TE OGH 2018/7/4 7Ob120/18z

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Veröffentlicht am 04.07.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr.

 Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** B*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei V*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Schlösser & Partner Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 34.900 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. April 2018, GZ 1 R 153/17b-39, den

Beschluss

gefasst:

Text

Begründung:

1. Der Versicherer ist leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall im Sinn des § 61 VersVG grob fahrlässig herbeigeführt hat. Dabei handelt es sich um einen (verhaltensabhängigen) Risikoausschluss (RIS-Justiz RS0080128 [T2]).

2.1 Grobe Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Gesetzesstelle liegt vor, wenn sich das Verhalten des Schädigers aus der Menge der sich auch für den Sorgsamstem nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeithandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt (RIS-Justiz RS0031127 [T27]: vgl auch RS0030477; RS0030359). Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahe liegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen (RIS-Justiz RS0030324 [T2]; RS0031127 [T28]; RS0080414 [T3]). Zur Annahme grober Fahrlässigkeit ist es erforderlich, dass bei Vorliegen eines objektiv groben Verstoßes dem Kläger dieser auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RIS-Justiz RS0030272 [T17, T31]). Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu einer Sorgfaltsanpassung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden in Betracht (RIS-Justiz RS0030331). In diesem Sinn ist für das Versicherungsvertragsrecht anerkannt, dass grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen (RIS-Justiz RS0030331; RS0080371 [T1]). Eine Reihe jeweils für sich allein nicht grob fahrlässiger Fehlhandlungen kann in ihrer Gesamtheit grobe Fahrlässigkeit begründen. Voraussetzung hiefür ist, dass sie in ihrer Gesamtheit als den Regelfall weit übersteigende Sorglosigkeit anzusehen sind (RIS-Justiz RS0030372).

2.2 Ob eine Fehlhandlung wegen ihres besonderen Gewichts oder einzelne, für sich genommen nicht grob fahrlässige Handlungen in ihrer Gesamtheit und Häufung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigen, ist bei Vertretbarkeit der von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0044262 [T46, T48 bis T50]). Die Revision ist nur dann zulässig, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme oder die Verneinung grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspricht (RIS-Justiz RS0087606 [T22]). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

2.3 Wenn das Berufungsgericht das festgestellte Verhalten des Klägers, eines gelernten Schlossers, der sich, auch wenn er damals über keine spezifische kraftfahrtechnische Ausbildung verfügte, so doch seit Jahren intensiv mit Motorrädern und deren Reparatur beschäftigte, als grob fahrlässig qualifizierte, weil er in seiner Werkstatt mit drei hochentzündlichen Flüssigkeiten (Benzin, Bremsenreiniger und Starthilfespray) hantierte, dabei den Bremsenreiniger über Stunden in einer offenen Wanne stehen ließ, und in weiterer Folge, ohne sämtliche Lüftungsmöglichkeiten zu nutzen, den mit entsprechenden Warnhinweisen versehenen Starthilfespray einsetzte und versuchte das Motorrad zu starten, was aufgrund der im Raum aufkumulierten Dämpfe der brennbaren Flüssigkeiten zu einer Explosion führte, ist dies nicht zu beanstanden.

2.4 Gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts vermag der Kläger keine stichthaltigen Argumente zu bringen:

So meint der Kläger, dass die Brandursache ungeklärt sei, weshalb die Grundlage dafür fehle, das Brandgeschehen auf sein schuldhaftes Verhalten zurückzuführen. Entgegen seiner Ansicht ergibt sich aber aus den Feststellungen eindeutig, dass es beim Versuch, das Motorrad zu starten, zu einer Explosion im gesamten Garagenraum aufgrund der im Raum aufkumulierten Dämpfe der brennbaren Flüssigkeiten gekommen ist.

Auf die Frage, ob der Kläger hätte erkennen können, dass sich die entzündlichen Dämpfe am Boden ablagern, sodass das Kippen von zwei Fenstern keine große Auswirkung auf die Ansammlung brennbarer Flüssigkeitsdämpfe im Raum hatte, kommt es nicht an. Gerade bei Unkenntnis der Entwicklung und des Zusammenwirkens von Dämpfen der auch dem Kläger erkennbar hochentzündlichen Flüssigkeiten wären besondere Vorsichtsmaßnahmen – hier jedenfalls die Ausnutzung sämtlicher Lüftungsmöglichkeiten – geboten.

3. Es werden keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Textnummer

E122261

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00120.18Z.0704.000

Im RIS seit

01.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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