TE OGH 2022/5/18 13Os35/22d

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.05.2022
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Mai 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Kontr. Gsellmann in der Strafsache gegen * K* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 1. Februar 2022, GZ 37 Hv 98/21z-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er am 29. September 2022 in T* (seine damalige Lebensgefährtin) * W* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie am Arm packte, diesen auf ihrem Rücken fixierte, sie auf den Bauch drehte, sie entkleidete, sich auf sie legte und trotz ihres wiederholten Ersuchens, damit aufzuhören, und ihrer Versuche, sich aus seinem Griff zu befreien, mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4]       Seine den Schuldspruch tragenden Feststellungen (US 3) folgerte das Schöffengericht aus der vom Gericht als glaubhaft erachteten Zeugenaussage der * W* (US 4 und 8).

[5]       Die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also die Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) per se ist – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist (was hier nicht behauptet wird) – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entrückt (RIS-Justiz RS0106588 [T13]). Sie kann nur unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubhaftigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat.

[6]       Der Bezugspunkt besteht dabei jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubhaftigkeit oder Unglaubhaftigkeit (die ihrerseits eine erhebliche Tatsache darstellt), sondern ausschließlich in den Feststellungen über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0119422 [T4]; zu den Begriffen entscheidende und erhebliche Tatsachen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 und 409). Erheblich, somit nach Maßgabe ihres Vorkommens in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO) erörterungsbedürftig, sind insoweit demnach Tatumstände, welche die – von den Tatrichtern als notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache bejahte (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 410) – Überzeugungskraft der Aussage (eines Zeugen oder Angeklagten) in Bezug auf diese entscheidende Tatsache ernsthaft in Frage stellen (13 Os 73/21s; 11 Os 81/21b EvBl 2022/42, 340).

[7]       Mit dem Einwand der Unvollständigkeit behauptet die Mängelrüge (Z 5) angeblich unterbliebene Erörterung von Verfahrensergebnissen

- zum Nichtvorliegen sichtbarer Verletzungen des Opfers nach der Tat (siehe aber US 5 und 8),

- zu einem „persönlichen Eindruck“ „der einschreitenden Beamten“, wonach der Angeklagte über den Tatvorwurf „entsetzt“ gewesen sei (siehe aber RIS-Justiz RS0097540),

- zu Textbotschaften, die das Opfer und der Angeklagte nach der Tat miteinander austauschten (siehe aber US 5 bis 7), und

- zu einer Anzeige, die * W* in der Vergangenheit „wegen Gewalt, Sachbeschädigung und Drohungen“ gegen „ihren Ex-Freund“ erstattet hatte (siehe aber US 7 f).

[8]       Entscheidend, nämlich für die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch oder (im Fall der gerichtlichen Strafbarkeit) für die Subsumtionsfrage bedeutsam (RIS-Justiz RS0117264 und RS0106268), ist keiner der angesprochenen Umstände. Dass die relevierten Beweisergebnisse einer konkreten (RIS-Justiz RS0130729) Feststellung über eine entscheidende Tatsache (im oben dargestellten Sinn) erörterungsbedürftig entgegenstünden, behauptet die Rüge nicht deutlich und bestimmt. Damit verfehlt sie von vornherein den Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung.

[9]       Indem sie aus den ins Treffen geführten Beweismitteln anhand eigenständig entwickelter Plausibilitätserwägungen von jenen des Erstgerichts abweichende Schlüsse gezogen wissen will, erschöpft sie sich vielmehr in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[10]     Gleiches gilt für die – teils ausdrücklich auf die „bereits zur Zif. 5 geschilderten Umstände“ verweisende (siehe aber RIS-Justiz RS0115902 und RS0116733) – Tatsachenrüge (Z 5a).

[11]     Soweit sie das Unterbleiben amtswegiger Beweisaufnahmen kritisiert (Z 5a als Aufklärungsrüge), versäumt sie die – zur prozessförmigen Ausführung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes gebotene – Darlegung, wodurch der Beschwerdeführer an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen sei (RIS-Justiz RS0115823).

[12]     Der Umstand, dass der Angeklagte die vom Schuldspruch umfasste Tat gegenüber seiner Lebensgefährtin begangen hat, bestimmt vorliegend nicht bereits den Strafsatz (§ 201 Abs 1 StGB). In der Annahme des besonderen Erschwerungsgrundes nach § 33 Abs 2 Z 2 StGB (US 10) liegt daher – entgegen der Sanktionsrüge (Z 11) – kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB [RIS-Justiz RS0130193]).

[13]     Dass gemäß § 43a Abs 4 StGB ein zweijähriger Teil der (nach § 201 Abs 1 StGB verhängten) Freiheitsstrafe von drei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachgesehen wurde (US 2 und 10 f), begründet keine Nichtigkeit.

[14]     Soweit die Rüge (erkennbar) ein dem Beschwerdeführer günstigeres Verhältnis zwischen der verhängten Freiheitsstrafe und dem bedingt nachgesehenen Teil derselben einfordert, erstattet sie bloß ein Berufungsvorbringen.

[15]     Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[16]     Über die Berufung hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).

[17]     Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E134918

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00035.22D.0518.000

Im RIS seit

31.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

31.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten