TE OGH 2020/11/27 2Ob8/20w

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Veröffentlicht am 27.11.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** H*****, vertreten durch Mag. Andreas Berchtold und Dr. Norbert Kollerics, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei C*****, vertreten durch die bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Mödling, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Holding G*****, vertreten durch Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 30.910 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 17. Juli 2019, GZ 5 R 74/19w-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. März 2019, GZ 48 Cg 141/17a-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

1. Das angefochtene Urteil wird betreffend das Leistungsbegehren dahin abgeändert, dass es als Teilzwischenurteil zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 15.455 EUR samt 4 % Zinsen seit 18. 10. 2017 binnen 14 Tagen zu bezahlen, besteht dem Grunde nach zu Recht.“

Die Entscheidung über die auf dieses Teilbegehren entfallenden Verfahrenskosten bleibt dem Endurteil vorbehalten.

2. Im Übrigen, somit betreffend das Feststellungsbegehren im angefochtenen Umfang, werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und es wird dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die hierauf entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Der Kläger fuhr am 11. 6. 2017 um etwa 21:30 Uhr mit seinem Fahrrad auf einem Rad- und Gehweg im Grazer Augarten. Im Bereich einer dort im rechten Winkel über die Fahrbahn verlegten Schlauchbrücke stürzte er und verletzte sich dabei schwer.

[2]       Der Rad- und Gehweg verläuft im näheren Bereich der Schießstattgasse annähernd horizontal in Nord-Süd-Richtung und beschreibt aus Norden kommend, aus der Anfahrtsrichtung des Klägers, vor der Unfallstelle eine flache Linkskurve mit einer Richtungsänderung von etwa 30 Grad, wobei diese Richtungsänderung über eine Strecke von rund 70 m erreicht wird. Im Bereich der Unfallstelle geht die Linkskurve in ein geradliniges Straßenstück über. Der Rad- und Gehweg ist mit einer 3,5 m breiten Asphaltdecke befestigt, die weitgehend horizontal verläuft. Am östlichen Fahrbahnrand in einem Abstand von etwa 60 cm steht eine Laterne, die den Unfallbereich ausleuchtet. Weitere Beleuchtungseinrichtungen sind im Unfallbereich nicht vorhanden. Als Bezugslinie wird eine Fahrbahnnormale zur Längsachse des Rad- und Gehwegs gewählt, die auf Höhe des Zentrums des in der Mitte des Rad- und Gehwegs befindlichen kreisrunden Kanaldeckels verläuft. Die Straßenlaterne am östlichen Fahrbahnrand steht 2,5 m nördlich der Bezugslinie. Aus Norden, der Anfahrtsrichtung des Klägers, kommend, ist der Unfallbereich etwa aus einer Position 30 m nördlich der Bezugslinie einsehbar. Die Sicht reicht dabei bis mehr als 100 m südlich der Bezugslinie. Die Rad- und Gehwege sind durch Gebotszeichen jeweils beim Eingang in den Augarten durch Verkehrszeichen angezeigt.

[3]       Eine Schlauchbrücke stellt eine Erhebung der planen Fahrbahnoberfläche dar. Die Schlauchbrücke lag zum Zeitpunkt des Unfalls 3 m nördlich der Bezugslinie im rechten Winkel zur Längsachse des Rad- und Gehwegs. Sie war 75 mm hoch und 260 mm breit. Der Anstieg der Schlauchbrücke erfolgte dabei in einem Winkel von knapp 30 Grad, sodass es beim Überfahren jedenfalls zu einem Abheben des Fahrzeugs und damit verbundener Sturzgefahr kommt.

[4]       Die Schlauchbrücke befand sich in unmittelbarer Nähe der am östlichen Wiesengelände stehenden Laterne. Die Laterne war im Unfallzeitpunkt aktiv. An der Schlauchbrücke waren keine Reflektoren angebracht. Sie war grau und unterschied sich farblich zwar nicht wesentlich, aber doch erkennbar vom helleren Asphaltboden des Geh- und Fahrwegs. Sie war zum Unfallzeitpunkt durchgängig, jedoch weder durch ein Warnschild gekennzeichnet, noch durch andere Vorkehrungen oder Maßnahmen abgesichert.

[5]       Der Kläger, der keinen Helm trug, überfuhr die Schlauchbrücke mit einer Geschwindigkeit zwischen 15 und 20 km/h. Dadurch wurde das Vorderrad aufgrund des Anstiegwinkels mit 10 km/h angehoben, sodass es nach Erreichen der oberen Begrenzung der Schlauchbrücke weiter in der Luft und ohne Bodenkontakt blieb. In diesem Zeitraum verlenkte der Kläger das Vorderrad geringfügig, wodurch er beim Auftreffen des Vorderrads auf der Asphaltfläche nach rechts umstürzte.

[6]       Die Schlauchbrücke konnte aus einer Distanz von 10 bis 15 m erkannt werden. Hätte der Kläger spätestens 12 m vor der Schlauchbrücke reagiert und einen Bremsentschluss gefasst, hätte er durch eine leichte Bremsung sein Fahrrad noch vor der Schlauchbrücke anhalten bzw die Geschwindigkeit so weit herabsetzen können, dass ein gefahrloses Überrollen der Schlauchbrücke mit einer Geschwindigkeit im Bereich von 5 km/h (Schritttempo) gefahrlos möglich gewesen wäre.

[7]            Beim Fahrrad des Klägers handelte es sich um ein restauriertes antikes Rad, das etwa 30 bis 40 Jahre alt war. Es war mit einem fix installierten, im Unfallzeitpunkt eingeschalteten Dynamo ausgestattet.

[8]       Die beklagte Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist Veranstalterin des jährlich stattfindenden „Grazathlons“, der am Samstag, dem 10. 6. 2017, unter anderem im Grazer Augarten stattfand. Die Beklagte hatte die Nebenintervenientin mit dem Auf- und Abbau eines provisorischen Wasseranschlusses über Hydranten sowie mit der Verlegung des Schlauchmaterials beauftragt.

[9]       Am 26. 5. 2017 hatte eine Besprechung zwischen einem Mitarbeiter der Beklagten und zwei Mitarbeitern der Nebenintervenientin stattgefunden, in der es um die Verlegung der Wasserleitung im Augarten für den „Grazathlon“ ging. Die Beklagte bat darum, die Wasseranschlüsse bzw Schlauchbrücken im Augarten wegen der leichteren Reinigung bis Montag, dem 12. 6. 2017, liegen lassen zu dürfen. Ein Mitarbeiter der Nebenintervenientin machte den Mitarbeiter der Beklagten darauf aufmerksam, dass es sich um einen besonders stark befahrenen Weg handle und die Beklagte dies dementsprechend absichern müsse.

[10]     In einem an den Mitarbeiter der Beklagten gerichteten E-Mail vom selben Tag fasste der Mitarbeiter der Nebenintervenientin die Ergebnisse der Besprechung folgendermaßen zusammen:

„Wir weisen darauf hin, dass nach erfolgtem Aufbau seitens der [Nebenintervenientin] bis zum Abbau der Anschlüsse inkl. Leitungen der Veranstalter für die Sicherheit gegen Beschädigungen, Unfällen und Vandalismus an den verlegten Leitungen der [Nebenintervenientin] verantwortlich ist.“

[11]     Die Schlauchbrücke wurde jeweils durch die Mitarbeiter der Nebenintervenientin am 10. 6. 2017 aufgebaut und am 12. 6. 2017 abgebaut.

[12]     Die Beklagte übernahm die Absicherung der im Augarten verbleibenden Teile nach der Veranstaltung. Sie beauftragte keine besondere Absicherung des Rad- und Gehwegs, sondern wies nur den Sicherheitsdienst an, an den Stellen, an denen sich nach der Veranstaltung noch Material befand, öfter Nachschau zu halten, um Vandalismus zu vermeiden.

[13]           Der Kläger begehrt (seit dem Berufungsverfahren unter Einräumung eines Mitverschuldens im Ausmaß von 50 %) noch die Zahlung von 15.455 EUR (Schmerzengeld, Sachschaden, Unkosten und Pflegeaufwand) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftigen Spät- und Dauerfolgen, resultierend aus dem Unfall, zu 50 %. Er brachte vor, die Beklagte habe mit der Schlauchbrücke eine Gefahrenquelle geschaffen, ohne sie ausreichend abgesichert bzw gekennzeichnet zu haben. Aufgrund der schweren Verletzungen seien Spät- und Dauerfolgen nicht auszuschließen, weshalb das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung bestehe.

[14]           Die Beklagte wendete ein, die Stelle, wo die Schlauchbrücke gelegen sei, sei mit Schildern mit der Aufschrift „Vorsicht“, mit roten Fahnen und kniehohen Sträuchern in X-Form gekennzeichnet gewesen. Die Stelle sei gewählt worden, weil sich dort eine Straßenlaterne befunden habe, wodurch die Schlauchbrücke auch bei Dunkelheit klar wahrzunehmen gewesen sei. Den Kläger treffe das Alleinverschulden an seinem Sturz und seinen Verletzungen, zumal er keinen Sturzhelm getragen habe.

[15]           Die auf Seite der Beklagten beigetretene Nebenintervenientin brachte vor, die Beklagte sei Wegehalterin iSd § 1319a ABGB und hafte daher mangels Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit nicht. Das Nichttragen eines Helms begründe eine Obliegenheitsverletzung des Klägers, weil er selbst behauptet habe, mit seinem Rennrad unterwegs gewesen zu sein.

[16]           Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Beklagte sei nicht (Mit-)Halterin des Wegs und hafte daher nicht nach § 1319a ABGB, wohl aber komme eine Haftung (auch für leichte Fahrlässigkeit) aus der Verletzung von die Beklagte treffenden Verkehrssicherungspflichten in Betracht. Die Haftung der Beklagten sei jedoch mangels rechtswidrigen Verhaltens zu verneinen. Eine Schlauchbrücke sei nicht unter § 89 Abs 1 StVO zu subsumieren, sodass die in dieser Bestimmung angeordneten Sicherungsmaßnahmen nicht anzuwenden seien. Die Schlauchbrücke sei in unmittelbarer Nähe einer Straßenlaterne ausgelegt und daher bei Dunkelheit gut beleuchtet und sichtbar gewesen. Auch bei Tageslicht sei sie sichtbar gewesen, weil sie sich farblich vom Asphaltuntergrund abgehoben habe und auch durch ihre klobige Form auffällig gewesen sei. Es handle sich um ein in die Augen fallendes Hindernis, das nicht weiter habe abgesichert werden müssen, weil die Gefahr für jedermann leicht erkennbar gewesen sei. Die Beklagte habe somit die sie treffenden Verkehrssicherungspflichten erfüllt. Den unachtsamen Kläger treffe das Alleinverschulden an seinem Unfall.

[17]     Dieses Urteil blieb im Umfang der Abweisung von 50 % des Klagebegehrens unbekämpft und ist insoweit rechtskräftig.

[18]           Das im Übrigen angerufene Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach zunächst aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

[19]           Das Berufungsgericht schloss sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an und ergänzte, die in § 89 Abs 1 StVO normierte Kennzeichnung sei auf eine Schlauchbrücke nicht anwendbar, weil an ihr weder rechts noch links noch an beiden Seiten vorbeigefahren werden könne, sondern sie zu überfahren sei. Nach der Rechtsprechung seien reine Schotterablagerungen, ein auf einer Fahrbahnhälfte aufgestellter Mast der Telefonleitung oder eine auf einem Weg angebrachte Stacheldrahtabsperrung jeweils kein Hindernis iSd § 89 StVO. Für alle diese sei daher die Aufstellung des Gefahrenzeichens „Andere Gefahren“ nicht erforderlich, die Absperrung müsse aber nach § 89 Abs 1 letzter Satz StVO ständig gut erkennbar sein. Für eine über eine Straße vorübergehend gelegte Schlauchbrücke, deren Befahrbarkeit auch mit einem Fahrrad bei entsprechend reduzierter Geschwindigkeit gefahrlos möglich sei, könne nichts anderes verlangt werden. Die ständig gute Erkennbarkeit für einen Radfahrer stehe hier auch bei Dunkelheit fest. Die Schlauchbrücke sei daher nicht nach § 89 Abs 1 StVO kennzeichnungspflichtig gewesen. Die Beklagte treffe auch sonst kein Verschulden am Unfall.

[20]     Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO zu, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht dazu Stellung genommen habe, ob und inwieweit die Bestimmung des § 89 Abs 1 StVO als Schutznorm auf – häufig – quer über Straßen verlegte Schlauchbrücken anzuwenden sei.

[21]           Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen im angefochtenen Umfang.

[22]           Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[23]     Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist auch berechtigt.

[24]           Der Revisionswerber macht geltend, das Anbringen von Reflektoren auf der Schlauchbrücke oder etwa das Kenntlichmachen der Schlauchbrücke durch Signalfarben wie auch das Aufstellen von Gefahrenzeichen wäre geeignet gewesen, einem Radfahrer die besondere Gefährlichkeit eines bestimmten Wegbereichs vor Augen zu führen. Eine Schlauchbrücke sei ein Verkehrshindernis iSv § 89 Abs 1 StVO und wäre entsprechend dieser Bestimmung kenntlich zu machen gewesen. Dies habe die Beklagte unterlassen, weshalb sie zu 50 % für den Schaden des Klägers hafte.

[25]     Hierzu wurde erwogen:

[26]            1. Schlauchbrücke als Verkehrshindernis iSd § 89 Abs 1 StVO?

[27]     1.1. § 89 Abs 1 StVO lautet folgendermaßen:

„Gegenstände, die auf der Straße stehen oder liegen, sind von den Verfügungsberechtigten durch das Gefahrenzeichen 'Andere Gefahren' und bei Dämmerung, Dunkelheit, Nebel oder wenn es die Witterung sonst erfordert durch Lampen kenntlich zu machen. Kann nur an einer Seite vorbeigefahren werden, so ist der Gegenstand für diejenigen, die links vorbeifahren, durch rotes Licht und für diejenigen, die rechts vorbeifahren, durch weißes Licht zu kennzeichnen. Kann an beiden Seiten vorbeigefahren werden, so ist der Gegenstand durch gelbes Licht zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung darf unterbleiben, wenn die Gegenstände am Straßenrand so gelagert sind, dass niemand gefährdet oder behindert wird und sie bei schlechten Sichtverhältnissen durch rückstrahlendes Material oder eine sonstige Beleuchtung erkennbar sind. Dauernde Absperrungen, wie etwa Mautschranken u. dgl., müssen ständig gut erkennbar sein.“

[28]           1.2. Rechtsprechung (vgl dazu auch schon 2 Ob 118/13m)

[29]     1.2.1. Verkehrshindernis iSd § 89 Abs 1 StVO bejaht:

[30]           In der Rechtsprechung wurde die Eigenschaft als Verkehrshindernis iSd § 89 Abs 1 StVO in folgenden Fällen bejaht: Betriebsunfähige Fahrzeuge (RS0075510); ein quer zur Fahrbahn zum Stillstand gekommener Tankwagenzug (2 Ob 55/66 ZVR 1966/275 = RS0075505; vgl auch RS0023489); ein 45 cm in die Fahrbahn ragender Container (8 Ob 59/84 ZVR 1985/109 = RS0075515 = RS0075518).

[31]           1.2.2. Verkehrshindernis iSd § 89 Abs 1 StVO verneint:

[32]           In folgenden Fällen wurde kein Hindernis iSd § 89 Abs 1 StVO angenommen: Reine Schotterablagerungen (2 Ob 77/72 ZVR 1974/8 = RS0073591); ein auf einer Fahrbahnhälfte aufgestellter Mast der Telefonleitung (2 Ob 12/65 ZVR 1965/190 = RS0074446); eine auf einem Weg angebrachte Stacheldrahtabsperrung, für die nicht die Aufstellung des Gefahrenzeichens „Andere Gefahren“ erforderlich ist, die aber entsprechend dem letzten Satz des § 89 Abs 1 StVO ständig gut erkennbar sein muss (11 Os 150/64 ZVR 1965/155 = RS0075500).

[33]     1.2.3. Der Revisionswerber beruft sich für seinen Standpunkt, die Schlauchbrücke sei ein Hindernis iSd § 89 Abs 1 StVO, auf die Entscheidung 8 Ob 235/79 ZVR 1980/342. Danach stellten während der Bauarbeiten bestehende straßenbauliche Einrichtungen, die die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigen, ein Verkehrshindernis iSd § 89 Abs 1 StVO dar. Allerdings wurde diese Entscheidung insoweit in der späteren Entscheidung 2 Ob 298/00p ausdrücklich abgelehnt: Leiteinrichtungen auf der Straße iSd § 57 Abs 1 StVO stellen demnach kein Verkehrshindernis iSd § 89 Abs 1 StVO dar. Diese sind nicht nach § 89 Abs 1 StVO, sondern nach § 57 Abs 2 StVO zu kennzeichnen (RS0023862 [T1]).

[34]           1.3. Zur Frage, ob eine Schlauchbrücke als ein Verkehrshindernis iSd § 89 Abs 1 StVO zu qualifizieren ist, wurde Folgendes erwogen:

[35]           1.3.1. Das Gefahrenzeichen des § 50 Z 1 StVO („Querrinne“ oder „Aufwölbung“) zeigt nach dem Gesetzeswortlaut Hindernisse wie Querrinnen, Aufwölbungen oder aufgewölbte Brücken an. Die Aufzählung ist bloß demonstrativ. Das Zeichen kann daher vor jeder gefährlichen Unebenheit auf der Fahrbahn aufgestellt werden (2 Ob 2188/96w = RS0107158; vgl auch Pürstl, StVO-ON15.00 § 50 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at] Anm 1). Soweit die zitierte Entscheidung bei diesem Gefahrenzeichen darauf abstellt, die Niveauunterschiede der Fahrbahnoberfläche müssten dauerbedingt sein (RS0107159), ist ihr nicht zu folgen, weil sich dieses einschränkende Kriterium nicht aus dem Gesetz ableiten lässt und die Gefährlichkeit einer Querrinne oder Aufwölbung nicht davon abhängt, wie lange dieser Zustand besteht.

[36]           Im Sinne dieser Erwägungen ist eine Schlauchbrücke als „Aufwölbung“ iSv § 50 Z 1 StVO anzusehen.

[37]           1.3.2. § 89 Abs 1 erster Satz StVO verpflichtet den „Verfügungsberechtigten“ zur Anbringung des Gefahrenzeichens „Andere Gefahren“ (§ 50 Z 16 StVO) zur Warnung vor den auf der Straße stehenden oder liegenden Gegenständen. Dieses Gefahrenzeichen kündigt nach der Umschreibung im Gesetz andere als in § 50 Z 1 bis 15 StVO angeführte Gefahrenstellen an. Es ist somit nicht dazu vorgesehen, vor Unebenheiten der Fahrbahn, wie sie in Form einer Schlauchbrücke als Aufwölbung bestehen, zu warnen, weil dafür eben das (speziellere) Gefahrenzeichen nach § 50 Z 1 StVO zur Verfügung steht. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, in § 89 Abs 1 StVO auch solche Gefahren, für die in § 50 Z 1 bis 15 StVO eigene Gefahrenzeichen vorhanden sind, gemeint zu haben, wenn er in § 89 Abs 1 StVO nur das (subsidiäre) Gefahrenzeichen „Andere Gefahren“ vorgesehen hat.

[38]           1.3.3. Schließlich ist auf Folgendes hinzuweisen: Mit der 3. StVO-Novelle (BGBl 1969/209) wurden die Abs 3 bis 5 des § 89 StVO aufgehoben und die mit „Entfernung von Hindernissen“ überschriebene Bestimmung des § 89a StVO eingeführt. In den ErläutRV (879 BlgNR 11. GP, zitiert bei Pürstl, StVO-ON15.00 § 89 [Stand 1. 10. 2019, rdb.at] Anm 1) heißt es dazu:

„Der § 89 trug bisher die Überschrift 'Kennzeichnung und Entfernung von Verkehrshindernissen'. Da die Entfernung von Verkehrshindernissen einer genauen Regelung bedarf, schien es zweckmäßig, diesbzgl Vorschriften aufzunehmen und den § 89 zu teilen.“

§ 89a StVO ist somit im Zusammenhang mit § 89 StVO zu verstehen und kann zur Auslegung von § 89 StVO herangezogen werden.

[39]     § 89a Abs 2 Satz 1 StVO lautet:

„Wird durch einen Gegenstand auf der Straße, insbesondere durch ein stehendes Fahrzeug, mag es betriebsfähig oder nicht betriebsfähig sein, durch Schutt, Baumaterial, Hausrat und dergleichen der Verkehr beeinträchtigt, so hat die Behörde die Entfernung des Gegenstandes ohne weiteres Verfahren zu veranlassen.“

[40]     Auch hier ist – wie in § 89 Abs 1 StVO – von einem „Gegenstand auf der Straße“ die Rede, der den „Verkehr beeinträchtigt“; dafür werden Beispiele genannt. § 89 Abs 2a StVO nennt einige (weitere) Beispiele für Verkehrsbeeinträchtigungen. All diesen Beispielen ist (wie im Übrigen auch der ein Hindernis bejahenden, unter 1.2.1. zitierten Rechtsprechung) gemeinsam, dass dadurch entweder das Wegfahren oder Weiterfahren auf einer Straße überhaupt oder doch zumindest das Befahren von bestimmten Verkehrsflächen verhindert wird. Auch § 89 Abs 1 Satz 2, 3 und 5 („dauernde Absperrungen“) StVO stellt ersichtlich auf diese Behinderungen ab.

[41]           Eine Schlauchbrücke stellt jedoch keine derartige Verhinderung dar, kann sie doch auf der gesamten Breite der Fahrbahn überfahren werden.

[42]     1.3.4. Der Senat kommt somit zum Ergebnis, dass eine Schlauchbrücke nicht unter die „Gegenstände, die auf der Straße stehen oder liegen“ iSv § 89 Abs 1 StVO fällt.

[43]     Eine Pflicht der Beklagten, die Schlauchbrücke entsprechend § 89 Abs 1 Satz 1 StVO zu sichern, bestand daher nicht.

[44]           2. Verletzung von Verkehrssicherungspflichten?

[45]           Zu prüfen bleibt noch, ob die Beklagte gegen die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten verstoßen hat.

[46]           2.1. Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht verlangt Sicherungsmaßnahmen zum Schutz aller Personen, deren Rechtsgüter durch die Schaffung einer Gefahrenquelle verletzt werden könnten. Sie bezieht sich auch auf Gefahren, die erst durch einen unerlaubten und vorsätzlichen Eingriff eines Dritten entstehen. Voraussetzung ist immer, dass die Möglichkeit der Verletzung von Rechtsgütern Dritter bei objektiver sachkundiger Betrachtung zu erkennen ist (RS0023801). Der Verkehrssicherungspflichtige muss die Anlage für die befugten Benützer in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand erhalten und diese vor erkennbaren Gefahren schützen (RS0023801 [T2]). Die Anforderungen an die allgemeine Verkehrssicherungspflicht dürfen aber nicht überspannt werden, sie sollen keine vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben (RS0023893 [T2 und T3]). Sie findet ihre Grenze daher immer in der Zumutbarkeit der im Einzelfall möglichen Maßnahmen der Gefahrenabwehr (RS0023397 [T11 und T21]). Der Umfang und die Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich zudem auch danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer vorhandene Gefahren selbst erkennen und ihnen begegnen können (RS0023726). Sie kann auch entfallen, wenn sich jeder selbst schützen kann, weil die Gefahr leicht, also ohne genauere Betrachtung, erkennbar war (RS0114360).

[47]           2.2. Dass die Schlauchbrücke überhaupt eine Gefahrenquelle darstellte, bedarf keiner näheren Erörterung. Dies beweist schon der gegenständliche Unfall, der unterblieben wäre, wäre die Schlauchbrücke dort nicht gelegen. Weiters ist auf die festgestellten Mahnungen der Nebenintervenientin gegenüber der Beklagten zu verweisen, die belegen, dass das Gefahrenpotenzial der Schlauchbrücke bekannt war.

[48]           Mag auch die Schlauchbrücke als solche leicht erkennbar gewesen sein, so bedeutet dies noch nicht, dass auch die von ihr für Radfahrer ausgehende Gefahr leicht erkennbar war. Aus den Feststellungen geht hervor, dass ein gefahrloses Überrollen der Schlauchbrücke im Schritttempo (5 km/h) möglich war. Radfahrer, die sich wie der Kläger mit einer für Radfahrer üblichen Geschwindigkeit von 15 bis 20 km/h der Schlauchbrücke nähern, können die Notwendigkeit, auf Schrittgeschwindigkeit abzubremsen, leicht übersehen. Auch wenn ein Radfahrer bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt einen Sturz beim Überfahren der Schlauchbrücke vermeiden konnte, so war im vorliegenden Fall die Gefahr eines solchen Sturzes für die Beklagte durchaus erkennbar und keineswegs unwahrscheinlich.

[49]           Abweichend von den Vorinstanzen kommt der Senat daher zum Ergebnis, dass hier die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht hinreichend entsprochen hat: Sie hätte diese Verkehrssicherungspflicht für den Unfallzeitpunkt am besten dadurch wahrgenommen, dass sie die Schlauchbrücke unmittelbar nach dem Ende des „Grazathlons“ abgebaut hätte. Diesfalls wäre sie im Unfallzeitpunkt dort nicht mehr gelegen und hätte keine Gefahr mehr darstellen können. Während des Liegens der Schlauchbrücke wäre in angemessener Entfernung von der Schlauchbrücke beiderseits in Annäherung an diese am Wegrand eine entsprechende Warnung notwendig gewesen.

[50]           2.3. Die Beweislast, dass die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden oder dass die Einhaltung bestimmter Schutzvorkehrungen unzumutbar gewesen sei, trifft den jeweils Verkehrssicherungspflichtigen, hier also die Beklagte (RS0022476 [T1]).

[51]     Den Beweis für diese erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen hat die Beklagte nicht erbracht. Diese waren auch nicht unzumutbar, was die Beklagte implizit dadurch zugestanden hat, dass sie entsprechende Vorkehrungen behauptet hat.

[52]           2.4. Mangels eines Anhaltspunkts für das Überwiegen des Verschuldens eines Teils ist gemäß § 1304 ABGB vom gleichteiligen Mitverschulden auszugehen.

[53]           3. Fahrradhelmmitverschulden?

[54]           Dass der Kläger ein Rennrad verwendet hätte, entspricht zwar seinem Klagevorbringen, darauf kommt es aber nicht entscheidungswesentlich an. Der erkennende Senat hat in der Entscheidung 2 Ob 99/14v (ZVR 2014/218, 391 [Karner] = RS0026828 [T7, T8] = RS0029844 [T13]; vgl auch Pepelnik, ZVR 2015/69, 149; Kraus, ZVR 2015/103, 190; C. Huber, ÖJZ 2016/6, 53; Prechtl, ZVR 2016/129, 349; Vogl, ZVR 2017/125, 249; B. Koch, ZVR 2019/231, 475 [480 f]) das Mitverschulden des Geschädigten wegen Nichttragens eines Fahrradhelms bei „sportlich ambitionierten“ Radfahrern bejaht. Er stellte dabei auf die sich bei Rennfahrten aufgrund der hohen Geschwindigkeiten ergebenden besonderen Risiken und auf das bei Radsportlern bestehende „allgemeine Bewusstsein“ der Wichtigkeit des Helmtragens (93 %) ab.

[55]           Im vorliegenden Fall steht keine höhere vom Kläger eingehaltene Geschwindigkeit als 15 bis 20 km/h fest. Dies entspricht einer durchschnittlichen Radfahrgeschwindigkeit und keiner bei einem Radrennen eingehaltenen Geschwindigkeit (vgl 2 Ob 99/14v: 35 km/h).

[56]           Für nicht „sportlich ambitionierte“ Radfahrer hat der erkennende Senat aber aufgrund des fehlenden allgemeinen Bewusstseins von der Wichtigkeit des Tragens eines Fahrradhelms ein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Radhelms bereits abgelehnt (2 Ob 135/04y ZVR 2006/33, 159 [Schoditsch/Griehser] = RS0026828 [T4]; 2 Ob 42/12h: Tragequote 2006: 22 %).

[57]           Daran ist festzuhalten, zumal nach einer Studie des ÖAMTC im Jahr 2015 die Tragequote bei etwa 25–30 % lag (Schwaighofer, Rad- und Schihelme: Das allgemeine Bewusstsein verkehrsbeteiligter Kreise als bewegliches System, VbR 2018/118, 223 [226] FN 33; ein Mitverschulden ablehnend auch Schacherreiter in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.07 § 1304 [Stand 1. 5. 2020, rdb.at] Rz 10).

[58]           Den Kläger trifft somit aus dem Umstand, dass er keinen Radhelm getragen hat, kein Mitverschulden.

[59]           4. Ergebnis

[60]           Aus den obigen Erwägungen ergibt sich die Haftung der Beklagten für die unfallkausalen Schäden des Klägers im Ausmaß von 50 %. Da der Kläger sein Mitverschulden eingestanden hat und die Abweisung des Klagebegehrens zur Hälfte bereits rechtskräftig ist, besteht die Haftung der Beklagten für das Zahlungsbegehren im revisionsgegenständlichen Umfang zur Gänze zu Recht. Dass der Kläger in der Revision nur die Aufhebung und nicht auch die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen beantragt hat, steht der Fällung eines Zwischenurteils über das Leistungsbegehren nicht entgegen, weil aus dem Revisionsvorbringen hinreichend deutlich hervorgeht, dass der Kläger ohnehin die Abänderung im Sinne der Feststellung der Haftung der Beklagten begehrt (vgl 2 Ob 76/09d; RS0045820). Mangels jeglicher Feststellungen über die unfallkausalen Schäden ist jedoch das Leistungsbegehren nicht für ein Endurteil spruchreif.

[61]           Da auch das Vorliegen von Spät- und Dauerfolgen nicht feststeht, mussten die Urteile der Vorinstanzen betreffend das Feststellungsbegehren aufgehoben werden.

[62]     5. Kosten

[63]           Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 1 und 4 ZPO, hinsichtlich des Teilzwischenurteils iVm § 393 Abs 4 ZPO.

Textnummer

E130316

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00008.20W.1127.000

Im RIS seit

19.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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