TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/30 2005/18/0197

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Veröffentlicht am 30.06.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §3;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §37;
AVG §68 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §75 Abs5;
MRK Art3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des F, geboren 1973, vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG, 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 6. April 2005, Zl. St 69/05, betreffend Zurückweisung eines Feststellungsantrages gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Juli 2003 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG, abgewiesen und festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Kosovo gemäß § 8 leg. cit. zulässig sei.

Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. August 2003 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof abgelehnt.

2. In dem gegen den Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (der Erstbehörde) geführten Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung begründete der Beschwerdeführer seinen am 3. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo mit Schreiben vom 25. Jänner 2005 damit, es sei ihm auf Grund der wirtschaftlichen und sozialen Situation im Kosovo nicht zuzumuten, dorthin zurückzukehren. Das Haus seiner Eltern sei überfüllt. Er könne im Kosovo keine Arbeit finden. Er sei im Sommer 2002 nach Österreich gekommen und habe hier einen Asylantrag gestellt. "Seither" habe sich die wirtschaftliche und soziale Lage im Kosovo noch weiter verschlechtert. Durch die vielen Rückkehrer würden jährlich bis zu 30.000 neue junge arbeitsfähige Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen.

3. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (der Erstbehörde) vom 10. Februar 2005 als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt 2.). Begründend führte die Erstbehörde aus, dass eine rechtskräftige Entscheidung der Asylbehörde vorliege, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Kosovo zulässig sei. Da diese Frage bereits Gegenstand der Entscheidung der Asylbehörde gewesen sei, sei "ein individueller Abspruch nach § 75 FrG gesetzlich ausgeschlossen".

4. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 6. April 2005 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Zurückweisung seines Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen (Spruchpunkt II.).

Der Beschwerdeführer sei am 31. Juli 2002 illegal unter Mithilfe eines Schleppers und gegen Bezahlung eines Schlepperlohnes von EUR 1.500,-- nach Österreich eingereist. Er habe seinen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo u.a. damit begründet, er könnte nicht dahin zurückkehren, da ihm nicht zugemutet werden könnte, bei seiner eigenen Familie im Dorf P. Aufenthalt zu nehmen, zumal in dem kriegsbeschädigten Haus, welches zwar notdürftig instand gesetzt worden wäre und welches aus vier Wohnräumen bestünde, seine Eltern, die väterliche Großmutter, zwei Schwestern, ein kleiner Bruder sowie ein großer Bruder mit Ehefrau und Kindern leben würden. Er hätte trotz aller Bemühungen keine Arbeit finden können. Er wollte eine eigene Familie gründen, ein selbständiges Leben führen und in der Lage sein, seinen eigenen Lebensunterhalt sowie den seiner zukünftigen Angehörigen aus einem angemessenen Arbeitslohn zu bestreiten. Den im Kosovo Betroffenen würde es an der notwendigen Lebensgrundlage fehlen. Die Lage im Kosovo wäre durch das Versiegen der internationalen Hilfsgelder weiter verschlechtert worden. Es handelte sich um Tatsachen, die erst nach der asylrechtlichen Entscheidung eingetreten seien und Refoulementschutz gemäß § Art. 3 EMRK begründen würden.

Das Bundesasylamt habe im Bescheid vom 4. Juli 2003 im Zusammenhang mit § 8 AsylG zu der im Kosovo vorliegenden Situation Folgendes ausgeführt:

"Fest steht allerdings, dass es durch die Kampfhandlungen und mutwilligen Zerstörungen im Kosovo bis Juni 1999 zu einer umfassenden Beschädigung der Infrastruktur und zu einer nicht unbeträchtlichen Verschlechterung der allgemeinen Lebensbedingungen gekommen ist, doch kann weder aus dem Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen noch aus Berichten von UNHCR, SCE, EU und anderer befasster Institutionen sowie der internationalen Berichterstattung ein Hinweis entnommen werden, dass es derzeit zurückkehrenden kosovarischen Albanern grundsätzlich an der notdürftigsten Lebensgrundlage fehlen würde, was die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 MRK bei einer allfälligen Rückkehr indizieren würde. Vielmehr ergibt sich angesichts umfassender Hilfsmaßnahmen der internationalen Staatsgemeinschaft wie zahlreicher internationaler Organisationen, dass sich die Lebensumstände in allen Bereichen erheblich verbessert haben.

Bestehende schwierige Lebensumstände sind jedoch - wie auch im vorliegenden Fall - allgemeiner Natur, die jeder hinnehmen muss.

Aus den aktuellen Verhältnissen in der Provinz Kosovo sind im Lichte der obigen Ausführungen keine Gefahren i.S. des § 57 FrG bzw. die Unzumutbarkeit der Rückkehr auf Grund der individuellen konkreten Lebensumstände darzutun. Sie erklärten auch ausdrücklich, dass Ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage gewährleistet ist."

Der unabhängige Bundesasylsenat habe in seinem Bescheid vom 5. August 2003 zur Situation im Kosovo Folgendes ausgeführt:

"Soweit sich der Berufungswerber in der Sache auf die schlechte wirtschaftliche Situation im Kosovo beruft, so sind derart exzeptionelle Umstände, die eine Rückführung im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten, im Falle des Berufungswerbers nicht ersichtlich vgl. zu Art. 3 EMRK z.B. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Hiezu kommt, dass vor dem Hintergrund der vom Bundesasylamt zutreffend dargestellten Verhältnisse im Kosovo (...) schon im Allgemeinen nicht ersichtlich ist, dass der Berufungswerber bei einer Rückführung in den Kosovo in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse wie etwa Nahrung, Unterkunft einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Annahme des Bundesasylamtes, es lägen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FRG vor, als mit dem Gesetz in Einklang stehend. Weiters ist schon deshalb nicht von einer Bedrohung im Sinne des § 5 Abs. 2 FrG auszugehen, da die vom Berufungswerber geltend gemachten Umstände ihre Ursache nicht in den dort aufgezählten Gründen haben. Hinzuweisen ist weiters auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach sich aus schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ergibt (VwGH 30.01.2001, Zl. 2001/01/0021).

(...)

Im Kosovo-Konflikt wurden an die 100.000 Häuser beschädigt beziehungsweise zerstört. Die Verwaltung der Kollektivzentren wurde mit Stichtag 1. Mai 2001 an die Gemeinden übertragen. Ziel ist es, diese Kollektivzentren zu schließen und die Betroffenen anderweitig (z.B. in wieder aufgebauten Häusern oder Sozialwohnungen) unterzubringen. (OCHA; Kosovo Humanitarian Update No. 35, 5. April 2001). Ingesamt wurden 40.251 Häuser mit internationaler Hilfe und mindestens die gleich Anzahl von der Bevölkerung selbst mit eigenen Ressourcen oder finanzieller Hilfe von im Ausland lebenden Angehörigen wiederaufgebaut. Das Aufbauprogramm ist noch nicht abgeschlossen. (Kosovo: UNMIK - Government Report for the Donor Coordination Meeting für Kosovo). Für den Wiederaufbau der Unterkünfte von Minderheiten, die im Zuge der dreitägigen Unruhen im März 2004 beschädigt bzw. zerstört wurden, sagte die albanische Provinzregierung der serbischen Minderheit Finanzhilfe zu (...).

Derzeit bestehen keine großen Auffanglager mehr, da kein diesbezüglicher Bedarf herrscht. Sollte für Einzelpersonen oder Familien Bedarf an Unterkunft bestehen, wird diese von der Kommune zur Verfügung gestellt.

Die Strom- und Wasserversorgung im Kosovo schwankt zwischen Phasen relativer Stabilität und immer wieder auftretenden Ausfällen (vgl. Public Utilities Sitreps, herausgegeben vom Public Utilities Department (PUD), abrufbar unter http://www.kosovopud.org/ElecSitrep.htm) 'Das Problem des elektrischen Stroms in Kosovo ist ein humanitäres und kein politisches Problem und wir werden es durch Sozialhilfe für die Gefährdetsten lösen, damit sie die Rechnungen begleichen können (...).

Lebensmittel für Bedürftige, die die Kriterien für die Aufnahme in das Sozialhilfesystem nicht erfüllen, wurden hauptsächlich vom World Food Programme (WFP) im Rahmen des 'safety net" - Programmes geliefert. Im Jänner 2002 betrug die Anzahl der unterstützten Personen 53.500 (WFP 14.03.2002, WFP launches interethnic consortium in Kosovo).

Größere Versorgungsengpässe oder Versorgungsschwierigkeiten sind auch momentan nicht bekannt. So hat auch das Internationale Rote Kreuz mit Anfang Mai 2001 seine 'Suppenküchen' geschlossen (ICRC: Red Cross Red Crescent activities in Kosovo: Update 12 Jul 2001).

Die Verbesserung der allgemeinen sozio-ökonomischen Situation im Kosovo seit 1999 zeigt sich schließlich auch daran, dass immer weniger Menschen auf die Hilfe des World Food Programms angewiesen waren: Waren es 1999 über eine Million Menschen, so betrug die Anzahl der im Jänner 2002 Unterstützten nur mehr 53.500. Nachdem das nationale Sozialhilfesystem installiert worden war, sah das World Food Programme keine weitere Notwendigkeit für einen weiteren Einsatz im Kosovo und schloss am 30. Juni 2002 sein Büro in Pristina (UNHCR Wien, Kosovo - Soziale Situation, 17.04.2003).

Es ist auszuschließen, dass derzeit jemand im Kosovo gezwungen wäre, zu verhungern oder sonst nicht in der Lage wäre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Die Solidarität innerhalb einer Großfamilie ist unter Albanern besonders stark ausgeprägt. In ländlichen Gegenden besteht die Möglichkeit die laufenden, in bar zu begleichenden Lebenshaltungskosten durch Wohnen im eigenen Haus bzw. bei Familienangehörigen und Versorgung durch eigenen Grund (Garten und Feld) niedrig zu halten. Für die Produkte die im Kosovo selbst erzeugt werden, ist der Preis sehr niedrig im Gegensatz zu Importware (...). Trotz offiziell hoher Arbeitslosigkeit besteht ein Schwarzmarkt für Gelegenheitsarbeiten, speziell im Baugewerbe. Für Personen, die nicht in der Lage sind, ihre eigene notdürftige wirtschaftliche Existenz zu sichern, besteht - bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen - gegenwärtig ein effektiver Anspruch auf Sozialhilfe. Darüber hinaus leisten für solche Personen auch humanitäre Organisationen (wie z.B. die Mutter Teresa-Gesellschaft) humanitäre Hilfe, umfassend die Verteilung etwa von Kleidung, Heizmaterial und Hygieneartikel (...).

Trotz hoher Arbeitslosigkeit besteht ein großer Schwarzmarkt für Gelegenheitsarbeiten. Fest steht auch, dass viele junge Männer aufgrund der Tatsache, im Kosovo keine große Chance zu haben einen festen Job zu bekommen, der ihnen Heirat, Familiengründung und Hausgründung ermöglichen würde, sich zur Emigration entschließen

(...).

Die Internationale Organisation für Migration führt u.a. über ihr Büro in Pristina/Kosovo (...) die Verstärkung des Serviceangebots lokaler NGOs für RückkehrerInnen durch. Dieses Projekt wird von der EU kofinanziert. Personen mit abgelaufenem Visum, undokumentierten Migrantinnen und abgelehnten AsylwerberInnen wird eine kostenlose nachhaltige Reintegrationsunterstützung angeboten. Konkret stehen der Zielgruppe bis Ende April 2005 folgende Reintegrationsmaßnahmen zur Verfügung:

-

Unterstützung für Neugründungen von Kleinbetrieben

-

Stellenvermittlung in privaten und öffentlichen Unternehmen

-

Handwerkliche Ausbildung

-

Computer- und Sprachkurse

-

Ausbildungsunterstützung, z.B. Übernahme der Studiengebühren, Kosten für Bücher usw. (...)."

Da sich im Hinblick auf diese Ausführungen die vom Beschwerdeführer aufgestellte Behauptung hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation im Kosovo nicht bestätigt habe und dieser Standard jenem zur Zeit der Entscheidung durch den unabhängigen Bundesasylsenat am 5. August 2003 entspreche, sei die verbindliche Wirkung des Bescheides gemäß § 8 AsylG nach wie vor zu bejahen. Die für die Erlassung dieses Bescheides maßgebliche Sachlage oder Rechtslage habe sich nicht geändert.

              5.              Gegen Spruchpunkt II. des Bescheides der belangten Behörde vom 6. April 2005 richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

              1.              Die mit "Non-refoulement-Prüfung" überschriebene Bestimmung des § 8 AsylG hat folgenden Wortlaut:

"Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden."

Abs. 1 des mit "Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat" überschriebenen § 75 FrG lautet:

"Auf Antrag eines Fremden hat die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 bedroht ist. Dies gilt nicht, insoweit über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat die Entscheidung einer Asylbehörde vorliegt oder diese festgestellt hat, dass für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung besteht."

Ein bei der Fremdenpolizeibehörde eingebrachter Antrag auf Feststellung nach § 75 Abs. 1 FrG ist somit wegen entschiedener Sache (als unzulässig) zurückzuweisen, wenn insoweit bereits eine Entscheidung der Asylbehörden nach § 8 AsylG vorliegt. Den Fremdenpolizeibehörden steht jedoch die Kompetenz zur Abänderung eines "negativen" Ausspruches der Asylbehörden nach § 8 AsylG zu, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hat, sodass die Entscheidung hinsichtlich des im Bescheid genannten Staates anders zu lauten hat. (Vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2004, Zl. 2001/18/0165, mwN.)

§ 75 Abs. 5 FrG lautet:

"Der Bescheid, mit dem über einen Antrag gemäß Abs. 1 rechtskräftig entschieden wurde, ist auf Antrag oder von Amts wegen abzuändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hat, sodass die Entscheidung hinsichtlich dieses Landes anders zu lauten hat. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen von dem Fremden eingebrachten Antrag darf dieser in den betroffenen Staat nur abgeschoben werden, wenn der Antrag offensichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist."

              2.              Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, (außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Nach der hg. Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinn des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur - für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche - Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Relevanz für die gegenständliche Entscheidung zukäme. Eine andere rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Kosovo darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. (Vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. November 2004, Zl. 2002/20/0391.)

3.1. Die Beschwerde tritt den beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde mit dem Einwand entgegen, dass die inhaltliche Prüfung der Frage, welche allgemeine wirtschaftliche Lage im Kosovo derzeit gegeben sei, "Sache des Verfahrens selbst" sei. Die belangte Behörde hätte allein auf Grund der Antragsbehauptungen in Verbindung mit dem Vorbringen im Asylverfahren prüfen müssen, ob ein neuer Sachverhalt vorliege, der zu einer anderen rechtlichen Beurteilung, ob eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den Kosovo gemäß § 57 FrG zulässig sei, führen könne. Sei diese Frage zu bejahen, so erweise sich der Antrag als zulässig und hätte sodann inhaltlich geprüft werden müssen.

3.2. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass in Bezug auf wiederholte Asylanträge die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen müsse, an den die für eine neuerliche Entscheidung positive Prognose anknüpfen könne. So hat sich die Behörde insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein angeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der neuerliche Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2002/20/0391).

3.3. Für die Behandlung eines (weiteren) Antrags auf Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat gemäß § 57 Abs. 2 FrG unzulässig ist, gilt bei der Beurteilung, ob die Rechtskraft einer früheren Refoulement-Entscheidung der Asylbehörde diesem neuerlichen Feststellungsantrag wegen entschiedener Sache entgegen steht, ebenfalls, dass die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, an den die für eine neuerliche Entscheidung positive Prognose anknüpfen kann.

4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner u.a. zu § 8 AsylG ergangenen Judikatur ausgeführt, dass die bloße Sachverhaltsannahme, ein Fremder hätte derzeit im Fall seiner Rückkehr in die Provinz Kosovo "keine Lebensgrundlage", zu allgemein sei, um eine Beurteilung vor dem Hintergrund des § 57 Abs. 1 FrG zu ermöglichen. Einerseits sei eine solche Annahme oder Formulierung an sich unscharf und lasse nicht erkennen, welche Aspekte im Einzelnen damit erfasst werden sollten. Sie wäre nur als conclusio aussagekräftig, die die verschiedenen materiellen Gesichtspunkte menschlicher Existenz (Nahrung, Unterkunft, etc.) zusammenfasse. Andererseits jedoch erfordere die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mehrfach betonte Exzeptionalität der Umstände, die vorliegen müssten, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat in Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen, eine ganz besonders detaillierte Darstellung der Verhältnisse der betreffenden Person, und zwar sowohl im Zielstaat der Abschiebung als auch in Österreich (vgl. nochmals das Erkenntnis 2001/18/0165, mwN).

4.2.Nach den Feststellungen der belangten Behörde hat der unabhängige Bundesasylsenat bei seiner Entscheidung über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Kosovo gemäß § 8 AsylG vom 5. August 2003 die schwierigen Lebensumstände im Kosovo berücksichtigt und zusammengefasst ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückführung in den Kosovo in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse, wie etwa Nahrung und Unterkunft, einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Es sei auszuschließen, dass jemand im Kosovo gezwungen wäre, zu verhungern, oder dass er sonst nicht in der Lage wäre, Grundbedürfnisse zu befriedigen.

4.3. Der Antrag des Beschwerdeführers im Sinn des § 75 Abs. 5 FrG zielt darauf ab, die negative Entscheidung der Asylbehörde gemäß § 8 Asylgesetz (wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Kosovo zulässig ist) abzuändern, weil sich seit deren Entscheidung der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert habe. Dazu bringt der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass sich "die wirtschaftliche und soziale Lage im Kosovo noch weiter verschlechtert" habe und "durch die vielen Rückkehrer jährlich bis zu 30.000 neue, junge arbeitsfähige Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen." Er könne nicht zu seiner Familie zurückkehren, "da dort die reine Not herrschen würde". Die Lage im Kosovo habe sich auf Grund des Versiegens der internationalen Hilfsgelder weiter verschlechtert. Auch die finanzielle Situation der "Familien im Kosovo" würde immer schlechter werden.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, inwieweit sich für ihn seit der Erlassung des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. August 2003 die Lebenssituation im Kosovo und damit die für die rechtliche Beurteilung des Feststellungsantrages maßgeblichen Sachverhaltselemente wesentlich geändert hätten. Von daher kann die Auffassung der belangten Behörde, dass keine relevanten geänderten Umstände vorliegen und der Feststellungsantrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Angesichts dieser Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 30. Juni 2005

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachverhaltsänderung Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005180197.X00

Im RIS seit

03.08.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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