TE OGH 2021/5/19 33R31/21b

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Veröffentlicht am 19.05.2021
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke „BEBACARE“ über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 30.12.2020, AM 10758/2020-3, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Wortmarke „BEBACARE“ in diesen Waren- und Dienstleistungsklassen und mit diesem Schutzumfang:

5        Dietätische Lebensmittel; Getränke und Substanzen, die für den medizinischen und klinischen Gebrauch geeignet sind; Lebensmittel und Lebensmittelsubstanzen für Babys; Säuglingsanfangsnahrung; Nährmehle mit Milchzusatz für Babys; Milchpulver für Babys; Lebensmittel und Lebensmittelsubstanzen für Kinder und Kranke für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel; Diätetische Zusätze für medizinische Zwecke; Diätnahrungsergänzungsstoffe für medizinische Zwecke; Präparate aus Mineralstoffen, Vitaminpräparate; Ballaststoffe; Vitamine; Vitaminpräparate und -substanzen; Nahrungsergänzungsstoffe; dietätische Ergänzungsstoffe.

Sie brachte vor, das Zeichen sei unterscheidungskräftig (§ 4 Abs 1 Z 3 MSchG) und habe keinen ausschließlich beschreibenden Charakter (§ 4 Abs 1 Z 4 MSchG). Es setze sich zusammen aus dem serbokroatischen Wort beba (auf Deutsch: Baby) und dem englischen Wort care (auf Deutsch: Sorgfalt, Sorge, betroffen sein, Pflege, Obhut, Aufsicht, Versorgung, Achtsamkeit, Sorgsamkeit, Bedacht). Das Wort beba habe für die maßgeblichen Verkehrskreise – österreichische Verbraucher – keinen kennzeichnenden Sinngehalt, weil nur 3,4 % der österreichischen Bevölkerung Serbokroatisch verstünden; zudem werde es auf Serbokroatisch mit kyrillischen Schriftzeichen geschrieben. Es sei daher wie ein frei erfundenes Wort zu behandeln. Die Kombination mit dem englischen Wort care gehe über einen informativen Hinweis hinaus, weil sie eine gewisse Originalität aufweise und zu ihrem Verständnis ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erforderlich sei. Zumindest sei noch ein erheblicher Denkprozess notwendig, um eine Assoziation zu der Vielzahl an angemeldeten Waren herzustellen. In Deutschland und in der Schweiz habe die Antragstellerin die Marke bereits erfolgreich registrieren lassen. Die Antragstellerin sei die Inhaberin der Internationalen Registrierung 187436 „BEBA“, die ihre Konzerntochter Nestlé Österreich GmbH seit Jahrzehnten in Österreich verwende. Das Patentamt habe diese bei der internationalen Schutzausdehnung für Waren und Dienstleistungen der Klassen 5, 29 und 30 für unterscheidungskräftig angesehen.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt den Antrag ab. Begründend verwies es auf seine Schreiben vom 24.6.2020 und 28.9.2020, mit denen es der Antragstellerin mitgeteilt hatte, dass das Zeichen nicht unterscheidungskräftig sei (§ 4 Abs 1 Z 3 MSchG). Ein erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise verstehe das Wort beba. Er sehe das angemeldete Zeichen daher nur als den informativen Hinweis darauf, dass die mit ihm bezeichneten Waren der Behandlung und Versorgung von Babys dienen würden. Aufgrund der klanglichen Ähnlichkeit des Wortstamms von beba und Baby in der österreichischen Alltagssprache würden auch der serbokroatischen Sprache völlig Unkundige die Bedeutung von beba verstehen, wenn sie das Zeichen im Zusammenhang mit den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen sehen, und im Zusammenhang mit dem englischen Wort care erkennen, dass es sich um Produkte für die Pflege und Versorgung von Babys handle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss zu ändern und die Wortmarke in das Markenregister einzutragen; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Fehlt nämlich die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (RS0132933; RS0118396 [T7]). Originär unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (C-108/97, Chiemsee; C-104/00 P, Companyline; RS0118396). Ob ein Zeichen unterscheidungskräftig ist, ist anhand seines Gesamteindrucks zu beurteilen (RS0066749; Koppensteiner, Markenrecht4 82), und zwar für die konkreten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 4 Rz 53 ff). Maßgeblich ist die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise im Inland (RS0079038), also jene des Handels und der normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (RS0079038 [T1]; RS0114366 [T5]; Asperger, aaO Rz 64-65; Ingerl/Rohnke, MarkenG³ § 8 Rz 73).

2. Nach § 4 Abs 1 Z 4 und 5 MSchG sind zudem solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können oder im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung üblich sind. Ein Zeichen ist nicht eintragbar, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung verstehen (RS0066456; RS0109431). Das Registrierungshindernis besteht schon dann, wenn das Zeichen in nur einem der angesprochenen Verkehrskreise als beschreibender Hinweis auf die bezeichneten Waren und Dienstleistungen verstanden wird, auch wenn diese Ansicht in anderen Verkehrskreisen nicht geteilt wird (4 Ob 77/15z, Amarillo; 4 Ob 126/15f, Bukhara; OLG Wien 34 R 147/15k, Skyr; 34 R 61/14m, Kärntner Grantnguglhupf; 34 R 12/14f, Nero). Das Verständnis eines von mehreren angesprochenen Verkehrskreisen kann das Registrierungshindernis auch dann bewirken, wenn es sich dabei um den kleineren Teil der beteiligten Verkehrskreise handelt (4 Ob 126/15f, Bukhara; OLG Wien 133 R 64/18m, Kanta). Enthält das Zeichen dagegen nur Andeutungen, ohne die Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht „rein beschreibend” und auch ohne Verkehrsgeltung schutzfähig (RS0066456; RS0090799; RS0109431 [T31]). Dass Zeichen „auch beschreibend” sind, steht ihrer Unterscheidungskraft nicht entgegen (4 Ob 237/01h, Drivecompany; 17 Ob 27/07f, laendleimmo.at; 4 Ob 102/12x, My TAXI).

3. Bei Wortmarken bejaht die Rechtsprechung die Unterscheidungskraft nur bei frei erfundenen, keiner Sprache angehörenden Phantasiewörtern (im engeren Sinn) und bei Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit den Waren oder Dienstleistungen, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die beteiligten Verkehrskreise die Wörter als Phantasiebezeichnungen auffassen (RS0066644).

4. Fremdsprachige Begriffe sind im Allgemeinen so zu behandeln wie deutschsprachige (Newerkla in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 4 Rz 224). Ob sie unterscheidungskräftig sind, hängt somit davon ab, ob sie im Prioritätszeitpunkt im Inland so weit bekannt waren, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s, car care; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 17 Ob 21/07y, Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t, Expressglass). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache nicht gebräuchlich ist (4 Ob 277/04w, Powerfood; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 4 Ob 38/06a, Shopping City). Bei einer gespaltenen Verkehrsauffassung genügt es, wenn diese Kenntnis nur für einen dieser Verkehrskreise besteht, auch wenn er zahlenmäßig kleiner als jener der Endverbraucher ist (C-412/05 P, Alcon Inc.; C-421/04, Matratzen Concord, Rz 24; C-102/07, Adidas/Marca Mode II, Rz 23; BGH I ZB 52/09, Maalox/Melox-GRY; 4 Ob 7/12a, Sinupret/Sinuvex; 4 Ob 77/15z, Amarillo; OLG Wien 34 R 147/15k, Skyr; 133 R 137/17w, Bronchocold, Bronchoakut und Bronchonight). Die Verbindung zweier Worte verschiedener Sprachen bewirkt für sich noch keinen merklichen Unterschied zwischen der neuen Wortfolge und der bloßen Summe ihrer Bestandteile (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 4 Rz 92; zu zwei deutschsprachigen Begriffen auch 4 Ob 78/18a, Schneewette).

5. In Österreich leben traditionell zahlreiche Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien und deren Nachfahren. Bei der Volkszählung im Jahr 2001 haben insgesamt 343.484 Personen

Serbokroatisch als Umgangssprache angegeben, wobei die Zahl jener Personen, die zwar Deutsch als Umgangssprache verwenden, aber die serbokroatische Sprache zumindest verstehen können, naturgemäß weit höher liegt (OLG Wien 133 R 64/18m, Kanta). Englisch ist als wichtigste Handelssprache in Österreich überhaupt die geläufigste Fremdsprache (RS0066456; 4 Ob 36/14v, selective/line; OLG Wien 133 R 111/17x, Groove).

6. In Anwendung dieser Grundsätze begegnet die angefochtene Entscheidung keinen Bedenken: Das Zeichen setzt sich aus dem serbokroatischen Wort beba (Baby, Kleinkind) und dem englischen Wort care (zB Betreuung, Pflege, Sorge, Zuwendung) zusammen. Die Kombination der beiden Wörter ist zwar in keiner Sprache gebräuchlich, bewirkt aber für sich noch keinen merklichen Unterschied zur Summe ihrer Bestandteile, gerade auch im Hinblick auf die damit gekennzeichneten Waren. Die Bedeutung von care ist in Österreich allgemein bekannt. Konsumenten, die Serbokroatisch und damit auch das Wort beba verstehen, sehen das angemeldete Zeichen gerade im Zusammenhang mit den von der Anmeldung umfassten Waren als Hinweis auf den Zweck/die Zweckbestimmung und die Beschaffenheit der Waren, nämlich insbesondere darauf, Babys damit zu versorgen, ihnen gesundheitliche Pflege durch ausgewogene Ernährung zukommen zu lassen und ihnen Zuwendung schenken zu können, nicht aber als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen. Dass das Verständnis eines von mehreren angesprochenen Verkehrskreisen das Registrierungshindernis auch dann begründet, wenn es sich dabei um den kleineren Teil der beteiligten Verkehrskreise handelt, wurde bereits oben dargelegt. Ob Serbokroatisch die Sprache einer verfassungsmäßig geschützten Minderheit in Österreich ist, ist unerheblich, weil es auf das Sprachverständnis ankommt. Aber auch ein erheblicher Teil jener Konsumenten, die der serbokroatischen Sprache nicht mächtig sind, wird das angemeldete Zeichen nicht als Phantasiebezeichnung auffassen: Sie werden beba auf der ersten Silbe betonen und nicht mit langem a aussprechen, sodass es sich von Baby in seiner umgangssprachlichen Verwendung nur mehr durch den letzten Buchstaben unterscheidet. Für den Großteil der Konsumenten werden die Begriffe beba und Baby demnach klanglich sehr ähnlich sein. Gerade in der Kombination mit dem allgemein bekannten care und im Zusammenhalt mit den von der Anmeldung umfassten Waren wird auch ein großer Teil der Konsumenten, die Serbokroatisch nicht verstehen, einen Hinweis auf diese Waren sehen und nicht auf das Unternehmen der Antragstellerin. Ein erheblicher Teil des inländischen Verkehrs kann somit einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen; das angemeldete Zeichen kann letztlich die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen. Ob das Zeichen in anderen Ländern registriert wurde, ist für die Beurteilung der Unterscheidungskraft nach dem MSchG unerheblich.

7. Die Entscheidung der Rechtsabteilung bedarf somit keiner Korrektur.

8. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 30.000 übersteigt (§ 59 Abs 2 AußStrG).

9. Da die Beurteilung der markenrechtlichen Kennzeichnungskraft im Einzelfall keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft, war der ordentliche Revisionsrekurs nicht zuzulassen.

Schlagworte

Gewerblicher Rechtsschutz – Markenschutz; BEBACARE,

Textnummer

EW0001112

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2021:03300R00031.21B.0519.000

Im RIS seit

24.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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