TE OGH 2022/2/22 2Ob221/21w

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Veröffentlicht am 22.02.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Parzmayr und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Dr. Cornelia Sprung, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. K*, und 2. T*, beide vertreten durch Dr. Anton Triendl und Dr. Andreas Ruetz, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Herausgabe und Zahlung von 32.000 EUR sA, über den (richtig:) Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Oktober 2021, GZ 4 R 134/21v-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 29. Mai 2021, GZ 67 Cg 121/19g-23, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und

es wird in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 20.650,47 EUR (darin enthalten 13.432,10 EUR Barauslagen und 1.203,06 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Die Streitteile sind Kinder des Erblassers, der 2015 ohne Errichtung einer letztwilligen Verfügung starb. Der Erblasser hinterließ eine Ehefrau und insgesamt sechs Kinder. Er war Eigentümer mehrerer Liegenschaften, darunter auch Hälfteeigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein (renovierungsbedürftiges) Haus befand (in der Folge: das Haus oder die Liegenschaft). Andere Hälfteeigentümerin dieser Liegenschaft ist (nach wie vor) die Mutter der Streitteile. Nach dem im Verlassenschaftsverfahren (unter Ansatz der dreifachen Einheitswerte der Liegenschaften) erstellten Inventar war die Verlassenschaft mit knapp 40.000 EUR überschuldet. Da alle anderen Kinder des Erblassers und auch die Mutter der Streitteile entweder noch zu Lebzeiten des Erblassers einen Erbverzicht abgegeben oder im Verlassenschaftsverfahren eine Ausschlagung ihres Erbrechts erklärt hatten, wurde der Nachlass den beiden Beklagten jeweils zur Hälfte auf Grund ihrer aus dem Titel des Gesetzes abgegebenen bedingten Erbantrittserklärungen eingeantwortet.

[2]       Bei einer Besprechung zwischen den Familienmitgliedern nach dem Tod des Erblassers erklärte der Kläger sinngemäß, er wolle mit den Schulden des Erblassers nichts zu tun haben; ein Angebot seiner Geschwister, die Hälfte einer dem Erblasser gehörenden anderen Liegenschaft mit Haus zu übernehmen, schlug er aus. Letztlich einigte sich „die Familie“ darauf, dass dem Kläger ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht an der im zweiten Obergeschoss des Hauses gelegenen nordseitigen Wohnung eingeräumt und grundbücherlich sichergestellt werden sollte. Nicht festgestellt werden kann, ob diese Einigung auch die Benützung eines oder mehrerer Autoabstellplätze umfasste.

[3]       Da die Mutter der Streitteile in der Folge beabsichtigte, „gleichzeitig“ auch „ihr Eigentum zu übergeben“, kam es zu einer weiteren Besprechung „der Familie“. Dabei teilte die Mutter mit, dass sie ihren Hälfteanteil an der Liegenschaft dem Zweitbeklagten übergeben wolle und es ihr wichtig sei, dass der Kläger und zwei weitere ihrer Kinder gleich viel Grund von ihr bekommen sollten, falls Freiland in Bauland umgewidmet werden könne. Der Kläger äußerte den Wunsch nach Übergabe von 1.000 m² Bauland, der Zweitbeklagte wies auf mögliche Schwierigkeiten bei einer Umwidmung hin. „Beim Freiland ging es immer um das Eigentum der Mutter.“

[4]       Der Zweitbeklagte informierte den Notarsubstituten des Gerichtskommissärs über die „innerfamiliäre Einigung“ über die zwischen den Beklagten angestrebte Erbteilung und die Einräumung von Wohnungsgebrauchsrechten. Er teilte ihm weiters mit, dass auch die Mutter ihre Angelegenheiten erledigen wolle, woraufhin der Notarsubstitut einen Rohentwurf für einen das Vermögen der Mutter betreffenden Übergabsvertrag erstellte. Dass im Fall des Misslingens einer Umwidmung der Grundstücke der Zweitbeklagte eine Ablöse an den Kläger zahlen solle, war ausschließlich eine Idee des Notarsubstituten. Eine Umwidmung von Freiland in Bauland ist bisher trotz Bemühungen des Zweitbeklagten nicht erfolgt.

[5]       Am 4. 5. 2016 unterfertigten die Streitteile ein vom Notarsubstituten im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens erstelltes „Abhandlungsprotokoll“, das auszugsweise lautete:

„III. [Die Mutter der Streitteile] wird vom Gerichtskommissär über ihr Recht auf den gesetzlichen Voraus gemäß § 758 ABGB belehrt. […]

Festgehalten wird, dass die Liegenschaft [...] zur Hälfte im Eigentum [der Mutter der Streitteile] steht.

Die Vertragsparteien geben zu Protokoll, dass der Hälfteanteil [der Mutter der Streitteile] mittels separater Urkunde an ihren Sohn [Zweitbeklagter] übergeben wird und verpflichtet sich dieser im Zuge der Liegenschaftsübertragung seiner Mutter [...] und seinen Geschwistern [Kläger] und [weitere Schwester] jeweils ein lebenslanges, unentgeltliches und grundbücherlich sicherzustellendes Wohnungsgebrauchsrecht an der vorgenannten Liegenschaft einzuräumen. […]

V. […] In Kenntnis des Umfanges des vorhandenen Nachlassvermögens sowie der jeweiligen Erbteile erklären hiemit [...]

die erbl. Kinder [Kläger] […]

das ihnen aufgrund des Gesetzes angefallene Erbrecht für sich und ihre Rechtsnachfolger vorbehaltlos und unwiderruflich auszuschlagen und sohin gegen den Nachlass und gegen die Erben aus dem Titel des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechtes keinerlei Ansprüche oder Forderungen zu stellen […]“

[6]       Der Notarsubstitut belehrte den Kläger dabei umfassend über die Folgen der Erbsentschlagung. Dass er sich seines Erbrechts nur unter der Bedingung der Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts (auch an Parkplätzen) und der Übertragung von 1.000 m² an Bauland in sein Eigentum entschlage, äußerte der Kläger im Verlassenschaftsverfahren nicht.

[7]       Da sich die Übergabe der Liegenschaften durch die Mutter der Streitteile immer weiter verzögerte, übermittelte der Notarsubstitut dem Kläger im Jahr 2019 über Auftrag des Zweitbeklagten einen Entwurf für einen Vertrag, der als Grundlage für die grundbücherliche Eintragung des dem Kläger zugesagten Wohnungsgebrauchsrechts dienen sollte. Nach dem Inhalt des Vertragsentwurfs räumen der Zweitbeklagte und dessen Mutter dem Kläger ein grundbücherlich sicherzustellendes Wohnungsgebrauchsrecht an der nordseitigen Wohnung im zweiten Obergeschoss des Hauses ein. Außerdem räumt die Mutter der Streitteile dem Kläger nach diesem Entwurf ein Gebrauchsrecht an einem in ihrem Wohnungseigentum stehenden Parkplatz ein, wobei (nur) dieses, eine andere Einlagezahl im Grundbuch betreffende Gebrauchsrecht mit der Veräußerung der Liegenschaftsanteile durch die Mutter der Streitteile erlöschen sollte.

[8]            Der Kläger begehrt mit Erbrechtsklage von den Beklagten die Herausgabe jeweils eines Sechstels der Verlassenschaft und die Zahlung von 32.000 EUR. Er habe am 4. 5. 2016 sein ihm zukommendes Erbrecht unter zwei Bedingungen ausgeschlagen: Erstens der Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts an der im zweiten Obergeschoss des Hauses nordseitig gelegenen Wohnung samt zumindest zwei Autoabstellplätzen und zweitens der Schenkung eines noch in Bauland umzuwidmenden Grundstücks von 1.000 m². Es seien sogar Vereinbarungen für den Fall des Scheiterns der geplanten Umwidmung getroffen worden. Diese (mündlich getroffenen) Vereinbarungen hielten die Beklagten nun nicht ein, insbesondere stellten sie jede Verpflichtung zur Übertragung eines Baugrundstücks in Abrede. Der von den Beklagten übermittelte Entwurf für die Verbücherung des Wohnungsgebrauchsrechts des Klägers sei inakzeptabel, sehe er doch ein Erlöschen des Rechts im Fall der Veräußerung der Liegenschaftsanteile der Mutter der Streitteile vor. Die Beklagten hätten den Kläger bei Abgabe der Erbsausschlagungserklärung arglistig in die Irre geführt, weil sie die zugesagten Gegenleistungen nicht einhielten. Hätte man die vereinbarten Bedingungen tatsächlich im Abhandlungsprotokoll festgehalten, wäre die Erbsausschlagung wegen ihrer Bedingungsfeindlichkeit unwirksam gewesen. Die mangelnde Verschriftlichung der Bedingungen führe zu einer „innerprozessualen“ Bedingung, die unzulässig sei. Der Kläger habe (nur) vor dem Hintergrund der ihm zugesagten Gegenleistungen sein Erbrecht ausgeschlagen. Die Mutter der Streitteile habe entgegen den getroffenen Vereinbarungen ihre Liegenschaftsanteile bisher nicht dem Zweitbeklagten geschenkt. Insgesamt sei damit den getroffenen Vereinbarungen die Geschäftsgrundlage entzogen.

[9]       Die Beklagten wenden ein, dass sich der Zweitbeklagte lediglich dazu verpflichtet habe, dem Kläger ein Wohnungsgebrauchsrecht im Zug der zeitlich nicht näher festgelegten Liegenschaftsübertragung durch die Mutter einzuräumen; weitere Vereinbarungen seien nicht erforderlich gewesen, weil der Kläger dieses Wohnungsgebrauchsrecht faktisch ohnehin bereits ausübe. Eine Vereinbarung zur Nutzung von Autoabstellplätzen habe es nicht gegeben. Der Kläger habe nach ausführlicher Belehrung durch den Gerichtskommissär eine vorbehaltlose und unwiderrufliche Ausschlagung seines Erbrechts erklärt, die der Erbschaftsklage die Grundlage entziehe. Es sei unzutreffend, dass der Kläger nur unter den von ihm genannten Bedingungen sein Erbrecht ausgeschlagen habe; diese Umstände seien nicht einmal der Beweggrund des Klägers gewesen. Wahres Motiv für die Ausschlagung sei die Überschuldung der Verlassenschaft und die Sanierungsbedürftigkeit des Hauses gewesen. Im Zusammenhang mit der von ihr angedachten Regelung ihres eigenen Vermögens habe die Mutter die Übergabe eines noch umzuwidmenden Baugrundstücks an den Kläger vorgeschlagen; es sei jedoch zu keiner Vereinbarung in diesem Punkt gekommen. Es sei auch kein Zusammenhang mit dem Verlassenschaftsverfahren nach dem Erblasser vorhanden gewesen. Die Möglichkeit zu einer Umwidmung von Grundstücken sei stets ungewiss gewesen. Die Beklagten hätten den Kläger nicht arglistig in die Irre geführt.

[10]     Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe das Erbrecht nicht unter den von ihm behaupteten Bedingungen ausgeschlagen. Für das Vorliegen von Arglist habe das Verfahren keinen Anhaltspunkt geboten.

[11]     Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Zwar könne die Erbsausschlagungserklärung des Klägers als prozessuale Erklärung nicht wegen Willensmängeln angefochten werden. Allerdings habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 3/09y ausgesprochen, dass bei unentgeltlicher Erbsausschlagung gemäß § 901 ABGB für Motive dasselbe gelte wie für Bedingungen, sodass ein geäußertes Motiv die Erbsausschlagung unwirksam mache. Nach den Feststellungen sei die Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts ein (sogar im Abhandlungsprotokoll festgehaltenes) Motiv für die Erbsausschlagung gewesen; auch die von der Mutter angekündigte Übereignung von Baugrund sei ein solches Motiv. Die somit auf bestimmten Motiven beruhende Erbsausschlagung des Klägers sei folglich unwirksam. Wegen bisher nicht erörterter Unschlüssigkeit des Klagebegehrens sei eine Aufhebung des Urteils des Erstgerichts erforderlich.

[12]     Der Rekurs sei zuzulassen, weil keine gefestigte Rechtsprechung zur Frage der Rechtsnatur der Erbsausschlagung vorliege; das gelte auch in Bezug auf die Frage, ob geäußerte Motive zur Unwirksamkeit der Erbsausschlagung führten und in welcher Form diese Motive geäußert werden müssten.

[13]     Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der (irrig als „Revisionsrekurs“ bezeichnete) Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[14]           Der Kläger beantragt in seiner (irrig als „Revisionsrekursbeantwortung“ bezeichneten) Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[15]     Der Rekurs ist zulässig, weil dem Berufungsgericht eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Er ist im Sinn der Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts auch berechtigt.

[16]     Die Beklagten argumentieren, dass ein Motivirrtum bei Abgabe einer (als Prozesshandlung richtiger Weise keiner Anfechtung wegen Willensmängeln unterliegenden) Ausschlagungserklärung unbeachtlich sei. Die grundsätzliche Beachtlichkeit eines im Nachhinein behaupteten Motivirrtums bei einer Erbsausschlagung würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Die Erbsausschlagung des Klägers sei außerdem nicht unentgeltlich erfolgt, habe der Kläger doch ein Wohnungsgebrauchsrecht als Gegenleistung erhalten. Auf Basis der Feststellungen habe der Kläger die Erbsausschlagung weder unter Bedingungen noch aus einem zumindest im Ansatz geäußerten, bestimmten Beweggrund erklärt.

Dazu hat der erkennende Fachsenat erwogen:

[17]     1. Aufgrund des Todeszeitpunkts des Erblassers und des Zeitpunkts der Einleitung des Verlassenschaftsverfahrens ist das ABGB in der Fassung vor dem ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) anzuwenden (§ 1503 Abs 7 Z 1, 2 und 8 ABGB).

[18]     2. Bei der Ausschlagung einer Erbschaft handelt es sich um eine im Verlassenschaftsverfahren dem Abhandlungsgericht (Gerichtskommissär) gegenüber abzugebende einseitige Parteienerklärung mit auch materiell-rechtlichen Wirkungen (2 Ob 42/21x Rz 4; RS0007910). Sie unterliegt denselben Formerfordernissen wie die positive Erklärung und erfordert daher Schriftlichkeit (2 Ob 203/20x Rz 12 mwN). Die Ausschlagung einer Erbschaft ist unwiderruflich (RS0013014) und bewirkt, dass die Erbschaft dem Ausschlagenden als nicht angefallen gilt (RS0025116). Die Erbsausschlagung ist unbedingt abzugeben; eine beigesetzte Bedingung ist unzulässig und macht die Erbsausschlagung unwirksam (RS0110927).

[19]     3. Ob eine Erbsausschlagung wegen eines Willensmangels angefochten werden kann, ist in Rechtsprechung und Lehre strittig.

[20]     3.1. Die Rechtsprechung nimmt an, dass die Erklärung über die Ausschlagung der Erbschaft wegen aufgetretener Willensmängel (jedenfalls) im streitigen Verfahren angefochten werden könne (RS0013016). Hingegen geht die gefestigte Judikatur seit der Entscheidung 4 Ob 80/00v davon aus, dass die für den rechtsgeschäftlichen Verkehr bestimmten Vorschriften der §§ 869 ff ABGB auf die (nach der Terminologie des ErbRÄG 2015) Erbantrittserklärung als prozessuale Erklärung nicht passen (RS0113461). Tragende Erwägung der Entscheidung 4 Ob 80/00v war, dass das Konzept der Anfechtungsvoraussetzungen nach § 871 ABGB auf die Erbantrittserklärung als dem Gericht (oder Gerichtskommissär) gegenüber abgegebene prozessuale Erklärung nicht passe und bei der Abgabe prozessualer Erklärungen Willensmängel ohne Bedeutung seien. Bisher deutete lediglich der 6. Senat in der Entscheidung 6 Ob 3/09y an, diese Argumentation auch für die Erbsausschlagung für zutreffend zu erachten. Der erkennende Senat hat die Frage, ob die Erbsausschlagung wegen eines Willensmangels nach §§ 870 ff angefochten werden kann, zuletzt ausdrücklich offen gelassen (2 Ob 215/19k ErwGr A.2.2.).

[21]     Die Lehre ist zur Frage, ob eine Erbsausschlagung wegen Willensmängeln angefochten werden kann, gespalten (dafür etwa Schweda in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 805 ABGB Rz 3 sowie Spruzina in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 805 Rz 8 mwN; dagegen etwa Sailer in KBB6, §§ 799–800 ABGB Rz 9 und Volgger, Antritt und Ausschlagung der Erbschaft [2014] 113 ff; offen lassend Nemeth in Schwimann/KodekIV § 805 Rz 3 und Welser, Erbrechts-Kommentar § 800 ABGB Rz 24).

[22]     3.2. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dieser Frage kann jedoch im vorliegenden Fall unterbleiben, weil nach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt kein Anhaltspunkt für das vom Kläger behauptete arglistige Verhalten der Beklagten besteht.

[23]     Für ein arglistiges Verhalten der Erstbeklagten bieten weder das Vorbringen des Klägers noch die Feststellungen den geringsten Hinweis. Aber auch arglistiges Verhalten des Zweitbeklagten liegt nicht vor:

[24]     Nach den Feststellungen stand ausschließlich die zugesagte Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts in einem gewissen Konnex zur vom Kläger erklärten Erbsausschlagung. Dass der Zweitbeklagte bereits vor Abgabe der Erbsausschlagung die Nicht-Einhaltung dieser Zusage geplant hätte (vgl 2 Ob 215/19k ErwGr A.2.2. [b]), ist schon deswegen nicht anzunehmen, weil er dem Kläger aufgrund der Verzögerungen bei der Übergabe der Liegenschaften durch die Mutter im Jahr 2019 sogar einen Vertragsentwurf zukommen ließ. Die darin aufgenommene Klausel zum Erlöschen des Rechts bezieht sich klar erkennbar nur auf das (zusätzlich) eingeräumte Gebrauchsrecht an einem Parkplatz, nicht aber das Wohnungsgebrauchsrecht.

[25]     Bezüglich des vom Kläger behaupteten Benützungsrechts an Autoabstellplätzen konnte das Erstgericht nicht einmal eine dahin gehende konkrete Vereinbarung feststellen, sodass schon aus diesem Grund arglistiges Verhalten des Zweitbeklagten ausscheidet.

[26]     Im Hinblick auf die Übereignung von Bauland an den Kläger steht nur die grundsätzlich dahingehende Absicht der Mutter im Rahmen der Übergabe ihres eigenen Vermögens und der Wunsch des Klägers nach einer Grundstücksgröße von 1.000 m² fest. Eine konkrete Vereinbarung zwischen den Streitteilen über die Übereignung von 1.000 m² Bauland im Fall der Umwidmung und die Leistung einer Ablösezahlung im Fall des Misslingens der Umwidmung lässt sich den Feststellungen hingegen nicht entnehmen. Außerdem fehlt es bisher an einer Übereignung der Liegenschaften der Mutter der Streitteile an den Zweitbeklagten und an einer erfolgten Umwidmung. Zu betonen ist weiters, dass die angedachte Übereignung von Bauland ausschließlich das Vermögen der Mutter der Streitteile, nicht aber das verlasszugehörige Vermögen betrifft.

[27]     Von arglistigem Handeln der Beklagten, die sich nach den Feststellungen im Gegenteil um eine Umsetzung der gemachten Zusage bemühen, kann daher insgesamt keine Rede sein.

[28]     4. Der Kläger hat die Erbsausschlagung nicht unter einer (unzulässigen) Bedingung erklärt.

[29]     Nach dem Wortlaut des Protokolls erfolgte die Erklärung über die Ausschlagung der Erbschaft „vorbehaltlos und unwiderruflich“. Trotz ausdrücklicher Belehrung über die Folgen der Erbsausschlagung machte es der Kläger auch nicht zum Thema, seine Erklärung nur unter einer Bedingung abgeben zu wollen. Die Erwähnung der Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts erfolgte im Protokoll lediglich unter Hinweis auf die geplante Übertragung der Liegenschaftsanteile der Mutter. Insgesamt ist damit nicht vom Vorliegen einer Bedingung auszugehen (vgl auch 6 Ob 3/09y ErwGr 5.4., wo die Ausschlagung „mit Rücksicht auf den Vergleich“ im Hinblick auf die „vorbehaltlose“ Erklärung nicht als Bedingung angesehen wurde).

[30]     5. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Motivirrtum stützen.

[31]     5.1. Das Berufungsgericht ist unter Hinweis auf die Entscheidung 6 Ob 3/09y davon ausgegangen, dass im (hier seiner Ansicht nach vorliegenden) Fall einer unentgeltlichen Erbsausschlagung ein (geäußertes) Motiv einer Bedingung gleichkomme.

[32]     5.2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 3/09y (ErwGr 5.5.) obiter ausgeführt, dass bei Parteienprozesshandlungen wie einer Erbsausschlagung ein Motivirrtum unbeachtlich sei, allerdings nach zutreffender Lehre bei einer unentgeltlichen Erbsausschlagung gemäß § 901 ABGB für Motive dasselbe gelte wie für Bedingungen, die Erbsausschlagung also unwirksam sei. Volgger hat in ihrer Entscheidungsanmerkung (EF-Z 2010/19, 34 [34 f]) hervorgehoben, dass die vom 6. Senat zitierten Lehrmeinungen zu § 901 ABGB nicht der herrschenden Lehre entsprechen (vgl im Detail Fenyves in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 901 ABGB Rz 13 mwN). Weiters argumentiert Volgger, dass es auf Basis der Ausführungen in der Entscheidung 6 Ob 3/09y konsequent wäre, im Fall einer entgeltlichen Ausschlagung die Äußerung eines Motivs als zulässig anzusehen und die Beachtlichkeit des Motivirrtums zu verneinen.

[33]     5.3. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob diese Rechtsprechung aufrecht erhalten werden kann, ist im Anlassfall aus mehreren Gründen nicht erforderlich.

[34]     Erstens hat sich der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht nachvollziehbar darauf gestützt, dass die von ihm erklärte Erbsausschlagung wegen eines von ihm geäußerten Motivs unwirksam sein sollte.

[35]     Zweitens weisen die Beklagten im Rekurs zutreffend darauf hin, dass die Erbsausschlagung des Klägers nicht unentgeltlich erfolgte, weil ihr eine Gegenleistung (Einräumung des Wohnungsgebrauchsrechts) gegenüber stand. Dies entsprach im Übrigen auch dem Standpunkt sämtlicher Streitteile im erstinstanzlichen Verfahren. Ein tragfähiges Argument dafür, die Angabe eines bloßen Motivs allgemein – also auch im Fall einer als entgeltlich anzusehenden Ausschlagungserklärung – als schädlich für die Wirksamkeit der Erklärung anzusehen (vgl zur Bedeutungslosigkeit eines bloßen Motivs Volgger, Antritt und Ausschlagung, 73 f), nennen weder der Kläger noch das Berufungsgericht.

[36]     Drittens ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung selbst im Fall der Beachtlichkeit eines Motivirrtums einen bloß einfachen Kausalzusammenhang zwischen dem irrigen Beweggrund und dem Rechtsgeschäft nicht genügen lässt, sondern die Ausschließlichkeit des irrigen Beweggrundes in dem Sinn fordert, dass kein anderes wesentliches Motiv – als nicht ausschließbar – übrig bleiben darf (RS0012446; RS0012420 [T3]). Da der Kläger nach den Feststellungen bereits vor detaillierten Gesprächen über die Regelung der Erbschaft zum Ausdruck gebracht hatte, an deren Antritt wegen der vorhandenen Schulden nicht interessiert zu sein, ist auf Tatsachenebene vom Vorliegen eines weiteren wesentlichen Motivs für die Abgabe einer Ausschlagungserklärung auszugehen, sodass die Rechtsansicht des Berufungsgerichts auch aus diesem Grund keinen Bestand haben kann.

[37]     6. Für die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage bieten die Feststellungen keine Basis.

[38]     7. Soweit der Kläger in der Rekursbeantwortung argumentiert, dass eine der Notariatsaktspflicht analog § 1278 ABGB unterliegende „qualifizierte Ausschlagung“ vorliege (vgl RS0013025 und RS0013018), ist er darauf zu verweisen, dass er in erster Instanz kein Vorbringen erstattete, wonach er sich seines Erbrechts zu Gunsten bestimmter Personen entschlagen hätte. Außerdem bestimmt nach der Rechtsprechung (zur hier anzuwendenden Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015) der Ausschlagende autonom, ob durch seine Erklärung seine Nachkommen begünstigt werden sollen oder nicht, sei es, dass er einen anderen positiv begünstigen will, sei es, dass er nur negativ den Willen äußert, dass seine Nachkommen vom Erbrecht ausgeschlossen sein sollen (jüngst 2 Ob 203/20x Rz 21 mwN). Ausgehend davon kann es nach den Feststellungen keinem Zweifel unterliegen, dass der Kläger sein Erbrecht auch für seine Nachkommen ausschlug, wodurch die Nächstberufenen – hier die Beklagten – zum Zug kamen. Eine Einhaltung der Formerfordernisse des § 1278 Abs 2 ABGB ist in einem solchen Fall nicht erforderlich (jüngst 2 Ob 203/20x Rz 35 [zur Rechtslage nach ErbRÄG 2015]).

8. Ergebnis und Kosten

[39]     8.1. Aus den angeführten Gründen ist die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

[40]     8.2. Die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 41 iVm § 50 ZPO.

Textnummer

E134400

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00221.21W.0222.000

Im RIS seit

13.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

13.04.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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