TE OGH 2021/6/22 1Ob100/21v

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Veröffentlicht am 22.06.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei S*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte und widerklagende Partei H*****, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Schlegl, Rechtsanwalt in Graz, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 26. März 2021, GZ 1 R 321/20p-220, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz-West vom 14. Oktober 2020, GZ 108 C 7/14f-217, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO

mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1. Die Revisionswerberin wiederholt (im Wesentlichen wortgleich) ihre Ausführungen in der Berufung, ohne auf die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts einzugehen. Sie zeigt damit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (vgl RIS-Justiz RS0043603 [T15]).

[2]            2. Davon abgesehen wirft die einzelfallbezogene Verschuldensprüfung und -gewichtung bei der Scheidung typischerweise keine solche auf (RS0119414). Es kommt dabei auf das Gesamtverhalten beider Ehegatten an (RS0057303 [T3, T7]), wobei das überwiegende Verschulden eines Ehegatten an der Zerrüttung der Ehe nur auszusprechen ist, wenn der graduelle Unterschied beider Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt, das Verschulden eines Teils also erheblich schwerer wiegt, als das des anderen (RS0057821; RS0057858), das gegenüber diesem fast völlig in den Hintergrund treten muss (RS0057821 [T5, T7]).

[3]            3. Die Revisionsausführungen beziehen sich primär auf Eheverfehlungen des Mannes, wohingegen eigene Verfehlungen der Frau mehr oder weniger unberücksichtigt bleiben. So übergeht sie, dass sie dem Mann mehrfach damit drohte, ihn zu „vernichten“ bzw relativiert dies als bloß „milieubedingte“ Äußerung. Ihrer von den Vorinstanzen angenommenen (weiteren) Eheverfehlung, wonach sie den Mann vor ägyptischen Behörden wissentlich unrichtig der „Unterschlagung“ gemeinsamer Einrichtungsgegenstände bezichtigt hatte, weshalb über ihn eine Freiheitsstrafe verhängt wurde, hält sie nur entgegen, dass ihre Vorwürfe richtig gewesen seien, was aber dem festgestellten Sachverhalt widerspricht. Soweit sich die Klägerin gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung wendet (wobei sie ganz allgemein behauptet, es bestünden für ihre Eheverfehlungen keine „objektiven“ Beweise), ist dies in dritter Instanz unzulässig (RS0069246). Auf ihre Ausführungen zur Beweislast dafür, dass sie den Mann wissentlich unrichtig einer Straftat bezichtigte, ist aufgrund der dazu getroffenen positiven Feststellung nicht einzugehen (RS0039903).

[4]            4. Dass der Mann die Frau im Februar 2013 nach Ägypten „verbannt“ hätte, findet keine Grundlage im Sachverhalt, hatte er ihr doch für April 2013 Rückflugtickets besorgt. Dass sich ihre Rückreise aus „bürokratischen“ Gründen (ua wegen fehlender Reisepässe der Kinder; die Revisionswerberin spricht selbst von „behördlichen Verstrickungen“) verzögerte, kann dem Beklagten – von dem auch feststeht, dass er nicht beabsichtigte, die Frau von einer Rückkehr nach Österreich abzuhalten – nicht angelastet werden. Ob der Mann versuchte, ihren Aufenthalt in Ägypten vor einem dortigen Gericht klageweise „durchzusetzen“, spielt für die Beurteilung seines Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe keine Rolle, brachte er die Klage – mit der er nach den erstinstanzlichen Feststellungen Ansprüche der Frau auf Zahlung von Unterhalt sowie einer „Morgengabe“ verhindern wollte – doch erst nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe ein (vgl dazu 5.).

[5]            5. Die Ehe ist unheilbar zerrüttet, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (RS0056832). Ob und wann eine solche Zerrüttung vorliegt, begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0043423 [T8]). Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin reichen die Feststellungen aus, um den Eintritt der unheilbaren Ehezerrüttung beurteilen zu können. Zwischen den Parteien bestand schon seit Februar 2013 keine Geschlechts-, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mehr. Ein letzter Versuch, die Ehe „zu retten“, wobei die Frau nur mehr gegen finanzielle „Gegenleistungen“ des Mannes (Übertragung einer Wohnung; Ausstellung eines „Blankoschecks“) zu deren Fortsetzung bereit war, scheiterte in der ersten Oktoberwoche 2013. Danach ging auch die Klägerin davon aus, dass die Ehe unheilbar zerrüttet ist. Dass die Vorinstanzen den Eintritt der Zerrüttung (spätestens) zu diesem Zeitpunkt annahmen, bedarf daher keiner Korrektur. Es begegnet auch keinen Bedenken, dass sie dem nachfolgenden Auszug des Mannes aus der Ehewohnung sowie seiner ebenfalls nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung erfolgten Aufnahme einer sexuellen Beziehung zu einer anderen Frau (sowie der vom Mann gegen die Frau in Ägypten angestrengten Klage) keine maßgebliche Bedeutung bei der Verschuldensabwägung beimaßen (vgl RS0057338; 1 Ob 80/20a).

[6]       6. Dass die Vorinstanzen den ihnen bei der Gewichtung der – vor unheilbarer Zerrüttung der Ehe begangenen – beiderseitigen Eheverfehlungen zustehenden Spielraum überschritten hätten, zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Soweit ihr Rechtsmittel dazu überhaupt vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, weckt es keine Bedenken daran, dass es dem Mann nicht als überwiegendes Verschulden angelastet wurde, dass er die Frau nach ihrer Rückkehr aus Ägypten vorübergehend nicht in die Ehewohnung ließ, nachdem sie ihm zuvor gedroht hatte, ihn zu „vernichten“, was sie insoweit in die Tat umsetzte, als sie ihn wissentlich zu Unrecht einer Straftat bezichtigte. Darauf, dass er sie einmal „geschupft“ – und dabei verletzt – hat, kommt sie in ihrem Rechtsmittel nicht mehr zurück. Dass der Mann bei Konflikten der Frau mit seiner Schwester seine eheliche Beistandspflicht verletzt hätte, kann den Feststellungen nicht entnommen werden; auch die Revision enthält dazu keine ausreichend konkreten Darlegungen.

Textnummer

E132357

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00100.21V.0622.000

Im RIS seit

11.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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