TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/1 W171 2235450-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.10.2020
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Entscheidungsdatum

01.10.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs6
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W171 2235450-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Anhaltung in Schubhaft vom 07.09.2020 bis 09.09.2020 (Antragstellung des Antrags auf internationalen Schutz) rechtmäßig gewesen ist.

II. Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die Anhaltung in Schubhaft vom 09.09.2020 (Tag des Antrags auf internationalen Schutz) bis 01.10.2020 (Datum der gegenständlichen Entscheidung) rechtswidrig gewesen ist.

III. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 76 Abs. 6 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

IV. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

V. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

?        Der Beschwerdeführer (in Folge auch BF genannt) kam 2014 illegal nach Österreich.

?        Am 18.04.2014 wurde er in Wien einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen.

?        Am selben Tag stellte der BF beim Bundesamt (in Folge auch BFA genannt) einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er angab, den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger der Türkei und am XXXX geboren zu sein.

?        Anlässlich dieses Asylverfahrens wurde eine niederschriftliche Befragung am 18.04.2014 durchgeführt, bei der er angab, wegen einer Blutrachesache aus einer Landbesitzstreitigkeit und wegen der Unterstützung von kurdischen Freiheitskämpfern in seinem Heimatstaat verfolgte zu werden.

?        Das Bundesamt leitete ein Konsultationsverfahren mit Italien ein.

?        Am 16.09.2014 wurden der BF nach dem Suchtmittelgesetz gemäß § 28a/4 festgenommen, in eine Justizanstalt eingeliefert und die Untersuchungshaft verhängt.

?        Mit Bescheid vom 06.12.2014 wurde der Asylantrag gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Artikel 25 (2) iVm 18 (1) (d) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Italien zuständig ist. Gleichzeitig wurde gem. § 61 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, gegen den BF die Außerlandesbringung angeordnet und die Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt.

?        Gegen diesen Bescheid brachte der BF am 18.12.2014 fristgerecht eine Beschwerde ein.

?        Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.2015 wurde die Beschwerde gem. § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

?        Mit Urteil vom 19.02.2015 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 1/5. Fall und 6. Fall, Abs. 2 Z. 3 SMG, 15 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1/1 und 2 Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.

?        Die Überstellungsfrist nach Italien endete mit 11.11.2015.

?        Am 12.01.2016 wurden der BF zur Prüfung des rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet niederschriftlich einvernommen.

?        Im Zuge der laufenden Gerichtshaft stellte der BF am 12.01.2016 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz (erster Folgeantrag). Darin führte er aus, dass er von der Regierung unterdrückt und gesucht werde, da er für zwei kurdische Vereinigungen Propaganda gemacht habe, Flugblätter verteilt habe und bei Demonstrationen dabei gewesen sei. Der BF wurde am 15.01.2016 aus der Strafhaft entlassen.

?        Mit Beschluss vom 08.01.2017 wurde über den BF die Untersuchungshaft verhängt. Er wurde verdächtigt, in der Zeit von 13.08.2016 bis 05.01.2017 in Wien vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen zu haben. Es wurde ihm das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1, 5. Fall SMG zur Last gelegt.

?        Der BF befand sich seit 04.01.2018 erneut in Untersuchungshaft in einer Justizanstalt.

?        Am 05.02.2018 wurde der BF von der zur Entscheidung berufenen Beamtin des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Er wiederholte sein bis dahin erstattetes Vorbringen und führte aus, er habe Angst vor einer Festnahme seiner Person in seiner Heimat.

?        Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 3 AsylG 2005 sowie der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 AsylG 2005 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gem. § 57 AsylG nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gem. § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VfG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG 2005 erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG in die Türkei zulässig sei. Eine Frist für eine freiwillige Ausreise wurde gem. § 55 FPG nicht gewährt. Weiters wurde gem. § 53 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gem. § 18 BFA-VfG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

?        Gegen diesen Bescheid brachte der BF fristgerecht am 26.02.2018 eine Beschwerde ein.

?        Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.03.2018 wurde der Beschwerde gem. § 18 Abs. 5 BFA-VfG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

?        Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.07.2018 wurde der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid des Bundesasylamts behoben und gem. § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

?        Am 06.07.2018 wurde hinsichtlich des Gesundheitszustandes des BF eine Anfrage an die Justizanstalt gerichtet.

?        Am 09.08.2018 langte eine Behandlungsmitteilung der Justizanstalt ein welche ergab, dass der BF zu dieser Zeit keine Erkrankungen hatte bzw. keine Behandlungen benötigte. Lediglich pflanzliche Schlaf- und Beruhigungstabletten würde dieser erhalten.

?        Am 06.07.2018 wurde zur Prüfung der Prozessfähigkeit eine Anfrage an die Staatsanwaltschaft Eisenstadt gerichtet. Das Ergebnis langte am 12.08.2018 bei der Behörde ein und ergab, dass zu diesem Zeitpunkt keine Einschränkungen der Prozessfähigkeit beim BF gegeben waren.

?        Am 27.07.2018 wurde der BF seitens der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl erneut einvernommen. In dieser weiteren Einvernahme am 27.07.2018 führte der BF aus, er habe in Österreich mit einer slowakischen Frau eine gemeinsame Tochter. Es liege jedoch keine Anerkennung der Vaterschaft vor und habe er zuletzt 2017 mit der Mutter Kontakt gehabt, die Tochter selbst jedoch noch nie gesehen.

?        Der Antrag auf internationalen Schutz vom 12.01.2016 wurde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, am 20.09.2018 abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Türkei abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde zudem gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig ist. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.

?        Gem. Erkenntnis des BVwG wurde die dahingehende Beschwerde am 24.07.2019 als unbegründet abgewiesen.

?        Gem. Urteil eines Landesgerichtes, rechtskräftig am 08.12.2018, wurde der BF wegen eines Verbrechens/Vergehens nach § 28a Abs 1 5.Fall SMG; § 27 Abs 1 Z 1 1. u. 2. Fall SMG zu 2 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

?        Gem. Urteil eines Landesgerichtes, rechtskräftig am 08.12.2018, wurden der BF wegen des Verbrechens/Vergehens nach § 28a Abs 1 5.6.Fall SMG; § 28a Abs 2 Z 3 SMG; § 15 StGB; § 28 Abs 1 1.2.Fall SMG; § 27 Abs 1 Z 1 1.u.2.Fall SMG; § 27 Abs 2 SMG zu 8 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

?        Der BF befand sich daraufhin in einer Justizanstalt in Strafhaft.

?        Dem BF wurde am 10.08.2020 die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur möglichen Schubhaftverhängung zu einer etwaigen Stellungnahme in die Justizanstalt zugesandt. Innerhalb der vorgegebenen Frist wurde eine Stellungnahme abgegeben. Dabei führte der BF präzisierend aus, dass er eine Tochter in Österreich habe und nannte den Namen der Mutter, sowie den Namen und das Geburtsdatum der Tochter. Näheres, bzw. Ergänzendes hiezu wurde nicht bekannt gegeben.

?        Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 28.08.2020 wurde über den BF (aufschiebend bedingt für den Zeitpunkt seiner Entlassung aus der laufenden Strafhaft) die Schubhaft gem. § 76 Abs. 2 Ziffer 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

?        Aufgrund fehlender identitätsbezeugender Dokumente des BF sowie seiner Weigerung die Formblätter zwecks Beschaffung eines Heimreisezertifikates selbst auszufüllen, wurde seitens des BFA ein Heimreisezertifikat beantragt.

?        Eine geplante Vorführung am türkischen Konsulat am 09.09.2020 konnte nicht durchgeführt werden, da der BF am 09.09.2020 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (zweiter Folgeantrag) stellte und in der Erstbefragung zu seinen Antragsgründen befragt angab, er habe in Österreich ein fünfjähriges Kind zu dem kein Kontakt bestehen würde. Näheres wurde nicht ausgeführt. Darüber hinaus seien die bisherigen Asylgründe nach wie vor aufrecht und sei er von seinen Eltern aus der Türkei verständigt worden, dass dort nach ihm gesucht werde und er dort sofort inhaftiert werde. Das BFA qualifizierte die nochmalige Asylantragstellung lediglich als Verzögerung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und hielt die laufende Schubhaft auf Grundlage von § 76 Abs. 6 FPG weiter aufrecht.

?        Mit gegenständlicher Beschwerde vom 24.09.2020, bei Gericht eingelangt am 25.09.2020, wurde die Rechtmäßigkeit der Schubhaft angefochten und ausgeführt, dass kein Hinweis zu ersehen sei, dass sich das BFA mit den neuen Gründen der Asylantragstellung des BF auseinandergesetzt habe. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb das BFA davon ausgegangen sei, dass dieser Asylantrag in reiner Verzögerungsabsicht gestellt worden sei und sei auch die Tatsache, dass der BF in Österreich entfernt Verwandte habe nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Schubhaft sei daher auf einer falschen Rechtsgrundlage fortgesetzt worden. Darüber hinaus sei der BF kooperativ und bereit bei seinem namentlich genannten Onkel sich für die Abschiebung bereit zu halten. Darüber hinaus sei ein gelinderes Mittel zu Unrecht ausgeschlossen worden.

Begehrt wurde die Aufhebung des Schubhaftbescheids, die Rechtswidrigerklärung der Anhaltung, die Einvernahme des BF und des genannten Onkels im Rahmen einer mündlichen Verhandlung sowie ein gebührlicher Kostenersatz.

Mit Aktenvorlage vom 28.09.2020 legte das BFA die Bezugsakten dem Gericht vor und erstattete unter Beantragung des Kostenersatzes und der Abweisung der Beschwerde eine Stellungnahme zur gegenständlichen Beschwerde. Hiezu wurde nach einer Wiederholung des bisherigen Sachverhalts in den wesentlichen Punkten wie folgt ausgeführt:

„Derzeit ist kein Termin für eine Abschiebung in Aussicht, da dafür zuerst ein HRZ von Nöten wäre, um eine Flugbuchung durchführen zu lassen. Eine letzte Rücksprache am 09 09 2020 mit der HRZ – Abteilung des BFA ergab, dass eine geplante Vorführung zwecks Erlangung eines HRZ aufgrund des nunmehr gestellten Asylantrages nicht möglich wäre und dies erst nach Erledigung des Asylantrages stattfinden könnte. Derzeit liegen dem BFA keine Informationen über einen Hungerstreik vor.

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikats verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft hat der Beschwerdeführer jedoch durch seine Weigerung der Befüllung der Formblätter für die Erlangung eines HRZ und durch seine illegale Einreise unter Zurücklassung von Personal- und Reisedokumenten selbst zu verantworten. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen.

Dass die Schubhaft notwendig ist – und damit nun auch von den Maßnahmen hinsichtlich der Covid-19-Pandemie betroffen ist – hat alleine ebenfalls der Beschwerdeführer zu verantworten.

Die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist auch in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Corona-Virus (COVID-19) zudem als verhältnismäßig einzustufen. Entsprechend der medialen Berichterstattung werden aktuell die Reisebewegungen weltweit sukzessive aufgehoben. Die Pandemie-Restriktionen bewirken im gegenständlichen Fall lediglich eine kurzfristige Verzögerung.

Das Bundesamt für Fremdenswesen und Asyl wird, sobald die aktuellen Pandemiemaßnahmen für die Russische Föderation zurückgenommen werden, die Abschiebung der VP (HRZ – Zustimmung vorausgesetzt) ehestmöglich realisieren.

Trotz der Tatsache, dass in Österreich die Tochter der VP lebt, gegenüber welcher die VP keine Sorgfaltspflichten hat, war die Beziehung zudem durch die langjährige Haftdauer unterbrochen und somit muss aus Sicht des BFA auf die vorliegenden Verurteilungen der VP in Österreich hingewiesen werden, welche zum Nachteil der VP gereichen und in weiterer Folge die Aufrechterhaltung in der Schubhaft erforderlich machen.

Wiederholte Verurteilungen und Haftstrafen haben die VP weder davon abgehalten, weitere Straftaten zu begehen noch einen Gesinnungswandel bewirkt.

Es ist festzuhalten, dass der Aufenthalt der VP im Bundesgebiet sich mit Unterbrechungen lediglich auf die Verübung von strafbaren Handlungen konzentrierte und die VP somit eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und deren Aufenthalt im Bundesgebiet massiv öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Das Verhalten der VP stellt eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar, weshalb aus h.o. Sicht die Aufrechterhaltung der Schubhaft unweigerlich geboten ist.

Die mehrmaligen Verurteilungen der VP sind nicht geeignet, ihm eine für jedwede Integration erforderliche soziale und in Zukunft straffreie Komponente zu attestieren, was wiederum darin resultiert, dass das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Schubhaft – aus Sicht des BFA - überwiegt.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

1.       die Beschwerde als unbegründet abweisen,

2.       den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten zu verpflichten.

Dass BFA beantragt den Beschwerdeführer für den Vorlageaufwand und den Ersatz für den Schriftsatzaufwand der belangten Behörde zu verpflichten.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter I. dargestellte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.


Zur Person und zum Verfahren:

1.1.    Der BF reiste 2014 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 18.04.2014, am 12.01.2016 und zuletzt auch am 09.09.2020 je einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Er ist nicht österreichischer Staatsbürger und daher Fremde im Sinne des § 2 Absatz 4 FPG. Er ist türkischer Staatsangehöriger.

1.3. Er leidet an keinen die Hafttauglichkeit ausschließenden gesundheitlichen Einschränkungen.

1.4. Der BF wurde am 07.09.2020 nach Entlassung aus einer Freiheitsstrafe festgenommen und die über ihn mit Bescheid von 28.08.2020 verhängte Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung in Vollzug gesetzt.

Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Das Asylverfahren anlässlich des Antrages vom 12.01.2016 ist seit 24.07.2019 abgeschlossen. Diesbezüglich bestand bis zur Folgeantragstellung am 09.09.2020 eine (durchsetzbare) Rückkehrentscheidung.

2.2. Von einer möglichen Abschiebung des BF innerhalb angemessener Frist unter Beachtung der gesetzlichen höchstzulässigen Fristen ist zum Zeitpunkt der Entscheidung auszugehen.

2.3. Der BF ist hafttauglich.

2.4. Zum Zeitpunkt der Entscheidung ist von einer Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF auszugehen.

Zum Sicherungsbedarf bzw. zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der BF wurde in Österreich bereits zweimal aufgrund von gravierenden Suchtgiftdelikten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

3.2. Der BF verfügte mit einer kurzfristigen Ausnahme lediglich über aufrechte Meldeadressen in Justizanstalten.

3.3. Der BF verhielt sich im bisherigen Verfahren nicht kooperativ und verweigerte das Ausfüllen des Heimreisezertifikatsantrages. Er ist als Person nicht vertrauenswürdig.

3.4. Er verfügt über wesentliche Barmittel deren Herkunft nicht bekannt ist.

Zur familiären/sozialen Komponente:

4.1. Der BF ging bisher keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.

4.2. Er hat in Österreich einen Onkel. Sonst sind keine Familienangehörigen in Österreich bekannt. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der BF Vater eines Kindes ist, das eine Frau geboren hat, mit welcher er im Jahr 2014 für etwa sechs Monate in Österreich eine Beziehung führte. Der BF hat zu dieser Frau und ihrer Tochter im Wesentlichen keinen Kontakt, bezahlt für diese Tochter keinen Unterhalt und hat die Vaterschaft bisher nicht anerkannt.

4.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Inland einer sozialen Verfestigung unterliegt.

4.4. Der BF könnte bei seinem Onkel Unterkunft beziehen.

Zum behördlichen Verfahren:

5.1. Die Weiterführung der Schubhaft nach Antragstellung der BF auf internationalen Schutz auf Grundlage des § 76 Abs. 6 FPG durch Aktenvermerk vom 09.09.2020 erfolgte begründungslos.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.4.):

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zur Person des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. In der Beschwerdeschrift finden sich hiezu keine anderslautenden Ausführungen, sodass im Ergebnis von einer Übereinstimmung der verfahrensmäßigen Ausgangslage ausgegangen werden konnte. Die Feststellung zum Gesundheitszustand (1.3.) bezieht sich auf die Angaben im Akt, aus denen sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte erkennen lassen und der Tatsache, dass hinsichtlich einer allfälligen Änderung des Gesundheitszustandes dem erkennenden Gericht zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung keinerlei anderslautenden Informationen vorliegen. Das Gericht geht daher nicht von wesentlichen gesundheitlichen Einschränkungen des BF aus.

2.2. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.4.):

Die Feststellung über die durchsetzbare Rückkehrentscheidung (2.1.) bezieht sich auf die Angaben im Akt hinsichtlich des asylrechtlichen Vorverfahrens aufgrund des ersten Folgeantrages vom 12.01.2016, sowie auf die Angaben aus dem Fremdeninformationssystem.

Zu 2.2. und 2.4.:

Die Feststellung zu 2.2. ergibt sich aus einer Gesamtsicht der dem Gericht vorliegenden Informationen aus dem Akt, mit welchen im Rahmen einer Prognoseentscheidung zum jetzigen Zeitpunkt festgestellt werden kann, dass die Abschiebung vermutlich binnen verhältnismäßiger Frist effektuierbar sein wird. Das gerichtliche Verfahren hat keine Anhaltspunkte dafür ans Licht gebracht, dass für den BF seitens der türkischen Vertretungsbehörde in Österreich kein Heimreisezertifikat ausgestellt werden könnte und auch nicht, dass es aus derzeitiger Sicht über lange Zeit hin als unmöglich zu betrachten wäre, dass der BF tatsächlich in die Türkei überstellt werden könnte.

Die Feststellung zur Haftfähigkeit (2.3.) ergibt sich daraus, dass dem Gericht bis zum Zeitpunkt der Entscheidung keine anderslautenden Informationen zugekommen sind.

2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.4.):

Zu diesen Feststellungen wurden neben dem sonstigen Akteninhalt insbesondere die auch im Akt erliegenden Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), ein Strafregisterauszug, sowie ein aktueller Auszug aus der Anhaltedatei herangezogen. Aus dem Auszug aus dem ZMR ergibt sich, dass der Beschwerdeführer lediglich mit einer kurzen Ausnahme sonst nur in Justizanstalten aufrechte Meldeadressen hatte (3.2.). Die Feststellung über die strafgerichtlichen Verurteilungen (3.1.) begründet sich auf einen aktuellen Strafregisterauszug aus dem sich anhand der Verurteilungen auch die massiven Rechtsverletzungen des BF ablesen lassen.

Im Verfahrensakt findet sich weiters auch ein Hinweis darauf, dass der BF bisher die Kooperation bei der Erstellung des Antrages zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates stets verweigert hatte (AS 17). Darüber hinaus ergibt sich aus dem bisherigen Verhalten für das Gericht zwanglos, dass der BF schon bereits aus der Begehung von massiven Drogendelikten sich jedenfalls bisher in keiner Weise als vertrauenswürdig präsentiert hat. In der Beschwerdeschrift wird zwar behauptet, der BF sei kooperativ, doch werden keine Gründe dafür genannt, weshalb der BF gerade jetzt sein bisher eine Abschiebung erfolgreich verhinderndes Verhalten einstellen sollte und nunmehr kooperativ sein sollte. Der BF setzte auch bisher keine Handlungen, die einen Sinneswandel vermuten lassen würde. Das Gericht qualifiziert daher das Vorbringen einer Kooperationsbereitschaft bis zum Beweis des Gegenteils als reine Schutzbehauptung.

Aus der Anhaltedatei ergibt sich, dass der BF über einen Betrag von € 1.450,-- (Stand 25.09.2020) verfügen könnte. Ob dieses Geld aus illegalen Geschäften mit Drogen, oder aus sonstigen Quellen (Zuwendungen Dritter, Arbeitslohn in Haft) stammen konnte nicht festgestellt werden. Fest steht jedenfalls, dass dieses Geld nicht aus einer gesicherten und nachhaltigen Quelle stammen kann, da der BF in den letzten Jahren keine legale Arbeit vollführt hat, die länger anhaltende Zahlungsflüsse vermuten lassen (3.4.).

2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.4.):

Die Feststellung zum Fehlen von Angehörigen (mit Ausnahme eines nunmehr erstmals hervorgekommenen Onkels) und von Freunden (4.2. u. 4.3.) ergeben sich aus den Angaben des BF bzw. aus den Feststellungen in den beiden abgeschossenen Aslyverfahren. Auch in der Beschwerdeschrift wird zwar von entfernten Verwandten in Österreich berichtet, hiezu jedoch keine erläuternden Angaben gemacht. Beachtet man jedoch die bisherigen Angaben des BF etwa im Rahmen des ersten Asylverfahrens in welchem der BF selbst angab, keine in Österreich lebenden Familienangehörigen zu haben, so zeigt sich für das Gericht jedenfalls, dass der BF auch bisher in keinem Verfahren gewillt oder aber in der Lage war, ein für ihn bestehendes familiäres Netz in Österreich darzutun. Eine sonstige soziale Verfestigung oder ein festigendes soziales Umfeld besteht für den BF ebenfalls nicht, da der BF die überwiegende Zeit seines Aufenthaltes in Österreich in Haftanstalten zugebracht hat und daher keine maßgebliche Integration stattgefunden haben kann. Darüber hinaus gibt es auch hiezu keine gegenteiligen Anhaltspunkte (4.3.) Die Feststellungen über das Fehlen einer legalen Arbeit in Österreich begründen sich auf die eigenen Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahmen (4.1.).

Die Negativfeststellung hinsichtlich der Existenz einer leiblichen Tochter des BF basiert im Wesentlichen auf der diesbezüglichen gerichtlichen Feststellung im Verfahren zu XXXX vom 24.07.2019. Der BF hat im aktuell laufenden Asylfolgeantragsverfahren keine weiterführenden Angaben gemacht oder auch Urkunden (z. B. Vaterschaftsanerkenntnis) vorgelegt. Auch die Beschwerdeschrift geht über die Behauptung einer Vaterschaft des BF zu einem in Österreich lebenden mj. Mädchen nicht hinaus. Eine Änderung der Sachlage seit dem zitierten Erkenntnis aus dem Vorjahr konnte daher auch in diesem gerichtlichen Verfahren nicht festgestellt werden (4.2.).

Der BF konnte jedoch durch Vorlage einer (nachträglich auch unterschriebenen) Erklärung eines in Österreich aufhältigen Onkels nunmehr erstmals einen hier lebenden Verwandten bescheinigen und auch einen gesicherten Wohnsitz dartun (4.4.).

2.5. Zum behördlichen Verfahren (5.1.):

Der Aktenvermerk vom 09.09.2020 zur Weiterführung der laufenden Schubhaft gem. § 76 Abs. 6 FPG ist Bestandteil des behördlichen Schubhaftaktes. Dieser besteht im Wesentlichen aus standardisierten Textbausteinen, denen eine konkret auf den vorliegenden Fall bezogene Individualisierung völlig fehlt und der keinerlei Begründung enthält, weshalb die Behörde davon ausgegangen ist, dass die Antragstellung nur vorgenommen wurde, um die Vollstreckung der Rückkehrentscheidung zu verzögern oder zu vereiteln.

2.6.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen. Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.1.3. Aufgrund des gerichtlichen Beweisverfahrens sieht das Gericht Sicherungsbedarf für gegeben an, da der BF nicht rechtmäßig im Inland aufhältig ist und gegen ihn zum Zeitpunkt des Beginns der Anhaltung auch eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestand. Aufgrund seines Vorverhaltens (Begehung mehrerer Straftaten, die zu zwei Verurteilungen führten, Verweigerung der Mitwirkung bei der Erlangung eines Heimreisezertifikates) kann der BF nicht als kooperativ oder aber als vertrauenswürdig angesehen werden. Seine fehlende Rückkehrwilligkeit lässt sich aus seinem bisherigen Verhalten und vor allem aus der kürzlichen Asylantragstellung (zweiter Folgeantrag) gut ersehen. Der BF ist in Österreich nicht sozial verfestigt, hat, mit Ausnahme eines Onkels, keine Familienangehörigen im Inland und konnte auch erst im Beschwerdeverfahren erstmals einen gesicherten Wohnsitz darlegen. Darüber hinaus kamen im Zuge des Verfahrens auch keinerlei weitere nennenswerte soziale Kontakte des BF ans Tageslicht und wurde Derartiges nur unsubstanziiert behauptet. Der BF hat kein nachhaltiges Einkommen, er besitzt zum momentanes Zeitpunkt lediglich einen gewissen Geldbetrag.

Aufgrund des bisherigen Verhaltens des BF war auch nicht davon auszugehen, dass dieser aus eigenem seiner bestehenden Ausreisepflicht nachkommen würde, zumal er in der Vergangenheit sich sein Leben in Österreich durch den Verkauf von illegalen Substanzen finanziert hat. Es bedarf daher zur Sicherstellung der Ausreise des BF einer behördlichen Unterstützung.

Das Gericht geht in einer Gesamtsicht des Verhaltens unter den oben angeführten und festgestellten Tatbeständen des § 76 Abs. 3 jedenfalls vom Bestehen ausreichenden Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Person des BF aus. Die im Bescheid erwähnten Kriterien zur Annahme des Sicherungsbedarfes haben sich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens als weiterhin zutreffend erwiesen.

3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der BF nahezu keinerlei familiäre/soziale Kontakte im Inland hat, die im Rahmen der gerichtlichen und behördlichen Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung bzw. eines Belassen in Freiheit zu beeinflussen geeignet waren. Der BF hat bisher den nunmehr genannten Onkel nicht erwähnt und war bei ihm auch niemals zuvor gemeldet. Der BF verweigerte bislang erfolgreich das Ausfüllen des Antragsformulares zur Ausstellung eines für ihn notwendigen Heimreisezertifikates und zeigte sich daher im Abschiebungsverfahren in keiner Weise kooperativ um sich so rechtswidrig weiter einen Aufenthalt in Österreich zu verschaffen. Durch die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot hat die Republik Österreich nach Ansicht des Gerichts aber ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und auch eine Wiederkehr des BF für einige Zeit nicht gewünscht wird. Daraus lässt sich sohin auch ein erhöhtes Interesse der Öffentlichkeit an einer gesicherten Außerlandesbringung der BF klar erkennen. Darüber hinaus ist der BF ein mehrfach rechtskräftig verurteilter Straftäter, der schon im Interesse der hiesigen Bevölkerung nicht in die Lage versetzt werden sollte, weiterhin im Inland Straftaten begehen zu können. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung des BF. Das Gericht geht daher – wie oben angeführt – von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal die Bemühungen des BFA eine gesicherte Heimreise für den BF zu organisieren, im Rahmen des Verfahrens deutlich hervorgekommen sind. Der BF ist gesund und haftfähig und es besteht kein familiäres- oder sonstiges soziales Netz das dem BF Halt geben und diesen vom Untertauchen erfolgreich abhalten könnte. Es ist daher dem BF nach heutiger Sicht auch zuzumuten, die Zeit bis zu seiner baldigen Rückführung in Schubhaft zuzubringen.

3.1.5.

Das Gericht schließt nicht aus, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) in den kommenden Wochen weiterhin zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt – mit wenigen Wochen einzustufen. Eine Abschiebung bis zum Ende des Herbstes 2020 ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch. Eine Abschiebung des BF innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist ist aus momentaner Sicht jedenfalls möglich.

3.1.6. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt „Sicherungsbedarf“ und „Verhältnismäßigkeit“ erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre, zumal der BF durch sein Verhalten klar gezeigt hat, dass er nicht in seinen Herkunftsstaat ausreisen will. Deshalb wäre nicht von einer jederzeitigen Greifbarkeit des BF auszugehen und eine kontrollierte, freiwillige Ausreise nicht anzunehmen. Es ist nach Ansicht des Gerichts eher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, der ein evidentes Interesse daran gezeigt hat im Inland verbleiben zu wollen, zu diesem Zwecke auch untertauchen würde. Es besteht daher für das Gericht kein Grund davon auszugehen, dass ein gelinderes Mittel eine ausreichende Sicherung der Abschiebung des BF bedeuten würde.

Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann. Auch die Sicherheitsleistung seiner derzeit verfügbaren gesamten Barschaft würde hiezu nach Ansicht des Gerichtes nicht ausreichen.

3.1.7. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als „ultima ratio“ und wird die Schubhaft auch bis zur erfolgreichen Abschiebung vorerst weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der „ultima ratio“ im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

3.1.8. Die Behörde hat im gegenständlichen bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt. Wie oben näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung des Bescheides und der anfänglichen Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit. Erst die begründungslose Fortsetzung der Haft nach Asylantragstellung begründete die unter Pkt. II. ausgesprochene Rechtswidrigkeit (siehe unter „Zu Punkt II.“).

Zu Spruchpunkt II. Rechtswidrigkeit der weiteren Anhaltung:

Durch die Asylantragstellung der BF am 09.09.2020 war eine Fortsetzung der Schubhaft nur auf Basis des § 76 Abs. 6 FPG weiter möglich. Die Behörde hat nach den gerichtlichen Feststellungen jedoch keine hinreichende Überprüfung der Voraussetzungen für eine gesetzmäßige Weiterführung der Schubhaft im Sinne der Judikatur des VwGH (z. B. VwGH, 19.09.2019, Ra 2019/21/0204) durchgeführt und einen begründungslosen Aktenvermerk verfasst. Nach den Prüfungskriterien die der VwGH hiezu in seiner Judikatur herausgearbeitet hat, war eine gerichtliche Überprüfung der behördlichen Entscheidung in diesem Punkt aufgrund des völligen Fehlens einer prüfbaren Begründung mit Rechtswidrigkeit behaftet.

Zu Spruchpunkt III. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

Ausgehend von den getroffenen Feststellungen und der Rechtmäßigkeit der Anhaltung bis zur Asylantragstellung hat das gerichtliche Verfahren keine die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernden Umstände ergeben. Im gerichtlichen Verfahren sind keine hinzukommenden Sicherungstatbestände ans Tageslicht getreten. Weggefallen ist jedoch der fehlende Wohnsitz, was jedoch im Ergebnis nicht ausreichte, eine andere Beurteilung des Sicherungsbedarfes durch das Gericht herbeizuführen.

Bei der Prüfung der Frage der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung einer Anhaltung in Schubhaft nach Stellung eines Antrages auf internationalen Schutzes gemäß § 76 Abs. 6 FPG ist eine Vorwegnahme eines inhaltlichen Asylverfahrens nach Ansicht des erkennenden Gerichtes aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht Aufgabe des Schubhaftverfahrens. Nach Ansicht des VwGH (VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0198-9) hat jedoch im Schubhaftverfahren eine nicht näher definierte Grobprüfung des Antrages dennoch vorgenommen zu werden, als sich daraus Schlüsse auf die Motivation für die Antragstellung ableiten lassen.

Anlässlich des ersten Asylverfahrens (Asylantrag vom 18.04.2014) wurde eine niederschriftliche Befragung am 18.04.2014 durchgeführt, bei der der BF im Wesentlichen angab, wegen einer Blutrachesache aus einer Landbesitzstreitigkeit und wegen der Unterstützung von kurdischen Freiheitskämpfern in seinem Heimatstaat verfolgte zu werden.

Der BF hat im ersten Folgeverfahren (Asylantrag vom 12.01.2016) in der Erstbefragung zu seinem Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen wie folgt ausgeführt, dass er von der Regierung unterdrückt und gesucht werde, da er für zwei kurdische Vereinigungen Propaganda gemacht habe, Flugblätter verteilt habe und bei Demonstrationen dabei gewesen sei. Er habe Angst vor einer Festnahme seiner Person in seiner Heimat.

Am 27.07.2018 wurde der BF seitens der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl erneut einvernommen. In dieser weiteren Einvernahme am 27.07.2018 führte der BF aus, er habe in Österreich mit einer slowakischen Frau eine gemeinsame Tochter. Es liege jedoch keine Anerkennung der Vaterschaft vor und habe er zuletzt 2017 mit der Mutter Kontakt gehabt, die Tochter selbst jedoch noch nie gesehen.

Das Verfahren wurde unter Ausspruch einer Rückkehrentscheidung negativ abgeschlossen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in Österreich eine Tochter hat.

Im Vorfeld der Erlassung des gegenständlichen Schubhaftbescheides wurde dem BF schriftliches Parteiengehör gewährt. Dabei führte dieser im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme aus, dass er eine Tochter in Österreich habe und nannte den Namen der Mutter, sowie den Namen und das Geburtsdatum der Tochter. Näheres, bzw. Ergänzendes hiezu wurde nicht bekannt gegeben.

Nunmehr, im zweiten Folgeverfahren (Asylantrag vom 09.09.2020 aus dem Stande der aufrechten Schubhaft) gab der BF in der Erstbefragung zu seinen Antragsgründen befragt angab, er habe in Österreich ein fünfjähriges Kind zu dem kein Kontakt bestehen würde. Näheres wurde nicht ausgeführt. Darüber hinaus seien die bisherigen Asylgründe nach wie vor aufrecht und sei er von seinen Eltern aus der Türkei verständigt worden, dass dort nach ihm gesucht werde und er sofort inhaftiert werde.

Das aktuelle relevante Vorbringen ist also einerseits eine weiter anhaltende Bedrohung seiner Person aus Gründen, die bereits in den vorangegangenen Verfahren als nicht glaubwürdig bzw. nicht schutzbegründend erkannt wurden und andererseits wird abermals eine familiäre Bindung zum Inland (Tochter, die in Österreich leben würde) ins Treffen geführt, jedoch weiterhin keine diesbezüglichen neuen Informationen oder Beweise, die über eine einfache Behauptung hinausgehen, unterstellt.

Nach Rechtsansicht des Gerichts handelt es sich im Lichte der obigen Gegenüberstellung der bisherigen Vorbringen und Verfahrensergebnisse der bereits abgeschlossenen Asylverfahren bei der aktuellen Asylantragsbegründung lediglich um eine Wiederholung bereits behandelter Themen und ist, nach durchgeführter Grobprüfung durch das erkennende Gericht im gegenständlichen Schubhaftbeschwerdeverfahren, nicht von einem erfolgreichen Antragsverfahren auszugehen. Das Gericht vermeint daher, dass der BF den in Rede stehenden Antrag auf internationalen Schutz (da er in dieser Form nicht ernstlich zum Erfolg führen wird können) nur zur Verzögerung bzw. Verhinderung der Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung bzw. Abschiebung seiner Person gestellt hat. Die Fortsetzung der Schubhaft ist daher nach Ansicht des Gerichtes trotz der Asylantragstellung rechtmäßig (Spruchpunkt III.).

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung auch die Voraussetzungen für eine Weiterführung der Schubhaft vorliegen.

Zu Spruchpunkt IV. und V. – Kostenbegehren

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da jedoch keine der Parteien vollständig obsiegte, steht nach der zitierten Gesetzesstelle auch keiner der Parteien ein Kostenersatz zu.

Zu Spruchpunkt B. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I., II. und III. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Begründungsmangel Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Haftfähigkeit Heimreisezertifikat Identität Kooperation Kostenentscheidung - Gericht Kostenersatz - Antrag Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Suchtmitteldelikt Teilstattgebung Ultima Ratio Untersuchungshaft Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2235450.1.00

Im RIS seit

01.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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