TE OGH 2022/3/29 4Ob70/21d

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Veröffentlicht am 29.03.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi sowie MMag. Matzka und die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* OG, *, vertreten durch Dr. Peter Sellemond und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei S* K*, vertreten durch Dr. Roland Kometer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 129.090,61 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. Februar 2021, GZ 4 R 181/20d-212, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1.1. Einmaligkeits- und Bindungswirkung sind Folge der materiellen Rechtskraft (6 Ob 3/19p mwN). Wenn eine bestimmte Tatsache im Vorprozess nicht den Hauptgegenstand des Verfahrens bildet, sondern lediglich als Vorfrage zu beurteilen war, kommt der Entscheidung dieser Vorfrage im Vorprozess aber keine bindende Wirkung zu (RS0042554; RS0041572 [T6]; 6 Ob 140/03m).

[2]            Die Frage, ob ein Vertrag rechtswirksam zu Stande gekommen und aufrecht ist, ist bei aus einem solchen Vertrag abgeleiteten Leistungsansprüchen nur eine Vorfrage (vgl RS0102102 [T11]; RS0127052 [T4]).

[3]            1.2. Die Revision zeigt mit ihrem Hinweis auf das Bestehen eines Urteils eines Vorverfahrens, in dem ein dort als Gegenforderung eingewandter Anspruch der (Rechtsvorgängerin der) Klägerin in einem Umfang als berechtigt erkannt worden war, um den das Klagebegehren hier eingeschränkt worden ist, keine Nichtigkeit der vorliegenden Entscheidung auf.

[4]            2.1. Die Klägerin vertritt im Übrigen in ihrer Revision – ebenso wie bereits in ihrer Berufung – rechtlich ausschließlich den Standpunkt, dass zwischen der (Rechtsvorgängerin der) Klägerin und dem Beklagten ein Werkvertrag abgeschlossen worden sei, aus dem ihre Ansprüche auf Ersatz von Arbeitsleistungen und Materiallieferungen abgeleitet werden könnten.

[5]            2.2. Ein Werkvertrag liegt dann vor, wenn sich jemand gegen Entgelt verpflichtet, ein den Umständen und Vorstellungen eines Anderen entsprechendes Werk entweder persönlich selbständig herzustellen oder unter persönlicher Verantwortung durch Dritte herstellen zu lassen (§ 1151 Abs 1 ABGB; vgl 2 Ob 668/84).

[6]            2.3. Hier steht aber fest, dass die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin mit dem Beklagten vereinbarte, dass jene auf einem dem Beklagten gehörenden, von ihr angemieteten Grundstück nach eigenen Vorstellungen und Plänen eine den speziellen Wünschen und Erfordernissen ihres eigenen Betriebs entsprechend ausgestaltete und dimensionierte Produktionshalle errichtet; der Beklagte hätte die Halle niemals so gebaut, sondern Bau und konkrete Ausführung entsprachen alleine dem Wunsch der Mieterin.

[7]            2.4. Die Qualifikation der festgestellten Erörterungen der Parteien ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung; vom Beklagten in seiner Berufungsbeantwortung vermisste Tatsachenfeststellungen, es sei kein Werkvertrag getroffen worden, sind daher nicht erforderlich.

[8]            3.1. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828).

[9]            3.2. Das Berufungsgericht legte das Prozessvorbringen des Beklagten dahin aus, er habe den Abschluss eines Werkvertrags bestritten und vorgebracht, dass eine Investitionsabgeltung mit seiner Mieterin dahin vereinbart worden wäre, den Mietzins zu reduzieren. Warum diese Auslegung des Prozessvorbringens unvertretbar sein sollte, zeigt die Revision nicht auf, ebenso wenig wie aus eventualiter erhobenen Einwänden der Verjährung der vom Beklagten auch sonst dem Grunde nach bestrittenen Klagsansprüche darauf geschlossen werden könnte, dass er damit die von der Klägerin geltend gemachten werkvertraglichen Ansprüche oder deren Fälligkeit anerkannt hätte (vgl RS0107488).

[10]           3.3. Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Frage der ausreichenden Erörterung der Anspruchsgrundlage nach § 1097 ABGB in erster Instanz – auf die sich die Klägerin nicht gestützt hatte – erübrige sich, weil beide Parteien vertragliche und damit die Anwendung des § 1097 ABGB jedenfalls ausschließende (vgl RS0020545) Vereinbarungen behauptet hätten, führt die Revision nicht ins Treffen.

[11]           4.1. Insgesamt entfernt sich das Rechtsmittel von den Feststellungen des Erstgerichts, wonach keine Tatsachengrundlage ersichtlich ist, aus der geschlossen werden könnte, dass sich die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin gegenüber dem Beklagten als Werkbesteller verpflichtet hätte, eine dessen Vorstellungen entsprechende Halle zu errichten.

[12]           Daher zeigt die Klägerin mit ihren Ausführungen ausschließlich zu der ihrer Meinung nach gebotenen Auslegung der §§ 1155, 1168 und 1170 ABGB und ihr demnach zustehenden werkvertraglichen Ansprüchen keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[13]           4.2. Mit anderen in den Vorinstanzen noch vorgebrachten oder erörterten selbstständigen rechtlichen Aspekten – insbesondere schadenersatzrechtlichen, anderweitigen mit dem Bestandverhältnis in Zusammenhang stehenden vertraglichen oder bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen – befasst sich die Revision nicht (RS0041570 [insb T3, T6, T8]). Damit stellen sich weder in Ansehung von aufgrund der – nach Ansicht der Klägerin berechtigten – fristlosen Auflösung des Bestandvertrags denkbaren Bereicherungsansprüchen noch zu konkreten vertraglichen Vereinbarungen über Kostenersatz des Vermieters – insbesonders zu Auslagen für Materialeinkäufe (der Rechtsvorgängerin) der Klägerin (wozu die Tatsacheninstanzen zudem auch nur Negativfeststellungen getroffen haben) – Fragen iSd § 502 Abs 1 ZPO. Auf die – in der Revision zudem ebenfalls nicht relevierte – Nichterledigung einer Beweisrüge durch das Berufungsgericht kommt es damit nicht an.

[14]           5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E134717

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00070.21D.0329.000

Im RIS seit

11.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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