TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/29 W117 2243354-1

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Veröffentlicht am 29.07.2021
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Entscheidungsdatum

29.07.2021

Norm

AVG §60
BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch


W117 2243354-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch die BBU – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.05.2021, Zl. 755900/210658812, sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft von 09.06.2021 bis 15.06.2021 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG, § 76 Abs. 2 Z 2 FPG, § 60 AVG (!) stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben. Gleichzeitig wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 09.06.2021 bis 15.06.2021 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 VwGVG iVm § 2 Abs. 1 BuLVwG-Eingabengebührverordnung hat der Bund (Bundesminister für Inneres) der beschwerdeführenden Partei Barauslagen in der Höhe von EUR 30,00 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF) ist nigerianischer Staatsangehöriger und reiste zuletzt am 24.07.2020 in den Schengen-Raum (Spanien – Madrid) ein.

Am 09.03.2021 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Bundesgebiet aufgegriffen, aufgrund einer aufrechten Fahndung festgenommen, am 10.03.2021 in eine Justizanstalt überstellt und am 11.03.2021 die Untersuchungshaft über ihn verhängt.

Mit Schreiben vom 15.03.2021, übergeben am 17.03.2021, („Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ betreffend die über ihn verhängte Untersuchungshaft wegen des Verdachts der Vergehen des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs sowie der Fälschung besonders geschützter Urkunden) teilte die belangte Behörde dem BF mit, dass – im Falle seine rechtskräftigen Verurteilung – geplant sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot zu erlassen und erwogen werde, über ihn die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung zu verhängen. Gleichzeit wurde der BF ersucht, Fragen betreffend seine persönlichen Verhältnisse zu beantworten und ihm eine Frist von zehn Tagen für eine allfällige schriftliche Stellungnahme gewährt.

Am 25.03.2021 langte eine handschriftliche Stellungnahme des BF ein, in der dieser angab, im März 2021 als Tourist nach Österreich eingereist zu sein, um einen Freund zu besuchen. Seine Kinder und seine Frau seien in Spanien aufhältig, dort verfüge auch er über eine Aufenthaltsberechtigung.

Am 30.03.2021 wurde der BF von einem Landesgericht zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten, davon acht Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt und verbüßte in der Folge den unbedingten Teil seiner Freiheitsstrafe in mehreren Justizanstalten.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 10.05.2021, Zl. 755900/200354195, wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.), ihm gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1, 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Gegen die Spruchpunkte II.-VI. dieses Bescheides erhob der BF mit Schriftsatz vom 31.05.2021 durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG).

Am 14.05.2021 fand eine verpflichtende Rückkehrberatung des BF durch einen Mitarbeiter der BBU GmbH statt, in der der BF mitteilte, dass er bereit sei, freiwillig nach Spanien, nicht jedoch nach Nigeria auszureisen.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 19.05.2021, Zl. 755900/210658812, wurde über den BF – mit Rechtsfolgewirkung nach Haftentlassung – gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Die Behörde stützte die Annahme des Vorliegens von Fluchtgefahr auf § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG und führte in ihrer Begründung zusammengefasst aus, dass der BF sich bisher als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass er einer behördlichen Anordnung ordnungsgemäß Folge leisten werde. Der BF sei vor seiner Festnahme unsteten Aufenthaltes gewesen und habe versucht, seinen Aufenthalt im Verborgenen zu vollziehen. Nach seiner Festnahme habe der BF der Behörde weder einen Aufenthaltsort noch eine Wohnadresse bekanntgegeben, weshalb der Verdacht bestehe, dass der BF neuerlich untertauchen und sich dem Zugriff der Behörde entziehen werde. Der BF sei auch nicht ausreisewillig und verweigere die Rückkehr nach Nigeria. Da dem BF bekannt sei, dass nach rechtskräftigem Abschluss seines fremdenpolizeilichen Verfahrens seine Abschiebung nach Nigeria effektuiert werde, sei damit zu rechnen, dass dieser alles daransetzen werde, seine Abschiebung nach Nigeria zu verhindern und bis zum rechtskräftigen Abschluss seines fremdenpolizeilichen Verfahrens versuchen werde, sich seiner Rückkehr bzw. Abschiebung zu entziehen. Gegen den BF bestehe eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme, er sei seiner Ausreiseverpflichtung bislang jedoch nicht nachgekommen. Der BF habe zudem gegen das Meldegesetz verstoßen und sei (außer EUR 51,10) nicht im Besitz von Barmitteln bzw. Sparguthaben, wodurch er auch keine ausreichende Sicherheitsleistung hinterlegen könne. Er gehe im Bundesgebiet auch keiner legalen Beschäftigung nach. Zu Österreich bestünden keine beruflichen, sozialen, privaten bzw. familiären Bindungen und auch sonst keine Ankerpunkte. Eine verfahrensrelevante Integration des BF sei nicht erkennbar. Im Falle einer Entlassung bestehe somit eine akute Fluchtgefahr, wodurch ein Sicherungsbedarf zur Sicherung des Verfahrens und zur Effektuierung der Abschiebung des BF gegeben sei. Die Entscheidung sei auch verhältnismäßig und unbedingt notwendig, da die Behörde dafür zu sorgen habe, dass die österreichischen Gesetze eingehalten werden. Die Anordnung der Schubhaft sei die einzige Möglichkeit, die verlässliche Effektuierung der Abschiebung des BF sicherstellen zu können.

Am 01.06.2021 erließ das BFA an die Landespolizeidirektion Wien (in der Folge: LPD) einen Einlieferungsauftrag betreffend den BF ins Polizeianhaltezentrum Hernals (in der Folge: PAZ) nach Entlassung aus der Strafhaft.

Mit Aktenvermerk vom 01.06.2021 erfolgte seitens des BFA eine neuerliche – im Ergebnis positive – Überprüfung der Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Nigeria (§ 50 FPG) und wurde vermerkt, dass ein entsprechendes Reisedokument (nigerianischer Reisepass des BF, gültig bis 16.04.2023) vorhanden sei.

Am 09.06.2021 wurde der BF bedingt aus der Strafhaft entlassen und in der Folge zum Vollzug der Schubhaft ins PAZ überstellt.

Mit Schriftsatz vom 11.06.2021 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung fristgerecht gegenständliche Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 19.05.2021 sowie gegen die Anordnung der Schubhaft und die fortdauernde Anhaltung des BF in Schubhaft seit 09.06.2021.

Begründend wurde zunächst ausgeführt, dass das von der Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren grob mangelhaft gewesen sei, da diese ihrer nach §§ 37, 39 Abs. 2 AVG bestehenden und in § 18 Abs. 1 AsylG konkretisierten Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts nicht nachgekommen sei. Gerade die Verhängung der Schubhaft als Einschränkung der persönlichen Freiheit verlange eine Einzelfallabwägung der konkreten Situation eines BF. Dazu gehöre auch, dass die Behörde die Umstände, die für die Entscheidung, ob die Behörde Schubhaft über eine Person verhängt, von immenser Bedeutung sind, selbständig ermittelt. Der belangten Behörde sei das mangelhafte Ermittlungsverfahren insbesondere deswegen vorzuwerfen, da sie den gegenständlichen Bescheid nicht im Mandatsverfahren sondern im Zuge eines ordentlichen Verfahrens erlassen habe. Insbesondere sei der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie den BF überhaupt nicht selbst zu seiner Ausreisewilligkeit befragt habe, bzw. keinerlei Befragung dazu stattgefunden habe, ob er sich einer Abschiebung widersetzten würde. Bei einer entsprechenden Einvernahme hätte der BF angegeben, dass er sich sofort um die Ausreise aus Österreich bemühen werde. Zudem hätte eine Einvernahme auch zu Tage gebracht, dass der BF nach seiner Entlassung aus der Haft die Möglichkeit gehabt hätte, bis zu seiner Ausreise in der Wohnung seines Freundes an jener Adresse Unterkunft zu nehmen, die der BF auf dem Formular betreffend Quarantäneaufenthalt bei seiner Einreise nach Österreich angegeben habe, an welcher er von der Polizei aufgegriffen worden sei und auch nach seiner Haftentlassung wieder für die Behörden greifbar gewesen wäre.

Bei – im Hinblick auf den spanischen Aufenthaltstitel des BF – richtiger rechtlicher Beurteilung hätte gegen den BF gemäß § 52 Abs. 6 FPG darüber hinaus gar keine Rückkehrentscheidung entlassen werden dürfen, sondern hätte dieser dazu aufgefordert müssen, Österreich sofort nach Entlassung aus der Haft zu verlassen. Die Rückkehrentscheidung und somit auch die darauf gestützte Schubhaft sei somit rechtswidrig.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde bestehe auch keine Fluchtgefahr. Der BF sei bereit, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen und freiwillig nach Spanien auszureisen. Er verfüge über einen gültigen Reisepass und einen gültigen spanischen Aufenthaltstitel, weshalb er auch in der Lage wäre, selbstständig und legal nach Spanien auszureisen. Eine mangelnde Mitwirkung am Verfahren betreffend die aufenthaltsbeendende Maßnahme oder eine Vereitelung seiner Rückkehr oder Abschiebung könne dem BF nicht vorgehalten werden. Der Umstand, dass der BF eine freiwillige Rückkehr nach Nigeria verweigert habe, könne jedenfalls noch nicht als mangelnde Mitwirkung gewertet werden. Wenn die belangte Behörde zur mangelnden Mitwirkung des BF anführe, dass dieser keine Wohnadresse angegeben habe, so sei in diesem Zusammenhang auf das nur mangelhaft geführte Ermittlungsverfahren hinzuweisen. Bei Nachfrage im Rahmen einer Einvernahme hätte der BF angeben können, dass er wieder in der Wohnung seines Freundes, in der er auch im März von der Polizei aufgegriffen wurde, Unterkunft nehmen könne und so auch für die Behörden greifbar wäre. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung sei auch keine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorgelegen, da noch keine gerichtliche Entscheidung über die Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.05.2021 hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vorgelegen habe. Dem BF könne auch nicht vorgeworfen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, da er sich zum Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung in Strafhaft befunden habe und somit nicht aus Österreich ausreisen habe können. Soweit die belangte Behörde darauf verweise, dass der BF über keinen sozialen Bezug im Bundesgebiet verfüge, sei darauf hinzuweisen, dass das Fehlen sozialer Integration, bzw. der Mangel an finanziellen Mitteln oder Reisedokumenten für sich genommen keine Schubhaftgründe darstellen würden. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei auch massives strafrechtliches Verhalten nicht für die Beurteilung von Fluchtgefahr heranzuziehen, sondern bloß im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung in Betracht zu ziehen.

Darüber hinaus habe die Behörde auch das Vorliegen gelinderer Mittel – im Falle des BF komme insbesondere das gelindere Mittel einer regelmäßigen Meldeverpflichtung in Betracht – nicht ordnungsgemäß geprüft. Die Anordnung eines gelinderen Mittels wäre zur Erfüllung des angenommenen Sicherungszweckes jedenfalls ausreichend gewesen. (Auch) durch die mangelnde Prüfung der gelinderen Mittel erweise sich die Schubhaft als unverhältnismäßig und der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

Beantragt wurde der Ausspruch über die Rechtswidrigkeit der Anordnung und Anhaltung des BF in Schubhaft seit 09.06.2021, der Ausspruch über das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung des BF, die Auferlegung von Ersatz der Barauslagen an die belangte Behörde sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Einvernahme des BF.

Mit Teilerkenntnis des BVwG vom 15.06.2021 wurde der Beschwerde vom 31.05.2021 gegen den Bescheid des BFA vom 10.05.2021 hinsichtlich Spruchpunkt V. (über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) stattgegeben, dieser ersatzlos behoben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Am selben Tag (15.06.2021, 11 Uhr) wurde der BF aus der Schubhaft entlassen.

Am 15.06.2021 wurde seitens des BFA eine Stellungnahme sowie der Entlassungsschein des BF an das BVwG übermittelt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Am 18.06.2021 reiste der BF mit der BBU GmbH nach Spanien aus.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

I. Sachverhalt:

Zum Verfahrensgang

Der oben geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Zur Person des BF und den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:

Der BF ist nigerianischer Staatsangehöriger und führt die im Spruch angeführte Identität. Er ist volljährig und weder asyl- noch subsidiär schutzberechtigt. Er verfügt über ein gültiges Reisedokument (nigerianischer Reisepass, Nr. A08837937, gültig bis 16.04.2023) sowie über einen gültigen spanischen Aufenthaltstitel (Nr. E16037721, gültig bis 07.11.2022), ist verheiratet und hat Sorgepflichten für vier Kinder. Die Ehefrau und die Kinder des BF sind in Spanien aufhältig.

Es kann nicht festgestellt werden, wann der BF ins Bundesgebiet eingereist ist und, in weiterer Folge, ob (und ggf. wie lange) sein Aufenthalt in Österreich rechtmäßig war und ob der BF gegen das Meldegesetz verstoßen hat, bzw. – daraus resultierend – ob der BF vor seiner Festnahme am 09.03.2021 unsteten Aufenthaltes war und seinen Aufenthalt im Bundesgebiet im Verborgenen vollzogen hat.

Der BF wurde am 30.03.2021 von einem Landesgericht wegen der Vergehen des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs. 1 und 2 erster Fall StGB sowie der Urkundenfälschung nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten, davon acht Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF gewerbsmäßig sowie mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, durch Eingabe von Daten das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung beeinflusste, indem er bei diversen Online-Shops in mehreren Angriffen im Zeitraum zwischen 08.10.2019 und 05.12.2019 unter Eingabe fremder Namen bzw. Adressen zahlungspflichtig diverse Waren in einem EUR 5.000,- nicht übersteigenden Gesamtwert bestellte, wobei er die Bestellungen nicht bezahlte und dadurch andere am Vermögen schädigte. Des Weiteren gebrauchte er am 10.10.2019, am 21.11.2019 und am 06.12.2019 eine falsche inländische öffentliche Urkunde, nämlich eine totalgefälschte Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, indem er diese bei der Abholung der aufgrund der beschriebenen Tathandlungen gelieferten Pakete in einer Filiale einer Drogeriekette in Wien zum Nachweis seiner Identität vorzeigte. Das Strafgericht wertete als erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Vergehen und die Tatwiederholung. Mildernd wertete es das Geständnis sowie den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des BF.

Der BF befand sich seit seiner Festnahme am 09.03.2021 bis 15.06.2021 durchgehend in Haft (ab 11.03.2021 in Untersuchungs-, ab 30.03.2021 in Straf- und ab 09.06.2021 in Schubhaft).

Der BF reiste am 18.06.2021 freiwillig mit der BBU GmbH nach Spanien aus.

Der BF war durchgehend haftfähig.

Zum Ermittlungsverfahren des BFA:

Das Ermittlungsverfahren des BFA stellt sich als grob mangelhaft dar.

Die Behörde ordnete die Schubhaft mittels (ordentlichem) Bescheid an und gewährte dem BF zur beabsichtigen Verhängung der Schubhaft ein schriftliches Parteiengehör. In der „Verständigung [des BF im Stande der Untersuchungshaft] über das Ergebnis einer Beweisaufnahme“ vom 15.03.2021 (zugestellt am 17.03.2021) wurden dem BF folgende Fragen zur schriftlichen Beantwortung übermittelt:

-        Wie lange befinden Sie sich schon im Bundesgebiet und welche Visa und/oder Aufenthaltstitel berechtigten Sie dazu? (Vorlage von Meldebestätigungen und Aufenthaltstitel).

-        Seit wann halten Sie sich durchgehend im Bundesgebiet auf?

-        Welche Schul- und Berufsausbildung wurde absolviert? Wo wurde diese absolviert?

-        Geben Sie Namen, Anschrift, Geburtsdaten, Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsberechtigung (bei Angehörigen, die nicht Österreicher sind) der in Österreich lebenden Familienangehörigen (Gatte, Eltern, Kinder, etc.) an.

-        Geben Sie Ihre letzte Wohnanschrift vor Ihrer Einreise in das Bundesgebiet an.

-        Führen Sie Ihre derzeitige Beschäftigung samt Name und Anschrift des Arbeitgebers an.

-        Wie hoch ist das Einkommen und seit wann besteht das Arbeitsverhältnis?

-        Welche vorangegangenen Arbeitsverhältnisse lagen vor? Bitte genaue Angaben zur Dauer dieser Arbeitsverhältnisse.

-        Wenn keine aufrechten oder durchgehenden Beschäftigungsverhältnisse vorliegen: wovon wurde der Unterhalt und der sonstige Lebenswandel bestritten? Liegt eine aufrechte Kranken- und Unfallversicherung vor?

-        Aufgrund welchen Rechtsverhältnisses (Miete, Untermiete, Eigentum, etc.) benutzen Sie Ihre Unterkunft? (Vorlage von Mietvertrag, Einzahlungsbestätigung des Mietzinses der letzten drei Monate, etc.)

-        Werden Sie in Ihrem Heimatland strafrechtlich oder politisch verfolgt? Wenn ja, begründen Sie dies ausführlich.

-        Warum streben Sie einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet (Aufenthaltszweck) an?

Die Behörde befragte den BF demnach weder zu seiner Ausreisewilligkeit noch zu seiner Kooperationsbereitschaft im Zusammenhang mit der geplanten Abschiebung oder mit der Befolgung eines allfällig anzuordnenden gelinderen Mittels.

Die belangte Behörde unterließ es, den BF infolge seiner fristgerecht eingebrachten Stellungnahme vom 22.03.2021 (bei der Behörde einlangend am 25.03.2021) in der der BF vorbrachte, zu touristischen Zwecken ins Bundesgebiet eingereist zu sein, um einen Freund zu besuchen sowie über einen gültigen Aufenthaltstitel und Familie in Spanien zu verfügen, persönlich (in einer ihm verständlichen Sprache) einzuvernehmen.

Die belangte Behörde unterließ es weiters, Erhebungen zum Zeitpunkt der Einreise und somit zur Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des BF in Österreich und einem allfälligen Verstoß gegen das Meldegesetz bzw. zum (behaupteten) unsteten Aufenthalt des BF in Österreich anzustellen.

Vielmehr ging die Behörde, ohne weitere Ermittlungen oder Erhebungen durchzuführen und ohne dies in ihrem Bescheid näher zu begründen, vom Vorliegen eines Sicherungsbedarfs und dem Bestehen von Fluchtgefahr aus.

Es liegt daher ein wesentlicher Begründungsmangel vor, der zur Folge hat, dass die behördliche Entscheidung in ihrer konkreten Gestalt die konkret verhängte Schubhaft nicht zu tragen vermag.

Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr:

Ob zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung ein Sicherungsbedarf bestand, bzw. Fluchtgefahr vorlag, kann aufgrund des Ermittlungsergebnisses der belangten Behörde nicht festgestellt werden.

II. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, in den verfahrensgegenständlichen Gerichtsakt sowie in den Gerichtsakt des BVwG betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 10.05.2021 (Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot; hier insbesondere das Teilerkenntnis vom 15.06.2021, I410 1255684-2/5Z) sowie in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das GVS-Betreuungsinformationssystem, in das Zentrale Melderegister und in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

Zum Verfahrensgang:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus den oben angeführten Gerichtsakten.

Zur Person des BF und den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:

Die Feststellungen zur Person des BF und seinen persönlichen Verhältnissen stützen sich auf den diesbezüglich unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt.

Dass nicht festgestellt werden kann, ob der BF vor seiner Festnahme am 09.03.2021 (un)rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war, bzw. ob er gegen das Meldegesetz verstoßen hat und unsteten Aufenthaltes war, bzw. seinen Aufenthalt in Österreich im Verborgenen vollzogen hat, ist dem mangelhaften Ermittlungsverfahren des BFA geschuldet.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF resultieren aus der Einsichtnahme in das österreichische Strafregister sowie in den Gerichtsakt zum hg. Verfahren I410 1255684.

Dass der BF sich seit seiner Festnahme am 09.03.2021 durchgehend in Haft befand, ergibt sich aus dem Akteninhalt; die freiwillige Ausreise des BF nach Spanien am 18.06.2021 mit der BBU GmbH aus einer Mitteilung (E-Mail vom 20.07.2021) seitens des BFA an das BVwG.

Für eine Haftunfähigkeit des BF finden sich keinerlei Hinweise im Akt und wurde eine solche vom BF auch nicht behauptet, sodass die durchgehende Haftfähigkeit des BF festzustellen war.

Zum Ermittlungsverfahren des BFA:

Die Feststellungen zum Ermittlungsverfahren des BFA basieren auf dem Akteninhalt.

Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr:

Die Nichtfeststellungen zu Sicherheitsbedarf und Fluchtgefahr resultieren aus dem der Verwaltungsbehörde unterlaufenen wesentlichen Verfahrensmangel der Unterlassung einer Einvernahme; eine solche wäre insofern geboten gewesen, als die Fluchtgefahr gegenständlich nur durch Gewinnung eines persönlichen Eindrucks, was durch Gewährung eines schriftlichen Parteiengehörs nicht sichergestellt werden kann, beurteilt hätte werden können.

In diesem Zusammenhang ist im Besonderen darauf hinzuweisen, dass eben kein Mandatsverfahren – kein Vorliegen von Gefahr in Verzug! –, sondern ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchzuführen war und eben keinerlei Umstände vorlagen, die die Verwaltungsbehörde an der Durchführung einer persönlichen Einvernahme gehindert hätten.

Dass der BF der BBU-Rückkehrberatung mitteilte, dass er nur nach Spanien ausreisen möchte, kann ihm gerade gegenständlich nicht ohne Gewinnung eines persönlichen Eindrucks zum Vorwurf gemacht werden, ist er doch im Besitze eines spanischen Aufenthaltstitels und muss nicht ohne Weiteres die Komplexität der europäischen bzw. österreichischen Rechtslage – ohne entsprechende Manuduktion durch einen Behördenvertreter! – erkennen.

Erst wenn beispielsweise im Rahmen einer durchgeführten Einvernahme einem BF eine entsprechende Rechtsbelehrung zuteilwurde, hätte allenfalls der Schluss gezogen werden können, dass der BF sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen trachtet.

Über das Gespräch zwischen der BBU-Rückkehrberatung und dem BF fehlt es an einer ordnungsgemäßen Niederschrift iSd § 15 AVG, welche vollständigen Beweis liefern würde, und erweist sich sohin die bloße Mitteilung der BBU über den Wunsch des BF, nur nach Spanien ausreisen zu wollen, als nicht ausreichend.

Durch das Fehlen der Einvernahme leidet im Ergebnis der Bescheid an einem derartigen Begründungsmangel, dass die entscheidungswesentlichen Sachverhaltsparameter über das Vorliegen von Sicherungsbedarf bzw. Fluchtgefahr nicht nachvollzogen werden können.

III. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG das Bundesverwaltungsgericht.

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 11 VwGVG sind, soweit in diesem und im vorangehenden Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren nach diesem Abschnitt jene Verfahrensvorschriften anzuwenden, die die Behörde in einem Verfahren anzuwenden hat, das der Beschwerde beim Verwaltungsgericht vorangeht.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in den dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG für die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde zuständig.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Gemäß § 60 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; 23.09.2010, 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, 2007/21/0512 und 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bewirkt nicht jeder Begründungsmangel die Rechtswidrigkeit eines Schubhaftbescheides, sondern nur ein wesentlicher Mangel. Das ist ein solcher, der zur Folge hat, dass die behördliche Entscheidung in ihrer konkreten Gestalt die konkret verhängte Schubhaft nicht zu tragen vermag. Ob ein wesentlicher Begründungsmangel vorliegt, ist stets eine Frage des Einzelfalls (vgl. VwGH vom 05.10.2017, 2017/21/0007).

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (vgl. VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114).

Zum konkreten Fall:

Der BF ist als nigerianischer Staatsangehöriger Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Da er weder asyl-, noch subsidiär schutzberechtigt ist, ist die Bestimmung des § 76 FPG grundsätzlich auf ihn anzuwenden.

Im konkreten Fall hat die belangte Behörde die Verhängung der Schubhaft auf den Tatbestand des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt. Die rechtmäßige Anordnung der Schubhaft nach dieser Bestimmung setzt neben dem Vorliegen eines Sicherungsbedarfs das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftverhängung voraus. Die Annahme von Fluchtgefahr stützte die Behörde auf § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG.

Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, war das von der Veraltungsbehörde durchgeführte „ordentliche“ Ermittlungsverfahren in Folge des Fehlens einer Einvernahme derart mangelhaft, dass dieser Mangel im Sinne des § 60 AVG dergestalt auf den Bescheid durchschlägt, dass sich dessen Ermittlungsergebnis einer nachprüfenden Kontrolle entzieht.

Insofern war daher der Bescheid rechtswidrig und entsprechend zu beheben.

Rechtslogischerweise und entsprechend der oben zitierten höchstgerichtlichen Judikatur erweist sich damit auch die darauf gestützte Anhaltung als rechtswidrig.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gegenständlich konnte die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Anhaltung des BF in Schubhaft) für rechtswidrig zu erklären ist.

Zum Kostenersatz:

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten, der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde gegen den Bescheid des BFA vom 19.05.2021, mit dem über den BF die Schubhaft angeordnet wurde, sowie gegen die Anhaltung des BF in Schubhaft im Zeitraum von 09.06.2021 bis 15.06.2021 Beschwerde erhoben. Der BF hat den Ersatz seiner Barauslagen (Eingabengebühr iHv EUR 30,00) beantragt.

Die Eingabengebühr ist zwar im Katalog der ersatzfähigen Aufwendungen nicht angeführt, sie ist jedoch als ersatzfähig anzusehen, zumal es sich dabei letztlich im Sinne des § 35 Abs. 4 Z 1 VwGVG nur um besondere „Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat“ handelt (vgl. VwGH vom 28.05.2020, Ra 2019/21/0336).

Gemäß § 2 Abs. 1 BuLVwG-Eingabengebührverordnung beträgt die Höhe der Pauschalgebühr für Beschwerden EUR 30,00.

Da der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum von 09.06.2021 bis 15.06.2021 für rechtswidrig erklärt wurde, ist der BF die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher entsprechend seinem Antrag Ersatz seiner Barauslagen in Höhe von EUR 30,00 gemäß § 35 VwGVG iVm § 2 Abs. 1 BuLVwG-Eingabengebührverordnung.

Der belangten Behörde gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz.

Zu B)

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Begründungsmangel Einvernahme Fluchtgefahr persönlicher Eindruck Rechtswidrigkeit Schubhaft Sicherungsbedarf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W117.2243354.1.00

Im RIS seit

13.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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