TE OGH 2020/10/15 12Os93/20y

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Veröffentlicht am 15.10.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Haslwanter in Gegenwart des Mag. Nikolic als Schriftführer in der Strafsache gegen Ervin B***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 8. Juni 2020, GZ 72 Hv 42/20m-49, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsichten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ervin B***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er ab Ende August 2019 bis zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 23. Jänner 2020 in K***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar zumindest 1.000 Gramm Heroin (141 Gramm reines Heroin [47-Fache Grenzmenge]), unbekannten Abnehmern überlassen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die (nominell) auf § 281 Abs 1 Z 5a und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Der Mängelrüge (nominell Z 5a, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) gelingt es nicht, in Ansehung der (hier für die Annahme der Suchgiftüberlassung eine notwendige Bedingung darstellenden [US 8 und 9; vgl RIS-Justiz RS0116737]) festgestellten Lieferung von Suchtgift in bestimmten Mengen an den Angeklagten (US 3) nachvollziehbar darzustellen, warum in der (erst über Vorhalt erfolgten) Aussage der Zeugin Gordana J*****, fallweise hätte der Angeklagte pro Woche zwei Lieferungen zu je 50 Gramm Heroin erhalten (ON 45 S 18), ein erörterungsbedürftiger (RIS-Justiz RS0098646, RS0118316 [T14]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421, 425) Widerspruch zu ihrer sonstigen Teillieferungen nicht erwähnenden Aussage über wöchentliche Übergaben von 100 Gramm Heroin (ON 45 S 16) liegen soll.

Wesen und Ziel der Tatsachenrüge (Z 5a) ist es, anhand aktenkundiger Beweisergebnisse erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen aufzuzeigen. Einwendungen ausschließlich gegen die Beweiswerterwägungen der Tatrichter können erhebliche Bedenken von vornherein nicht hervorrufen, weil Beweiswürdigungskritik nach Art einer Schuldberufung im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen ist (RIS-Justiz RS0099649, RS0118780, RS0119583).

Indem die gegen die Feststellungen über das Überlassen von Suchtgift an unbekannte Abnehmer (US 4) gerichtete Tatsachenrüge der Belastungszeugin Gordana J***** die Glaubwürdigkeit abspricht, in der tristen finanziellen Situation des Angeklagten – im Gegensatz zum Erstgericht (US 8 und 9) – ein Indiz gegen die Annahme entgeltlichen Überlassens von Suchtgift erblickt und davon ausgehend ganz generell das Fehlen von Beweisergebnissen für die Begehung der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Tat reklamiert, zielt sie auf eine unzulässige Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts ab.

Mit der Behauptung eines „Rechtsfindungsmangels“, der in der Annahme eines nicht nachweisbaren Sachverhalts liege, nimmt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) prozessordnungswidrig nicht am festgestellten Sachverhalt Maß (RIS-Justiz RS0099810). Der Sache nach greift der Beschwerdeführer neuerlich die tatrichterliche Beweiswürdigung an.

Betreffend den Verfallsausspruch nach § 20 Abs 3 StGB bringt der Rechtsmittelwerber vor, er hätte diesen Betrag entgegen den erstgerichtlichen Feststellungen „nie eingenommen“ (nominell Z 9 lit a), zeigt damit aber keine unrichtige Lösung einer Rechtsfrage iSd § 281 Abs 1 Z 11 StPO auf, sondern erstattet bloß ein Berufungsvorbringen (RIS-Justiz RS0114233 [T3, T6]).

Im Übrigen erklärt die Rüge nicht, aus welchem Grund der Verfallsausspruch eines Geldbetrags (§ 20 Abs 3 StGB) das Auffinden von Vermögenswerten beim Angeklagten voraussetzt (vgl Fuchs/Tipold in WK² StGB § 20 Rz 48; Leukauf/Steininger/Stricker, StGB4 § 20 Rz 12) und der nach dem Bruttoprinzip zu berechnende (RIS-Justiz RS0133117) Geldbetrag – trotz des insoweit eindeutigen Gesetzeswortlauts („der den … erlangten Vermögenswerten entspricht“) –angemessen sein muss.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur – jedoch davon, dass das (durch den in den Urteilstenor aufgenommenen Verweis auf die jeweilige Postzahl des Standblatts ON 34 gerade noch hinreichend konkretisierte) Einziehungserkenntnis betreffend „sichergestelltes Suchtgift und Suchtgiftutensilien“ (US 2) mit nicht geltend gemachter Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) behaftet ist.

Zufolge bloßer Aufzählung der von der Maßnahme betroffenen Suchtgiftutensilien (Bong/Wasserpfeifen, Mühlen, Glasplatte, Dosen, Schale, Klingen, Säckchen, Box, Rolle mit Bindedraht, Aufzuchtbox, Waage, Röhrchen, Bankkarte [Pz 1 bis 3, 5, 6, 9, 10, 14 und 15]) ist dem Ersturteil nämlich nicht zu entnehmen, ob diese Gegenstände beim (dem Schuldspruch zugrundeliegenden) Überlassen des Heroins oder bei einer anderen Anlasstat iSd § 26 Abs 1 StGB) verwendet wurden oder zu einer solchen Verwendung bestimmt waren (Z 11 erster Fall; vgl Ratz in WK² StGB § 26 Rz 3 ff). Zudem fehlen im Ersturteil Feststellungen zur von § 26 Abs 1 StGB geforderten besonderen Beschaffenheit, die die

Einziehung geboten erscheinen lässt, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken (Z 11 zweiter Fall; RIS-Justiz RS0121298).

Hinsichtlich des ebenfalls vom Einziehungserkenntnis betroffenen Cannabiskrauts (ON 34 S 7 [Pz 4]) enthält das Urteil (auch hier) keine Feststellungen zu einer (zumindest intendierten) Verwendung zur Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung (vgl Ratz in WK² StGB § 21 Rz 14 ff und 26) nach dem SMG oder zum Vorliegen eines dadurch hervorgebrachten Tatprodukts. Die Einziehung nach § 34 Abs 1 SMG ist aber nur dann zulässig, wenn das Suchtmittel mit einer (etwa in dessen Besitz bestehenden [Hinterhofer in Hinterhofer SMG² § 34 Rz 14]) Anlasstat nach dem SMG in Verbindung (im geschilderten Sinne) steht (vgl RIS-Justiz RS0088115 [T3]; Hinterhofer in Hinterhofer SMG² § 34 Rz 13 ff; siehe auch Ratz in WK² StGB § 26 Rz 3 ff). Da das Cannabiskraut allein im Ausspruch über die Einziehung als davon betroffener Gegenstand (durch Verweis) erwähnt wird, mangelt es dem Ersturteil an der zur (rechtlichen) Beurteilung dieser Voraussetzung notwendigen Tatsachengrundlage (Z 11 erster Fall).

Zudem sind unter Suchtmittel iSd § 34 Abs 1 SMG Suchtgifte (§ 2 SMG) und psychotrope Stoffe (§ 3 SMG) zu verstehen (§ 1 Abs 2 SMG), sodass deren Einziehung – hier nicht vorhandene – Sachverhaltsannahmen zu ihrer eine Einordnung unter eine dieser beiden Kategorien ermöglichenden Beschaffenheit erfordert (vgl RIS-Justiz RS0114428, RS0128204; zu Cannabis vgl 11 Os 109/15m).

Diese dem Angeklagten zum Nachteil gereichende (das gesamte Einziehungserkenntnis betreffende) Nichtigkeit war von Amts wegen aufzugreifen (§§ 285e erster Fall, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), weil sich die Nichtigkeitsbeschwerde nur gegen das Verfallserkenntnis (zur Geltung als Berufung gegen diese Unrechtsfolge vgl § 290 Abs 1 dritter Satz StPO) und die Berufung allein gegen den Strafausspruch richten. Dem Berufungsgericht ist in einem solchen Fall zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung einer die vorbeugende Maßnahme betreffenden Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO zugunsten des Angeklagten nicht möglich (RIS-Justiz RS0119220 [T9]; Ratz, WK-StPO § 294 Rz 10 und § 295 Rz 7 und 14).

Die Kostenersatzpflicht, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E129659

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00093.20Y.1015.000

Im RIS seit

16.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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