AußStrG 2005 im Fall seiner ordnungsgemäßen Präzisierung im Sinne seines Abs 2 die Verjährung entsprechend § 1497 ABGB unterbreche. Da aber hier die Präzisierung des unbestimmten Antrags aufgrund der unrichtigen Angaben des Vaters über sein Einkommen erfolgt und diesem grundsätzlich bekannt gewesen sei, dass Unterhalt aufgrund seines wahren Einkommens begehrt werde, erscheine der Verjährungseinwand hinsichtlich der am 19. 1. 2010 erfolgten Ausdehnung für die Zeit vom 1. 6. (richtig: 1. 7.) 2005 bis 19. 1. 2007 nicht gerechtfertigt.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, da zur Verjährungsfrage noch keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters, der die Anrechnung der Unterhaltspflicht für seine Gattin durch Abzug von mindestens 2 % reklamiert, die Kreditraten für die Wohnraumfinanzierung zur Gänze von der Bemessungsgrundlage abgezogen wissen will und auf seinem Einwand der Verjährung des über 255 EUR hinausgehenden Unterhaltsanspruchs vom 1. 7. 2005 bis 19. 1. 2007 wegen der Ausdehnung nach Präzisierung des Unterhaltsbegehrens beharrt.

Die Minderjährige beteiligte sich am Revisionsrekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig. Er ist auch berechtigt.

1. Zur Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für die Ehegattin:

Im Hinblick auf das Eigeneinkommen der Gattin und dessen Relation zum Einkommen des Vaters ist der von den Vorinstanzen berücksichtigte Abzug von 1 % vertretbar. Aus welchen konkreten rechtlichen Erwägungen (dennoch) der Einkommensunterschied zwischen den Ehegatten einen Abzug von zumindest 2 % erfordern sollte, vermag der Revisionsrekurs gar nicht substantiiert darzustellen. Es hat daher beim Abzug von 1 % zu bleiben.

2. Zur Berücksichtigung der Raten für den Wohnungskredit:

Der Vater verlangt den Abzug der vollen Kreditrate mit dem einzigen Argument, er habe Kenntnis von der tatsächlichen Vaterschaft erst nach der Kreditaufnahme erlangt.

2.1. Für eine Interessenabwägung, inwieweit Schulden eine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage darstellen, ist unter anderem der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, der Zweck, für den sie aufgenommen worden sind, und die Dringlichkeit der Bedürfnisse des Verpflichteten und des Berechtigten maßgeblich. Eine Berücksichtigung von Schulden ist unter diesen Gesichtspunkten nach billigem Ermessen vorzunehmen. Nur wenn eine solche Interessenabwägung ergibt, dass sich der Unterhaltspflichtige wegen notwendiger und nicht anders finanzierbarer Anschaffungen für den Beruf oder die allgemeine Lebensführung belastete, können solche in Kenntnis bestehender Unterhaltspflichten begründete Schulden die Unterhaltsbemessungsgrundlage mindern (RIS-Justiz RS0079451 [T4] und [T5]).

Ratenzahlungen auf Kredite, die für den Erwerb einer Eigentums- oder Genossenschaftswohnung geleistet werden, bilden in der Regel keine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage (10 Ob 265/02x mwN; RIS-Justiz RS0047508 [T1 und T4]; RS0085255). Ob Kreditverbindlichkeiten abzuziehen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0079451 [T9]).

2.2. Es bedarf hier einer Abwägung nach billigem Ermessen für die Beurteilung, ob die Rückzahlungsraten für den vom Vater aufgenommenen Wohnungskredit zur (weiteren) Verminderung der Bemessungsgrundlage führen.

Wesentlich ist, dass keine Rede davon sein kann, der Vater sei vom Entstehen einer weiteren Sorgepflicht nach der Kreditaufnahme überrascht worden. Er war ja von der Mutter entsprechend informiert worden und hatte Kenntnis vom laufenden Abstammungsverfahren. Er hat auch nicht vorgebracht, bei Kenntnis von der weiteren Sorgepflicht wäre er die Kreditschuld nicht eingegangen. Vielmehr hat er im Bewusstsein der konkreten Möglichkeit der Feststellung seiner Vaterschaft den Wohnungskredit aufgenommen und musste deshalb bei dieser Entscheidung die mögliche Belastung mit einer weiteren Sorgfaltspflicht einkalkulieren.

Der Vater ist im Revisionsrekurs der Argumentation des Rekursgerichts, mit der Anschaffung einer Genossenschaftswohnung sei in der Regel eine niedrigere monatliche Mietzinsbelastung verbunden, wodurch auch ein gewisser bleibender Vermögenswert gebildet werde, nicht entgegen getreten. Ebenso wenig hat er seine Behauptung aufrecht erhalten, die Aufnahme des Kredits sei existenznotwendig gewesen. Wenn das Rekursgericht unter den vorliegenden Umständen dennoch die Bemessungsgrundlage um ein Drittel der Rückzahlungsraten schmälerte, die für einen - grundsätzlich nicht zu berücksichtigenden - Wohnungskredit vom Vater zu leisten sind, so ist diese Rechtsansicht, jedenfalls aus dem Blickwinkel des Unterhaltspflichtigen, nicht zu beanstanden. Für eine weitergehende Reduzierung der Bemessungsgrundlage besteht kein Anlass.

3. Zum Verjährungseinwand:

Die Minderjährige erhob ursprünglich (verbunden mit dem Antrag auf Feststellung der Vaterschaft) ein unbestimmtes Unterhaltsbegehren, das erst nach rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft - über Aufforderung des Gerichts - unter Hinweis auf die „eigenen Angaben des Vaters“ am 12. 11. 2008 betraglich - rückwirkend ab 1. 7. 2005 - präzisiert wurde. Mehr als ein Jahr später und nach Vorliegen von vom Gericht eingeholten Lohnauskünften nahm der Vertreter des Kindes eine Ausdehnung des Begehrens, neuerlich rückwirkend ab 1. 7. 2005, vor. Der Vater sieht (nur) die von der Minderjährigen mit Schriftsatz vom 19. 1. 2010 (korrigiert mit Schriftsatz vom 24. 2. 2010) erklärte Erhöhung der begehrten Unterhaltsbeiträge für den Zeitraum vom 1. 6. 2005 (richtig: 1. 7. 2005) bis 19. 1. 2007 als verjährt an.

3.1. Es entspricht herrschender Ansicht, dass sich der Anwendungsbereich des § 1501 ABGB auch auf das außerstreitige Verfahren erstreckt (5 Ob 1031/90; 7 Ob 132/02s; Perner in Schwimann, ABGB TaKomm § 1501 Rz 2; M. Bydlinski in Rummel³ § 1501 ABGB Rz 1), eine Verjährung also nur über einen entsprechenden - hier gegebenen - Einwand in diesem Umfang wahrzunehmen ist.

Das Rekursgericht erachtete die Verjährungseinrede für nicht gerechtfertigt, weil die Präzisierung des unbestimmten Antrags aufgrund der unrichtigen Angaben des Vaters über sein Einkommen erfolgt und diesem im Sinne des § 9 Abs 1 AußStrG grundsätzlich bekannt gewesen sei, dass namens der Minderjährigen Unterhalt aufgrund seines wahren Einkommens begehrt werde. Inhaltlich nimmt das Rekursgericht damit - wenn auch unausgesprochen - an, die Verjährungseinrede verstoße gegen Treu und Glauben. Dieser Vorwurf lässt sich aber nicht aufrecht erhalten.

3.2. Zutreffend hat sich das Rekursgericht mit § 9 AußStrG 2005 auseinandergesetzt, dessen Hauptanwendungsfall im Unterhaltsrecht liegen wird, dem Jugendwohlfahrtsträger aber wegen seiner Auskunftsrechte nach § 102 AußStrG 2005 nur in Ausnahmefällen zu Gute kommen kann (Fucik/Kloiber, AußStrG § 9 Rz 4). Nach dessen Abs 2 hat das Gericht in dem Fall, dass ausschließlich eine Geldleistung begehrt, ihre Höhe aber nicht bestimmt angegeben wird, die Partei unter Setzung einer angemessenen Frist zur ziffernmäßig bestimmten Angabe des Begehrens aufzufordern, sobald die Verfahrensergebnisse eine derartige Angabe zulassen. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Das Erstgericht hat den Vertreter des Kindes nach rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft zur Präzisierung des Unterhaltsbegehrens aufgefordert. Obwohl noch keine Lohnauskünfte des Vaters vom Gericht eingeholt worden waren und offenkundig auch der Jugendwohlfahrtsträger von seinen Möglichkeiten nach § 102 AußStrG keinen Gebrauch gemacht hatte, nahm er eine betragliche Präzisierung laut den „eigenen Angaben des Vaters“ am 12. 11. 2008 vor (ab 1. 6. 2005 255 EUR und ab 1. 8. 2006 305 EUR). Damit hat die Minderjährige (durch ihren Vertreter) die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit zur nachträglichen Angabe eines ziffernmäßig bestimmten Begehrens konsumiert. Der Umstand, dass offengelegte Grundlage der betraglichen Konkretisierung (nur) die - unklaren, weil monatliche Ausgaben von 1.762 EUR bei einem Lohn von 1.450 EUR behauptenden - Angaben des Kindesvaters waren, ändert daran nichts.

Wäre nämlich der Jugendwohlfahrtsträger der Meinung gewesen, dass die Verfahrensergebnisse die geforderte Präzisierung noch nicht zulassen, hätte er entweder selbst Lohnauskünfte einzuholen gehabt (zumal ihm gar keine Frist zur Präzisierung gesetzt war) und auf deren Grundlage ein ziffernmäßig bestimmtes Begehren formulieren müssen oder er hätte eine Konkretisierung unterlassen und das Erstgericht auf (noch) unzureichende Verfahrensergebnisse, auf den unerledigt gebliebenen Antrag auf Einholung von Einkommensbestätigungen und auf § 16 Abs 1 AußStrG 2005 hinweisen müssen. Einen allenfalls ergehenden Zurückweisungsbeschluss nach § 9 Abs 3 AußStrG 2005 hätte er mit Rekurs bekämpfen können (vgl die ErläutRV [abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG § 9]; diesen folgend Fucik/Kloiber, AußStrG § 9 Rz 3; Mayr/Fucik, AußStrG³ Rz 197; Rechberger in Rechberger, AußStrG § 9 Rz 5 f). Wird aber von der Möglichkeit der Verweigerung der Konkretisierung trotz ungenügender Verfahrensergebnisse kein Gebrauch gemacht und dennoch eine solche vorgenommen, wird damit der Gegenstand des Verfahrens im Sinn von § 36 Abs 3 AußStrG 2005 bindend festgelegt.

3.3. Nach § 1497 ABGB unterbricht die Klagsführung ebenso wie die Geltendmachung des Anspruchs im dafür vorgesehenen Außerstreitverfahren Verjährungsfristen (3 Ob 23/10v; vgl RIS-Justiz RS0108773; M. Bydlinski in Rummel³ § 1497 Rz 6 mwN; Dehn in KBB² § 1497 ABGB Rz 5 mwN). Es entspricht weiters der herrschenden Ansicht, dass die fristgerecht vorgenommene Verbesserung einer mangelhaften Klage die Unterbrechungswirkung nicht beseitigt, sondern auf den Zeitpunkt der Klagseinbringung zurückwirkt (RIS-Justiz RS0034954; RS0034836; RS0118623; RS0113956; RS0034875; M. Bydlinski in Rummel³ § 1497 Rz 6 mwN; Dehn in KBB² § 1497 ABGB Rz 9 mwN; Perner in Schwimann, ABGB TaKomm § 1497 Rz 6).

In diesem Sinn wirkt auch die einem Auftrag nach § 9 Abs 2 AußStrG 2005 entsprechende Präzisierung eines Geldleistungsbegehrens auf den Zeitpunkt der Einbringung des Antrags zurück.

3.4. Jede Klage unterbricht die laufende Verjährung aber nur für die in ihr geltend gemachten Ansprüche. Wird ein Anspruch mit Klagsänderung oder -ausdehnung geltend gemacht, tritt die Unterbrechungswirkung erst ab diesem Zeitpunkt ein, und zwar auch dann, wenn sich das neue Begehren auf den schon davor in der Klage vorgebrachten Sachverhalt stützt (7 Ob 8/10t; RIS-Justiz RS0034556; RS0019184; M. Bydlinski in Rummel³ § 1497 Rz 6 mwN; Dehn in KBB² § 1497 ABGB Rz 5 mwN; Perner in Schwimann, ABGB TaKomm § 1497 Rz 11). Dies gilt auch im Verfahren außer Streitsachen.

Die Ausdehnung des (zuvor präzisierten) Unterhaltsbegehrens erfolgte mit dem am 22. 1. 2010 beim Erstgericht eingelangten Schreiben des Jugendwohlfahrtsträgers und konnte daher erst mit diesem Tag eine Unterbrechungswirkung entfalten. Einer rückwirkenden Erhöhung der vor dem 1. 2. 2007 fällig gewordenen Unterhaltsbeträge steht daher der zu Recht vom Kläger erhobene Einwand der Verjährung entgegen.

3.5. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben durch Erhebung der Verjährungseinrede wird nach der Judikatur bejaht, wenn die Fristversäumung des Berechtigten auf ein Verhalten seines Gegners zurückzuführen ist (RIS-Justiz RS0014838; RS0038537). Die Replik der Arglist muss nicht ausdrücklich erhoben werden; es genügt das Vorbringen der die Einrede begründenden Tatsachen (RIS-Justiz RS0014828 [T2 und T7]).

Darauf, der Vater habe unrichtige Angaben über sein Einkommen gemacht, hat sich der Jugendwohlfahrtsträger zur Erwiderung des Verjährungseinwands gar nicht berufen. Er beschränkte sich auf die - unzutreffende - Replik, aufgrund des Rekurses des Vaters (gemeint: gegen den ersten Unterhaltsbeschluss vom 10. 12. 2008) sei eine Unterbrechung der Verjährung eingetreten.

Abgesehen davon herrscht im Unterhaltsverfahren nach § 16 Abs 1 AußStrG 2005 der Untersuchungsgrundsatz (Gitschthaler, Unterhaltsrecht² Rz 448), weshalb - ungeachtet der nunmehr durch § 16 Abs 2 AußStrG 2005 ausdrücklich festgeschriebenen Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht des Unterhaltspflichtigen - grundsätzlich eine amtswegige Erhebung der Bemessungsgrundlage für den Unterhaltsanspruch der Minderjährigen zu erfolgen hatte. Dies war im vorliegenden Fall gerade deswegen angebracht, weil die schriftlichen Angaben des Vater zu seinem Einkommen und zu seinen Ausgaben widersprüchlich, jedenfalls aber unklar blieben und deshalb keine taugliche Entscheidungsgrundlage bildeten.

Für eine Replik der Arglist fehlt es daher sowohl an entsprechenden Behauptungen der Unterhaltsberechtigten als auch an ausreichenden Grundlagen im Akt.

3.6. Dem Revisionsrekurs des Vaters ist daher teilweise Folge zu geben. Die vom Rekursgericht festgesetzten Unterhaltsbeträge sind entsprechend der (ersten) nachträglichen Präzisierung des Begehrens für die Zeit vom 1. 7. 2005 bis 31. 7. 2006 auf 255 EUR und vom 1. 8. 2006 bis 31. 1. 2007 auf 305 EUR zu reduzieren.

Schlagworte

Unterhaltsrecht

Textnummer

E95373

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0070OB00156.10G.0929.000

Im RIS seit

11.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

17.12.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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