TE OGH 2020/2/26 1Ob4/20z

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*****Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Mag. Thomas Hansa, Rechtsanwalt in Freistadt, wegen 6.896,55 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. November 2019, GZ 14 R 228/19a-22, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Perg vom 20. August 2019, GZ 35 C 98/18t-17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Versicherungsnehmerin der klagenden Partei war mit der Durchführung eines Schwertransports am 22. 5. 2017 beauftragt, der mit Bescheid des Landeshauptmanns für Oberösterreich vom 19. 5. 2017 bewilligt worden war. Dieser Bescheid enthielt unter anderem die Auflage, auf eigene Kosten für eine Transportbegleitung der Stufe 2 zu sorgen, sodass die Transportabsicherung durch ein vereidigtes Organ der Straßenaufsicht gemäß § 97 Abs 2 StVO mit einem entsprechend ausgerüsteten Begleitfahrzeug zu erfolgen hatte.

Der Beklagte betreibt die Transportbegleitung als Einzelunternehmer. Er ist zur Ausübung dieser Tätigkeit befugt und wurde von der oberösterreichischen Landesregierung als Straßenaufsichtsorgan vereidigt. Nach seinem Ausweis mit der Dienstnummer 217 ist er als Straßenaufsichtsorgan zu Transportbegleitungen der Stufen 2 und 3 gemäß § 97 StVO berechtigt. Im Rahmen der Transportbegleitungen ist er befugt

a) für die Benützung der Straßen [...] Anordnungen zu erteilen;

b) durch deutlich sichtbare Zeichen zum Anhalten aufzufordern;

c) in Fahrzeug- und Ladungspapiere Einsicht zu nehmen.

Die klagende Partei begehrt Schadenersatz. Wegen der Nichtbeachtung der zu geringen Durchfahrtshöhe einer Brücke seien die Transportgüter und der Transportkäfig beschädigt worden. Aufgrund des Umstands, dass ihre Versicherungsnehmerin die Gesamthöhe des Transportfahrzeugs im Verhältnis zur lichten Durchfahrtshöhe der Brücke nicht gemessen habe, rechne sie sich ein Mitverschulden im Ausmaß von 50 % an. Der Beklagte hafte aufgrund seiner gesetzlichen Verpflichtung und seiner Stellung als Organ der Straßenaufsicht nach § 97 Abs 2 StVO; er habe seine Pflicht zur Überwachung und Schadensabwehr verletzt. Aus der privatrechtlichen Vereinbarung zwischen ihrer Versicherungsnehmerin und dem Beklagten ergeben sich auch vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten, nach welchen der Beklagte Sorge zu tragen gehabt hätte, dass Gefahren, Störungen und Schäden vermieden werden. Er wäre daher verpflichtet gewesen, die Durchfahrtshöhen der Brücken und Unterführungen zu kontrollieren.

Das Erstgericht hob das vor ihm durchgeführte Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück.

Dem dagegen von der klagenden Partei erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es bejahte in Übereinstimmung mit dem Erstgericht die Organstellung des Beklagten. Ordne der Bescheid über die Bewilligung des Schwertransports die Transportbegleitung durch ein „ermächtigtes Straßenaufsichtsorgan“ an, liege hoheitliches Handeln vor; auch aus rein faktischem Verhalten, das mit der Vollziehung hoheitlicher Aufgaben in einem unmittelbaren Zusammenhang stehe, seien allein Amtshaftungsansprüche abzuleiten, was auch nicht dadurch umgangen werden könne, dass der Kläger erklärt, seinen Ersatzanspruch nicht auf das AHG zu stützen, sondern aus dem allgemeinen bürgerlichen Recht abzuleiten. Ein zusätzlicher vertraglicher Anspruchsgrund, der nicht bereits vom Amtshaftungsanspruch konsumiert werde, liege nach dem Vorbringen der klagenden Partei nicht vor. Ob der Rechtswidrigkeitszusammenhang fehle, wie die klagende Partei behaupte, sei für die Frage nach der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht zu prüfen.

Den Revisionsrekurs erklärte das Gericht zweiter Instanz für zulässig, weil die klagende Partei den Standpunkt vertrete, dass die jüngste Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu § 9 Abs 5 AHG (insbesondere 1 Ob 15/11g und 1 Ob 204/16f) gegen allgemeine Rechtsgrundsätze verstoße. Zum anderen gebe es – so weit überblickbar – keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu, inwieweit die Vermeidung von Schäden am Transportgut unter den Schutzzweck des Amtshaftungsgesetzes falle.

Rechtliche Beurteilung

Der von der beklagten Partei beantwortete Revisionsrekurs der klagenden Partei ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) nicht zulässig.

1.1 In Abkehr von älterer Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0115014) judiziert der Fachsenat seit der Entscheidung zu 1 Ob 176/08a, dass auch für Klagen gegen juristische Personen des Privatrechts, die für hoheitliches Handeln in Pflicht genommen oder beliehen wurden – ebenso wie für Klagen gegen physische Personen als Organe – der Rechtsweg gemäß § 9 Abs 5 AHG unzulässig ist (RS0124590).

1.2 Gegen diese Rechtsprechungsänderung wendet sich die klagende Partei mit dem vom Rekursgericht in seinem Zulassungsausspruch genannten Argument sowie dem Hinweis, dass der Geschädigte nach der aufgegebenen Rechtsprechungslinie das Wahlrecht gehabt habe, einen hoheitlichen Schädiger (unmittelbar) in Anspruch zu nehmen, wenn mit diesem eine vertragliche Beziehung bestanden habe.

1.3 Dabei übersieht die Revisionswerberin grundlegend, dass die seinerzeitige (aufgegebene) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf der Annahme beruhte, als Organe iSd § 1 Abs 2 AHG kämen nur natürliche Personen in Betracht und der Anwendungsbereich des § 9 Abs 5 AHG sei auf diese beschränkt (vgl 1 Ob 204/16f). Daher wurde es als nicht ausgeschlossen erachtet, vertragliche Schadenersatzansprüche gegen den als juristische Person des Privatrechts organisierten beliehenen Unternehmer geltend zu machen, der „kein Organ eines Rechtsträgers iSd § 1 Abs 2 AHG ist“.

1.4 Die mit Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich angeordnete Transportbegleitung wurde aber nicht von einer juristischen Person des Privatrechts, sondern vom Beklagten als Einzelunternehmer erbracht. Die Frage, ob eine juristische Person des Zivilrechts als Organ im Sinn des § 9 Abs 5 AHG in Anspruch genommen wird, stellt sich im vorliegenden Fall daher gar nicht. Die von der klagenden Partei kritisierte Judikaturwende ist für die Frage nach der Organstellung des belangten Einzelunternehmers damit ohne jede Bedeutung, sodass sich ein Eingehen auf ihre Argumentation dazu schon aus diesem Grund erübrigt.

2.1 Entscheidend für das Vorliegen einer Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs 1 AHG ist, dass eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist. In einem solchen Fall sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (RS0049948; RS0049897). Ein Organverhalten durch Unterlassung ist rechtswidrig, wenn und soweit eine Handlungspflicht bestand und pflichtgemäßes Handeln den Schaden verhindert hätte (RS0081378 [T3]). Mit der Bestellung zum Organ der Straßenaufsicht gemäß § 97 StVO werden dem Betroffenen hoheitliche Befugnisse übertragen, weil er unter den Voraussetzungen der Abs 4 und 5a leg cit Anordnungen und Aufforderungen betreffend die Benützung der Straße erteilen kann (VwGH Ra 2016/11/0177; Pürstl, StVO15.00 § 97 E 6/1). Der Fachsenat hat daher bereits wiederholt ausgesprochen, dass bei Durchführung einer Transportbegleitung hoheitlich gehandelt wird, wenn ein Schwertransport durch den Landeshauptmann bewilligt und dabei eine Transportbegleitung durch ein „ermächtigtes Straßenaufsichtsorgan“ angeordnet wird (RS0087678). Davon geht erkennbar auch die Revisionswerberin aus, wenn sie sinngemäß geltend macht, den Beklagten als Organ der Straßenaufsicht habe die Verpflichtung getroffen, die Durchfahrtshöhen von Brücken auf Autostraßen und Autobahnen zu prüfen, und dabei auf die „diesbezüglichen gesetzlichen und mit Bescheid aufgetragenen Verpflichtungen“ verweist. Der Sache nach behauptet sie damit, der Beklagte habe als Organ der Straßenaufsicht eine von Amts wegen zu treffende Maßnahme schuldhaft nicht gesetzt (vgl RS0081378 [T12]).

2.2 Liegt Hoheitshandeln vor, kommt eine Geltendmachung von Ansprüchen nach allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts im Allgemeinen nicht in Betracht (RS0022989). Dass der hoheitlichen Tätigkeit ein (wohl privatrechtlicher) Auftrag einer Person des Privatrechts vorangeht und für die Leistung ein Entgelt zu entrichten ist, schließt die Anwendung des AHG nicht aus (zur Transportbegleitung: 1 Ob 49, 54/95, vgl auch 1 Ob 147/08m; 1 Ob 15/11d mwN [Veröffentlichung iSd § 277 Abs 2 UGB]). Ganz grundsätzlich geht das auf Art 23 B-VG beruhende Amtshaftungsgesetz den schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts in seiner Gesamtheit vor (RS0082339). Darauf gestützte Ansprüche scheiden aus, es sei denn, es läge eine spezielle gesetzliche Haftungsbestimmung (vgl dazu 1 Ob 129/02f) oder eine Haftung aufgrund einer weitergehenden vertraglichen Verpflichtung vor (vgl dazu 1 Ob 176/08a). Die immunisierende Wirkung des § 9 Abs 5 AHG bezieht sich nämlich nicht auf neben der hoheitlichen Aufgabenerfüllung bestehende vertragliche Pflichten (vgl 1 Ob 224/10p).

2.3 Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs kommt es in erster Linie auf die in der Klage enthaltenen Tatsachenbehauptungen an. Entscheidend bleibt stets die Natur des erhobenen Anspruchs, die sich maßgeblich nach dem geltend gemachten Rechtsgrund richtet (RS0045584 [T7; T20]; RS0045718). Bereits das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, dass dem Vorbringen der klagenden Partei eine vertragliche Übernahme von Pflichten durch den Beklagten, die über die mit den zur Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben verbundenen Verhaltensweisen hinausgehen, nicht zu entnehmen ist, was als Ergebnis einer im Einzelfall unbedenklichen Auslegung (vgl dazu RS0042828 [T6]) nicht zu beanstanden ist. Auch im festgestellten Sachverhalt findet sich dafür kein Anhaltspunkt. Danach erschöpfte sich der Kontakt zwischen der Versicherungsnehmerin der klagenden Partei und dem Beklagten in der Anfrage zur Durchführung der Transportbegleitung und der kommentarlosen Übermittlung des Bescheids vom 19. 5. 2017. Letztlich baut auch die Argumentation der klagenden Partei in ihrem Rechtsmittel darauf auf, dass der Beklagte zur Vornahme der aus ihrer Sicht gebotenen Handlungen aufgrund des Gesetzes verpflichtet gewesen wäre, und zielt damit ganz offensichtlich auf dessen Aufgaben als Organ der Straßenaufsicht im Sinn des § 97 StVO ab. Inwieweit dem Beklagten „bescheidmäßig Pflichten aufgetragen“ worden sein sollen, muss schon deshalb unklar bleiben, weil Adressat des Bewilligungsbescheids die Versicherungsnehmerin der klagenden Partei war, die sich nach dessen unstrittigen Inhalt (dazu RS0121557 [T3]) als Transportverantwortliche vor Antritt der Fahrt auch zu vergewissern hatte, ob die Transportroute für deren Durchführung auch tatsächlich geeignet ist; dass der Beklagte darin der Versicherungsnehmerin selbst auferlegte Pflichten – zusätzlich zu den ihn als „Transportbegleiter“ ohnedies treffenden – vertraglich übernommen hätte, macht die klagende Partei nicht geltend.

3. Vor diesem Hintergrund sind die Behauptungen der Revisionswerberin, der Beklagte hafte wegen einer Verletzung von nebenvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten nicht nachvollziehbar und können eine persönliche Haftung des Beklagten aus Vertrag nicht begründen. Für die aus seiner Tätigkeit als Organ der Straßenaufsicht abgeleiteten Ansprüche ist gemäß § 9 Abs 5 AHG der Rechtsweg unzulässig. Ohne Einfluss ist in diesem Zusammenhang, ob der behauptete Anspruch auch inhaltlich berechtigt ist (RS0045491). Überlegungen, wie sie die Klägerin zum Schutzzweck von Normen des KFG oder der StVO anstrengt, um darzulegen, dass ihr aus Amtshaftung kein Ersatz zustehe, und eine unmittelbare Inanspruchnahme des Beklagten zu begründen, können daher dahin stehen. Sie sind für die Frage nach der Zulässigkeit des Rechtswegs ohne Bedeutung und begründen damit auch keine erhebliche Rechtsfrage.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO).

5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen (RS0035979 [T16]).

Textnummer

E127951

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00004.20Z.0226.000

Im RIS seit

11.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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