TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/9 W180 2213450-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2021
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Entscheidungsdatum

09.09.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77

Spruch


W180 2213450-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Kosovo, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein kosovarischer Staatsangehöriger mit albanischer Muttersprache, reiste erstmal 2005 legal mit einem Visum C in das österreichische Bundesgebiet ein. Er hielt sich in der Folge bis November 2017 auf Grund von Aufenthaltstiteln rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ am 21.11.2017, dessen Verlängerung nicht beantragt wurde, verfügte er über keinen Aufenthaltstitel mehr.

2. Der BF wurde während seines rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich straffällig und dreimal rechtskräftig verurteilt. Zuletzt wurde der BF mit Urteil eines Landesgerichts vom 23.06.2016 in der Fassung des Urteils eines Oberlandesgerichts vom 14.02.2017 wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 ½ Jahren verurteilt, die er ab 15.05.2017 in einer Justizanstalt verbüßte.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) vom 10.01.2018 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem zehnjährigen Einreiseverbot erlassen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Kosovo festgestellt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die vom BF dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.06.2018 als unbegründet abgewiesen.

4. Der BF stellte am 10.12.2018 im Stande der Strafhaft einen Antrag auf internationalen Schutz.

5. Der BF wurde nach Verbüßung von zwei Drittel der Strafzeit am 15.01.2019 bedingt aus der Strafhaft entlassen und am selben Tag in Schubhaft genommen.

6. Mit Bescheid vom 17.01.2019 wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab, erteilte dem BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und dass der BF sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet ab 10.12.2018 verloren habe. Zudem wurde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.03.2019 wurde die Beschwerde des BF gegen den Bescheid vom 17.01.2019 als unbegründet abgewiesen.

7. Der BF wurde am 26.04.2019 in den Kosovo abgeschoben.

8. Der BF blieb nach seinen Angaben etwa ein Monat im Kosovo und reiste sodann abermals, diesmal unrechtmäßig, ins Bundesgebiet ein. Der BF kam seiner Meldeverpflichtung nicht nach und hielt sich nach seinen Angaben seit etwa Mai 2019 in Österreich im Verborgenen auf.

9. Der BF reiste am 07.05.2021 mit dem Zug von Österreich kommend unrechtmäßig in die Schweiz ein. Er wies sich mit einem abgelaufenen kosovarischen Reisepass aus. Zudem wurde seitens der Schweizer Grenzpolizei festgestellt, dass gegen den BF ein schengenweites Einreiseverbot besteht.

10. Am 11.05.2021 wurde der BF von den Schweizer Behörden nach Österreich rücküberstellt. Der BF wurde daraufhin am 11.05.2021 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen und zunächst hinsichtlich einer möglichen Zurückschiebung gemäß § 45 FPG einvernommen. Daran anschließend erfolgte eine Einvernahme des BF im Auftrag des Bundesamtes zur möglichen Verhängung der Schubhaft. Im Anschluss an die zweite Einvernahme stellte der BF einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz. Die Erstbefragung nach dem AsylG wurde noch am selben Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorgenommen.

11. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 12.05.2021, dem BF am selben Tag ausgefolgt, wurde über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz in Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Für ein etwaiges Beschwerdeverfahren wurde dem BF ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt. Gegen den genannten Bescheid wurde bislang kein Rechtsmittel erhoben. Der BF wird seit dem 12.05.2021 in Schubhaft angehalten.

12. Am 31.05.2021 erfolgte die Einvernahme des BF zu seinem Asylfolgeantrag durch ein Organ des Bundeamtes. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 31.05.2021 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Der Bescheid wurde dem BF am selben Tag ausgefolgt. Gegen den Bescheid vom 31.05.2021 erhob der BF Beschwerde.

13. Mit Schreiben vom 11.06.2021 legte das Bundesamt die Beschwerde des BF gegen den Bescheid vom 31.05.2021 und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vor. Mit Mitteilung gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG bestätigte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Beschwerdevorlage am 16.04.2021 eingelangt sei.

Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde innerhalb der einwöchigen Frist gemäß § 15 Abs. 4 bzw. § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt. Mit Aktenvermerk vom 10.08.2021 hielt die zuständige Richterin fest, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung in casu nicht vorlägen. Der Aktenvermerk wurde dem Bundesamt mit E-Mail vom selben Tag zur Kenntnis gebracht. Das Beschwerdeverfahren ist zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

14. Am 08.06.2021, 05.07.2021, 27.07.2021 und 25.08.2021 erfolgte seitens des Bundesamtes jeweils die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs. 6 FPG.

15. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 02.09.2021 den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der fortgesetzten Anhaltung des BF in Schubhaft ab dem vierten Monat der Anhaltung vor und erstatte eine Stellungnahme, in der die Behörde – nach Schilderung der weiteren Verfahrensschritte nach Verhängung der Schubhaft – ausführte, warum aus ihrer Sicht weiterhin akute Fluchtgefahr gegeben sei. Ferner wurde vorgetragen, dass der BF zwischenzeitlich durch die kosovarische Vertretungsbehörde positiv identifiziert worden sei und seit 10.06.2021 die Zusage zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates seitens der kosovarischen Botschaft vorliege. Eine begleitete Abschiebung des BF in den Kosovo auf dem Luftweg sei für den 10.09.2021 geplant.

16. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.2021, dem BF am selben Tag zugestellt, wurde dem BF die Stellungnahme des Bundesamtes vom selben Tag übermittelt und ihm Gelegenheit gegeben, zu dieser bis zum 06.09.2021, 12.00 Uhr, seinerseits Stellung zu nehmen.

In der Folge langte bei Gericht jedoch keine Stellungnahme des BF ein.

17. Am 07.09.2021 übermittelte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht Kopien der Buchungsbestätigungen für den BF und die begleitenden Beamten für den Flug am 10.06.2021 von Wien nach Pristina, den an eine Landespolizeidirektion gerichteten Abschiebeauftrag betreffend den BF und eine Kopie des Heimreisezertifikates.

18. Über gerichtlichen Auftrag wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 08.09.2021 ein amtsärztlicher Befund und Gutachten vom selben Tag übermittelt, in dem die Haftfähigkeit des BF bestätigt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zur Person des BF und zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Schubhaft:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Seine Identität steht fest. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2. Die BF ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

1.3. Der BF wird seit 12.05.2021 in Schubhaft angehalten.

1.4. Seit 21.06.2018 bestand gegen den BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem zehnjährigen Einreiseverbot.

Ein später im Stande der Strafhaft gestellter (erster) Asylantrag des BF wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.01.2019 vollumfänglich abgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.03.2019 abgewiesen.

Der BF stellte – nach Abschiebung in den Kosovo im April 2019, unrechtmäßiger Rückkehr nach Österreich und unrechtmäßigem Aufenthalt in Österreich – nach Rücküberstellung aus der Schweiz am 11.05.2021 einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde langte am 16.04.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Das Beschwerdeverfahren zum Folgeantrag ist zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde innerhalb der Frist des § 16 Abs. 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung gemäß § 17 leg.cit. nicht zuerkannt; mit einem Aktenvermerk vom 10.08.2021 hielt die zuständige Richterin fest, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall nicht vorliegen.

Durch die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG ist die seit 21.06.2018 gegen den BF rechtskräftig bestehende Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zum Zeitpunkt der gegenwärtigen Entscheidung wieder durchsetzbar und in Hinblick auf den Ablauf der in § 16 Abs. 4 BFA-VG normierten Frist auch durchführbar.

1.5. Die kosovarische Botschaft hat am 10.06.2021 der Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) für den BF zugestimmt. Es ist vorgesehen, dass der BF am 10.09.2021 auf dem Luftweg in den Kosovo begleitet abgeschoben wird. Es liegt eine entsprechende Flugbuchung für den 10.09.2021 vor und das HRZ wurde von der Botschaft bereits ausgestellt. Mit einer Abschiebung des BF am 10.09.2021 oder – sollte es hinsichtlich des Fluges am 10.09.2021 zu einer Verzögerung kommen – in Kürze ist daher zu rechnen.

2. Zur Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

2.1. Der BF reiste im Jahr 2019 entgegen einem rechtskräftigen Einreiseverbot wieder in das Bundesgebiet ein.

2.2. Der BF hielt sich vor seiner gegenständlichen Schubhaft für einen Zeitraum von etwa zwei Jahren in Österreich im Verborgenen auf.

2.3. Der BF stellte zwei Anträge auf internationalen Schutz, nämlich am 10.12.2018 und am 11.05.2021. In beiden Fällen bestand zum Zeitpunkt der jeweiligen Antragsstellung gegen den BF eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot.

2.4. Der BF wurde in Österreich wiederholt straffällig. Er weist folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

2.4.1. Mit Urteil eines Bezirksgerichts vom 08.11.2013 wurde der BF wegen der Vergehen der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs. 1 Z 1 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer einmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei die Strafe bedingt nachgesehen wurde. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, dass der BF am 28.01.2012 die Windschutzscheibe eines PKW mit einer Eisenstange einschlug, am 14.10.2012 eine Frau mit der Hand ins Gesicht schlug und dadurch leicht verletzte und am 02.12.2012 eine andere Frau mit einer Hand im Genitalbereich unter ihrem Kleid berührte. Anlässlich der Folgeverurteilung wurde die Probezeit von drei auf fünf Jahre verlängert.

2.4.2. Mit Urteil eines Bezirksgerichts vom 27.11.2014 wurde der BF wegen des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1 StGB zu einer zweimonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass er am 05.04.2014 versuchte, sein Opfer am Körper zu verletzen, indem er einen Faustschlag gegen dessen Gesicht richtete, jedoch dieses verfehlte. Die Probezeit wurde auch bei dieser Verurteilung anlässlich der nächsten Verurteilung von drei auf fünf Jahre verlängert.

2.4.3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 23.06.2016, in der Fassung des Urteils eines Oberlandesgerichtes vom 14.02.2017, wurde der BF wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 ½ Jahren verurteilt. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, dass er am 01.08.2015 ein damals 15-jähriges Mädchen, das an einer mittelgradigen bis schweren Intelligenzminderung bzw. an einer intellektuellen Entwicklungsstörung unklarer Genese litt, in seine Wohnung einlud, wo sie gemeinsam alkoholische Getränke konsumierten und Zigaretten rauchten. Unter Ausnutzung des Geisteszustandes des Opfers, welches auf Grund der geistigen Behinderung unfähig war, die Bedeutung und Sexualbezogenheit dieser Vorgänge einzusehen oder danach zu handeln, missbrauchte der BF hierauf sein Tatopfer dadurch, dass er geschlechtliche Handlungen an ihr vornahm, indem er ihr Strümpfe, Hose und Unterhose auszog, sich auf sie legte und bis zum Samenerguss den analen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog. Bei der Strafzumessung wurden vom Gericht keine Milderungsgründe berücksichtigt, erschwerend wirkten sich die beiden einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall, die Tatbegehung während offener Probezeit und das junge Alter des Opfers aus.

2.5. Der BF ist nicht kooperativ.

3. Zur familiären/sozialen/beruflichen Komponente:

3.1. Der BF ging in Österreich vor der Verhängung der gegenständlichen Schubhaft keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.

3.2. Der BF verfügt über keine ausreichenden Existenzmittel.

3.3. Der BF war in Österreich nach seiner unrechtmäßigen Einreise im Jahr 2019 nicht gemeldet. Er verfügte vor seiner Inschubhaftnahme über keinen Wohnsitz, er übernachtete nach seinen Angaben fallweise bei Freunden oder in Hotels.

3.4. Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich. Er ist geschieden und hat keine Sorgepflichten. Eine Schwester des BF lebt in Deutschland. Der BF hat Freunde in Österreich, er spricht Deutsch.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts, Zl. W161 2185712-3, betreffend das Beschwerdeverfahren zum Asylfolgeantrag des BF, sowie in den Gerichtsakt, Zl G314 2213450-1, betreffend eine Schubhaftbeschwerde zu einer der Abschiebung im Jahr 2019 vorangegangenen Schubhaft. Einsicht genommen wurde ferner in das Zentrale Melderegister, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zur Person des BF und zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Schubhaft:

1.1. Da der BF bereits im Jahr 2019 in den Kosovo abgeschoben wurde und nunmehr wiederum ein HRZ von der kosovarischen Botschaft für den BF ausgestellt wurde, konnte die kosovarische Staatsangehörigkeit des BF festgestellt werden. Hinweise, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, haben sich im Verfahren nicht ergeben, weshalb die entsprechende Feststellung zu treffen war. Der BF besitzt einen kosovarischen Reisepass, dieser ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings nicht mehr gültig. Dennoch ist auch in Hinblick auf die HRZ-Ausstellung von einer feststehenden Identität des BF auszugehen.

1.2. Die Feststellung zur Haftfähigkeit des BF stützt sich auf einen aktuellen amtsärztlichen Befund und Gutachten vom 08.09.2021, mit dem die Haftfähigkeit des BF bestätigt wurde. Der BF selbst gab sowohl in seiner Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.05.2021 als auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 31.05.2021 an, dass er gesund sei. Dass der BF Zugang zu medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

1.3. Die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 12.05.2021 ergibt sich aus den Verwaltungsakten und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.

1.4. Die Feststellungen zur Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot und zum ersten Asylverfahren des BF sowie zu seiner im April 2019 erfolgten Abschiebungen in den Kosovo ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und aus einer Einschau in das Zentrale Melderegister. Die Feststellungen zum Folgeantrag stützen sich auf den Bescheid des Bundesamtes vom 31.05.2021, mit dem der Antrag zurückgewiesen wurde und der in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegt, sowie auf eine Einschau in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts zum diesbezüglichen Beschwerdeverfahren. Aus dem Gerichtsakt ergibt sich insbesondere, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung innerhalb der Frist des § 16 Abs. 4 BFA-VG nicht zuerkannt wurde und dass die zuständige Richterin in einem Aktenvermerk festhielt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenständlich nicht vorliegen. Weiters ergibt sich aus dem Gerichtsakt, dass das Beschwerdeverfahren derzeit noch anhängig ist.

1.5. Die Feststellung zur Zustimmung der kosovarischen Botschaft zur Ausstellung eines HRZ stützt sich auf den Verwaltungsakt und das entsprechende Vorbringen des Bundesamtes in der Stellungnahme zur gegenständlichen Schubhaftüberprüfung vom 02.09.2021. Das mittlerweile ausgestellte HRZ wurde vom Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt. Die Feststellungen zur geplanten Abschiebung des BF am 10.09.2021 werden auf Grund des Vorbringens des Bundesamtes in der Stellungnahme vom 02.09.2021 getroffen, auch diesbezüglich wurden vom Bundesamt in der Folge noch Unterlagen, insbesondere die Bestätigung der Flugbuchung, vorgelegt. Davon ausgehend war die Feststellung zu treffen, dass mit einer Abschiebung des BF am 10.09.2021 gerechnet werden kann. Da es gerichtsbekannt ist, dass Abschiebungen in den Kosovo grundsätzlich problemlos erfolgen, war auch die Feststellung zu treffen, dass – sollte es hinsichtlich des Fluges am 10.09.2021 zu Verzögerung kommen – eine Abschiebung des BF jedenfalls in Kürze zu erwarten ist.

2. Zu Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

2.1. Dass der BF noch im Jahr 2019 entgegen dem Einreiseverbot wieder in das Bundesgebiet einreiste, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben in den Einvernahmen am 11.05.2021 und vor dem Bundesamt am 31.05.2021.

2.2. Die Feststellung, dass der BF sich in Österreich für etwa zwei Jahre im Verborgenen aufgehalten hat, ergibt sich ebenfalls aus seinen Angaben in den schon zuvor erwähnten Einvernahmen und aus einer Einschau in das Zentrale Melderegister, in dem für den Zeitraum von der Abschiebung des BF in den Kosovo im April 2019 bis zu seiner Anhaltung ab 11.05.2021 in Polizeianhaltezentren keine Meldung aufscheint. Der BF gab in der Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.05.2021 an: „Ich wohne überall. Ich habe keinen festen Wohnsitz. Alles was ich besitze, trage ich bei mir.“ In der Einvernahme am selben Tag für das Bundesamt sagte er diesbezüglich aus: „Ich habe ein paar Freunde in der Steiermark, bei denen ich manchmal übernachte. Ich habe aber keine Familie. Meistens schlafe ich in Hotel oder sonst irgendwo.“

2.3. Die Feststellung, dass zu den Zeitpunkten, zu denen der BF Asylanträge stellte, jeweils eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestand, ergibt sich unzweifelhaft aus der Aktenlage.

2.4. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des BF stützten sich auf einen aktuellen Strafregisterauszug und auf die in den Verwaltungsakten enthaltenen Urteile bzw. Protokollsvermerke und gekürzte Urteilsausfertigungen.

2.5. Dass der BF nicht kooperativ ist, ergibt sich daraus, dass er nicht bereit ist, freiwillig in den Kosovo zurückzukehren und ferner das Einreiseverbot nicht zu akzeptieren bereit ist, wie der Niederschrift vom 11.05.2021 zu entnehmen ist (der BF die verneinte die Frage nach einer freiwilligen Rückkehr in den Kosovo und bemerkte zu einer möglichen Abschiebung „…das ist mir egal, ich komme wieder“). Zudem trat der BF vom 04.06.2021 bis 08.06.2021 in einen Hungerstreik.

3. Zur familiären/sozialen/beruflichen Komponente:

3.1. Hinweise auf eine legale Erwerbstätigkeit des BF nach Wiedereinreise im Jahr 2019 und vor der Verhängung der gegenständlichen Schubhaft liegen nicht vor. Der BF gab an, in Österreich gearbeitet zu haben, um zu überleben. Er habe einfache Jobs gemacht, die er gerade bekommen habe (Einvernahme am 11.05.2021). Einer legalen Erwerbstätigkeit des BF in diesem Zeitraum steht auch der Umstand entgegen, dass es ihm hierfür an den rechtlichen Voraussetzungen mangelte.

3.2. Dass der BF über keine ausreichenden Existenzmittel verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben bei der Einvernahme für das Bundesamt am 11.05.2021, wonach er etwa Euro 187,- und einige Schweizer Franken besitze. In der Anhaltedatei ist mit Stand 02.09.2021 nunmehr ein verfügbarer Geldbetrag von Euro 0,- vermerkt.

3.3. Die Feststellung, dass der BF nach Wiedereinreise nach Österreich im Jahr 2019 nicht polizeilich gemeldet war, ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Zentralen Melderegisters. Die Feststellung, dass er in dieser Zeit über keinen Wohnsitz verfügte, ergibt sich aus seinen Angaben, siehe Pkt. 2.2.

3.4. Dass der BF keine Familienangehörigen in Österreich hat, stützt sich auf seine Angaben in der Einvernahme für das Bundesamt am 11.05.2021, wonach er in Österreich keine Familie habe. Dass eine Schwester des BF in Deutschland lebt, hat der BF in der Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.05.2021 ausgesagt. Die Feststellung, dass der BF geschieden ist und keine Sorgepflichten hat, übernimmt der erkennende Richter aus den Feststellungen im Verfahren zu Zl G314 2213450-1, Hinweise auf diesbezügliche Änderungen habe sich im Verfahren nicht ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt – ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG – einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.1.3. Auf Grund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten rechtzeitig zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist hinausgehen soll, vorzulegen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig zu übermitteln, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche vor dem Termin verbleibt. Der BF befindet sich seit 12.05.2021 in Schubhaft, die Frist zur amtswegigen Vier-Monats-Überpüfung endet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daher am 12.09.2021 (vgl. VwGH 27.08.2020, Ro 2020/21/0010, Rz. 8).

3.1.4. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung und Fortsetzung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft) – möglich ist.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:

Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hielt sich in den letzten zwei Jahren im Bundesgebiet unrechtmäßig auf, er reiste entgegen einem Einreiseverbot ein, kam der Meldeverpflichtung nicht nach und tauchte im Bundesgebiet unter. Erst als ein Einreiseversuch in die Schweiz am 07.05.2021 scheiterte, wurden die österreichischen Behörden auf ihn aufmerksam. Durch sein Untertauchen und Leben in Österreich im Verborgenen umging der BF eine Abschiebung Der Fluchtgefahrtatbestand der Z 1 leg.cit. ist damit erfüllt.

Da der BF nach seiner Abschiebung in den Kosovo im April 2019 im selben Jahr wieder nach Österreich einreiste, wobei gegen ihn seit 21.06.2018 ein rechtskräftiges Einreiseverbot bestand, ist auch der Tatbestand der Z 2 des § 76 Abs. 2 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Der erste Untertatbestand dieser Ziffer ist im vorliegenden Fall erfüllt: Gegen den BF besteht seit 21.06.2018 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung, mit der Zurückweisung seines Asylfolgeantrages durch das Bundesamt mit Bescheid vom 31.05.2021 und der Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG durch das Bundesverwaltungsgericht sowie den Ablauf der Frist gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG ist diese Rückkehrentscheidung im Zeitpunkt der gegenständlichen Schubhaftüberprüfung wieder durchsetzbar und durchführbar. Gegenwärtig liegt gegen den BF daher eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor, weshalb auch der Fluchtgefahrtatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt ist.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG ist bei der Beurteilung der Fluchtgefahr zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde. Der BF stellte zwei Anträge auf internationalen Schutz, in beiden Fällen bestand gegen ihn im Zeitpunkt der Antragstellung eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme. Auch dieser Fluchtgefahrtatbestand ist daher gegeben.

Bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Der BF verfügt über keine Existenzmittel und übte seit seiner Einreise nach Österreich im Jahr 2019 keine legale Erwerbstätigkeit aus. Er war nicht gemeldet und verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz. Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich. Der Grad seiner sozialen Verankerung in Österreich ist daher als sehr gering zu beurteilen. Der Fluchtgefahrtatbestand des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ist daher im Fall des BF ebenfalls klar gegeben.

Zum Zeitpunkt der vorliegenden Schubhaftüberprüfung liegen daher die Fluchtgefahrtatbestände der Z 1, Z 2, Z 3, Z 5 und Z 9 des § 76 Abs. 3 FPG vor. Es ist daher weiterhin von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen.

3.1.6. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung ergibt, dass eine Vielzahl an Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Im Fall des BF ist ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben. Der BF reiste entgegen einem Einreiseverbot wieder nach Österreich ein und lebte hier durch zwei Jahre bewusst im Verborgenen, um nicht wieder abgeschoben zu werden. Er zeigt mit seinem Verhalten deutlich auf, sich nicht der österreichischen Rechtsordnung unterordnen zu wollen. Auch kündigte er bereits an, im Falle einer Abschiebung wieder nach Österreich zurückkehren zu wollen. In Österreich befinden sich keine Familienangehörige des BF, er verfügt über keine Mittel zur Existenzsicherung und er ging seit seiner Wiedereinreise nach Österreich keiner legalen Beschäftigung nach. Auch verfügte er über keinen gesicherten Wohnsitz. Bei diesem Vorverhalten und der als sehr gering zu bezeichnenden sozialen Verankerung in Österreich ist der BF im hohen Maße als fluchtgefährlich zu beurteilen und sind daher auch in einer Gesamtsicht jedenfalls Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.7. Zudem teilt der erkennende Richter die Beurteilung des Bundesamtes im Schubhaftbescheid (mit dem über den BF die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 76 Abs. 2 Z 1 FPG verhängt wurde), wonach der BF auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG gefährdet. Der BF wurde wegen eines Sittlichkeitsverbrechens (§ 205 StGB) zu einer empfindlichen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Strafhöhe von 2 ½ Jahren zeigt bereits einen hohen Unrechtsgehalt auf. Hinzu kommt, dass der BF zwei einschlägige Vorstrafen aus dem Jahr 2013 (Verurteilung ua wegen Körperverletzung und sexueller Belästigung) und aus dem Jahr 2014 (versuchte Körperverletzung) aufweist, wobei nach dem Urteil des Oberlandesgerichtes vom 14.02.2017 gegen den BF beide Vorstrafen in Hinblick auf das Sittlichkeitsverbrechen des § 205 StGB als einschlägig zu beurteilen sind, da sich Gewaltdelikte und Sittlichkeitsdelikte gleichermaßen gegen die körperliche Integrität des Opfers richten. Auch ist zu bedenken, dass der BF sich in der Strafverhandlung nicht geständig zeigte. Auf Grund der Schwere der Tat, der einschlägigen Vorstrafen und seiner leugnenden Verantwortung im Strafprozess ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt der BF trotz des Umstandes, dass er seit seiner Haftentlassung im Jahr 2019 und unrechtmäßiger Rückkehr nach Österreich etwa im Mai 2019 hier nicht strafrechtlich auffällig wurde, weiterhin als gefährlich im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG zu beurteilen.

3.1.8. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Wie dargelegt ist der BF durch Begehung eines Sittlichkeitsverbrechens (§ 205 StGB) massiv straffällig geworden und wurde zu einer Freiheitsstrafe von 2 ½ Jahren verurteilt. Zudem wurde der BF zuvor zwei Mal wegen Delikten gegen die körperliche Integrität, einmal auch gegen die sexuelle Selbstbestimmung, zu bedingten Freiheitsstrafen verurteilt. Nach der Verurteilung zu 2 ½ Jahren Freiheitsstrafe wurden gegen den BF ein zehnjähriges Einreisverbot erlassen; der BF handelte aber diesem Einreiseverbot zuwider und reiste schon kurz nach seiner Abschiebung in den Kosovo wieder nach Österreich ein.

Auf Grund der Begehung von Gewalt- und Sittlichkeitsdelikten und des Ignorierens des gegen ihn erlassenen Einreiseverbotes ist davon auszugehen, dass der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv gefährdet und ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF besteht.

Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der BF keine Familienangehörigen, keine legale Erwerbstätigkeit, und keine engen sozialen Kontakte im Inland vorweisen konnte, die im Rahmen der Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen geeignet waren. Die persönlichen Interessen des BF wiegen daher weit weniger schwer als das erhöhte öffentliche Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Der BF wird seit 12.05.2021 und somit seit 4 Monaten in Schubhaft angehalten. Seine Abschiebung ist nunmehr für den 10.09.2021 geplant. Ein HRZ liegt vor. Selbst wenn es zu einer Verschiebung kommen sollte, ist mit einer Abschiebung des BF in Kürze zu rechnen. Angesichts des erhöhten öffentlichen Interesses an einer Außerlandesbringung des BF ist die Anhaltung des BF zum gegenwärtigen Zeitpunkt als verhältnismäßig zu beurteilen.

3.1.9. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Auf Grund des Vorverhaltens des BF, nämlich seine Straffälligkeit und die damit einhergehende mangelnde Vertrauenswürdigkeit, kommt eine Anordnung eines gelinderen Mittels auch aus Sicht des erkennenden Richters nicht in Betracht. Der BF trat zudem in der Schubhaft in Hungerstreik. Auch kündigte er an, im Falle einer Abschiebung wieder entgegen dem Einreiseverbot nach Österreich zurückkehren zu wollen. Mit dieser Ankündigung zeigt der BF deutlich auf, behördliche Aufträge weiterhin nicht befolgen zu wollen, weshalb auch nicht anzunehmen, dass er der Anordnung etwa einer periodischen Meldepflicht nachkommen und diese Maßnahme ausreichen würde, dass er sich der Behörde zur Verfügung hält. Seit der Verhängung der Schubhaft sind auch keine Änderungen zu Gunsten des BF eingetreten, der BF hat vielmehr durch sein Eintreten in den Hungerstreik einen weiteren Grund für die Annahme aufgezeigt, dass ein gelinderes Mittel nicht ausreichen würde, seine Abschiebung zu sichern.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.10. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.11. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt sich als hinreichend geklärt erwiesen hat.

Für Änderungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, die allfällig eine Verifizierung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfordern würden, gab es im gegenständlichen Ermittlungsverfahren keinen Hinweis. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass der BF auf ein schriftliches Parteiengehöre nicht reagiert hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt A. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit Wiedereinreise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W180.2213450.2.00

Im RIS seit

07.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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