TE OGH 2010/2/23 4Nc3/10v

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Veröffentlicht am 23.02.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. R***** B*****, gegen die beklagte Partei Dr. I***** B*****, wegen Zahlung eines unbestimmten Geldbetrags, über das Ersuchen des Bezirksgerichts Meidling um Entscheidung nach § 47 JN den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Bezirksgericht Linz ist zur Verhandlung und Entscheidung über die am 3. November 2009 eingebrachte Klage zuständig. Sein anderslautender Beschluss vom 4. November 2009, ON 3, wird aufgehoben.

Text

Begründung:

In einem Vorverfahren hatte Dr. R***** B***** beim Bezirksgericht Linz gegen die im Sprengel dieses Gerichts ansässige Dr. I***** B*****-L***** für den Zeitraum von September bis Dezember 1998 die „rückwirkende Bemessung des Unterhalts" für die inzwischen volljährig gewordene gemeinsame Tochter beantragt. Das Bezirksgericht Linz erklärte sich für unzuständig und überwies den Antrag nach § 44 Abs 1 JN an das „nicht offenbar unzuständige" Bezirksgericht Meidling. Grund dafür war anscheinend der Umstand, dass die Tochter im Sprengel dieses Gerichts wohnhaft war. Das Bezirksgericht Meidling wies den Antrag mit der Begründung „zurück", dass der Antragsteller nicht legitimiert sei, Unterhalt für seine bereits volljährige Tochter zu begehren. Es stehe ihm aber frei, eine Klage nach § 1042 ABGB einzubringen. Beide Beschlüsse wurden rechtskräftig.

Am 3. November 2009 langte beim Bezirksgericht Linz die hier zu beurteilende, als „Klage wegen ausstehenden Unterhaltszahlungen" bezeichnete Eingabe des Vaters ein. Ihr Einleitungssatz lautet: „Ich [...] erhebe die nachstehende Klage an das Bezirksgericht Linz." In weiterer Folge behauptet der Vater wie im vorausgegangenen „Antrag", dass die Tochter von September bis Dezember 1998 bei ihm gewohnt habe. Daraus leitet er die Pflicht der Mutter ab, ihm für diesen Zeitraum den angemessenen Unterhalt für die Tochter zu zahlen.

Dennoch sprach das Bezirksgericht Linz mit Beschluss vom 4. November 2009 (ON 3) neuerlich seine Unzuständigkeit aus und überwies die „Familienrechtssache" wieder an das „nicht offenbar unzuständige" Bezirksgericht Meidling. Im Rubrum seines Beschlusses nannte es die Tochter des Einschreiters als von diesem vertretene Antragstellerin. Die Begründung erschöpfte sich in einem Hinweis auf § 44 Abs 1 JN.

Das Bezirksgericht Meidling sandte den Akt dem Bezirksgericht Linz mit dem Hinweis zurück, dass ein „C-Akt" zu eröffnen gewesen wäre; die Beklagte sei im Sprengel des Bezirksgerichts Linz wohnhaft. Das Bezirksgericht Linz retournierte den Akt, weil „im Hinblick auf das Klagebegehren und das Vorbringen" davon „auszugehen" sei, dass der Vater einen Anspruch des Kindes geltend mache. Es ersuchte daher „um Beschlussfassung bzw um Vorlage an die zuständige Instanz zur Lösung eines Kompetenzkonflikts".

Daraufhin legte das Bezirskgericht Meidling die Akten sofort dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt vor. Der Senat stellte sie mit Beschluss vom 16. Dezember 2009, 4 Nc 24/09f, zurück, da die Entscheidung nach § 47 JN den rechtskräftigen Ausspruch der Unzuständigkeit durch beide in Betracht kommende Gerichte voraussetze.

Im fortgesetzten Verfahren sprach das Bezirksgericht Meidling seine Unzuständigkeit aus. Es liege eine Klage des Vaters gegen die im Sprengel des Bezirksgerichts Linz ansässige Mutter vor; eine Überweisung nach § 44 JN sei daher nicht zulässig. Diesen Beschluss stellte das Bezirksgericht Meidling zusammen mit dem Überweisungsbeschluss des Bezirksgerichts Linz dem Vater, der Mutter und der Tochter zu. Beide Beschlüsse blieben unbekämpft.

Nunmehr legt das Bezirksgericht Meidling die Akten neuerlich zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt vor.

Rechtliche Beurteilung

Dazu hat der Senat Folgendes erwogen:

1. Nach § 47 Abs 1 JN sind Streitigkeiten zwischen verschiedenen Gerichten erster Instanz über die Zuständigkeit für eine bestimmte Rechtssache von dem diesen Gerichten zunächst übergeordneten gemeinsamen höheren Gericht zu entscheiden. Voraussetzung für eine solche Entscheidung ist, dass rechtskräftige die Zuständigkeit verneinende Beschlüsse der in Betracht kommenden Gerichte vorliegen (RIS-Justiz RS0118692, RS0046299 [T1]). Das trifft nun zu.

2. Bei der Entscheidung nach § 47 JN ist zwar nach ständiger Rechtsprechung ein Überweisungsbeschluss nach § 44 Abs 1 JN zu beachten. Denn ein solcher Beschluss bindet das Gericht, an das die Sache überwiesen wurde, zumindest insofern, als dieses Gericht seine Zuständigkeit nicht wegen der Zuständigkeit des überweisenden Gerichts verneinen kann (RIS-Justiz RS0002439 [T1]). Das gilt auch dann, wenn der Überweisungsbeschluss sachlich falsch oder bei Beschlussfassung durch das Gericht, an das überwiesen wurde, noch nicht rechtskräftig war (RIS-Justiz RS0002439 [T2, T3, T4, T5]).

3. § 44 JN ist allerdings nur in Außerstreit-, Exekutions-, Sicherungs- und Insolvenzverfahren anwendbar (Ballon in Fasching/Konecny§ 44 JN Rz 1; Mayr in Rechberger§ 44 JN Rz 2). Demgegenüber macht der Einschreiter im vorliegenden Fall ganz offenkundig eigene Ansprüche gegen seine frühere Ehegattin geltend, die auf den Rechtsweg gehören. Das ergibt sich nicht nur aus der Bezeichnung seiner Eingabe als „Klage", sondern auch aus dem Begehren, der Mutter die Zahlung des Unterhalts für die strittige Zeit an den Vater aufzutragen, sowie aus der im Vorverfahren ergangenen Entscheidung des Bezirksgerichts Meidling, die den Vater ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Klage nach § 1042 ABGB hinwies. Auf dieser Grundlage ist die Annahme des Bezirksgerichts Linz, der Vater mache (neuerlich) als Vertreter der (längst volljährigen) Tochter deren Unterhaltsansprüche geltend, nicht nachvollziehbar. Vielmehr besteht kein Zweifel, dass die Eingabe als Klage auf Zahlung eines noch unbestimmten Geldbetrags zu werten und daher im streitigen Verfahren zu behandeln ist.

4. Im Zivilprozess ist eine Überweisung nach § 44 Abs 1 JN nicht vorgesehen. Der Beschluss des Bezirksgerichts Linz ist daher nicht bloß sachlich falsch (oben Punkt 2), sondern er ist - wie etwa die Bewilligung einer Wiedereinsetzung im Exekutionsverfahren (RIS-Justiz RS0002135) - dieser Verfahrensart von vornherein fremd. Damit kann er (auch) bei der Entscheidung über den Kompetenzkonflikt keine Bindungswirkung entfalten. Eine Umdeutung in einen - nach der Rechtsprechung ebenfalls bindenden (RIS-Justiz RS0039961, RS0039922, RS0039931) - Beschluss nach § 261 Abs 6 oder § 230a ZPO ist nicht möglich, weil der Kläger keinen Überweisungsantrag gestellt hat. Es ist daher inhaltlich zu prüfen, welches der beiden in Betracht kommenden Gerichte örtlich zuständig ist.

5. Die Beklagte hat ihren allgemeinen Gerichtsstand im Sprengel des Bezirksgerichts Linz. Dies begründet nach § 65 JN die Zuständigkeit dieses Gerichts. Daher war auszusprechen, dass das Bezirksgericht Linz für die Verhandlung und Entscheidung über die am 3. November 2009 eingebrachte Klage zuständig ist. Sein anderslautender Beschluss vom 4. November 2009, ON 3, war aufzuheben (RIS-Justiz RS0046377). Das Bezirksgericht Linz wird daher nach Zustellung dieses Beschlusses (§ 47 Abs 3 JN) das gesetzmäßige (Verbesserungs-)Verfahren über die Klage einzuleiten haben.

Textnummer

E93260

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0040NC00003.10V.0223.000

Im RIS seit

27.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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