TE OGH 2019/2/27 6Ob15/19b

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** B***** AG, *****, Schweiz, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Eckert Fries Prokopp Rechtsanwälte GmbH in Baden, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. November 2018, GZ 5 R 120/18h-52, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Gegenstand des Verfahrens ist im Wesentlichen die Frage, ob die Beklagte berechtigt ist, aus dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Liefervertrag die Lieferung von weiteren Dieseltriebwagen zu verlangen. Rechtlich handelt es sich dabei um eine Frage der Vertragsauslegung.

Zur Zulässigkeit der Revision

2.1. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936). Steht die Vertragsauslegung durch die Vorinstanzen mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, kommt doch der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0042776).

2.2. Auch die Frage der Vertretbarkeit einer anderen Vertragsauslegung hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042936 [T3]). Eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung liegt in einem solchen Fall unabhängig davon nicht vor, ob (auch) die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Vertragsauslegung vertretbar ist (RIS-Justiz RS0042936 [T17]).

2.3. Anderes würde nur dann gelten, wenn den Vorinstanzen eine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze unterlaufen wäre; ein solcher Fehler ist nämlich im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0042776 [T1]). Dies ist jedoch hier nicht der Fall.

Zur Leistungsbeschreibung des Motors

3.1. Die Revision bekämpft zunächst die Auffassung der Vorinstanzen, wonach dem Vertrag zwischen den Streitteilen eine funktionale Leistungsbeschreibung des Motors zu Grunde liege. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, es sei unter Berücksichtigung der Genese des Vertrags vielmehr eine verbindliche Spezifikation in Gestalt des Motors M***** vorgenommen worden.

3.2. Allgemein wird unter „funktionaler Leistungsbeschreibung“ die Festlegung einer bestimmten Funktion durch zugesagte Eigenschaften verstanden, während eine „konstruktive Leistungsbeschreibung“ eine bestimmte Ausführungsart vorsieht (vgl 1 Ob 132/15s ErwGr 3.1). Es ist mittels Vertragsauslegung zu ermitteln, ob die Leistung durch Substanzeigenschaften und Funktionseigenschaften festgelegt wurde oder ob eine bestimmte Art der Herstellung vereinbart werde (RIS-Justiz RS0109226).

Zur Interpretation des Vertrags

3.3. Im vorliegenden Fall verweist der Vertrag über die Lieferung der Dieseltriebwagen in seinem § 2 Abs 2.1 betreffend die Fahrzeuge auf das Pflichtenheft. Dieses lautet zum Punkt „Dieselmotor“, dass nur bewährte Dieselmotoren zum Einsatz kommen dürfen, die Motoren die zum Zeitpunkt der Auslieferung gültigen Abgasvorschriften (Stufe IIIa) erfüllen müssen, wobei die Nachrüstbarkeit von Bauteilen zur Erfüllung der Abgasnorm Stage IIIb zu gewährleisten ist und der Dieselmotor mit handelsüblichen Kraftstoffen betrieben werden können muss. Die Basisbestellung wurde mit dem Motor M***** ausgestattet, der im Angebot der Klägerin definiert war und den sie ursprünglich auch in das Lastenheft eingetragen hatte.

3.4. Bei dieser Sachlage ist aber die Auffassung der Vorinstanzen zu billigen, dass sowohl der Liefervertrag als auch das Pflichtenheft, auf das der Liefervertrag verweist, eine rein funktionale Leistungsbeschreibung enthalten, weil dort bloß bestimmte Eigenschaften definiert werden, die der zu liefernde Motor zu erfüllen hat, aber kein bestimmtes Modell vereinbart wurde. Warum die Genese des Liefervertrags zu einer anderen Beurteilung führen sollte, wird von der Revision nicht näher erklärt; zudem zeigen die Feststellungen, dass der Beklagten von Anfang an bestimmte Eigenschaften wichtig waren, wie etwa die Abgaseigenschaften, während sich für eine Festlegung auf ein bestimmtes Modell im Sachverhalt keine Anhaltspunkte finden.

3.5. Zwar hat die Klägerin den Motortyp in der Fahrzeugübersicht angeführt, die gemäß § 3 des Vertrags ebenso zu den Vertragsbestandteilen zählt. Allerdings ordnet diese Bestimmung an, dass die Anlagen bloß subsidiär zu den Regelungen des Vertrags gelten. Der Vertrag selbst enthält aber eine eindeutige funktionale Leistungsbeschreibung, die somit der Anführung des Motortyps in der Fahrzeugübersicht vorgeht. Die Fahrzeugübersicht ist daher primär als Information der Klägerin zu verstehen, welchen Motor sie in das Fahrzeug einbaut, bedeutet aber nicht, dass damit auch die Lieferung nur dieses Motortyps Vertragsinhalt wurde und alle anderen Motortypen ausgeschlossen wurden.

3.6. Daher ist auch die Ansicht der Vorinstanzen nicht zu beanstanden, wonach die Klägerin auch in anderen Fällen, in denen der ursprünglich vorgesehene Motor nicht mehr lieferbar gewesen wäre, wie bei einer Insolvenz des Herstellers oder einer Einstellung der Produktion wegen ungenügender Nachfrage, verpflichtet gewesen wäre, für entsprechenden Ersatz zu sorgen. Als Generalunternehmerin (vgl § 1 Abs 5 des Vertrags) liegt die Beschaffung der für die Herstellung des Dieseltriebfahrzeugs notwendigen Bauteile in ihrem Aufgabenbereich.

Zu Dissens und Teilunmöglichkeit

4.1. Die Revision macht im Wesentlichen geltend, ein Motor der Abgasnorm Stufe IIIb sei nicht geschuldet, zumal die technische Option 26 gestrichen worden sei. Dieses Ergebnis folge sowohl aus einer Wort- als auch aus einer systematischen Interpretation des Vertrags. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Vertrag am Empfängerhorizont eines redlichen Vertragspartners auszulegen sei.

4.2. Als sog „Technische Option 26“ ist im Lastenheft vorgesehen, dass die Fahrzeuge mit Motoren auszustatten seien, die bereits die Abgasnorm Stufe IIIb erfüllen. Diese Technische Option wurde in der Folge in den Verhandlungen jedoch ausdrücklich ausgeschlossen und nicht Vertragsinhalt. Ein in Richtung des in der Revision behaupteten (gänzlichen) Ausschlusses des IIIb-Standards gehender übereinstimmender Parteiwille konnte jedoch nicht festgestellt werden.

4.3. Wenn die Vorinstanzen dies so ausgelegt haben, dass die „Technische Option 26“ nur bedeutet hätte, dass bereits die ursprünglich zu liefernden Fahrzeuge die Abgasnorm Stufe IIIb zu erfüllen haben, dass damit aber keineswegs auch für die Fahrzeuge, die in Ausübung des Optionsrechts zu einem späteren Zeitpunkt zu liefern seien, die Abgasnorm Stufe IIIb ausgeschlossen wurde, dann ist dies nicht zu beanstanden. Deutlich wird dieses Verständnis insbesondere an der Formulierung „die bereits die Abgasnorm Stufe IIIb erfüllen“, weil das Wort „bereits“ hier offensichtlich auf den Zeitpunkt der Lieferung der ersten Fahrzeuge zu einem Zeitpunkt Bezug nimmt, zu dem die Abgasnorm Stufe IIIb noch nicht verbindlich ist. Dies korrespondiert auch mit der Feststellung, wonach die Beklagte ursprünglich bereits für die Basisbestellung die Einhaltung der besseren, damals noch nicht verbindlichen Abgasnorm anstrebte.

4.4. Dass durch die Streichung der Technischen Option 26 die Stand-der-Technik-Klausel in § 2 Abs 1.3 des Vertrags eingeschränkt werden sollte, ist nicht anzunehmen, wie das Erstgericht bereits überzeugend ausgeführt hat. Ein gewichtiges Argument für das Verständnis der Vorinstanzen ist auch darin zu sehen, dass im Vertragsabschlusszeitpunkt bereits absehbar war, dass die Abgasnorm Stufe IIIb ab 1. 1. 2012 verbindlich werden würde, dennoch aber ein sieben Jahre gültiges Optionsrecht zugunsten der Beklagten vereinbart wurde: Dieses Optionsrecht zu vereinbaren, hätte aber keinen Sinn gemacht, wenn die Klägerin das Risiko der Umkonstruktion ihres Fahrzeugs auf einen Motor der Abgasnorm Stufe IIIb nicht hätte übernehmen wollen. Vielmehr spricht diese Vertragsgestaltung dafür, dass die Klägerin sich sehr wohl verpflichtete, im Fall der Optionsausübung nach Inkrafttreten der neuen Abgasnorm dann Dieseltriebwagen mit einem Motor zu liefern, der der neuen verpflichtenden Abgasnorm entspricht.

4.5. Soweit die Revision geltend macht, die Stand-der-Technik-Klausel in § 2 Abs 1.3 des Vertrags sei deshalb nicht anwendbar, weil die Bauartgenehmigung vom 1. 7. 2013 stamme und somit das Verbindlichwerden der Abgasnorm Stufe IIIb mit 1. 1. 2012 nicht nach diesem Datum liege, so lässt sie die Feststellung außer Acht, wonach bereits mit Bescheid vom 10. 10. 2011 der Klägerin für die vertragsgegenständlichen dieselelektrischen Triebzüge die eisenbahnrechtliche Bauartgenehmigung erteilt und diese bis 1. 6. 2017 befristet wurde. Dem zweiten, in der Revision erwähnten Bescheid vom 1. 7. 2013 lag zugrunde, dass die Klägerin mit Schreiben vom 28. 3. 2013 die eisenbahnrechtliche Genehmigung für Änderungen an den dieselelektrischen Triebzügen beantragt hatte. Das Erstgericht hat sich ausführlich mit dem Verhältnis dieser beiden Bauartgenehmigungen befasst, worauf die Revision aber nicht näher eingeht. Da das Risiko für Änderungen gesetzlicher Vorgaben nach dem Zeitpunkt des Vorliegens der (ersten) Bauartgenehmigung der Klägerin zugewiesen wurde und diese am 10. 10. 2011 erteilt wurde, während die Abgasnorm Stufe IIIb am 1. 1. 2012 verbindlich wurde, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen diese Änderungen als von der Stand-der-Technik-Klausel in § 2 Abs 1.3 des Vertrags erfasst angesehen haben.

4.6. Überhaupt wurde in § 1 Abs 5 des Vertrags vorgesehen, dass die Fahrzeuge allen einschlägigen rechtlichen Vorschriften und Normen sowie den anerkannten Regeln der Technik und dem Stand der Technik entsprechen müssen. Dies steht mit dem Grundsatz der Judikatur in Einklang, wonach das Risiko der Erreichung einer behördlichen Genehmigung in den Risikobereich desjenigen fällt, der sie erreichen muss (RIS-Justiz RS0018045).

5.1. Die Ausschreibung ist eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung: Als solche richtet sich im Zweifel ihr Bedeutungsinhalt danach, wie sie von einem objektiven Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung aller Umstände verstanden werden musste (BVA 29. 05. 2000, N-28/00-9 = Hörmandinger in Gast, BVergG § 78 E 12). Es gilt also der allgemeine zivilrechtliche Grundsatz, wonach maßgeblich ist, wie die Ausschreibung unter Berücksichtigung aller Umstände objektiv verstanden werden musste; maßgebend ist somit weder allein der Wille des Erklärenden, noch allein die subjektive Auslegung des Erklärungsempfängers (BVA 08. 01. 2002, N-107/01-23 = Hörmandinger in Gast, BVergG § 78 E 13).

5.2. Daraus ist für die Klägerin hier jedoch nichts zu gewinnen, weil ihr Standpunkt, es sei im Rahmen des Angebots ein „spezifisches Produkt“ vereinbart worden (gemeint der Motor M***** der Stufe IIIa), nach dem oben Gesagten nicht zutrifft. Das Ausscheiden der Technischen Option 26 bedeutete wie dargestellt nur, dass die anfangs gelieferten Triebwagen die Abgasnorm Stufe IIIb nicht zu erfüllen brauchten, bedeutete aber keinen Ausschluss dieser Abgasnorm auch für den Zeitraum des Optionsrechts der Beklagten. Der wesentliche Unterschied zwischen der „Technischen Option 26“ und der Stand-der-Technik-Klausel besteht zusammengefasst somit darin, dass sich erstere auf die Lieferung der ursprünglichen Triebwagen bezieht, während zweitere in die Zukunft wirkt. Dass es der Beklagten auf eine ganz bestimmte Motorspezifikation angekommen sei, die dann Vertragsinhalt geworden sei, lässt sich aus den Feststellungen gerade nicht ableiten.

5.3. Die Schlussbestimmung in § 31 Abs 7 des Vertrags, wonach Mehr- oder Minderkosten, die sich durch Änderungen in der vertraglichen Leistung ergeben, einvernehmlich zu vereinbaren seien, bezieht sich nicht auf Änderungen, die durch Änderungen von Gesetzen oder dem Stand der Technik bedingt sind, weil § 2 Abs 1.3 des Vertrags hiefür eigene Regeln vorsieht, die als Spezialregelung vorgehen.

5.4. Soweit die Revision (hilfsweise) auf dem Standpunkt steht, Unklarheiten im Vertrag müssten gemäß § 915 ABGB zu Lasten der Beklagten gehen, ist dem entgegenzuhalten, dass gerade keine Einschränkung auf den Motortyp M***** vorgenommen wurde, sondern dem Motor eine funktionale Leistungsbeschreibung zu Grunde gelegt wurde.

6.1. Die Revision macht geltend, aufgrund der Situation, dass Fahrzeuge mit einem Motor der Abgasnorm Stufe IIIa nicht mehr lieferbar seien, liege eine Vertragslücke vor. Es bestehe Dissens bezüglich des Entgelts bzw bezüglich der Leistung sowie eine Teilunmöglichkeit.

6.2. Diese Argumentation ist jedoch nicht stichhaltig, weil der Leistungsgegenstand der Option, nämlich die Dieseltriebwagen, in den Vertragsunterlagen genau definiert wurde: Geschuldet werden weitere Dieseltriebwagen zu den Bedingungen des Liefervertrags; es wurde auch ein Preis je Fahrzeug vereinbart. Ein Dissens liegt nicht schon dann vor, wenn bloß die subjektiven Vorstellungen einer Vertragspartei vom objektiven Vertragsinhalt abweichen (vgl RIS-Justiz RS0014704).

6.3. Auch zum in der Revision – jedoch ohne nähere Konkretisierung – vorgebrachten Standpunkt, wonach es sich bei einem in Hinblick auf den Motor mit Abgasstandard Stufe IIIb umkonstruierten Triebwagen um ein aliud handle, hat das Erstgericht bereits Stellung genommen: Für die Beurteilung, ob eine Anderslieferung (aliud) vorliegt, ist zunächst nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung zu klären, was vertraglich geschuldet war (RIS-Justiz RS0062689 [T1]). Im Hinblick darauf, dass im Vertrag bereits auf Änderungen Bezug genommen wird, die durch Änderungen in rechtlichen Vorgaben oder im Stand der Technik notwendig werden, ist die Beurteilung nicht zu beanstanden, wonach ein umkonstruierter Triebwagen kein aliud darstellen würde.

6.4. Dass die Klägerin tatsächlich nicht bereit gewesen wäre, das Risiko der Umkonstruktion der Dieseltriebsfahrzeuge auf einen Motor der Abgasnorm Stufe IIIb zu tragen, steht – wie bereits ausgeführt wurde – damit im Widerspruch, dass sie dennoch das Optionsrecht der Beklagten zur Lieferung weiterer Fahrzeuge über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Abgasnorm hinaus akzeptierte.

6.5 Was die in der Revision angesprochenen Zulassungen für Deutschland, Slowenien und Ungarn betrifft, so hat das Erstgericht festgestellt, dass diese für die Beklagte nicht wesentlich sind; die Beklagte ist bereit, darauf zu verzichten. Daraus kann also ebenfalls nichts zugunsten der Klägerin abgeleitet werden.

Zur Unmöglichkeit der Leistung

7.1. Die Revision steht auf dem Standpunkt, aufgrund des Umstands, dass Motoren der Abgasnorm Stufe IIIa nicht mehr lieferbar seien, liege eine Unmöglichkeit der Leistung vor.

7.2. Zutreffend ist nach den Feststellungen, dass Motoren der Abgasnorm Stufe IIIa nicht mehr erhältlich sind und grundsätzlich auch nicht mehr neu verwendet werden können, weil für Triebfahrzeuge mit derartigen Motoren keine Bauartgenehmigung mehr erteilt wird. Theoretisch möglich wäre aufgrund der verlängerten Bauartgenehmigung allerdings offenbar der Einbau von Motoren der Abgasnorm Stufe IIIa, wenn diese bis 31. 12. 2011 in Verkehr gebracht wurden; dies kommt hier allerdings für beide Seiten nicht in Betracht, weil dies für die Klägerin gewährungsrechtliche Nachteile bedeuten würde und die Beklagte auf fabriksneue Komponenten Wert legt. Technisch machbar ist allerdings die Durchführung von Änderungen am Triebwagen, damit ein Motor der Abgasnorm Stufe IIIb eingebaut werden kann.

7.3. Die Unmöglichkeit der Leistung wird in der Rechtsprechung dahingehend definiert, dass dem Schuldner die Bewirkung der versprochenen Leistung physisch oder rechtlich dauernd (endgültig) unmöglich geworden ist (RIS-Justiz RS0018391). Dies ist dann der Fall, wenn der Leistung ein dauerhaftes Hindernis entgegensteht: Ein solches ist anzunehmen, wenn nach der Verkehrsauffassung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden kann (RIS-Justiz RS0109496). Die Unmöglichkeit ist von demjenigen zu beweisen, der sich auf sie beruft (RIS-Justiz RS0034223). Im vorliegenden Fall ist der Klägerin dieser Beweis aber nicht gelungen, weil die aufgrund der normativen und technischen Änderungen erforderlichen Anpassungen bzw nötigen Änderungen technisch machbar sind.

7.4. Gegen eine Unmöglichkeit spricht auch, dass auch die Klägerin selbst diese nicht sogleich annahm: Als der Motorenlieferant M***** der Klägerin mitteilte, dass Motoren der Abgasnorm Stufe IIIa nur noch bis Ende 2011 produziert und ausgeliefert werden, teilte die Klägerin der Beklagten dies mit, jedoch ohne daraus ein Auslaufen des Optionsrechts der Beklagten mit Ende 2011 oder eine Unmöglichkeit der Leistungserbringung ab dem Jahr 2012 abzuleiten; mitgeteilt wurde lediglich, dass, wenn bereits in Kürze beabsichtigt sei, Optionsfahrzeuge zu bestellen, diese noch mit dem alten Motor geliefert werden könnten.

7.5. Dass bei einem Abruf der Option neue Vertragsverhandlungen gemäß § 31 Abs 7 des Vertrags geführt werden sollten, ist nicht überzeugend, weil es dem Wesen einer Option entspricht, dass es sich um ein Gestaltungsrecht handelt, das es dem Berechtigten ermöglicht, das Schuldverhältnis selbst hervorzurufen und ihm nach dieser Erklärung den Anspruch auf Erfüllung des Schuldverhältnisses einräumt (RIS-Justiz RS0019140). Einem Wunsch der Beklagten näher zu treten und über die Lieferung weiterer Triebfahrzeuge zu verhandeln, wäre daher auch ohne Option möglich gewesen; der Sinn der Option bestand gerade darin, der Beklagten ein einseitiges Recht auf Abruf weiterer Fahrzeuge einzuräumen.

7.6. Der Standpunkt der Revision, es sei nur der Stand der Technik geschuldet, wobei aber nicht feststehe, ob nur Motoren der Abgasnorm Stufe IIIb dem Stand der Technik entsprechen, lässt außer Acht, dass sich die Klausel in § 2 Abs 1.3 des Vertrags nicht nur auf Änderungen im Stand der Technik, sondern auch auf Änderungen von Gesetzen bezieht; das Inkrafttreten einer neuen (strengeren) Abgasnorm stellt aber einen solchen Fall dar. Diese Änderung war bei Vertragsschluss bereits vorhersehbar.

7.7. Auch eine Widersprüchlichkeit des Vertrags liegt nicht vor, weil im Liefervertrag wie oben dargestellt keine Spezifikation auf einen bestimmten Motortyp vorgenommen wurde; ein Widerspruch zwischen dem Motortyp und der zu erfüllenden Abgasnorm (nunmehr Stufe IIIb) liegt damit nicht vor, weil sich aus der funktionalen Leistungsbeschreibung im Vertrag gerade keine Einschränkung auf einen bestimmten geschuldeten Motortyp ergibt.

Zur Sittenwidrigkeit und zum Verstoß gegen § 79 Abs 3 BVergG 2006

8.1. Die Revision macht schließlich geltend, in der Auslegung der Vorinstanzen wäre der Liefervertrag gemäß dem von der Beklagten vorgegebenen Vertragsmuster völlig überraschend und gröblich benachteiligend; er würde außerdem gegen § 79 Abs 3 BVergG 2006 verstoßen, weil er unkalkulierbare Risiken in sich bergen würde.

8.2. Die behauptete Sittenwidrigkeit wird von der Revision nicht näher ausgeführt. Eine solche wäre nach der Judikatur etwa dann gegeben, wenn der Vertrag eine krass einseitige Benachteiligung eines Vertragspartners enthält und ihm etwa Bindungen auferlegt werden, die ihm praktisch jede Verfügungsmöglichkeit und Einflussnahme nehmen (RIS-Justiz RS0022884 [T1]). Bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob sich eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergibt (RIS-Justiz RS0022884 [T3]). Dass der Entfall der Technischen Option 26 keinen Ausschluss des Abgasstandards Stufe IIIb für die Optionsfahrzeuge in der Zukunft bedeutete, wurde aber bereits ausgeführt, sodass die von der Revision behauptete Sittenwidrigkeit nicht vorliegt. Außerdem ist das Verpflichtendwerden der Abgasnorm Stufe IIIb nicht auf eine Entscheidung der Beklagten zurückzuführen, sondern eine Entscheidung des Gesetzgebers, die nach dem Vertrag der Risikosphäre der Klägerin zugeordnet wurde.

8.3. Im Vertragsabschlusszeitpunkt am 20. 2. 2009 bestimmte § 79 Abs 3 BVergG 2006, dass die Ausschreibungsunterlagen so auszuarbeiten sind, dass die Vergleichbarkeit der Angebote sichergestellt ist und die Preise ohne Übernahme nicht kalkulierbarer Risken und – sofern nicht eine funktionale Leistungsbeschreibung gemäß § 95 Abs 3 erfolgt – ohne umfangreiche Vorarbeiten von den Bietern ermittelt werden können.

8.4. Das Erfordernis der vergleichbaren Angebote sowie das Verbot der Übertragung nicht kalkulierbarer Risken gilt für jede Art der Leistungsbeschreibung, somit auch bei funktionalen Leistungsbeschreibungen (ErläutRV 1171 BlgNR 22. GP 67). Die Ausschreibung muss so einfach gestaltet sein, dass die Bieter die Preise ohne weiteres ermitteln können (Simplizitätsgebot); die Ausschreibungsunterlagen haben daher alle für die Berechnung des Angebots wesentlichen Parameter zu enthalten (Lehner in Schwartz, BVergG 2006² § 78 Rz 5). Die Bestimmung, wonach der Auftraggeber die Pflicht hat, eine Ausschreibung derart auszuarbeiten, dass die Bieter Angebote ohne Übernahme eines nicht kalkulierbaren Risikos erstellen können, verfolgt nicht den Zweck, den Unternehmer jeglichen, sondern eben nur eines nicht kalkulierbaren Risikos seiner Kalkulation zu entheben (UVS OÖ 15. 09. 2003, VwSen-550101/7/Gf/Rt = Hörmandinger in Gast, BVergG § 78 E 32).

8.5. Ein in diesem Sinne unkalkulierbares Risiko liegt etwa vor, wenn die Ausschreibung Leistungen enthält, deren Umfang rein von in der Sphäre des Auftraggebers liegenden Umständen abhängt, die dessen alleiniger Disposition unterstehen; diese sind einer Pauschalpreiskalkulation nicht zugänglich, weil sie dem Bieter ein Preisrisiko überwälzen, das der Auftraggeber durch seine Handlungen beeinflussen kann (BVA 09. 11. 1998, N-27/98-14 = Hörmandinger in Gast, BVergG § 78 E 38). Auch das Fehlen einer synallagmatischen Beziehung, welche Entgelt und Leistung miteinander in eine nachvollziehbare und damit kalkulierbare Beziehung setzt, bedeutet ein unkalkulierbares Risiko (BVA 09. 11. 1998, N-27/98-14 = Hörmandinger in Gast, BVergG § 78 E 40). Schließlich ist auch eine Preiskalkulation ohne Zugrundelegung von – zumindest ungefähren – Mengenausmaßen nach unternehmerisch vernünftigen Gesichtspunkten nicht möglich (BVA 25. 09. 2004, 15N-69/04-21 = Hörmandinger in Gast, BVergG § 78 E 46). Auch eine Festlegung, wonach durch Winter bzw Schlechtwetter bedingte Erschwernisse nicht gesondert vergütet werden, überbindet den Bietern ein unkalkulierbares Risiko (VKS Wien 13. 03. 2008, VKS-21/08 = Hörmandinger in Gast, BVergG § 78 E 15).

8.6. Hat der Bieter die Genehmigungsfähigkeit der von ihm angebotenen Anlage zu garantieren, liegt hierin hingegen keine unzulässige Risikoüberwälzung, wenn der Ausschreibung und den beigegebenen Leitlinien Anhaltspunkte hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit zu entnehmen sind (BVA 31. 01. 2000, N-42/99-48 = Hörmandinger in Gast, BVergG § 78 E 55). Ein Angebotspreis ist auch nicht unkalkulierbar, wenn der Auftraggeber für ausschreibungsgegenständliche Anlagen mit einer Lebensdauer von 30 Jahren eine 10-jährige Ersatzteilliefergarantie fordert, zumal diese Forderung sachlich gerechtfertigt und angemessen ist (BVA 25. 09. 2007, N/0078-BVA/14/2007 = Hörmandinger in Gast, BVergG § 78 E 60).

8.7. Ausgehend von diesen Entscheidungen ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen einen Verstoß der Ausschreibungsunterlagen gegen § 79 Abs 3 BVergG 2006 verneint haben. Eine Preistransparenz ist durch die nach Maßgabe der Abnahmemengen gestaffelten Preisvereinbarungen gegeben (vgl § 4 des Vertrags); zudem wird der Klägerin der Aufwand für die Anpassung unter Umständen durch den Ersatz ihrer Selbstkosten abgegolten (§ 2 Abs 1.3 des Vertrags). Diese Nachteilsabgeltung in Verbindung mit der zahlenmäßigen Festlegung der Anzahl der Züge, für die der Beklagten das Optionsrecht eingeräumt wurde, führt aber dazu, dass eine Kalkulierbarkeit der ausgeschriebenen Leistungen gegeben ist (vgl VKS Wien 14. 06. 2005, VKS-1352/00 ua = Hörmandinger in Gast, BVergG § 78 E 58). Ähnlich ist nach zivilrechtlicher Judikatur ein Kaufpreis bestimmbar, wenn auf die Selbstkosten des Verkäufers abgestellt wird (RIS-Justiz RS0020018).

8.8. Die Frage, ob der Klägerin für die Anpassung ein Entgelt zusteht und wenn ja in welcher Höhe, muss im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden, weil sich das gestellte Festellungsbegehren nur auf die Frage bezieht, ob die Beklagte überhaupt einen Anspruch auf die Lieferung weiterer Dieseltriebwagen hat. Letztlich könnte dies aber in Übereinstimmung mit dem Erstgericht entsprechend § 2 Abs 1.3 des Vertrags in der Höhe der Selbstkosten der Klägerin zu bejahen sein, weil die Klägerin die Kosten für die Umkonstruktion zum Zeitpunkt der Erteilung der Bauartgenehmigung noch nicht vorhersehen konnte, zumal der neue Motor, der die Abgasnorm Stufe IIIb erfüllt, damals noch nicht verfügbar war, sondern erst im Jahr 2012 entwickelt wurde.

9. Zusammenfassend vermag die Revisionswerberin sohin keine Rechtsfrage der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuzeigen, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

Textnummer

E124391

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00015.19B.0227.000

Im RIS seit

26.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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