TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/17 L525 1217955-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.07.2020
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Entscheidungsdatum

17.07.2020

Norm

AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L525 1217955-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.5.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.5.2020, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 1999 gemeinsam mit seiner Mutter in das österreichische Bundesgebiet ein und beantragte durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin am 27.12.1999 die Gewährung von Asyl gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 AsylG 1997. Das Bundesasylamt wies den Asylerstreckungsantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 3.7.2000, Zl. XXXX , ab. Der Unabhängige Bundesasylsenat gab der Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 2.7.2004, Zl. XXXX , statt und wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 1997 durch Erstreckung Asyl gewährt und gemäß § 12 leg. cit. festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

2. Der Beschwerdeführer wurde im Zeitraum von 7.12.2004 bis 19.8.2016 sechsmal durch österreichische Gerichte rechtskräftig strafrechtlich verurteilt; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde von den rechtkräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers verständigt.

3. Am 30.1.2017 leitete das BFA das gegenständliche Aberkennungsverfahren ein.

4. Im Zuge des Aberkennungsverfahrens wurde der Beschwerde am 17.2.2017 durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass gegen ihn aufgrund seiner Straftaten ein Aberkennungsverfahren eingeleitet werde. Auf Vorhalt seiner Straftaten gab der Beschwerdeführer an, dass die erste und zweite Vorstrafe wegen seiner Mutter gewesen seien; die Vorstrafe nach dem Suchtmittelgesetz und wegen leichter Körperverletzung wegen des neuen Freundes seiner Mutter; 2011 der Besitz von Sichtgift; die jetzige Strafe Widerstand, Körperverletzung, versuchter Raub; er werde noch bis Juni 2018 die Strafe absitzen. Dieses Mal seien ihm Sachen angehängt worden, die gar nicht stattgefunden hätten. Es sei ein Streit mit der Freundin gewesen, die Nachbarn hätten die Polizei gerufen. Es habe keinen Raub gegeben, die Polizei habe ihn geschlagen; er habe gar nicht geschlagen, sie hätten ihn an die Wand gedrückt und durchsuchen wollen. Er sitze nun die Strafe ab, weil man ihm vorgeworfen habe, die Polizei geschlagen und die Freundin ausgeraubt zu haben. Auf die Frage, wie er sich seine Zukunft in Österreich vorstelle, führte er aus, dass er keine Verbrechen mehr verüben wolle. Er mache die Spenglerlehre und habe Kontakt zu seiner Lebensgefährtin. Diese habe sogar für ihn ausgesagt. Sie habe das gesagt, was wirklich damals beim Vorfall passiert sei. Die Richterin hätte ihr nicht geglaubt und sie sogar wegen Falschaussage verwarnt. Der Beschwerdeführer fühle sich in Österreich integriert, fühle sich hier wohl und habe hier seine Familie, seine Lebensgefährtin. Sein Vater sei nach Amerika gekommen (gemeint wohl: gegangen); im Iran gebe es Cousinen der Mutter.

5. Am 3.3.2017 wurde der Beschwerdeführer neuerlich durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er auf neuerlichen Vorhalt seiner Straftaten an, dass es ihm leid tue; er sei kein Verbrecher, er sei emotional gewesen und habe sich falsch verhalten. Zu seiner Zukunft in Österreich befragt gab er an, dass er die Spenglerlehre weitermache und hoffe, dann als Spengler eine Anstellung zu bekommen. Er wolle in Ruhe weiterleben.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.5.2017, zugestellt am 22.5.2017, sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid vom 2.7.2004, Zl. XXXX , zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG aberkannt werde. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG werde festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG werde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran sei gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG unzulässig (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.).

Zur Begründung führte das BFA zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten zusammengefasst aus, dass eine durchgeführte Abfrage im Strafregister folgende Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben habe:

01) LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 01.12.2004 RK 07.12.2004

PAR 27 ABS 1 U 2/2 (1. FALL) SMG

PAR 15 StGB

Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe, Probezeit 2 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 06.10.2005

02) LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 10.08.2005 RK 10.08.2005

PAR 142/1 105/1 107/1 83/1 StGB

Freiheitsstrafe 12 Monate, davon Freiheitsstrafe 9 Monate, bedingt, Probezeit

3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

Unter Einbeziehung des Schuldspruches von LG F.STRAFS.WIEN XXXX RK

07.12.2004

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 06.10.2005

zu LG F.STRAFS.WIEN XXXX RK 10.08.2005

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 06.10.2005

LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 07.10.2005

zu LG F.STRAFS.WIEN XXXX RK 10.08.2005

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 09.02.2006

zu LG F.STRAFS.WIEN XXXX RK 10.08.2005

Aufhebung der Bewährungshilfe

LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 21.11.2006

zu LG F.STRAFS.WIEN XXXX RK 10.08.2005

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 06.10.2005

LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 24.03.2011

03) LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 09.02.2006 RK 09.02.2006

PAR 15 83/1 PAR 15 105/1 PAR 107/1 StGB

Freiheitsstrafe 2 Monate

Jugendstraftat

04) BG XXXX XXXX vom 28.09.2007 RK 02.10.2007

PAR 27/1 SMG

PAR 83/1 StGB

Datum der (letzten) Tat 12.08.2006

Freiheitsstrafe 1 Monat, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 02.10.2007

zu BG XXXX XXXX RK 02.10.2007

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 02.10.2007

BG XXXX XXXX vom 24.08.2011

05) LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 13.02.2012 RK 17.02.2012

§ 50 (1) Z 3 WaffG

§ 297 (1) 2. Fall StGB

§ 27 (1) Z 1 2. Fall SMG

§ 15 StGB §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG

Datum der (letzten) Tat 16.01.2012

Freiheitsstrafe 15 Monate, davon Freiheitsstrafe 10 Monate, bedingt, Probezeit

3 Jahre

Vollzugsdatum 15.06.2012

zu LG F.STRAFS.WIEN XXXX RK 17.02.2012

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 15.06.2012

LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 03.12.2015

zu LG F.STRAFS.WIEN XXXX RK 17.02.2012

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 15.06.2012

LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 14.12.2015

06) LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 16.08.2016 RK 19.08.2016

§ 107 (1) StGB

§ 15 StGB § 269 (1) 1. Fall StGB

§ 127 StGB

§ 15 StGB § 142 (1u2) StGB

§§ 83 (1), 84 (2) StGB

Datum der (letzten) Tat 15.04.2016

Freiheitsstrafe 2 Jahre

Der Beschwerdeführer sei mehrmals strafrechtlich verurteilt worden und demnach mehrmals rückfällig geworden. § 142 StGB stelle ein Verbrechen dar.

Beweiswürdigend führte das BFA aus, dass sich die Feststellungen bezüglich der Gründe für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten aus den Urteilen vom 10.8.2005 und 19.8.2016, wonach der Beschwerdeführer wegen eines schweren Verbrechens verurteilt worden sei, ergeben würden. Der Beschwerdeführer sei zuletzt von einem inländischen Gericht wegen des Verbrechens des Raubes rechtskräftig zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Richterin habe die besondere Schwere seiner Tat hervorgehoben. Dies lasse sich aus der Urteilsbegründung feststellen. Der Beschwerdeführer sei im Urteil als aggressiv beschrieben worden und hätte wissentlich versucht, sogar Polizeibeamte durch körperliche Gewalt und Bedrohung in Furcht und Unruhe zu versetzen. Erschwerend sei dabei die Tatsache, dass es sich bei dieser Verurteilung um sechs Vergehen und ein Verbrechen gehandelt habe. Der Beschwerdeführer werde sehr schnell rückfällig und sei bereits sechs Mal von einem inländischen Gericht strafrechtlich verurteilt worden, zumal er das Verbrechen des Raubes auch bereits im Jahr 2005 begangen habe. Aufgrund des Sachverhaltes und der schriftlichen Ausführungen des Urteils werde festgestellt, dass es sich bei der Tat des Beschwerdeführers um ein besonders schweres Verbrechen handle und er als ein gemeingefährlicher Täter angesehen werden könne.

Rechtlich folgerte das BFA, dass § 7 Abs. 1 AsylG die zwingende Aberkennung des Status des Asylberechtigten bei Vorliegen eines der in Z 1 bis 3 genannten Tatbestände vorsehe; im Fall des Beschwerdeführers liege Z 1 vor. Er sei in Österreich bereits sechs Mal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, unter anderem wegen der Verbrechen des Raubes, stelle somit aus stichhaltigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Da er bereits mehrmals straffällig geworden sei und sehr rasch rückfällig werde, könne nicht davon ausgegangen werden, dass er sich der österreichischen Rechtsordnung anpassen könne. Ihm sei daher gemäß § 7 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten abzuerkennen gewesen.

7. Mit Schriftsatz vom 16.6.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ausschließlich gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 12.5.2017. Die Spruchpunkte II. und III. des Bescheides erwuchsen damit in Rechtskraft. In der Beschwerde wurde zusammengefasst vorgebracht, dass das BFA die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten verkannt habe. Hinsichtlich der Frage, ob ein "besonders schweres Verbrechen" im Beschwerdefall vorliege, seien dem BFA in Abweichung von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Begründungsmängel unterlaufen. Typischerweise schwere Verbrechen seien etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen. Das BFA begründe die Aberkennung des Status des Asylberechtigten damit, dass der Beschwerdeführer das Verbrechen des Raubes begangen habe. Dem sei entgegenzuhalten, dass es zwar zutreffe, dass der Beschwerdeführer ein Mal gemäß § 142 Abs. 1 StGB sowie ein weiteres Mal gemäß § 142 Abs. 1 und 2 StGB wegen Raubes verurteilt worden sei. Er sei aber nicht wegen bewaffneten Raubes verurteilt worden und hätte das BFA die Prüfung daher schon an dieser Stelle mangels Vorliegens eines besonders schweren Verbrechens beenden müssen. Selbst wenn man die Auffassung vertreten würden, dass der Raub oder ein anderes vom Beschwerdeführer begangenes Delikt objektiv als besonders schweres Verbrechen einzustufen wäre, hätte sich das BFA nicht mit den subjektiv gegebenen Umständen der einzelnen Taten des Beschwerdeführers, etwa mit Milderungsgründen, mit der Anwendung von Bestimmungen aus dem JGG oder mit der Frage, ob es bei bestimmten Delikten beim Versuch geblieben sei, auseinandergesetzt. Des Weiteren habe das BFA nicht alle relevanten Aspekte in die Güterabwägung einbezogen. Eine solche Güterabwägung zwischen den Gefahren, die dem Beschwerdeführer unter Umständen im Iran drohen und den Interessen des Zufluchtsstaates lasse der angefochtene Bescheid gänzlich vermissen. Auch hinsichtlich der Frage, ob der Beschwerdeführer als gemeingefährlich einzustufen sei, sei dem BFA ein Begründungsmangel unterlaufen und habe es sich nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, inwieweit aufgrund der vom Beschwerdeführer begangenen Delikte davon auszugehen sei, dass dieser eine Gefahr für die nationale Sicherheit sei.

8. Am 3.7.2017 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

9. Am 23.10.2019 wurde das Bundesverwaltungsgericht von einer rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 25.6.2019, rechtskräftig am 14.10.2019, XXXX , zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten wegen § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG verständigt.

10. Am 9.2.2020 wurde das Bundesverwaltungsgericht von einer rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Bezirksgericht XXXX vom 21.1.2020, rechtskräftig am 25.1.2020, XXXX , zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Wochen wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster Fall, Abs. 2 Z 1 zweiter Fall, 27 Abs. 2 SMG; § 146 StGB verständigt.

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.5.2020 eine mündliche Verhandlung durch. Eine Vorführung des in der Justizanstalt XXXX in Strafhaft befindlichen Beschwerdeführers durch die Justizwache war aufgrund der bestehenden Pandemiesituation nicht möglich. Die Verhandlung wurde daher gemäß § 25 Abs. 6b VwGVG mittels Videotelefonie durchgeführt. Im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderinformationen der Staatendokumentation zum Iran übermittelt.

Dem Beschwerdeführer wurde in der Verhandlung aufgetragen, dem Bundesverwaltungsgericht innerhalb einer Frist von zwei Wochen Therapiebestätigungen zu übermitteln; solche Bestätigungen sind bis zur Entscheidung des Gerichtes nicht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum in Teheran geboren. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger. Im Jahr 1999 reiste er gemeinsam mit seiner Mutter in das österreichische Bundesgebiet ein und beantragte durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin am 27.12.1999 die Gewährung von Asyl. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 2.7.2004 wurde dem Beschwerdeführer durch Erstreckung Asyl gewährt und festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich die Hauptschule. Anschließend machte er eine Lehre als Bautechniker und arbeitete in verschiedenen Berufen, etwa am Bau bzw. als Hilfsarbeiter. Seinen Lebensunterhalt bestritt er meistens durch Unterstützung des AMS bzw. Sozialhilfe/Mindestsicherung und mit Gelegenheitsarbeit. In der Justizanstalt absolvierte er eine Ausbildung zum Dachspengler. Zuletzt war der Beschwerdeführer von November 2015 bis April 2016 als Hilfskoch beschäftigt.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er lebt in Österreich in einer Lebensgemeinschaft. Die Mutter des Beschwerdeführers lebt ebenfalls in Österreich. Im Iran hat der Beschwerdeführer keine nahen Angehörigen.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich achtmal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt:

1) Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1.12.2004, rechtskräftig am 7.12.2004, XXXX , wegen § 27 Abs. 1 und 2 Z 2 erster Fall SMG, § 15 StGB (Jugendstraftat) unter Vorbehalt der Strafe und Setzung einer Probezeit von zwei Jahren sowie Anordnung von Bewährungshilfe verurteilt.

2) Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10.8.2005, rechtskräftig am selben Tag, XXXX , wegen § 142 Abs. 1 StGB, 105 Abs. 1 StGB, 107 Abs. 1 StGB, 83 Abs. 1 StGB (Jugendstraftat) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, davon neun Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt.

3) Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9.2.2006, rechtskräftig am selben Tag, XXXX , wegen § 15, 83 Abs. 1 StGB, § 15, 105 Abs. 1 StGB, § 107 Abs. 1 StGB (Jugendstraftat) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt.

4) Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 28.9.2007, rechtskräftig am 2.10.2007, XXXX , wegen § 27 Abs. 1 SMG, § 83 Abs. 1 StGB (Jugendstraftat) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt.

5) Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13.2.2012, rechtskräftig am 17.2.2012, XXXX , wegen § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG, § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB, § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG; § 15 StGB, §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, davon zehn Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt.

6) Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.8.2016, rechtskräftig am 19.8.2016, XXXX , wegen § 107 Abs. 1 StGB; § 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB, § 127 StGB; § 15, 142 Abs. 1 und 2 StGB, §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt.

Das Strafgericht stellte dazu Folgendes fest:

"[Der Beschwerdeführer] ist schuldig, er hat in Wien

A./ am 15.3.2016

I./ M.L. fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

1.) ein Mobiltelefon Marke Apple Iphone 6s in nicht mehr festzustellendem Wert weggenommen,

2.) im Anschluss unter der in Punkt A./I./1./ genannten Tat durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Bargeld in unbestimmter Höhe, abzunötigen versucht (§ 15 StGB) indem er Geld forderte und drohte diese und deren Mutter E.L. widrigenfalls umzubringen, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen werden sollte und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat,

II./ Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Durchsuchung nach § 40 Abs. 2 SPG, zu hindern versucht (§ 15 StGB), indem er durch Stöße Insp. P.L. und RevInsp. M.Z. zu Fall brachte, mit Fäusten mehrfach auf die am Boden Liegenden einschlug, und in weiterer Folge RevInsp. M.Z. mit der Armbeuge würgte und gleichzeitig versuchte, diesem ins Ohr zu beißen;

III./ durch die unter Punkt II./angeführten Handlungen Beamte, während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben oder Erfüllung ihrer Pflichten, vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

1./Insp. P.L., wodurch dieser eine Prellung der linken Hand sowie des rechten Knies erlitt;

2./ RevInsp. M.Z., wodurch dieser eine Zerrung der Halswirbelsäule, eine Prellung des linken Daumens und des rechten Zeigefingers sowie eine Prellung und Überdehnung des Bandapparates des rechten Knies erlitt;

B./ nachgenannte Personen mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

I./ am 15.3.2016 M.L. und E.L., indem er während der unter Punkt II./ angeführten Handlung schrie "Wenn ihr mich los lasst bring ich sie um".

II./ am 15.4.2016 H. und F.S. durch die abwechselnd an beide gerichteten Äußerungen, die vom jeweils anderen mitgehört wurden, nämlich "ich bringe dich um, ich bringe deine Frau und deinen Sohn um, ich bringe deinen Mann um, ich ficke dich, deine Frau und deine Mutter, ich weiß wo du wohnst", wobei er eine Hundeleine in der Hand hielt und einen unangeleinten Kampfhund ohne Maulkorb neben sich hatte;"

Als mildernd wertete das Strafgericht, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist; als erschwerend fünf einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen von sechs Vergehen und einem Verbrechen.

7) Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25.6.2019, rechtskräftig am 14.10.2019, XXXX , wegen § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt.

8) Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 21.1.2020, rechtskräftig am 25.1.2020, XXXX , wegen § 146 StGB, §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster Fall, 27 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall, 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Wochen verurteilt.

Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit in Strafhaft in der Justizanstalt XXXX mit voraussichtlichem Haftentlassungstermin am 27.11.2020.

1.2 Länderfeststellungen:

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 11.6.2019).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (11.6.2019b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 11.6.2019

- BMeiA – Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (11.6.2019): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/, Zugriff 11.6.2019

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (11.6.2019): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 11.6.2019

- ÖB – Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 11.6.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Verschiedenen Berichten zufolge schließen Verhörmethoden und Haftbedingungen in Iran in einzelnen Fällen seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung nicht aus. Dazu kommt es vorrangig in nicht registrierten Gefängnissen, aber auch aus offiziellen Gefängnissen wird von derartigen Praktiken berichtet, insbesondere dem berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht. Foltervorwürfen von Inhaftierten gehen die Behörden grundsätzlich nicht nach (AA 12.1.2019, vgl. US DOS 13.3.2019). Die Justizbehörden verhängen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen. In einigen Fällen werden die Strafen öffentlich vollstreckt. Zahlreiche Personen, unter ihnen auch Minderjährige, erhalten Strafen von bis zu 100 Peitschenhieben (AI 22.2.2018, vgl. US DOS 13.3.2019). Sie wurden wegen Diebstahls oder tätlichen Angriffen verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. außereheliche Beziehungen, Anwesenheit bei Feiern, an denen sowohl Männer als auch Frauen teilnehmen, Essen in der Öffentlichkeit während des Fastenmonats Ramadan oder Teilnahme an friedlichen Protestkundgebungen. Gerichte verhängten Amputationsstrafen, die vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurden. Die Behörden vollstrecken auch erniedrigende Strafen (AI 22.2.2018).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, unter Umständen ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 12.2018). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen – teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 12.2018).

Folter und andere Misshandlungen passieren häufig in der Ermittlungsphase, um Geständnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidiger und jugendlichen Straftätern. Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen. Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019, vgl. HRW 17.1.2019). Frühere Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 4.2.2019).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 31.5.2019

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 28.5.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019

- HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf, Zugriff 28.5.2019

- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 28.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 28.5.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html, Zugriff 28.5.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Die iranische Verfassung vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene „Hohe Rat für Menschenrechte“ untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten „Pariser Prinzipien“ (AA 12.1.2019).

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:

- Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

- Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

- Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

- Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischen Recht)

- Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen

- Konvention über die Rechte behinderter Menschen

- UN-Apartheit-Konvention

- Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 12.1.2019)

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:

- Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

- Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

- Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (AA 12.1.2019).

Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 12.2018). Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlüsselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (US DOS 13.3.2019).

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019). Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des „Defenders of Human Rights Center“, deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 12.2018).

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sind weiterhin stark eingeschränkt. Die Behörden inhaftierten zahlreiche Personen, die friedlich Kritik geäußert hatten. Die Gerichtsverfahren waren in aller Regel unfair. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen sind noch immer an der Tagesordnung und bleiben straflos. Es werden weiterhin Auspeitschungen, Amputationen und andere grausame Körperstrafen vollstreckt. Die Behörden billigten, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugung, ethnischen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder einer Behinderung in starkem Maße diskriminiert und Opfer von Gewalt wurden. Hunderte Menschen wurden hingerichtet, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Tausende saßen weiterhin in den Todeszellen, darunter Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Ende Dezember 2017 gingen Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Armut, Korruption und politische Unterdrückung zu protestieren. Es waren die größten Kundgebungen gegen die iranische Führung seit 2009 (AI 22.2.2018). Bei diesen landesweiten Protesten wurden ca. 4.900 Personen verhaftet und mindestens 21 Personen wurden bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsbehörden während der Demonstrationen getötet (FH 4.2.2019). Human Rights Watch spricht von 30 Getöteten, einschließlich Sicherheitskräften. Glaubwürdige Untersuchungen in Bezug auf die getöteten Demonstranten oder in Bezug auf die übermäßige Gewaltanwendung wurden nicht unternommen. Die Behörden wendeten sich verstärkt dem friedlichen Aktivismus zu und nahmen Anwälte und Menschenrechtsverteidiger fest, die nun mit Anklagen konfrontiert sind, die zu langen Gefängnisstrafen führen können (HRW 17.1.2019).

Wie 2013 versprach Rohani auch im Wahlkampf 2017, die Bürgerrechte und die Meinungsfreiheit zu stärken. In seiner ersten Amtszeit von 2013-17 konnte die Regierung den Erwartungen nach einer Liberalisierung im Innern allerdings nicht gerecht werden. Die Menschenrechtslage in Iran bleibt fünf Jahre nach Amtsantritt einer gemäßigten Regierung trotz gradueller Verbesserungen im Bereich der Kunst- und Pressefreiheit nahezu unverändert kritisch. Regimegegner sowie religiöse und ethnische Minderheiten sind nach wie vor regelmäßig Opfer staatlicher Repressionen. Beunruhigend ist die hohe Anzahl an Hinrichtungen, die jedoch aufgrund einer Änderung im Drogengesetz 2018 niedriger lag als in den Vorjahren (AA 15.2.2019a).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 28.5.2019

- AA – Auswärtiges Amt (15.2.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450#content_2, Zugriff 28.5.2019

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 28.5.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019.2019

- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 28.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 28.5.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html, Zugriff 28.5.2019

Todesstrafe

Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, „Mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 12.2018). Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt und auch gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.12019). Der Anteil öffentlich vollstreckter Hinrichtungen, ist 2018 auf knapp 3% gesunken (2017: 5%, 2016: 5%, 2015: 7%, 2014: 10%). Es wird über erfolgte Hinrichtungen nicht offiziell informiert (AA 12.1.2019).

Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilo Opium oder 2 Kilo industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 12.2018). Nach dieser Änderung sank in Iran die Anzahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen (AI 10.4.2019, vgl. HRW 17.1.2019, FH 4.2.2019, HRC 8.2.2019) um circa 50%, von mindestens 507 im Jahr 2017 auf mindestens 253 im Jahr 2018 (AI 10.4.2019). Die Justiz hat die meisten Exekutionen, die wegen Drogenvergehen ausgesprochen worden waren, ausgesetzt, um sie im Einklang mit der Gesetzesänderung zu überprüfen (HRW 17.1.2019). Trotz dieser Rückgänge ist Iran noch immer für mehr als ein Drittel aller weltweit bekannt gewordenen Hinrichtungen verantwortlich. Amnesty International registrierte Umwandlungen von Todesurteilen bzw. Begnadigungen. Trotzdem wurden im Jahr 2018 mindestens 13 Personen in Iran öffentlich hingerichtet und sieben Personen wurden wegen Verbrechen hingerichtet, die sie im Alter von unter 18 Jahren begangen hatten (AI 10.4.2019).

Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom „Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der „Steinigungsliste“. Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 12.2018). Wie in den Vorjahren erhielt Amnesty International 2018 keine Berichte über gerichtlich angeordnete Hinrichtungen durch Steinigung. Allerdings wurde bekannt, dass in Iran zwei neue Todesurteile gefällt wurden, die durch Steinigung vollstreckt werden sollen (AI 10.4.2019).

Weiterhin finden in Iran Hinrichtungen von Straftätern statt, die zum Zeitpunkt ihrer Tat unter 18 Jahre alt waren. Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 12.2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 31.5.2019

- AI – Amnesty International (10.4.2019): Todesurteile und Hinrichtungen 2018, https://www.amnesty.at/media/5416/act50-9870-2019_uebersetzung_at.pdf, Zugriff 31.5.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019

- HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf, Zugriff 31.5.2019

- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 31.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 31.5.2019

Grundversorgung

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 14 Mio. IRR im Monat (ca. 97 Euro). Das durchschnittliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 388 Euro (AA 12.1.2019).

Von 2016-2017 konnte sich die iranische Wirtschaft mit Wachstumsraten von 4-4,5% jährlich erholen. Das weitere Wachstum ist angesichts der im August 2018 in Kraft getretenen US-Sanktionen gegen Iran (Edelmetalle, Automobilsektor, Flugzeuge), des dramatischen Währungsverfalls und der importierten Inflation stark gefährdet. Mit den US-Sanktionen u.a. auf Ölexporte seit November 2018 ist mit einer weiteren Verschlechterung der Lage zu rechnen. Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2021 eine anhaltende Rezession, der IWF einen Rückgang des BIP um 1,5% im Jahr 2019 und 3,6% im Jahr 2020. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 12.2018).

Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund 1 Mio. Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger „brain drain“, der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen wird (ÖB Teheran 12.2018). Ende Dezember 2017 entstanden Proteste aufgrund der schlechten ökonomischen Lage in einigen Städten (FH 4.2.2019).

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle. So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe. Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin staatlich subventioniert ist, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hob er den Benzinpreis an oder begrenzte die ausgegebenen Rationen, führte das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 3.2019b).

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads. Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company (GIZ 3.2019b).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 7.6.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 7.6.2019

- GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2019b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412, Zugriff 7.6.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 7.6.2019

Sozialbeihilfen

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 12.2018). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Einzahlungsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von 1.111.269 IRR (ca. 7,70 Euro) pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3.10 Euro, sog. Yarane). Dabei handelt es sich jedoch um ein auslaufendes System, das keine Neuaufnahmen zulässt. Angesichts drängender Wirtschaftsnöte wurde im September 2018 zusätzlich die Ausgabe von 10 Millionen elektronischen Lebensmittelkarten beschlossen, ergänzt durch Nahrungsmittelpakete für die am meisten von Armut betroffenen Familien (AA 12.1.2019).

Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 12.1.2019).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber angeboten werden (IOM 2018).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialsicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und FreiberuflerInnen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Sfufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen (IOM 2018).

Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, alten Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme) ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Sozio-psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2018).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die sadeqe, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, das der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2019b).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 29.4.2019

- GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit(3.2019b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412, Zugriff 7.6.2019

- IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt Iran, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772190/18364150/Iran_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101480&vernum=-2, Zugriff 29.4.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 29.4.2019

Medizinische Versorgung

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Zwar ist es fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land), aber die Qualität schwankt (GIZ 3.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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