TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/1 W282 2237617-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.04.2021
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Entscheidungsdatum

01.04.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W282 2237617-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA im am 31.03.2021 amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörigkeit: Russische Föderation, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste gemeinsam mit seinen Eltern spätestens im Jahr 2003 in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 30.10.2003 stellte die gesetzliche Vertreterin des BF einen Antrag auf internationalen Schutz für den BF. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom XXXX .2004, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß §11 iVm 12 AsylG Asyl gewährt.

2. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom XXXX .2017, wurde der BF wegen § 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom XXXX .2017, wurde die Probezeit der bedingten Nachsicht auf insgesamt 5 Jahre verlängert.

3. Mit Urteil eines Landesgerichts für Strafsachen vom XXXX .2018, wurde der BF wegen §§ 15 iVm 144 (1) StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten verurteilt.
4. Mit Urteil eines Landesgerichts für Strafsachen vom 27.11.2019, wurde der BF wegen §§ 142 (1), 241e (3) StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, davon Freiheitsstrafe 12 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt. Die unbedingte Freiheitsstrafe wurde bis 13.01.2020 vollzogen.

5. Das Bundesamt erkannte dem BF mit Bescheid vom XXXX 2020 den Status des Asylberechtigten ab und erließ eine Rückkehrentscheidung, die sie mit einem auf zehn Jahre befristetem Einreiseverbot verbunden hat. Die Entscheidung wurde am XXXX .2020 rechtskräftig. Gegen den BF besteht seitdem eine rk. und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

6. Im Zuge der Umsetzung einer von der Staatsanwaltschaft angeordneten Hausdurchsuchung in Wien wurde der Festnahmeauftrag des Bundeamtes durch das Einsatzkommando COBRA vollzogen. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Abschiebung angeordnet. Der BF wird seit dem XXXX 2020 in Schubhaft angehalten.

7. Am 10.12.2020 erhob der BF eine Schubhaftbeschwerde gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). In dieser wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der BF seine Heimat als Kleinkind verlassen habe, bis zu seiner Festnahme bei seinen Eltern an der gemeinsamen Wohnadresse gewohnt habe und aktuell eine Lehre zum Metallbautechniker mache. Neben seiner Lehrlingsentschädigung werde er von seinen Eltern und Geschwistern unterstützt, wohnen könne er weiterhin bei seinen Eltern. Beantragt wurde die zeugenschaftliche Einvernahme der Eltern des BF sowie die von zwei Schwestern und einem Bruder des BF. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass die Straffälligkeit kein Kriterium der Fluchtgefahr und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit keinen Grund für die Anhaltung in Schubhaft darstelle. Die Möglichkeit eines gelinderen Mittels sei nicht ernsthaft geprüft worden. Beantragt wurde daher auszusprechen, dass die bisherige Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig erfolgt sei, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen, sowie der Kostenersatz.

8. Das BVwG erhob beim Zentralen Meldeservice der Stadt Wien den Hergang der Abmeldung des BF von seiner ehemaligen Meldeadresse. Die Wohnungseigentümerin der letzten melderechtlich erfassten Unterkunft des BF hatte das Meldeamt am 03.07.2020 per Mail informiert, dass der BF zu einem unbekannten Zeitpunkt an eine unbekannte Adresse verzogen ist. Das zentrale Meldeservice meldete den BF nach Durchführung eines Verfahrens mit 19.11.2020 amtlich ab.

9. Das BVwG führte am 16.12.2020 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch, bei der der BF, sowie die vom BF stellig gemachten Zeuginnen einvernommen wurden. Die Schubhaftbeschwerde des BF wurde abgewiesen und gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft vorliegen. Das Erkenntnis wurde zur GZ W278 2237617-1/26Z mündlich verkündet und über Antrag am 12.01.2021 zur GZ W278 2237617-1/30E schriftlich ausgefertigt; es blieb in Folge unbekämpft.

10. Die Schwester des BF erstattete am 14.12.2020 eine Meldung an das Polizeianhaltezentrum, wonach ihr Bruder, der BF, telefonisch angegeben habe sich das Leben nehmen zu wollen. Bei einer Durchsuchung der Zelle des BF durch Beamte des PAZ konnte jedoch kein Mobiltelefon gefunden werden und gab der BF auch an, nicht mit seiner Schwester gesprochen zu haben; er habe auch keinerlei Selbstmordabsichten. Er wisse nicht warum sie diese Behauptungen aufgestellt habe.

11. Die Eltern des BF wurden als Zeugen im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) für den BF am 05.01.2021 vor das Bundesamt geladen. Der Vater des BF unterfertigte dabei nach Übersetzung einer Dolmetscherin eine eidesstaatliche Erklärung, dass sowohl er selbst als auch der BF russischer StA. seien. Die Mutter des BF störte wiederholt die Amtshandlung und verweigerte die Unterschrift unter die Erklärung und gab sie an, erreichen zu wollen, dass ihr Sohn nicht abgeschoben wird. Sie versuchte durch Störung der Amtshandlung auch den Vater des BF davon zu überzeugen, die Erklärung nicht zu unterschreiben und wurde sie wegen ihres fortgesetzt störenden Verhaltens im Anschluss des Gebäudes verwiesen.

12. Am XXXX .2021 hat die Staatsanwaltschaft XXXX Anklage gegen den BF wegen versuchter Körperverletzung (§§ 15, 83 StGB), unerlaubtem Waffenbesitz (§ 50 WaffG) und Sachbeschädigung (§ 125 StGB) erhoben. Der BF stand im dringenden Verdacht genehmigungspflichtige Schusswaffen bzw. Kriegsmaterial besessen zu haben. Insbesondere befanden sich auf seinem Smartphone Fotos bzw. ein Video auf denen Schüsse im Bereich der Ostbahn unter der Autobahn A 23 auf eine Hektometertafel der ÖBB zu erkennen sind. Weiters ist der BF im Beisein eines Kindes zu sehen, wobei er eine Langwaffe auf seinem Schoß hält. Außerdem ist der BF auf einem Bild mit einer Waffe zu sehen, die einer AK 47 ähnelt.

13. Der BF stellte noch an jenem Tag, an dem ihm die schriftliche Ausfertigung des og. Erkenntnisses zuging (13.01.2021), einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er an, er wisse nicht welche Asylgründe er habe, er habe den Antrag wegen der Abschiebung gestellt. Das Bundesamt folgte dem BF einen begründeten Aktenvermerk über die Aufrechterhaltung der Schubhaft wegen Stellung eines Asylfolgeantrags in Verzögerungsabsicht gemäß § 76 Abs. 6 FPG aus.

14. Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom XXXX .2021 zur GZ XXXX wurde der BF rk. wegen der Vergehen der § 15 StGB iVm § 83 (1) StGB, § 50 (1) Z 1 WaffG und § 125 StGB als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt. Der BF hatte als Teil einer tschetschenischen Gruppierung an einer körperlichen Auseinandersetzung mit einer rivalisierenden Gruppierung teilgenommen und dabei mit den Fäusten auf Personen dieser Gruppierung eingeschlagen und diese verletzt. Weiters hatte der BF im Zeitraum des zweiten Halbjahres 2019 eine Schusswaffe der Kat. B unbefugt besessen und mit dieser durch Abgabe von Schüssen eine Hektometertafel der ÖBB beschädigt.

15. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2021 wurde der Folgeantrag des BF wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtkraft.

16. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 31.03.2021 die Akten gemäß §22a BFA-VG Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft über das vierte Monat hinaus vor und brachte in seine Stellungnahme auszugsweise wie folgt vor:

„Am 13.1.2021 stellte Hr. XXXX einen weiteren Asylantrag. Mit Aktenvermerk wurde festgehalten, daß im Sinn des § 76 Absatz 6 FPG Gründe zur Annahme, dass dieser Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Es wurde gleichzeitig festgestellt, daß die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung in Schubhaft vorliegen und daher die Schubhaft aufrecht bleibt.

Mit Bescheid vom XXXX .2021 wurde der Antrag auf Internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Zur Erlangung eines Heimreisezertifikates wurde am 19.11.2020 über die BFA-Direktion, Abteilung B/II bei der Botschaft der Russischen Föderation die Ausstellung eines Ersatz-reisedokumentes beantragt. Hr. XXXX wurde am 25.2.2021 der Russischen Botschaft zwecks Ausstellung eines Heimreisezertifikates vorgeführt. Das Interview wurde auf Deutsch geführt, da Hr. XXXX angab kein Russisch zu sprechen. Er wurde darüber informiert, dass er anschließend das fertige Formblatt unterschreiben muss. Anfangs wollte er das Formblatt nicht unterschreiben, konnte jedoch anschließend überredet werden.

Die Daten wurden erneut nach Moskau zur Überprüfung geschickt. Sobald ein neues Ergebnis vorliegt, wird dies bekanntgegeben. Es kann somit mit der Ausstellung eines Dokumentes und der zeitnahen Abschiebung des Fremden gerechnet werden.

Aktuell werden monatlich Charter-Abschiebung in die Russische Föderation durchgeführt, zunächst am 8.4.2021. Hr. XXXX kann somit zeitnah nach Ausstellung eines Heim-reisezertifikates in sein Heimatland abgeschoben werden.

Die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft wurde am 2.3.2021 von Amts wegen überprüft und festgestellt, daß die Verhältnismäßigkeit zur weiteren Anhaltung in Schubhaft vorliegen.

Aufgrund des bisherigen Verhaltens muß geschlossen werden, dass angesichts der beabsichtigten Abschiebung ein Risiko des Untertauchens vorliegt und es kann nicht angenommen werden, daß sich Hr. XXXX dem weiteren Verfahren zur Verfügung stellen wird.

Es kam bei der Prüfung der Schubhaftgründe die Anwendung eines Gelinderen Mittels mangels Erreichbarkeit für die Behörde nicht in Betracht, sodaß mit einer angeordneten Unterkunftnahme der Sicherungszweck nicht erreicht werden kann. Von diesem Aspekt betrachtet erscheint die Anhaltung des Bfs. jedenfalls als verhältnismäßig und die Über-wachung der Ausreise notwendig.“

17. Die Stellungnahme des Bundesamtes wurde dem BF zum Parteiengehör in das Polizeianhaltezentrum übermittelt. Innerhalb der gesetzten Frist langte keine Stellungnahme des BF ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zur Person des BF:

Der Beschwerdeführer ist volljährig, nicht österreichischer Staatsbürger und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Er ist russischer Staatsangehöriger. Der Beschwerdeführer verfügt über kein Reisedokument seines Herkunftsstaates. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und haftfähig.

Der Beschwerdeführer verfügt über Eltern sowie Geschwister in Österreich. Der Beschwerdeführer hat in Österreich auch soziale Kontakte. Der BF hat in Österreich die Schule besucht und spricht gut Deutsch. Die Familie des BF hat ihn unterstützt seinen Aufenthalt im Verborgenen führen zu können, indem sie ihm trotz Wohnsitzabmeldung weiterhin Unterkunft gaben. Die Möglichkeit den BF abermals an der elterlichen Wohnung anzumelden und Unterkunft zu nehmen wird – wie bereits in der Vergangenheit - den BF nicht davon abhalten Unterzutauchen um sich dem Verfahren zur Außerlandesbringung zu entziehen. Der Beschwerdeführer verfügt über kein eigenes zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen. Weder seine Mutter, noch seine als Zeugin einvernommen Schwester verfügen über ein ausreichendes Einkommen um den BF finanziell nachhaltig unterstützen zu können. Der Bruder des BF verfügt ebenso über keine Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet und ist untergetaucht. Die Schwester des BF ist behördlich an einer Meldeadresse in Wien gemeldet, die Sie jedoch selbst nicht bewohnt. Der BF verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz in Österreich. Der BF könnte abermals in der Unterkunft der Eltern amtlich gemeldet werden, diese Wohnsitzmeldung würde ihn nicht vom abermaligem Untertauchen abhalten.

Der Beschwerdeführer geht in Österreich aktuell keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Er bezog bis 08.06.2020 Arbeitslosengeld, war von 15.06.2020 bis 25.06.2020 (10 Tage) als Arbeiter angemeldet und in weiterer Folge als geringfügig Beschäftigter tageweise bei einer Security Firma angemeldet. Erst nach rechtskräftiger durchsetzbarer Rückkehrentscheidung bemühte sich der BF um eine Lehrstelle und vereinbarte über das AMS für 14.12.2020 die Teilnahme an der Veranstaltung: „VÜBA Erprobung Berufsobergruppe Maschine/Fahrzeuge/Metall, Kunst/Kunsthandwerk“. Der ging jedoch kein Lehrlingsverhältnis ein.

2. Zum Verfahrensgang bzw. zur Straffälligkeit:

Der BF wurde vom BG XXXX zu XXXX rechtskräftig wegen des Vergehens des Diebstahles nach § 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Höhe von einem Monat verurteilt, da er am XXXX .2016 einer anderen Person drei Mobiltelefone der Marke Samsung Galaxy S7 Edge, einen Laptop, eine Luftdruckpistole und Getränke, sohin fremde bewegliche Sachen in einem unter EUR 5.000,-- liegenden Wert, mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er ein Geschäftslokal über die nicht versperrte Hintertür betrat, das Lokal durchsuchte und das Diebesgut an sich nahm. Da bereits einmal durch die Staatsanwaltschaft Wien diversionell vorgegangen wurde und der BF keine volle Verantwortung für die Tat übernahm, kam ein neuerliches Vorgehen nach dem 11. Hauptstück der StPO nicht in Betracht. Als mildernd für die Strafbemessung wurde die bisherige Unbescholtenheit des BF gewertet.

Der BF wurde vom LG XXXX zu XXXX wegen versuchter Erpressung nach § 15 StGB § 144 (1) StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten, auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt, da er im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, durch gefährliche Drohung mit zumindest der Zufügung einer Körperverletzung zu einer Handlung, die ihn am Vermögen schädigen sollte, nämlich zur Übergabe eines Bargeldbetrages von EUR 300,- oder von 30 Gramm brutto Marihuana, zu nötigen versucht, indem sie ihm mehrfach vor der von ihm besuchten Schule auflauerten und ihm gegenüber äußerten, er werde ansonsten geschlagen werden.

Der BF wurde vom LG XXXX zu XXXX am XXXX .2019 wegen des Verbrechens nach § 142 (1) StGB und des Vergehens nach § 241e (3) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 12 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt, da er im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einem Dritten fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen und abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er in aggressiver Form und mit drohender Gestik die Herausgabe seiner Rolex Uhr im Wert von rund EUR 12.000,-- forderte, dem Opfer nach seiner Weigerung sie auszufolgen, zumindest einen Schlag ins Gesicht versetzte, wodurch dieser sich letztlich genötigt sah, die Uhr, zwei Mobiltelefone Marke IPhone, AirPods Kopfhörer und EUR 15,--Bargeld auszufolgen und zwei Bankomatkarten und eine Kreditkarte des Opfers an sich genommen hat und dadurch unbare Zahlungsmittel mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern. Der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe wurde am 12.01.2020 vollzogen.

Im Zuge der Auswertung des Mobiltelefons des BF, welches im Zuge eines Raufhandels am XXXX .2020 sichergestellt worden war, wurden mehrere Bilder gefunden, auf denen der BF mit Schusswaffen bzw. Kriegsmaterial zu erkennen ist. Insbesondere befanden sich auf dem Handy Fotos, auf denen eine Schussabgabe im Bereich der Ostbahn unter der Südost Tangente auf eine Hektometertafel der ÖBB zu erkennen ist. Weiters ist der BF im Beisein eines Kindes zu sehen, wobei er eine Langwaffe auf seinem Schoß hält. Bei dem Kind handelt es sich um die fünfjährige Schwester des BF, es wurde in der Wohnung der Mutter aufgenommen. Der BF ist auf einem weiteren Bild mit einer AK 47 ähnlichen Waffe zu sehen.

Mit Urteil des LG XXXX vom XXXX .2021 zu XXXX wurde der BF rk. wegen der Vergehen der § 15 StGB § 83 (1) StGB, § 50 (1) Z 1 WaffG und § 125 StGB als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt. Der BF hatte als Teil einer tschetschenischen Gruppierung an einer körperlichen Auseinandersetzung mit einer rivalisierenden Gruppierung teilgenommen und dabei mit den Fäusten auf Personen dieser Gruppierung eingeschlagen und diese verletzt. Weiters hatte der BF im Zeitraum des zweiten Halbjahres 2019 eine Schusswaffe der Kat. B unbefugt besessen und mit dieser durch Abgabe von Schüssen eine unter der Autobahn A23 befestigte Hektometertafel der ÖBB beschädigt.

Mit Bescheid des Bundesamts zur GZ XXXX vom XXXX .2020 wurde dem BF der Status des Asylberechtigten aberkannt, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist, eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gewährt sowie ein auf 10 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Es besteht somit gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Dieser Bescheid samt Verfahrensanordnungen gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG und § 52a Abs. 2 BFA-VG wurden dem BF im Wege seiner gesetzlichen Vertreterin (Mutter) durch persönliche Übergabe am XXXX .2020 nachweislich zugestellt. Die Entscheidung erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Der BF stellte am 13.01.2021 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, wobei das Bundesamt ihm einen wohlbegründeten Aktenvermerk ausfolgte und die Schubhaft auf Basis des § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhielt, zumal der BF zu seinem Folgeantrag angab, keine Asylgründe zu haben, sondern nicht abgeschoben werden zu wollen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2021 wurde der Folgeantrag des BF wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtkraft.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

Der BF wird seit XXXX .2020 in Schubhaft angehalten.

Die Wohnungseigentümerin der letzten melderechtlich erfassten Unterkunft des BF informierte das Meldeamt am 03.07.2020 per Mail, dass der BF zu einem unbekannten Zeitpunkt an eine unbekannte Adresse verzogen ist. Das zentrale Meldeservice meldete den BF nach Durchführung eines Verfahrens mit 19.11.2020 amtlich ab. Der BF wurde im Zuge einer Hausdurchsuchung durch Einsatzkräfte der COBRA an der Meldeadresse seiner Eltern (seiner ehemaligen Meldeadresse), festgenommen.

Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen, sich vor den Behörden verborgen halten und sich einer Abschiebung dadurch widersetzen. Der BF ist in sehr hohem Maß nicht vertrauenswürdig.

Die Familie des BF hat ihn darin unterstützt, seinen Aufenthalt im Verborgenen führen zu können, indem sie ihm trotz bekannter Wohnsitzabmeldung weiterhin Unterkunft gaben. Die Möglichkeit den BF abermals an der elterlichen Wohnung anzumelden und Unterkunft zu nehmen wird – wie bereits in der Vergangenheit - den BF nicht davon abhalten Unterzutauchen um sich dem Verfahren zur Außerlandesbringung zu entziehen. Die Mutter des BF hat am 05.01.2021 vor dem Bundesamt die Kooperation bei der Erklärung, dass sie und der BF russische StA. sind, explizit unter der Angabe verweigert, dass sie die Abschiebung ihres Sohnes so verhindern wolle. Die Mutter des BF versuchte den Vater des BF durch Störung der Amtshandlung dazu zu bringen, ebenfalls die eidesstattliche Erklärung über seine und russische StA. des BF nicht zu unterfertigen.

Der Beschwerdeführer verfügt über kein eigenes zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen. Weder seine Mutter, noch seine als Zeugin einvernommen Schwester verfügen über ein ausreichendes Einkommen um den BF finanziell nachhaltig unterstützen zu können. Der vom BF in der Beschwerde im Verfahren W278 2237617-1 namhaft gemachte Bruder des BF sowie der Vater des BF wurden nicht für die Verhandlung am 16.12.2020 stellig gemacht. Der namhaft gemachte Bruder verfügt ebenso über keine Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet und ist untergetaucht. Die als Zeugin in der Verhandlung im Verfahren W278 2237617-1 einvernommene Schwester ist behördlich an einer Meldeadresse in Wien gemeldet, die Sie jedoch nach eigenen Angaben gar nicht selbst bewohnt. Der BF verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz in Österreich. Der BF könnte abermals in der Unterkunft der Eltern amtlich gemeldet werden, diese Wohnsitzmeldung würde ihn nicht vom abermaligem Untertauchen abhalten.

Ein HRZ-Verfahren wurde vom Bundesamt am 19.11.2020 eingeleitet, der Antrag wurde nach der Übersetzung am 14.12.2020 mit der Post an die ÖB Moskau versendet. Der BF wurde daraufhin am 25.02.2021 auf Anforderung der russischen Botschaft einer Delegation vorgeführt. Im Anschluss wurden die Daten zur Bestätigung nach Moskau geschickt. Nach der positiven Identifizierung des BF ist mit der zeitnahen Ausstellung eines HRZ zu rechnen. Dem Bundesamt liegt eine originale Geburtsurkunde des BF vor. Die Zusammenarbeit mit den russischen Behörden im Bereich der HRZ Ausstellung funktioniert grundsätzlich problemlos.

Mit einer Abschiebung des Beschwerdeführers ist innerhalb kurzer Zeit nach der Ausstellung des Heimreisezertifikats zu rechnen. Es ist daher mit Abschiebung des Beschwerdeführers zeitnahe, jedenfalls innerhalb der höchstzulässigen Schubhafthöchstdauer zu rechnen. Charterabschiebungen nach Russland finden laufend statt, wobei die nächste Charterabschiebung für April 2021 vorgesehen ist. Die seit kurzem bestehende Problematik, dass des Eskortbeamten von Seiten Russlands keine Visa ausgesellt wurden, wird durch diplomatische Verhandlungen mit höchster Wahrscheinlichkeit in Kürze beseitigt werden.

Eine relevante Änderung der Umstände seit der letzten Feststellung des Vorliegens der maßgeblichen Voraussetzungen und der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft am 16.12.2020 liegt nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akt des Bundesamtes und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zum ggst. Verfahren und zum Verfahren
W278 2237617-1, insbesondere aus den Angaben des BF und der Zeugen in der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren. Einsicht genommen wurde in das Melderegister, in das Strafregister sowie in das GVS-Informationssystem, das IZR und in die Daten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger.

Die Feststellungen zu den Bescheiden des Bundesamtes können aufgrund der Angaben im Zentralen Fremdenregister und des Verwaltungsaktes getroffen werden, in dem diese jeweils einliegen.

Die Feststellungen zur Person des BF und zum fremdenrechtlichen Status des BF ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt. Der Bescheid des Bundesamtes zur GZ XXXX sowie der diesbezügliche Zustellnachweis liegt dem Akt ein und ist wie der Umstand, dass der BF über kein Reisedokument seines Herkunft Staates verfügt unstrittig. Eine russische Geburtsurkunde des BF liegt dem Bundesamt im Akt der Mutter vor (W278 2237617-1, VHS S 29 Frage an BehV).

Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen sind den im Akt einliegenden Urteilskopien, sowie einem rezenten Strafregisterauszug entnommen. Die Feststellung, dass zu den Ermittlungen der StA Wien nach dem WaffenG geführt werden sind dem im Akt des Vorverfahrens einliegenden Anlassbericht eines LVT (W278 2237617-1, OZ 11) entnommen.

Dass der BF grundsätzlich gesund und haftfähig ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben und den im Akt einliegenden Krankeninformationen des PAZ. Die Feststellungen zum HRZ Verfahren und realistischen Anhaltedauer ergeben sich aus der Stellungnahme der Abteilung B/II des Bundesamtes (W278 2237617-1 OZ 19) sowie aus den aktuellen Informationen dieser Abteilung hierzu (OZ 7)

Die Feststellungen zum Hergang der Abmeldung des BF von seiner ehemaligen Meldeadresse sind dem Gerichtsakt des Vorverfahrens entnommen (W278 2237617-1, OZ 17) entnommen. Die MA 62 – Zentrales Meldeservice – meldete nach Durchführung eines Verfahrens nach dem § 15 Meldegesetz 1991 den BF amtlich ab. Der Umstand, dass der BF im Zuge einer Hausdurchsuchung an der seiner ehemaligen Meldeadresse festgenommen wurde ist unstrittig.

Schon bei seiner Einvernahme im Verfahren W278 2237617-1 ist es dem BF im Rahmen der Verhandlung nicht gelungen, seine Kooperationsbereitschaft glaubhaft zu machen. Er gab zwar an kooperationsbereit zu sein, dies lässt vor dem Hintergrund seines bisherigen gezeigten Verhalten jedoch nicht erwarten, dass er sich nach seiner Entlassung aus der Schubhaft tatsächlich seiner Abschiebung stellen wird. Dies wird nun auch dadurch unterstrichen, dass der BF – ohne auch nur einen Asylgrund vorbringen zu können – im Jänner 2021 einen aussichtslosen Folgeantrag gestellt hat, wobei er selbst angab dies zur Verhinderung seiner Abschiebung zu tun (Verwaltungsakt AS 260).

Dass der BF über soziale Kontakte und Familienangehörige im Bundesgebiet verfügt, ist unstrittig. Diese würden ihn jedoch fortgesetzt aufgrund folgender Umstände nicht von einem Untertauchen abhalten: Die Wohnungseigentümerin der letzten Meldeadresse des BF informierte bereits im Juli 2020, nach Auskunft der Wohnungsmieter die Meldebehörde, dass der BF zu einem unbekannten Zeitpunkt unbekannt verzogen sei (VHS W278 2237617-1, OZ 26). Die amtliche Abmeldung erfolgte am 19.11.2020. Im Zuge der mündlichen Verhandlung im Vorverfahren konnte weder der BF, noch seine Mutter oder Schwester nachvollziehbar darlegen, dass die Abmeldung – entgegen den schriftlichen Ausführungen der Vermieterin der Wohnung vom Juli 2020 – nicht im Wissen der Familie des BF erfolgt ist. Die Abmeldung des BF ist somit zum Zweck der Verschleierung seines Aufenthaltsortes erfolgt.

Es ist ggst. nicht erkennbar, dass sich an diesen Umständen etwas geändert hätte; es ist daher fortgesetzt davon auszugehen, dass die Familie des BF alles tun wird um den BF bei seinem Untertauchen zu unterstützen. Auch die Weigerung der Mutter des BF am 05.01.2021 bei der Feststellung der StA. des BF mitzuwirken und der Versuch seinen Vater ebenfalls zu einer Verweigerung der Mitwirkung anzustiften, zeigen dies deutlich.

Des Weiteren ist der BF in sehr hohem Ausmaß nicht vertrauenswürdig. Dies ergibt sich aus dem unstrittigen Umstand, dass der BF dreimal rechtskräftig wegen Eigentums- und Gewaltdelikten verurteilt wurde und wird verstärkt durch die in seinem Mobiltelefon gefundenen Lichtbilder, die ihn beim Hantieren mit vermutlich echten Schusswaffen auch im Beisein seiner erst fünfjährigen Schwester in der Wohnung der Mutter zeigen. Der BF wurde deshalb auch am XXXX .2021 vom LG XXXX wegen unerlaubtem Waffenbesitz und Sachbeschädigung rk. verurteilt, weil er mit einer Faustfeuerwaffe auf Hektometertafel der ÖBB gefeuert und sich dabei gefilmt hat.

Die Mutter des BF ist selbst ohne Beschäftigung, der Vater des BF ist zwar an der Wohnadresse der Mutter gemeldet - wo er laut Aussage des BF (Verfahren W278 2237617-1, VHS S 10) jedoch nicht mehr wohnt – und ist ebenfalls ohne Beschäftigung. Ebenso wurde im Verfahren W278 2237617-1 die Einvernahme des Bruders des BF - XXXX - ausdrücklich beantragt, wobei auch dieser für die Verhandlung im Dezember 2020 nicht stellig gemacht wurde. Der Bruder des BF wurde in Österreich insgesamt 9 mal rechtskräftig zu teilweise mehrjährigen Freiheitsstrafen- hauptsächlich wegen Gewalt und Vermögensdelikten - verurteilt, verfügt über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet und ist ohne Beschäftigung, wie sich aus amtswegig eingeholten Registerauszügen ergibt. Auch die in der mündlichen Verhandlung im Verfahren W278 2237617-1 einvernommene Schwester des BF als Zeugin verfügt lediglich über 870 Euro Einkommen und missachtet selbst die Meldebestimmungen, wie sich aus Ihrer eigenen Aussage (Verfahren W278 2237617-1, VHS S 23) ergibt.

Aufgrund dieser Umstände in Zusammenschau mit der Abmeldung vom Wohnsitz der Eltern ist das BVwG auch weiterhin der Ansicht, dass die Familie des BF diesen nicht am Untertauchen im Falle seiner Freilassung hindern würde, sondern ihn sogar bei seinem Aufenthalt im Verborgenen unterstützen wird. Dieser Umstand wird dadurch verstärkt, dass auch der als Zeuge im Verfahren W278 2237617-1 beantragte Bruder des BG untergetaucht ist, was sich aus der fehlenden behördlichen Meldung und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung im genannten Verfahren ergibt.

Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit Dezember 2020 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.

Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

3.2 Zum konkret vorliegenden Fall:

Aufgrund des § 22a Abs. 4 BFA-VG hat das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt rechtzeitig zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist hinausgehen soll, vorzulegen. Nach rezenter Judikatur des VwGH (VwGH 16.07.2020, Ra 2020/21/0099, Rn. 14f) ist die Frist für das viermonatige Überprüfungsintervall nach § 22a Abs. 4 S 1 BFA-VG unter Außerachtlassung des § 32 Abs. 2 AVG unter Einrechnung des Tages der Inschubhaftnahme zu berechnen. Der BF wurde am 06.12.2020 in Schubhaft genommen und wird seitdem durchgehend in Schubhaft angehalten. Jener Tag an dem die Schubhaftdauer von vier Monaten im Sinne des ersten Satzes des § 22a Abs. 4 BFA-VG „überschritten“ wird ist somit der 05.04.2021. Die ggst. Überprüfung hat spätestens am Tag danach, also spätestes am 06.04.2021 zu ergehen. Gleichzeitig verbleibt dem BVwG ein Spielraum zur Entscheidung von einer Woche vor diesem Termin (VwGH aaO. Rn. 15). Die gegenständliche Entscheidung kann bzw. muss daher zwischen dem 30.03.2021 und dem 06.04.2021 ergehen.

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2.1 Zu Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf:

Es liegt beim BF fortgesetzt Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf iSd § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 5 und 9 FPG:

Der BF verfügt über keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundegebiet. Er wurde mit 19.11.2020 vom Wohnsitz seiner Eltern abgemeldet, nachdem die Mieter der Wohnung (Eltern) als Wohnungsmieter dies im Wege der Wohnungseigentümerin bereits im Juli 2020 veranlasst haben. Der BF hat durch sein Untertauchen ein Verhalten gesetzt, durch das seine Rückkehr oder Abschiebung behindert wird. Weiters hat der BF im Jänner 2021 einen objektiv unbegründeten Folgeantrag gestellt, zu dem er selbst angab, diesen nur zur Verhinderung seiner Abschiebung gestellt zu haben. § 73 Abs. 3 Z 1 FPG ist daher erfüllt.

Des Weiteren besteht eine durchsetzbare rechtskräftige aufenthaltsbeende Maßnahme gegen den BF, wobei er – wie schon im Vorverfahren festgestellt wurde - sich nicht um eine freiwillige Rückkehr bemüht, sondern seinen Aufenthaltsort verheimlicht hat um sich dem Verfahren zu seiner Abschiebung aktiv zu entziehen. Die behördliche Abmeldung des BF erfolgte im Wissen der Familie des BF und zum Zweck der Verschleierung seines Aufenthaltsortes. § 73 Abs. 3 Z 3 FPG ist daher erfüllt.

Zusätzlich hat der BF aus dem Stande der Schubhaft einen objektiv unbegründeten Folgeantrag zur Verzögerung seiner Abschiebung gestellt, wodurch auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 5 FPG erfüllt wird.

Das gegenständlich bestehende familiäre Netz und die sozialen Kontakte werden den BF nicht von einem abermaligen Untertauchen abhalten, sondern im Gegenteil ihm sogar bei seinem Aufenthalt im Verborgenen unterstützen, wie sie dies bereits in der Vergangenheit getan haben. Weiters ist der BF nicht beruflich integriert und verfügt über keine ausreichenden Existenzmittel. Er verfügt – wie oben umfangreich beweisgewürdigt – über keinen „gesicherten“ Wohnsitz. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ist daher ebenfalls fortgesetzt erfüllt.

Wie festgestellt, wurde der BF innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren nun vier Mal rechtskräftig – ua. wegen des Verbrechens des Raubs zu einer teilweise unbedingten Freiheitsstrafe – verurteilt. Er wurde wiederholt während aufrechter Probezeit rückfällig und steht auch in Verdacht weitere strafbare Handlungen den dem Waffengesetz und dem Strafgesetzbuch begangen zu haben. Da der BF durch das geschilderte Verhalten gezeigt hat, dass er nicht gewillt ist, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten, ihn selbst die gewährten Rechtswohltaten der bedingten Strafnachsicht und der Verlängerung der Probezeit von weiteren strafbaren Handlungen nicht abhalten konnte, aus den seinen Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten abzuleiten ist, dass von ihm ein hohes Gewaltpotenzial ausgeht. Dieser Umstand wird durch die letzte Verurteilung des BF wegen Körperverletzung, vor allem aber wegen unerlaubtem Waffenbesitz noch deutlich gesteigert. So hat sich der BF selbst gefilmt, wie er mit einer illegal besessenen Faustfeuerwaffe der Kat. B auf ein Streckenschild der ÖBB feuerte. Der Anlassbericht des LVT Wien zeigt dabei zahlreiche weitere Bilder des BF mit Langwaffen bzw. einem Sturmgewehr, das Kriegsmaterial darstellt. Zwar konnte dem BF allein aufgrund der Fotos nicht die Echtheit dieser Waffen nachgewiesen werden, weshalb diese Fakten nicht zu einer Verurteilung führen konnten. Angesichts des sonstigen Verhalten des BF zweifelt das BVwG aber nicht daran, dass die Waffen echt waren.

Zusammengefasst liegt somit weiterhin zweifelsfrei eine sehr hohe Fluchtgefahr und auch Sicherungsbedarf vor.

3.2.2 Zur Verhältnismäßigkeit

Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Dabei ist auch ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt (vgl. § 76 Abs. 2a FPG).

In Österreich verfügt der BF, über Eltern und zahlreiche Geschwister und geht derzeit keiner Beschäftigung nach und wurde von der Wohnung der Eltern abgemeldet. Der BF bezieht seit 2017 hauptsächlich Arbeitslosengeld und arbeitete zumeist nur geringfügig, für kurze Zeiträume für eine Sicherheitsfirma bis Oktober 2020. Die Familie des BF konnte schon in der Vergangenheit nicht auf ihn positiv einwirken und ihn von der Begehung von Straftaten abhalten und wird ihn auch zukünftig nicht vor dem Untertauchen abhalten. Auch eine neuerliche Meldung am Wohnsitz der Eltern wird den BF nicht vom Untertauchen abhalten, zumal sein Aufenthalt bereits einmal durch seine Abmeldung verschleiert wurde.

Seinem persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Gewalt-, Waffen- und Vermögenskriminalität, sowie das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesen gewichtigen öffentlichen Interessen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 2002, Zl. 98/18/0260, vom 18. Jänner 2005, Zl. 2004/18/0365, vom 3. Mai 2005, Zl. 2005/18/0076, vom 17. Jänner 2006, Zl. 2006/18/0001, und vom 9. September 2014, Zl). Es besteht daher ein überwiegendes Interesse des Staates an der Effektuierung der Außerlandesbringung, für die die persönliche Greifbarkeit des BF notwendig ist. Aufgrund der festgestellten mittlerweile vier strafrechtlichen Verurteilungen wegen Gewalt-, Waffen- bzw. Vermögensdelikten, die gemäß § 76 Abs. 2a FPG bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind, besteht ein denkbar großes öffentliches Interesse an der gesicherten Aufenthaltsbeendigung des BF.

Das Bundesamt führt zügig das notwendige HRZ Verfahren, auch die diesbezüglich übliche Verfahrensdauer von mehreren Monaten ist im gegenständlichen Fall jedenfalls als verhältnismäßig anzusehen. Eine HRZ Ausstellung durch die russische Vertretungsbehörde ist realistisch, zumal eine russische Geburtsurkunde des BF vorliegt. Der BF wurde auch bereits am 25.02.2021 vor eine Delegation der russischen Botschaft vorgeführt, die die Ergebnisse zur Überprüfung nach Russland übermittelte. Mit einer baldigen Identifizierung des BF ist daher jedenfalls zu rechnen. Eine Abschiebung des BF hiernach ist somit jedenfalls innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer realistisch möglich, da Abschiebungen per Charter nach Russland sowohl im Jahr 2020 als auch 2021 erfolgreich durchgeführt wurden. Die Problematik, dass Eskortbeamten kürzlich keine Visa seitens Russland ausgestellt wurden, ist Gegenstand diplomatischer Verhandlungen und wird mit höchster Wahrscheinlichkeit zeitnah durch diese beseitigt werden.

Eine bereits jetzt klar sichtbare bestehende faktische Unmöglichkeit oder Unwahrscheinlichkeit der Abschiebung des BF ist aufgrund der oben erörterten Lageeinschätzung derzeit absolut nicht gegeben. Die rezente Judikatur des VwGH zu dieser Frage ist hier nicht daher einschlägig, da in diesen Fällen überhaupt keine realistische Prognose einer HRZ Erlangung durch das Bundesamt mehr gegeben werden konnte und der VwGH aussprach, ein Bemühen des Bundesamtes allein reiche nicht aus. Die vom VwGH hierbei (VwGH am 22.12.2020, Ra 2020/21/0174) jüngst angenommenen Kriterien für eine Zulässigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft, nämlich, dass bei länger andauernden Schubhaften eine rechtzeitige Erlangbarkeit eines HRZ typischerweise entscheidend für die weitere Verhältnismäßigkeit sei, wobei bloße Bemühungen der Behörde nicht genügen würden, sondern es eine gewisse Wahrscheinlichkeit für Erfolg geben müsse, liegen im gegenständlichen Fall jedenfalls vor.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann trotz des Bestehens der familiären und sozialen Beziehungen des BF im Bundesgebiet weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Es wurde nicht dargelegt, in welcher Form diese sozialen Beziehungen geeignet sein sollten, den BF vor einem Aufenthalt im Verborgenen abzuhalten. Angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit – siehe dazu die mehrmalige Straffälligkeit– kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat weiterhin keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Zu B):

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit Verzögerung Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W282.2237617.2.00

Im RIS seit

04.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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