TE OGH 2011/3/29 5Ob209/10m

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Veröffentlicht am 29.03.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margit E*****, vertreten durch Dr. Andreas Wippel, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wider die beklagten Parteien 1. Ing. Hubert E*****, 2. Harald E*****, 3. Mag. Gerlinde G*****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wegen Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert 33.913,99 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juni 2010, GZ 14 R 86/10k-41, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 15. März 2010, GZ 22 Cg 256/07h-36, über Berufung der beklagten Parteien bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 2.172,67 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 362,11 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - ungeachtet des gegenteiligen, nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) - nicht zulässig, was wie folgt kurz zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO):

1.1. Der Begründung von Wohnungseigentum nach § 3 Abs 1 Z 3 WEG kommt als Sonderform der Naturalteilung (RIS-Justiz RS0106352; RS0013236 [T2]) der Vorrang vor der Zivilteilung dann zu, wenn sie möglich und tunlich ist (RIS-Justiz RS0106351 [T3]). Realteilung (= Naturalteilung) ist regelmäßig dann möglich und tunlich, wenn die Sache (physisch bzw im Rechtssinn) geteilt werden kann, ohne dass es im Verhältnis der Summe der Einzelwerte zum Wert der ungeteilten Sache zu einer wesentlichen Wertminderung käme (vgl RIS-Justiz RS0013831; RS0013829) und die Sache zwischen den Teilhabern so aufgeteilt werden kann, dass die entstehenden Teile den Anteilen etwa gleichwertig und diese annähernd gleich beschaffen sind (vgl dazu RIS-Justiz RS0013851; RS0013831 [T4, T7]; RS0013829 [insb T2, T4, T11]), ohne dass ein unverhältnismäßiger Wertausgleich notwendig wird (vgl RIS-Justiz RS0013856; RS0013854). Gleiche Beschaffenheit wurde verneint, wenn die zu schaffenden Wohnungseigentumsobjekte zum einen im Wesentlichen aus Geschäftsräumlichkeiten und zum anderen im Wesentlichen aus Wohnräumlichkeiten bestehen sollen (5 Ob 36/09v mwN = wobl 2009, 278/102). Unverhältnismäßige Kosten, insbesondere notwendige Aufwendungen für Umbaumaßnahmen können die Naturalteilung unzulässig machen (RIS-Justiz RS0013865).

Der Teilungsstreitbeklagte, der die einer Zivilteilung vorzuziehende Sonderform der Naturalteilung durch Wohnungseigentumsbegründung anstrebt, hat die Möglichkeit und Tunlichkeit der Naturalteilung iSd § 843 ABGB zu behaupten und nachzuweisen, entsprechende Zweifel gehen zu seinen Lasten (RIS-Justiz RS0110441; RS0106355; RS0101774).

1.2. Sämtliche Feststellungen des Erstgerichts finden - entgegen der Ansicht der Beklagten - im Vorbringen der Parteien ausreichende Deckung und können deshalb nicht als überschießend unbeachtet bleiben (vgl RIS-Justiz RS0040318). Demnach stehen für eine Wohnungseigentumsbegründung zugunsten der Klägerin nur - nicht einmal zusammenhängende, weil in verschiedenen Trakten liegende - Keller- und Abstellräume sowie Garagen zur Verfügung. Dass es sich dabei gegenüber den Wohnungen der Beklagten keinesfalls um Räume gleichartiger Beschaffenheit handelt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Die Begründung von Wohnungseigentum könnte daher nur dann als tunlich angesehen werden, wenn die Schaffung von Wohnungseigentumsobjekten gleicher Beschaffenheit (Wohnung) ohne unverhältnismäßigen Aufwand erfolgen könnte. Dazu haben die Beklagten aber - ungeachtet des darauf gerichteten Hinweises der Klägerin - trotz der sie treffenden Behauptungs- und Beweislast gar kein Vorbringen in erster Instanz erstattet. Der Versuch in der Revision, Argumente nachzutragen, scheitert am Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO; abgesehen davon bleibt auch die erstmals erhobene Behauptung, die Umbauarbeiten würden keine im Verhältnis zum Verkehrswert der Liegenschaft unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen ohne jede betragliche Präzisierung und daher gar nicht nachvollziehbar. Der aus dem eingeholten Gutachten erkennbaren, nunmehr von den Beklagten hervorgehobenen Lage der Liegenschaft im Bauland kommt daher keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu.

Die Ansicht der Vorinstanzen, es sei von der Untunlichkeit/Unmöglichkeit der Begründung von Wohnungseigentum auszugehen, stellt daher keine unvertretbare Fehlbeurteilung dar.

2.1. Der erkennende Senat hat zu 5 Ob 125/09g (= NZ 2010, 120 = iFamZ 2010/164, 215) im Anschluss an die Entscheidung 6 Ob 233/04i (= SZ 2004/179 = EvBl 2005/100, 457 = NZ 2005/47, 199 [Mondel] = JBl 2005, 511 = MietSlg 56.058 = MietSlg 56.067) klargestellt, dass das aus dem gesetzlichen Vorausvermächtnis erfließende Recht des erblasserischen Ehegatten, die Ehewohnung im bisherigen Umfang weiterbenützen zu dürfen, (nur) nach den Umständen des zu beurteilenden Falls das einer Teilung der Liegenschaft entgegenstehende Hindernis der Unzeit verwirklichen kann (RIS-Justiz RS0119599). Die vom Berufungsgericht zur Begründung des Zulassungsausspruchs genannte Unklarheit, ob der Oberste Gerichtshof jedes Vorausvermächtnis als unbedingtes Teilungshindernis der Unzeit anerkennt, welche Ansicht die Beklagten weiter vertreten, besteht daher nicht.

2.2. Das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB gewährt einen schuldrechtlichen Anspruch des überlebenden Ehegatten auf Beibehaltung der Wohnverhältnisse in der Ehewohnung in Gestalt eines Wohnrechts gegen den Erben oder den sonst durch das Vermächtnis Beschwerten (RIS-Justiz RS0012822 [T1]; RS0012824; Apathy in KBB³ § 758 ABGB Rz 5 ua). Diese sind verpflichtet, alles zu tun, damit dem Ehegatten das Wohnen auf Dauer ermöglicht wird (6 Ob 233/04i mwN). Daher müssen die Erben bei Veräußerung der Wohnung ihre Pflichten aus dem gesetzlichen Vermächtnis dem Rechtsnachfolger überbinden; auch eine Aufnahme in die Versteigerungsbedingungen sichert das obligatorische Wohnrecht (5 Ob 191/03d mwN = EvBl 2005/31 = RIS-Justiz RS0013795 [T7] = RS0002893 [T3]; vgl auch RS0109815; RS0013301).

Die Meinung der Beklagten, der Erstbeklagte verliere sein in § 758 ABGB begründetes Wohnrecht durch die Zivilteilung, kann deshalb so nicht aufrecht erhalten werden. Vielmehr besteht die Pflicht der Klägerin sowie des Zweit- und der Drittbeklagten, für dessen Aufnahme in die Versteigerungsbedingungen iSd § 352a Abs 1 EO zu sorgen (wofür die Zustimmung auch des Erstbeklagten unterstellt werden kann). Damit kann aber der aus § 758 ABGB resultierende Anspruch des Erstbeklagten auch im Fall einer Zivilteilung weiter gesichert werden.

2.3. Ob der Wegfall der mit dem obligatorischen Wohnrecht des Erstbeklagten verbundenen Liegenschaftsentwertung absehbar ist und somit den Unzeiteinwand rechtzufertigen vermag, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0013292 [T8]). Alter und statistische Restlebenserwartung des Berechtigten bilden ein taugliches Tatsachensubstrat, das eingewendete Teilungshindernis dahin zu überprüfen, ob sein Wegfall als absehbar oder unabsehbar zu qualifizieren ist (RIS-Justiz RS0013277 [T5]).

Angesichts des Alters des Erstbeklagten und seiner statistischen Restlebenserwartung bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (RIS-Justiz RS0013282) von knapp über 72 Jahren und 11,87 Jahren kann in der Verneinung eines Teilungshindernisses durch die Vorinstanzen keine korrekturbedürftige Rechtsansicht erblickt werden (vgl 2 Ob 178/01t; 8 Ob 123/06f).

3.1. Abgesehen von unbeachtlichen Neuerungen machen die Beklagten zum Einwand des Rechtsmissbrauchs zusammengefasst geltend, die Klägerin verstoße mit der Erhebung der Teilungsklage gegen ihre Rücksichtspflichten aus der Miteigentums- und Miterbengemeinschaft, weil deren Erfolg zum Verlust der Investitionen und der Wohnungen der Beklagten führe, während die Klägerin damit „rechtswidrig einen krass überhöhten Preis“ für ihren Anteil erzielen wolle, obwohl sie zu den wertsteigernden Investitionen der Beklagten nichts beigetragen habe.

Schikane liegt nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (RIS-Justiz RS0026265). Die Beweislast trifft denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt (RIS-Justiz RS0026205 [T4]). Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu klärende Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0110900).

3.2. Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage von ihrem unbedingten, das heißt keiner Begründung aus ihrer Interessenlage bedürfenden (RIS-Justiz RS0013247) Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft Gebrauch; auf den in erster Instanz eingewendeten (schlüssigen) Teilungsverzicht kamen die Beklagten im Rechtsmittelverfahren nicht mehr zurück. Da derzeit - nach den feststehenden Gegebenheiten auf der Liegenschaft mit im Wesentlichen drei getrennten Wohneinheiten samt untergeordneten Räumlichkeiten - keine zweckmäßige Möglichkeit zur Nutzung ihres Miteigentumsanteils, aber auch keine Verpflichtung zur Schaffung einer solchen besteht, ist der Klägerin ein legitimes Interesse an dessen Verwertung durch Feilbietung im Weg einer Zivilteilung mangels (offensichtlich seit dem Tod der Erblasserin 2004 nicht erzielbarer) Einigung der Parteien über einen Ablösebetrag nicht abzusprechen. Davon, dass die Klägerin „rechtswidrig einen krass überhöhten Preis“ für ihren Anteil erzielen wolle, kann daher keine Rede sein. Der Umstand, dass wertsteigernde Investitionen nur von den Beklagten ohne jede vertragliche Vorsorge zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch nicht alle Miteigentümer der Liegenschaft waren, vorgenommen wurden, betrifft allein die Sphäre der Beklagten und kann deshalb nicht der Klägerin zum Vorwurf gemacht werden. Schließlich werden sich ihre Investitionen ohnehin wertsteigernd auswirken und auch zu Gunsten der Beklagten zu einem höheren Versteigerungserlös führen. Dass der drohende Verlust der Wohnung (nur) des Zweit- und der Drittbeklagten ein vorübergehendes Teilungshindernis darstellen würde, haben sie nicht behauptet; deshalb hat dieser Einwand außer Betracht zu bleiben (RIS-Justiz RS0013293).

Wenn die Vorinstanzen daher unter Hinweis auf den unbedingten Anspruch der Klägerin auf Aufhebung der Gemeinschaft eine rechtsmissbräuchliche Klagsführung verneinten, stellt dies keine unvertretbare Beurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof zu korrigieren wäre.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Schlagworte

Streitiges Wohnrecht

Textnummer

E96999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00209.10M.0329.000

Im RIS seit

03.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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