TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/29 C5 252711-2/2008

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Veröffentlicht am 29.08.2008
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Spruch

C5 252.711-2/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde des A.M., geb. 00.00.1981, StA. Bangladesch, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.6.2008, 08 03.095-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 23 AsylGHG und § 10 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 BG BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

1.1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Bangladesch', stellte am 7.4.2004 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt (Außenstelle Wien) am 3.8.2004 gab er - gerafft wiedergegeben - an, er sei 1996 der Awami League beigetreten. Im Oktober 2001 sei die BNP (offenbar die Bangladesh Nationalist Party) an die Macht gekommen; danach seien die Mitglieder der Awami League landesweit verfolgt worden. Er sei unter Druck gesetzt worden, der BNP beizutreten, und habe danach Schwierigkeiten mit der Polizei bekommen. Sein Neffe (nach einer späteren Angabe der Neffe eines Funktionärs) sei von Mitgliedern der BNP erschossen worden. Auch er selbst sei dann gesucht und bei einer Schießerei sei sein Mieter getötet worden. Im Feber 2004, etwa zehn Tage vor seiner Ausreise, sei er angezeigt worden.

 

1.1.2. Mit Bescheid vom 10.8.2004, 04 06.860-BAW, wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76 (in der Folge: AsylG 1997) idF BG BGBl. I 126/2002 (und der Kundmachung BGBl. I 105/2003) ab (Spruchpunkt I); gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der Asylgesetznovelle 2003 BGBl. I 101 (AsylGNov. 2003) erklärte es, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch sei zulässig (Spruchpunkt II); gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 wies es den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet aus (Spruchpunkt III). Das Bundesasylamt beurteilte das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht als glaubwürdig und begründete dies näher. Weiters verneinte das Bundesasylamt, dass der Beschwerdeführer iSd § 8 Abs. 1 AsylG 1997 iVm § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 BGBl. I 75 (in der Folge: FrG) bedroht oder gefährdet sei, und begründete abschließend seine Ausweisungsentscheidung.

 

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer eine Berufung ein, über die der unabhängige Bundesasylsenat am 11.10.2007 eine Verhandlung durchführte. Der Beschwerdeführer erstattete ein Vorbringen, das in den Grundzügen dem Vorbringen vor dem Bundesasylamt entsprach. Mit Bescheid vom 19.11.2007, 252.711/0/4E-XIII/66/04, wies der unabhängige Bundesasylsenat die Berufung gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997 mit der Maßgabe ab, dass Spruchpunkt III zielstaatsbezogen zu formulieren sei. Die Berufungsbehörde beurteilte das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht als glaubwürdig und begründete dies näher. Weiters führte sie aus, in Bangladesch würden Gruppen, denen der Berufungswerber angehöre, nicht systematisch verfolgt; die Übergangsregierung gehe aktiv gegen die landesweit bestehende Korruption und die Verflechtung der politischen Parteien mit dem Sicherheitsapparat vor, sodass nicht von einer Gruppenverfolgung von Mitgliedern politischer Parteien gesprochen werden könne. Weiters verneinte die Berufungsbehörde, dass der Beschwerdeführer iSd § 8 Abs. 1 AsylG 1997 bedroht oder gefährdet sei, und begründete abschließend ihre Ausweisungsentscheidung.

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 3.12.2007 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt. Mit Beschluss vom 29.2.2008 lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer dagegen gerichteten Beschwerde ab.

 

1.2.1. Am 5.4.2008 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge auch als Asylantrag bezeichnet). Bei seinen Einvernahmen vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizeiinspektion Traiskirchen EAST) am 5.4.2008 und vor dem Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen) am 23.4.2008 und am 2.5.2008 gab er an, er halte sich seit dem 6.4.2004 in Österreich auf und halte die Angaben seines ersten Asylantrages "vollinhaltlich aufrecht". Er habe Angst, im Falle einer Rückkehr getötet zu werden; derzeit sei in Bangladesch eine Sondereinheit der Sicherheitsbehörde namens RAB aktiv, die willkürlich Leute umbringe. In Bangladesch sei ein Ausnahmezustand ausgerufen worden. Vor dem Bundesasylamt brachte er ergänzend vor, nach der Tötung des Neffen eines Funktionärs der Awami League seien insgesamt fünf Personen, darunter er selbst, wegen Mordes angezeigt worden. Drei der anderen Angeklagten seien im Oktober 2007, im Dezember 2007 und im Feber 2008 durch die RAB getötet worden, nachdem sie aus dem Ausland nach Bangladesch zurückgekehrt seien. Danach seien verstärkt polizeiliche Razzien durchgeführt worden, um den Beschwerdeführer zu verhaften. Dass auch andere Personen wegen desselben Deliktes angezeigt worden seien, habe er im ersten Asylverfahren nicht angegeben, weil er die Anzahl nicht gekannt habe. Die drei Personen seien erst nach der Berufungsverhandlung getötet worden; er habe davon Ende März 2008 durch ein Telefonat mit einem Parteifunktionär erfahren. Falls er nicht getötet werde, habe er Angst, sein Leben in Untersuchungshaft verbringen zu müssen. Das Höchstgericht in Bangladesch habe ein Dekret erlassen, wonach Angeklagte, gegen die ein Strafverfahren anhängig sei, nicht gegen Kaution freigelassen würden. Die Gerichte seien so überlastet, dass ein Verfahren etwa fünf Jahre dauere.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt diesen - zweiten - Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005 - in der Folge: AsylG) aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch aus (Spruchpunkt II). Begründend führte es aus, die den Beschwerdeführer "treffende allgemeine maßgebliche Lage im Herkunftsland" habe sich nicht geändert. Das erste Asylverfahren sei am 3.12.2007 rechtskräftig abgeschlossen worden, in diesem Verfahren seien alle bis zur Entscheidung entstandenen Sachverhalte berücksichtigt worden, sodass darüber nicht mehr neuerlich zu entscheiden sei. Der Beschwerdeführer habe bei seinen Einvernahmen am 23.4.2008 und am 2.5.2008 nur Gründe vorgebracht, die bereits Gegenstand des ersten Asylverfahrens gewesen seien. Weiters habe er angegeben, im März 2008 von der Tötung weiterer Angeklagter erfahren zu haben; dabei habe er sich aber immer mehr in Ungereimtheiten verwickelt. Auf Grund der gehäuften Widersprüche, der Unplausibilitäten und der Steigerung des Vorbringens sei davon auszugehen, dass die Schilderungen des Beschwerdeführers nicht zuträfen und unglaubwürdig seien. Die neu angegebenen Gründe hätten sich bereits vor dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Verfahrens "zugetragen" und seien daher "keine neuen Gründe". Die Aufrechterhaltung derselben Verfolgungsbehauptung und die Bezugnahme darauf seien nur als Bekräftigung bzw. als Behauptung des "Fortbestehens und Weiterwirkens" (Hinweis auf VwGH 20.3.2003, 99/20/0480) zu verstehen. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen hätten nichts mit seinem behaupteten Fluchtgrund zu tun, sondern berichteten allgemein über die Lage in Bangladesch, die sich nicht geändert habe. Abschließend begründete das Bundesasylamt seine Ausweisungsentscheidung.

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 17.6.2008 persönlich ausgefolgt und damit zugestellt; am 18.6.2008 wurde er seinem rechtsfreundlichen Vertreter zugestellt.

 

1.2.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte Beschwerde vom 2.7.2008, die - obwohl nach dem 30.6.2008 eingebracht - noch als Berufung bezeichnet, aber dessen ungeachtet als Beschwerde zu behandeln ist. Darin wird vorgebracht, der angefochtene Bescheid stelle lediglich auf die Einvernahme in der Schubhaft (die Einvernahme vom 5.4.2008) ab; damit sei dem Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen, seine Behauptungen durch Beischaffung von Beweismitteln zu untermauern. Daneben sei nicht geprüft worden, ob sich der "äußere Sachverhalt im Herkunftsstaat" geändert habe. Vom Sachverhalt werde nicht nur die Fluchtgeschichte, sondern auch die Sicherheits-, Rechts- und politische Lage im Herkunftsstaat umfasst.

 

2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

2.1.1.1. Der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 19.11.2007 wurde dem Beschwerdeführer am 3.12.2007 durch Hinterlegung zugestellt und ist seither rechtskräftig.

 

2.1.1.2. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG ist das AsylG am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

 

Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; es ist daher nach dem AsylG zu führen.

 

2.1.2. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge: AsylGHG, Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008) ist auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Die Zuständigkeit des Einzelrichters ergibt sich aus § 61 Abs. 3 Z 1 lit. c und Z 2 AsylG.

 

2.2.1.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 23 AsylGHG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2007, 2004/20/0100). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

 

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. zB VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund des selben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn das selbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN; 24.8.2004, 2003/01/0431).

 

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen iSd § 18 Abs. 1 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG, nämlich § 28 AsylG 1997). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 4.5.2000, 98/20/0578; 4.5.2000, 99/20/0193; 7.6.2000, 99/01/0321; 21.9.2000, 98/20/0564; 20.3.2003, 99/20/0480; 4.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226; 29.9.2005, 2005/20/0365; 25.4.2007, 2004/20/0100). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).

 

Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH 29.9.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 16.2.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391; 26.7.2005, 2005/20/0343; 27.9.2005, 2005/01/0363; 22.12.2005, 2005/20/0556; 22.6.2006, 2006/19/0245; 21.9.2006, 2006/19/0200; 25.4.2007, 2005/20/0300; vgl. weiters VwGH 26.9.2007, 2007/19/0342).

 

2.2.1.2. Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. zB VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).

 

Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat; in der Berufung (hier: Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.5.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 4.4.2001, 98/09/0041; 25.4.2002, 2000/07/0235). Allgemein bekannte Tatsachen hat das Bundesasylamt jedoch als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321; 29.6.2000, 99/01/0400).

 

Aus dem Neuerungsverbot im Berufungsverfahren (hier: Beschwerdeverfahren) folgt, dass die Berufungsbehörde (hier: der Asylgerichtshof) den bekämpften Bescheid in sachverhaltsmäßiger Hinsicht bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bundesasylamtes zu kontrollieren hat.

 

2.2.1.3. "Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).

 

2.2.2.1. Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 AsylGHG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

2.2.2.2. Der Beschwerdeführer hat selbst angegeben, er habe Österreich seit dem 6.4.2004 nicht verlassen und halte die Angaben seines ersten Asylantrages "vollinhaltlich aufrecht". Bei der Einvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes berief er sich auf die allgemeine Situation in Bangladesch; eine Sondereinheit der Sicherheitsbehörde namens RAB bringe willkürlich Leute um. Erst bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt versuchte der Beschwerdeführer, eine Beziehung zu seiner eigenen Fluchtgeschichte herzustellen, verwickelte sich aber dabei in Widersprüche, die im angefochtenen Bescheid zutreffend dargestellt sind. Letztlich konnte er nicht erklären, woher er von der behaupteten Tötung dreier Mitangeklagter wisse. Der Asylgerichtshof schließt sich daher den (Negativ-)Feststellungen zum Sachverhalt und der dazu führenden Beweiswürdigung an (vgl. VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/0460). Soweit daher von einer neuen Sachverhaltsbehauptung auszugehen ist, weist sie keinen "glaubhaften Kern" im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. oben Pt. 2.2.1.1) auf. Dagegen ist das Bundesasylamt - vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - zu Unrecht davon ausgegangen, die Bezugnahme auf eine frühere Verfolgungsbehauptung sei (von Vornherein) keine Behauptung eines geänderten Sachverhaltes, sondern eine Bekräftigung. Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nämlich - wie oben ausgeführt - nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist.

 

Die Einschätzung, dass kein "glaubhafter Kern" vorliege, kann auch durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden: Mit dem Vorbringen, der angefochtene Bescheid stelle nur auf die Ausführungen des Beschwerdeführers bei der Einvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes ab und dem Beschwerdeführer sei "daher" die Möglichkeit genommen, seine Behauptungen durch Beischaffung von Beweismitteln zu untermauern, wird eine unschlüssige Beweiswürdigung nicht dargetan. Der Beschwerdeführer hat selbst angegeben, dass es keine Beweismittel gebe, die seine Fluchtgeschichte untermauerten; bei der Erzählung, dass drei seiner Mitangeklagten getötet worden seien, hat er sich in die mehrfach erwähnten Widersprüche verwickelt. Soweit die Beschwerde auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat hinweist, ist ihr zu entgegnen, dass sich das Bundesasylamt damit auseinandergesetzt hat und dass auch die Beschwerde nicht darlegt, in wieweit sich insofern ein neuer Sachverhalt ergeben sollte.

 

2.2.2.3. Somit hat sich weder im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch im Hinblick auf jenen, der von Amts wegen aufzugreifen ist, die maßgebliche Sachlage geändert. Das neue Begehren zielt auf dasselbe wie das ursprüngliche, nämlich darauf, dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren. Auch die maßgebliche Rechtslage hat sich nicht geändert, da durch § 75 Abs. 4 AsylG klargestellt ist, dass ua. abweisende Bescheide auf Grund des AsylG 1997 in derselben Sache in Verfahren nach dem AsylG den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache iSd § 68 AVG begründen.

 

Mithin steht die Rechtskraft des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates vom 19.11.2007 einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Das Bundesasylamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit seinem zweiten Asylantrag die Überprüfung eines der Beschwerde nicht mehr unterliegenden Bescheides begehrt hat. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I war daher abzuweisen.

 

2.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine zurückweisende Entscheidung nach dem AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden; die Ausweisung gilt gemäß § 10 Abs. 4 AsylG stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie Art. 8 MRK verletzen würde oder wenn dem Fremden ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt. Würde ihre Durchführung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen und nicht von Dauer sind, Art. 3 MRK verletzen, so ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG (idF der K BGBl. I 75/2007) die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

Bei der Abwägung, die durch Art. 8 MRK vorgeschrieben wird, stehen die Interessen des Fremden an seinem Verbleib im Inland, die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützt sind, dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.516/2005 (Pt. IV.2.1), das zur Vorgängerbestimmung des § 10 AsylG ergangen ist (nämlich zu § 8 Abs. 2 AsylG 1997), beabsichtigt der Gesetzgeber, "durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern". Dem in § 37 FrG verankerten Ausweisungshindernis durfte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Bedeutung unterstellt werden, "es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen" (VwGH 22.3.2002, 99/21/0082 mwN). Nichts anderes kann aber für die durch das AsylG vorgeschriebene Abwägung gelten, hat doch der Verfassungsgerichtshof (zu § 8 Abs. 2 AsylG 1997) ausgesprochen (VfSlg. 17.516/2005 [Pt. IV.3.2]): "§ 37 FrG legt [...] Kriterien fest, die sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [...] zu Art. 8 EMRK in Fällen der Außerlandesschaffung eines Fremden ergeben und die von den Asylbehörden bei Ausweisungen nach § 8 Abs. 2 AsylG, auch wenn sie dort nicht genannt sind, zu beachten sind."

 

Da die Voraussetzungen für eine Ausweisung vorliegen, ist der Beschwerdeführer auszuweisen.

 

2.3.2. Das Bundesasylamt hat die durch Art. 8 Abs. 2 MRK vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer bisher nur auf Grund von Asylanträgen zum Aufenthalt berechtigt war, die sich letztlich als nicht begründet erwiesen haben (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 sowie mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs. 1 FrG zB VwGH 20.12.1999, 99/18/0409;

17.12.2001, 2001/18/0232; 17.12.2001, 2001/18/0234; 17.12.2001, 2001/18/0142; 17.12.2001, 2001/18/0162; 31.10.2002, 2002/18/0217;

27.2.2003, 2003/18/0020; 26.6.2003, 2003/18/0141; 10.9.2003, 2003/18/0147; 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027;

27.4.2004, 2000/18/0257; 8.3.2005, 2005/18/0044; weiters VfGH 29.9.2007, B 1150/07, wonach bei der Abwägung zu berücksichtigen ist, ob sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, und daran anschließend VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216). Dem Beschwerdeführer kommt auch kein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zu; es gibt weiters keine Hinweise darauf, dass die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in seiner Person liegen und die nicht von Dauer sind, Art. 3 MRK verletzen könnte.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II war daher gleichfalls abzuweisen.

 

2.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 erster Satz AsylG entfallen.

Schlagworte
Ausweisung, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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