TE OGH 2011/1/18 4Ob195/10w

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Veröffentlicht am 18.01.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Mag. E***** T*****, vertreten durch Dr. Hannes Pflaum und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 18.150,88 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 2010, GZ 15 R 6/10b-53, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 8. Oktober 2009, GZ 16 Cg 118/07a-47, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.119,24 EUR (darin 186,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Akademikerin (Magistra der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften); sie lebt und arbeitet in Wien und erzielt als Bankangestellte ein monatliches Einkommen von rund 1.800 EUR netto. Der Vater der Beklagten ist bulgarischer Staatsbürger und hatte seinen Lebensmittelpunkt in Bulgarien, wo bei ihm im Sommer 2006 eine Krebserkrankung festgestellt wurde. Er reiste am 11. 8. 2006 mit seiner Gattin nach Wien. Eine am 30. 8. 2006 im AKH Wien durchgeführte Endoskopie ergab, dass derzeit keine Lebensgefahr und keine akute Operationsnotwendigkeit bestehe. Am 26. 9. 2006 begleitete die Beklagte ihren Vater in das AKH Wien, wo bei dessen Untersuchung ein stenosierendes Oesophaguskarzinom festgestellt wurde. Ein Arzt stellte eine „Unabweisbarkeitsbestätigung“ gemäß § 36 Abs 4 WrKAG aus, in der festgehalten wurde: „Kein Schlucken mehr möglich, Dehydration, akute OP-Notwendigkeit“. Die Beklagte legte diese Bestätigung am selben Tag in der Aufnahmekanzlei des Spitals vor, wo mit ihr eine Niederschrift durch Ausfüllen eines Formblatts aufgenommen wurde. Die Niederschrift hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

„Gegenstand der Niederschrift: Pflegegebühren […] Ich verpflichte mich zur Bezahlung der für die Pflege von meinem Vater im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien ab 26. September 2006 auflaufenden Pflegegebühr im Betrag von täglich 730 EUR, sollte der zuständige Sozialversicherungsträger bzw Kostenträger, das ist [unausgefüllt] eine Kostenübernahme, aus welchen Gründen immer, ablehnen. Ich erlege am 26. 9. 2006 eine Vorauszahlung von 2.190 EUR und werde nach Erschöpfung dieses Betrages weitere Vorauszahlungen jeweils für einen Zeitraum von [unausgefüllt] Tagen im vorhinein leisten.“

Die Beklagte unterfertigte diese Verpflichtungserklärung in der Annahme, dass ihr Vater sonst nicht operiert werde. Am folgenden Tag wurde die Operation vorgenommen; sie ist als Eingriff der Stufe 8 auf der Skala von 1 bis 8 unter den schwersten Eingriffen eingestuft. Im Anschluss an die Operation erhielt der Patient eine Intensivbetreuung; am 23. 10. 2006 wurde er aus dem Spital entlassen. Im April 2007 ist der Vater der Beklagten an seiner Krebserkrankung verstorben.

Die Klägerin, die für die Spitalsverwaltung zuständige organisatorische Einheit des Rechtsträgers des behandelnden Spitals, begehrt - gestützt auf die in der Niederschrift vom 26. 9. 2006 enthaltenen Verpflichtungserklärung - 18.150,88 EUR sA an Pflegegebühren, die für den Vater der Beklagten im Zeitraum 26. 9. bis 23. 10. 2006 aufgelaufen sind. Die Höhe des Betrags ist unstrittig.

Die Beklagte wandte die Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs ein; zur Einbringung der Pflegegebühren sehe § 54 WrKAG ein Verwaltungsverfahren vor. In der Sache beantragte sie die Abweisung der Klage. Ihr Vater sei wegen eines schweren Krebsleidens als Notfallpatient im Spital behandelt und gepflegt worden. Er habe sich bereits in einem lebensbedrohlichen körperlichen Zustand befunden, als er sich in Begleitung der Beklagten in das Spital begeben habe und dort stationär aufgenommen worden sei. Angesichts der Notfallsituation sei die Beklagte unter erheblichem Druck gestanden und habe befürchtet, ihr Vater werde nicht behandelt werden, falls sie sich nicht bereit erkläre, die auflaufenden Pflegegebühren zu zahlen. In dieser Situation habe sie die Niederschrift unterfertigt. Nachträglich habe sich herausgestellt, dass der Patient aufgrund der Notfallsituation und der ausgestellten Unabweisbarkeitsbestätigung auch dann im Spital aufgenommen und behandelt worden wäre, wenn die Beklagte die Niederschrift nicht unterfertigt und keine Vorauszahlung geleistet hätte, weil er als begünstigter Fremder nach dem Wiener Sozialhilfegesetz auch Krankenhilfe einschließlich kostenloser Behandlung und Pflege in Krankenanstalten in Anspruch nehmen hätte können. Die Beklagte sei darüber vor Abgabe ihrer Verpflichtungserklärung nicht aufgeklärt worden; es sei ihr im Gegenteil vermittelt worden, dass die Verpflichtungserklärung und die Vorauszahlung Bedingung für die Aufnahme und Behandlung ihres Vaters seien. Die Beklagte sei deshalb bei Unterfertigung der Verpflichtungserklärung einem von der Klägerin veranlassten wesentlichen Irrtum unterlegen.

Auch ohne Annahme eines Irrtums hafte die Beklagte nicht, weil auf ihr Rechtsverhältnis als Verbraucherin zur Klägerin als Unternehmerin das KSchG anzuwenden sei. Die Beklagte sei eine Haftung als Interzedentin gemäß § 25c KSchG eingegangen, ihr Vater habe als Hauptschuldner für den Ersatz der Pflegekosten einzustehen. Die Klägerin sei ihrer Hinweispflicht als Gläubigerin nach § 25c KSchG nicht nachgekommen; ihr habe die schlechte wirtschaftliche Lage des Patienten bekannt sein müssen bzw sei ihr die fehlende Kostendeckung einer Krankenversicherung bekannt gewesen. Rechtsfolge unterlassener Information nach § 25c KSchG sei der Entfall der Haftung der Interzedenten. Ungeachtet dessen könne das Gericht die Verbindlichkeiten gemäß § 25d KSchG mäßigen oder ganz erlassen, sofern sie in einem unter Berücksichtigung aller Umstände unbilligen Missverhältnis zur Leistungsfähigkeit der Interzedenten stehe. Dieser Tatbestand sei erfüllt. Die Klägerin habe nicht überprüft, ob sich die Beklagte die Kostenübernahme überhaupt leisten könne. Tatsächlich habe die Beklagte damals rund 1.400 EUR netto monatlich verdient und kein Vermögen besessen; ihr sei auch kein persönlicher Vorteil zugekommen, weil ihr Vater auch ohne Verpflichtungserklärung und Vorauszahlung operiert und behandelt worden wäre. Die Verpflichtungserklärung sei der Beklagten in einer Zwangslage und während einer nicht unerheblichen Gemütsaufregung abverlangt worden, dies verstoße gegen die guten Sitten.

Die Klägerin replizierte, das Spital sei zu keiner über die erste ärztliche Hilfe hinausgehenden Krankenbehandlung verpflichtet gewesen. Die Aufnahme des Patienten zur regulären Behandlung sei nur aufgrund der Verpflichtungserklärung der Beklagten erfolgt. Die Beklagte habe ihre Erklärung in Erfüllung ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrem Vater abgegeben. Sie hafte weiters als unterhaltspflichtige Tochter für die Pflegegebühren (§ 52 Abs 1 WrKAG). Der Patient habe keinen Anspruch auf Krankenhilfe nach dem Wiener Sozialhilfegesetz besessen, weil Leistungen nach diesem Gesetz nur österreichischen Staatsbürgern zustünden und bulgarische Staatsbürger 2006 diesen noch nicht gleichgestellt gewesen seien. Einer Aufklärung gemäß § 25c KSchG habe es nicht bedurft, weil nur über Umstände aufzuklären sei, die dem anderen nicht ohnedies bekannt seien. Über die Vermögenssituation ihres Vaters habe die Beklagte als Tochter selbst am besten Bescheid gewusst. Nicht einmal ein grobes Missverhältnis zwischen Verpflichtungsumfang und Einkommensverhältnissen mache eine Interzession sittenwidrig, noch weniger könne dies im Rahmen der gegebenen Unterhaltspflicht der Beklagten gegenüber ihrem Vater der Fall sein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 8.660,88 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Es verwarf die Prozesseinrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs unter Hinweis auf die privatrechtliche Erklärung der Beklagten, auf die die Klägerin ihren Anspruch stütze. Beim Vater der Beklagten habe im Zeitpunkt seiner Aufnahme im Spital die Gefahr einer sonst nicht vermeidbaren schweren Gesundheitsschädigung und langfristig auch Lebensgefahr (§ 36 Abs 4 WrKAG) bestanden, dies sei ein Fall unbedingt notwendiger erster ärztlicher Hilfeleistung (§ 36 Abs 8 WrKAG). Ein Irrtum der Beklagten sei nicht vorgelegen; ihr sei bei Unterfertigung der Verpflichtungserklärung bewusst gewesen, dass ihr Vater stationär im Spital aufgenommen werde, dafür Kosten auflaufen würden und sie sich mit ihrer Erklärung zunächst zu einem Kostenbeitrag von 2.190 EUR verpflichte. Die Verpflichtungserklärung sei grundsätzlich rechtswirksam, es komme darauf jedoch § 25d KSchG zur Anwendung. Die Klägerin habe die Beklagte nicht über die mögliche Dauer des Spitalsaufenthalts ihres Vaters und die dabei zu erwartenden Aufenthaltskosten aufgeklärt und insbesondere keine betragsmäßige Haftungsbegrenzung vereinbart. Damit sei die Beklagte ein nicht überschaubares Risiko mit der Gefahr hoffnungsloser Überschuldung eingegangen. Die Verpflichtung der Beklagten, die sich bei Abgabe ihrer Erklärung in einem Zustand höchster Gemütsaufregung und in einer extremen psychischen und emotionalen Zwangslage befunden habe, sei deshalb zu mäßigen. Die Beklagte habe aufgrund ihres Gesprächs mit dem untersuchenden Arzt redlicherweise mit einer Aufenthaltsdauer ihres Vaters im Spital von rund zwei Wochen rechnen müssen; lege man diesem Zeitraum einen Pflegegebührensatz von 730 EUR täglich zugrunde und berücksichtige man einen weiteren Tag als Operationstag, ergebe sich - abzüglich der geleisteten Akontozahlung - ein angemessener Betrag von 8.660,88 EUR.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit und gab dieser Berufung auch im Übrigen nicht Folge; der Berufung der Klägerin gab es hingegen Folge und änderte das Urteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren zur Gänze stattgab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Beurteilung der Verpflichtungserklärung als Vertrag zugunsten Dritter und zur Anwendbarkeit der von der Beklagten in Anspruch genommenen Verbraucherschutzbestimmungen nach §§ 25c ff KSchG nicht vorliege.

Die Klägerin nehme die Beklagte aus der von ihr abgegebenen bürgerlich-rechtlichen Verpflichtungserklärung in Anspruch; dafür stehe der ordentliche Rechtsweg offen. Die Spitalsaufnahme von Personen, die über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet verfügten und die die voraussichtlichen Pflegegebühren nicht erlegten oder sicherstellten, sei auf Fälle der Unabweisbarkeit (§ 36 Abs 4 WrKAG) beschränkt (§ 51 Abs 1 WrKAG). Bei der Aufnahme fremder Staatsangehöriger seien statt der Pflegegebühren die tatsächlich erwachsenden Untersuchungs- und Behandlungskosten zu bezahlen, ausgenommen, es handle sich um Fälle der Unabweisbarkeit, sofern sie im Inland eingetreten seien (§ 51 Abs 3 Z 1 WrKAG). Es komme daher nicht nur auf den zum Aufnahmezeitpunkt gegebenen Zustand des Patienten an, weil sonst die Unabweisbarkeit stets im Inland eingetreten wäre, wenn die aufgesuchte Krankenanstalt im Inland liege, sondern auch auf die Ursache der Unabweisbarkeit. Beim Vater der Beklagten sei die Krebserkrankung bereits im Heimatstaat aufgetreten und diagnostiziert worden, weshalb kein Fall einer im Inland eingetretenen Unabweisbarkeit vorliege. Die Klägerin sei mit der Unterfertigung der Niederschrift anlässlich der Aufnahme ihres Vaters eine privatrechtliche Verpflichtung eingegangen, deren Ziel es gewesen sei, die vom untersuchenden Arzt ihr gegenüber als notwendig bezeichnete Operation durchführen zu lassen. Die Beklagte vertrete den Standpunkt, dass ihr Vater für die Behandlung nicht zahlungspflichtig gewesen wäre. Aus dieser Sicht könne es sich bei der Verpflichtung, die die Beklagte eingegangen sei, um keinen Schuldbeitritt (Interzession) handeln, weshalb das vom Erstgericht angewendete Mäßigungsrecht nicht anwendbar sei. Die Beklagte sei - folge man ihrem eigenen Vorbringen - davon ausgegangen, dass das Unterfertigen der Verpflichtungserklärung erforderlich sei, um die Operation ihres Vaters zu erreichen. Dies sei zutreffend, weil andernfalls ihrem Vater nur die unbedingt notwendige erste ärztliche Hilfe zuteil geworden wäre. Unter erster Hilfe sei schon nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht die Durchführung der dann vorgenommenen Operation zu verstehen, zumal nach den unbekämpften Feststellungen die Laborwerte des Patienten am Tag der Aufnahme keine Hinweise auf Austrocknung oder einen Hungerzustand ergeben hätten und das Elektrokardiogramm eine Normalfrequenz des Herzens ausgewiesen habe. Eine Aufnahmenotwendigkeit (§ 36 Abs 8 WrKAG) habe somit nicht bestanden und sei auch nicht beurkundet worden. Die von der Beklagten abgegebene Verpflichtungserklärung sei keine nach §§ 25c ff KSchG zu beurteilende Interzession, sondern ein echter Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 881 ABGB). Die Beklagte sei mit diesem Vertrag eine eigenständige Verpflichtung eingegangen, für die Dauer der Spitalsbehandlung ihres Vaters einen täglichen Pflegegebührensatz von 730 EUR zu zahlen. Im Vertrauen auf diese Verpflichtungserklärung sei die Aufnahme des Patienten zur vorgesehenen Operation und der damit verbundenen Behandlung und Nachbetreuung erfolgt. Selbst wenn man die Vereinbarung als Interzession beurteilen wollte, lägen die Voraussetzungen zur Anwendung des Mäßigungsrechts nach §§ 25c und 25d KSchG nicht vor, weil die Beklagte kein Missverhältnis zwischen Haftungsumfang und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Interzedenten und dessen Erkennbarkeit der für das Missverhältnis verantwortlichen Umstände für den Gläubiger bewiesen habe. Die beweispflichtige Beklagte habe sich auf den Hinweis beschränkt, die Klägerin habe die Vermögenslage des Beklagten nicht überprüft. Es sei zu bezweifeln, dass dieses Vorbringen überhaupt ausreiche. Ausgehend von den Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen der Beklagten liege kein krasses Missverhältnis zwischen ihrem Einkommen und der eingegangenen Verpflichtung vor. Der Beklagten sei schon vor der Einreise ihres Vaters ins Inland bekannt gewesen, dass er an Krebs erkrankt sei, damit habe ihr bewusst sein können, dass bei einer Verschlechterung seines Gesundheitszustands im Inland Kosten ärztlicher Versorgung auf sie zukommen würden, sofern er diese nicht selbst tragen werde können. Insofern bleibe kein Spielraum für eine zu Lasten der leistungserbringenden Krankenanstalt anzunehmende „Verdünnung der Entscheidungsfreiheit“ der Beklagten. Die Klägerin habe den gesetzlichen Auftrag, kostendeckend zu arbeiten und die vom Rechtsträger verordneten Pflegegebührensätze zu verrechnen; werde unter diesen Umständen wegen Fehlens einer Krankenversicherung des Patienten die Verpflichtungserklärung eines Dritten verlangt, sei dies nicht sittenwidrig. Die Klägerin besitze keinen gesetzlichen Spielraum, Patienten nach eigenem Ermessen unentgeltlich zu behandeln. Sie habe als Gläubigerin auch kein Interesse daran, eine Haftung der Beklagten als Interzedentin zu begründen, weil sie ohne deren Verpflichtungserklärung die Operation im ausgeführten Ausmaß nicht hätte durchführen müssen, sondern sich auf die unbedingt notwendige erste Hilfe hätte beschränken können. Die Grundsätze einer Haftung vermögensloser Angehöriger für beim Hauptschuldner uneinbringlichen Kreditverbindlichkeiten seien auf den vorliegenden Fall daher nicht übertragbar. Die Überlegungen des Erstgerichts zur Kosten- und Haftungssituation im Fall eines mehrmonatigen Spitalsaufenthalts seien nicht zielführend, weil es beim Mäßigungsrecht allein auf den konkreten Umfang der Verbindlichkeit und die Vermögenslage des Haftenden zum Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme ankomme. Die schwere Erkrankung des Vaters sei einer zu Lasten der Gläubigerin zu berücksichtigenden Zwangslage iSd § 25d Abs 2 Z 4 KSchG nicht gleichzuhalten, weil für die Krankenbehandlung durch Verordnung geregelte Sätze verrechnet würden; auch die Heranziehung des Wuchertatbestands oder eine Mäßigung in Anlehnung an den Wuchertatbestand sei nicht sachgerecht. Ein Irrtum der Beklagten, der sie zur Anfechtung ihrer Verpflichtungserklärung berechtigte, liege nicht vor, weil ihre Einschätzung, ihr Vater werde ohne ihre Verpflichtungserklärung nicht operiert werden, zutreffend gewesen sei; ein Anspruch ihres Vaters auf kostenlose operative Heilbehandlung habe nicht bestanden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagte macht geltend, Ansprüche gegen sie als unterhaltspflichtige Angehörige seien ausschließlich im Verwaltungsverfahren und nicht im ordentlichen Rechtsweg mit Mitteln des Privatrechts geltend zu machen. Ihre Kostenübernahmeerklärung sei als Schuldbeitritt zu beurteilen, auf den § 25d KSchG anwendbar sei. Sie bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichts, ohne Unterfertigung der Erklärung durch die Beklagte wäre deren Vater nur die unbedingt notwendige erste ärztliche Hilfe zuteil geworden; unabweisbare Personen seien vielmehr in gemeinnützigen Krankenanstalten stets zu behandeln. Es habe kein schützenswertes Interesse des Gläubigers an der Begründung der Haftung des Interzedenten gegeben, weil keine verfassungskonforme Grundlage für das Abverlangen der Kostenübernahmeerklärung bestehe. Der Vater der Beklagten hätte auch ohne Vorliegen einer Sozialversicherung in Spitalspflege aufgenommen werden müssen, und die Beklagte hätte im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht für ihren Vater ohnehin zur Haftung herangezogen werden können. Der Aufnahmebeamte habe die Beklagte über diese Rechtslage nicht aufgeklärt und damit ihren Irrtum herbeigeführt.

1. Das Erstgericht hat die Zulässigkeit des Rechtswegs ausdrücklich bejaht. Das Berufungsgericht billigte diese Ansicht. Es liegt daher eine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung nach § 42 Abs 3 JN über die Zulässigkeit des Rechtswegs vor (RIS-Justiz RS0043822; RS0035572).

2.1. Die Schutzbestimmungen des § 25d KSchG gelten nur für Interzedenten. Entscheidend ist, dass eine materiell fremde Schuld besichert wird (Kolba in Kosesnik-Wehrle, KSchG³ § 25c Rz 6).

2.2. Ob eine Interzession iSd § 25c KSchG (Beitritt als Mitschuldner zu einer materiell fremden Verbindlichkeit durch Übernahme einer Haftung für Rechnung eines anderen und im fremden Interesse) oder eine diese ausschließende echte Mitschuld vorliegt, hängt von der Auslegung des zwischen dem Gläubiger und dem Haftungsübernehmer geschlossenen Vertrags ab (3 Ob 1/09g; vgl RIS-Justiz RS0124822). Maßgeblich ist das dem Gläubiger bekannte oder von ihm leicht erforschbare Innenverhältnis der beiden Schuldner. Eine materiell fremde Schuld ist dadurch charakterisiert, dass dem zahlenden Interzedenten ein Regressanspruch gegenüber dem Schuldner zusteht. Wenn das dem Gläubiger erkennbar ist, kommt § 25c KSchG zur Anwendung (3 Ob 1/09g mwN).

2.3. Nach dem unmissverständlichen Wortlaut ihrer schriftlichen Erklärung (zum Schriftformerfordernis vgl 4 Ob 205/09i = RIS-Justiz RS0126112) verpflichtete sich die Beklagte zur Bezahlung der Pflegegebühren ihres Vaters für den Fall, dass der zuständige Sozialversicherungsträger eine Kostenübernahme ablehnt. Nach den Feststellungen war bei Abgabe dieser Erklärung sowohl der Beklagten, als auch der Klägerin bewusst, dass der Vater der Beklagten nicht sozialversichert ist. Dem Wortlaut der Erklärung ist nicht zu entnehmen, dass sich die Beklagte nur für den Fall verpflichtet, dass ihr Vater nicht leistet.

2.4. Im Vertrag zugunsten Dritter verspricht der Schuldner dem Gläubiger (Versprechensempfänger), die Leistung einem Dritten (Begünstigten) zu erbringen (§ 881 ABGB; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II13 141). Schon nach dieser Definition ist die Verpflichtungserklärung der Beklagten - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - kein Vertrag zugunsten Dritter, weil sich die Beklagte nicht gegenüber ihrem Vater, sondern direkt gegenüber der Klägerin (als Gläubigerin des gemäß § 54 WrKAG primär zahlungspflichtigen Patienten) verpflichtet hat.

2.5. Die Verpflichtungserklärung ist vielmehr als Schuldbeitritt (kumulative Schuldübernahme) der Beklagten als Mitschuldnerin zu beurteilen, durch den sie als Übernehmerin neben dem Altschuldner in das Schuldverhältnis eintritt. Der Schuldbeitritt kommt durch einen Vertrag zwischen Altschuldner und Neuschuldner (Schuldnervertrag) beziehungsweise - wie hier - zwischen Neuschuldner und Gläubiger (Gläubigervertrag) zustande und begründet eine Solidarverpflichtung des Beitretenden (vgl RIS-Justiz RS0108117).

3.1. Für das Mäßigungsrecht nach § 25d KSchG ist es nicht erforderlich, dass die Hauptschuld eine Kreditverbindlichkeit ist (6 Ob 94/07b; 6 Ob 117/00z; Kathrein in KBB³ § 25d KSchG Rz 3; Kolba in Kosesnik-Wehrle, KSchG³ § 25d Rz 11 je mN zur Rsp; vgl RIS-Justiz RS0113937). Die Bestimmung gelangt etwa auch im Verhältnis zwischen einer juristischen Person öffentlichen Rechts und einem Verbraucher in Ansehung eines zwischen ihnen geschlossenen privatrechtlichen Vertrags zur Anwendung (6 Ob 117/00z = RIS-Justiz RS0113936). Es kann daher auch die vereinbarte Mithaftung eines Dritten für Pflegegebühren gegenüber dem Rechtsträger eines Krankenhauses zur richterlichen Mäßigung führen.

3.2.1. Die Anwendbarkeit des Mäßigungsrechts gemäß § 25d KSchG setzt ein unter Berücksichtigung aller Umstände unbilliges Missverhältnis der Verbindlichkeit zur Leistungsfähigkeit des Interzedenten voraus (Kathrein in KBB³ § 25d KSchG Rz 2, RIS-Justiz RS0115165). Diese Bestimmung soll Interzedenten nicht grundsätzlich von beschwerlichen Verpflichtungen teilweise oder ganz entlasten, sondern zielt auf extreme Einzelfälle ab (Apathy in Schwimann, ABGB³ § 25d KSchG Rz 3 unter Hinweis auf die Materialien mwN). Anwendungsfälle sind ruinöse Haftungen, die den Interzedenten langfristig wirtschaftlich ruinieren (Apathy aaO) oder den Interzedenten in eine erhebliche finanzielle Bedrängnis bringen.

3.2.2. Wo das unbillige Missverhältnis beginnt, lässt sich rational nicht genau bestimmen; der Interzedent wird ja nicht durch eine objektiv zu beanstandende Verpflichtung überfordert, sondern durch eine Forderung des Gläubigers, die durchaus marktüblich sein kann, aber gerade ihn wirtschaftlich in Bedrängnis bringt (Eigner, Zur Anwendung der Inhaltskontrolle von Haftungsverträgen und des Mäßigungsrechts nach § 25d KSchG bei Drittpfandbestellung, ÖBA 2003, 909, 916 unter Hinweis auf Rabl). Die Rechtsprechung stellt deshalb für das Vorliegen eines unbilligen Missverhältnisses iSd § 25d KSchG regelmäßig auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls ab (vgl RIS-Justiz RS0112840).

3.2.3. In der Entscheidung 6 Ob 192/07i hat der Oberste Gerichtshof ein Missverhältnis bejaht und die Klage gegen den Interzedenten abgewiesen bei einem Kreditvolumen bei Abschluss der Interzessionsvereinbarung von rund 90.000 EUR, einer monatlichen Kreditrate von rund 610 EUR und einem Pensionseinkommen des Interzedenten von rund 750 EUR.

In der Entscheidung 7 Ob 261/99d wurde das Vorliegen eines unbilligen Missverhältnisses verneint bei Übernahme einer Verbindlichkeit von 250.000 S bei einem im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegebenen Einkommen des Interzendenten von 15.000 S netto.

In der Entscheidung 6 Ob 117/00z wurde eine Mäßigung der übernommenen Verbindlichkeit in Höhe von 124.359,41 S auf ein Drittel aus Gründen der Billigkeit vorgenommen und ausgesprochen, dass es der Interzedentin bei einem Nettoeinkommen von etwa 10.000 S monatlich zumutbar ist, diese gemäßigte Verbindlichkeit in absehbarer Zeit auch unter Berücksichtigung des Existenzminimums zu erfüllen.

3.3. Zusätzlich zum krassen Missverhältnis der Verbindlichkeiten des Interzedenten zu seinem Haftungsfonds müssen weitere - im Gesetz beispielhaft aufgezählte - Umstände vorliegen (vgl RIS-Justiz RS0123068), die schon im Zeitpunkt des Abschlusses der Interzessionsvereinbarung soweit vorhanden waren, dass sie für den Gläubiger bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits erkennbar wurden (Kolba in Kosesnik-Wehrle, KSchG³ § 25d Rz 12f mN zur Rsp; RIS-Justiz RS0113934 [T3]). Die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Interzedenten sind insoweit beachtlich, als sie den Umfang der Mäßigung maßgeblich beeinflussen (Kolba in Kosesnik-Wehrle, KSchG³ § 25d Rz 12 mN zur Rsp; vgl RIS-Justiz RS0113938). Die Beweislast für das Vorliegen solcher Umstände und ihre Erkennbarkeit trifft den Interzedenten (8 Ob 61/05m; vgl RIS-Justiz RS0048300).

3.4. In dritter Instanz begehrt die Beklagte weiterhin Mäßigung ihrer Verbindlichkeit gemäß § 25d KSchG. Dazu hat sie vor dem Erstgericht allein vorgebracht, die Klägerin habe es unterlassen zu prüfen, ob sie sich die Kostenübernahme überhaupt leisten könne; ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse stünden in auffallendem Missverhältnis zur eingegangenen Verpflichtung.

3.5. Nach den Feststellungen verdient die Beklagte derzeit 1.800 EUR netto monatlich. Angesichts dieser Einkommensverhältnisse und einer eingegangenen Verpflichtung in Höhe von 18.150,88 EUR erkennt der Senat kein unbilliges Missverhältnis zwischen Interzedentenhaftung und Leistungsfähigkeit. Mag die Rückzahlungsverpflichtung für die Beklagte auch beschwerlich sein, liegt doch keine ruinöse Haftung vor, die die Beklagte langfristig wirtschaftlich ruiniert; es ist vielmehr zu erwarten, dass die Interzedentin in der Lage sein wird, auch unter Berücksichtigung des Existenzminimums ihre Verpflichtung in absehbarer Zeit und ohne langfristige Einschränkung ihrer privaten Lebensführung erfüllen zu können. Damit kommt eine Mäßigung schon aus diesem Grund nicht in Betracht, und das Vorhandensein und die Erkennbarkeit der weiteren Umstände des § 25d Abs 2 KSchG bedarf keiner Prüfung.

4. Ob die Beklagte gegenüber ihrem Vater unterhaltspflichtig war, ist für das Verfahren ohne Bedeutung. Die Klägerin nimmt die Beklagte nämlich nicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften in Anspruch, die unterhaltspflichtige Angehörige zum Ersatz von Pflegegebühren im Verwaltungsweg verpflichten (vgl etwa § 52 Abs 1 Satz 2 WrKAG); Anspruchsgrundlage ist vielmehr eine privatrechtliche Vereinbarung der Beklagten, die sie mit der Klägerin im Rahmen deren Privatwirtschaftsverwaltung abgeschlossen hat. Dass eine - wohl nach bulgarischem Recht zu beurteilende - Unterhaltspflicht der Beklagten gegenüber ihrem Vater bestanden hätte, hat die Beklagte nicht behauptet; zur Nachforschung dieses das Innenverhältnis ihrer beiden Schuldner betreffenden und nicht leicht feststellbaren Umstands (siehe zuvor Punkt 2.2.) war die Klägerin jedenfalls nicht verpflichtet.

5.1. Eine Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums, also einer Fehlvorstellung von der Wirklichkeit, kommt hier nicht in Betracht. Zur Anfechtung berechtigt nämlich nur ein Geschäftsirrtum; ein solcher liegt nicht vor.

5.2. Der Geschäftsirrtum betrifft den Inhalt des Parteiwillens, der Motivirrtum den Grund des für den Vertragsabschluss maßgebenden Parteiwillens (RIS-Justiz RS0014902). Ein beachtlicher Geschäftsirrtum liegt vor bei Irrtum des Erklärenden über die Natur des Geschäfts, dessen Inhalt (Gegenstand) oder eine für das Geschäft bedeutsame Eigenschaft (oder Identität) der Person des Geschäftspartners, also über Punkte, die Inhalt des Rechtsgeschäfts sind (RIS-Justiz RS0014910; vgl Rummel in Rummel³ § 871 ABGB, Rz 9 f mwN).

5.3. Motivirrtümer sind Fehlvorstellungen über Umstände, die außerhalb des Geschäfts liegen und daher allein beachtlich, wenn der Gegner wegen Arglist besonders schutzunwürdig ist oder wenn er keine Gegenleistung erbringt (Bollenberger in KBB³ § 871 Rz 1). Der Motivirrtum betrifft den Grund des für den Vertragsabschluss maßgebenden Parteiwillens, der Geschäftsirrtum betrifft hingegen den Inhalt des Parteiwillens (RIS-Justiz RS0014902). Ein Motivirrtum ist gegeben, wenn der Erklärende über außerhalb des Geschäftsinhalts im Vorfeld des psychologischen Willensentschlusses liegende Umstände irrt (RIS-Justiz RS0014910).

5.4. Die Rechtsmittelwerberin steht auf dem Standpunkt, ihr Vater hätte trotz fehlender Sozialversicherung einen Anspruch auf Spitalsaufnahme (zumindest zur unbedingt notwendigen ersten ärztlichen Hilfe) gehabt, weil es sich um einen Fall der Unabweisbarkeit iSd § 36 Abs 4 WrKAG gehandelt habe; darüber sei sie von der Klägerin nicht aufgeklärt worden. Unterstellt man die Richtigkeit dieses Prozessstandpunkts, hat die Beklagte bei Abgabe ihrer Willenserklärung über die Voraussetzungen der Aufnahme ihres Vaters in die Anstaltspflege geirrt. Diese unrichtige Vorstellung von der Wirklichkeit betrifft jedoch einen Umstand, der außerhalb des Inhalts der Haftungsvereinbarung und der Person des Geschäftspartners liegt; die Beklagte unterlag damit allenfalls einem unbeachtlichen Motivirrtum. Arglistiges Handeln seitens der Klägerin wurde nicht behauptet; Anhaltspunkte hiefür sind nicht erkennbar.

5.5. Die in der Revision breit ausgeführte Frage, ob der Vater der Beklagten ein unabweisbarer Patient iSd § 36 Abs 4 WrKAG war, ist unerheblich, weil diese Frage der Behandlungspflicht in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der Frage der Wirksamkeit der Zahlungsverpflichtung der Beklagten aufgrund ihrer Haftungserklärung steht. Die Anregung der Revision zur Prüfung der Verfassungs- bzw Gesetzwidrigkeit der einschlägigen Bestimmungen des WrKAG zur Aufnahmepflicht war deshalb nicht aufzugreifen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E96180

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0040OB00195.10W.0118.000

Im RIS seit

11.02.2011

Zuletzt aktualisiert am

17.10.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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