TE OGH 2020/4/15 15Os38/20g

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Veröffentlicht am 15.04.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski in der Strafsache gegen H***** T***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 9 HR 219/19f (nunmehr AZ 18 Hv 28/20f) des Landesgerichts Klagenfurt, über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 5. März 2020, AZ 9 Bs 74/20f, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 zu Recht erkannt:

Spruch

H***** T***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt führt zu AZ 13 St 101/19z ein Verfahren gegen H***** T***** wegen des Verdachts des Verbrechens des Mordes (§ 75 StGB) und weiterer strafbarer Handlungen.

Über den Genannten wurde mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 20. August 2019 gemäß § 173 Abs 6 StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 13) und (zuletzt) mit Beschluss vom 17. Februar 2020 (ON 139) fortgesetzt.

Der gegen den zuletzt genannten Beschluss erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 5. März 2020 nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft – gleichfalls gemäß § 173 Abs 6 StPO – fort (ON 152).

Nach den Sachverhaltsannahmen des Beschwerdegerichts ist H***** T***** – soweit
hafttragend – dringend verdächtig, am 17. August 2019 in N*****

1./ J***** H***** vorsätzlich getötet zu haben, indem er ihr unter anderem einen besonders heftigen Schlag gegen den Kopf versetzte und sie anschließend in eine mit Wasser gefüllte Badewanne legte,

2./ durch die zu 1./ angeführte Tat vorsätzlich ohne Einwilligung der J***** H***** den Abbruch ihrer Schwangerschaft bewirkt zu haben.

Diesen als sehr wahrscheinlich angenommenen Sachverhalt subsumierte das Beschwerdegericht den Tatbeständen des § 75 StGB (1./) und § 98 Abs 1 (erster Fall) StGB (2./).

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss des Beschwerdegerichts richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des H***** T*****, der keine Berechtigung zukommt.

Die Begründung des dringenden Tatverdachts kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren hinsichtlich der Sachverhaltsgrundlagen der Haftentscheidung in sinngemäßer Anwendung der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden; eine am Gesetz orientierte Beschwerde hat somit einen Darstellungs- oder Begründungsmangel aufzuzeigen oder anhand deutlich und bestimmt bezeichneter Aktenbestandteile erhebliche Bedenken gegen die vorläufige Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts zu erwecken (RIS-Justiz RS0110146; RS0114488). Dabei hat sie sich an der Gesamtheit der Erwägungen des Beschwerdegerichts zu orientieren, und nicht nur einzelne Elemente der Argumentationskette herauszugreifen (RIS-Justiz RS0119370).

Auf (behauptete) Widersprüche zwischen der Angaben des Zeugen M***** und jenen der Zeugin B***** ist das Beschwerdegericht eingegangen (BS 5; Z 5 zweiter Fall; vgl auch den Beschluss ON 69 S 3), wobei es nicht dazu gehalten war, sich mit jedem Detail der ohnehin gewürdigten Aussagen auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0106642).

Der Umstand, dass auf der Kleidung des Opfers eine (nicht vom Beschuldigten stammende) männliche DNA-Spur gefunden wurde, wurde gleichfalls berücksichtigt (BS 5). Das gerichtsmedizinische Gutachten ON 125, wonach die dort überprüften „Gelegenheitspersonen“ als Spurenverursacher auszuschließen sind, war in diesem Zusammenhang nicht gesondert erörterungsbedürftig.

Die Angabe des Angeklagten, er habe das Opfer in der Tatnacht „nicht angetroffen“ (ON 8 S 99), wurde – dem Beschwerdeeinwand zuwider (Z 5 fünfter Fall) – nicht falsch zitiert, das Beschwerdegericht hat daraus aber andere Schlüsse gezogen als die vom Beschwerdeführer gewünschten.

Der – einem Vorhalt bei der Beschuldigtenvernehmung ON 130 entnommene – Umstand, dass sich an den Laufflächen der sichergestellten Schuhe Anhaftungen von Partikeln befanden, die den Bestandteilen der Katzenstreu in der Wohnung des Opfers entsprechen, wurde vom Beschwerdegericht bloß illustrativ („wobei auch die sichergestellten Schuhe […] offenbar Anhaftungen von Partikeln aufwiesen ...“) und nicht als notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache erwähnt, sodass das Beschwerdevorbringen (Z 5 vierter Fall) von vorneherein ins Leere geht (RIS-Justiz RS0116737; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 410).

Mit eigenen Erwägungen zum Beweiswert der Aussage des Zeugen He*****, dem Hinweis darauf, dass die sichergestellten Schuhe unterschiedliche Schuhgrößen aufweisen (vgl dazu BS 5), sowie mit Spekulationen über die „Kenntnisse“ des Zeugen W*****, die „Eintragungen im Kondolenzbuch“ und darüber, wer der „wahre Täter“ sein könnte, zeigt die Beschwerde kein Begründungsdefizit auf.

Auch mit der Behauptung, das Gericht habe bestimmte Aspekte ohnehin verwerteter Beweismittel nicht oder nicht den Intentionen des Beschwerdeführers entsprechend berücksichtigt, wird weder eine Unvollständigkeit noch eine offenbare Unzulänglichkeit der Entscheidungsgründe geltend gemacht (RIS-Justiz RS0099599).

Soweit die Beschwerde – der Sache nach eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend machend (nominell Z 5 vierter Fall) – kritisiert, dass das erst nach Einbringung der Haftbeschwerde in den Ermittlungsakt gelangte Gutachten des gerichtsmedizinischen Instituts I***** (ON 143) „der Verteidigung zur Stellungnahme hätte übermittelt werden müssen, bevor es zur Rechtfertigung des Tatverdachts herangezogen wurde“, erklärt sie einerseits nicht, wodurch sie an einer Akteneinsicht (auch nach dem 20. Februar 2020) gehindert gewesen wäre, und legt andererseits nicht dar, dass eine entsprechende Information zur Geltendmachung von die Fortsetzung der Untersuchungshaft hindernden Umständen geführt hätte (RIS-Justiz RS0131061).

Mit – auf Spekulationen gestützten – Mutmaßungen über das (erhoffte) Ergebnis bislang unterlassener Beweisaufnahmen wird weder ein Begründungsdefizit des Beschlusses des Oberlandesgerichts aufgezeigt noch eine – im Übrigen auch nicht substanziierte – Verletzung von Art 5 Abs 3 und Abs 4 MRK plausibel gemacht (RIS-Justiz RS0110147).

Inwiefern dadurch „das Recht auf persönliche Freiheit“ im Sinn des „Art 6 Abs 1 und Abs 3 lit d MRK“ verletzt sein sollte, macht die Beschwerde gleichfalls nicht klar (zum eingeschränkten Anwendungsbereich des Art 6 MRK im Haftprüfungsverfahren vgl RIS-Justiz RS0120049; Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 40; Kirchbacher/Rami, WK-StPO Vor §§ 170 bis 189 Rz 2; Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK4 Art 5 Rz 100).

H***** T***** wurde daher durch den angefochtenen Beschluss im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

Textnummer

E127836

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00038.20G.0415.000

Im RIS seit

28.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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