TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/25 L529 2220480-2

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Veröffentlicht am 25.11.2019
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Entscheidungsdatum

25.11.2019

Norm

AVG §35
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L529 2220480-1/22E

L529 2220480-2/6E

Schriftliche Ausfertigung des am 25.07.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien alias Russische Föderation, vertreten durch RAe Dr. Martin DELLASEGA & Dr. Max KAPFERER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Asyl- und Fremdenwesen vom 28.05.2019, Zl. XXXX (hinsichtlich §§ 3, 8, 57, 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG und §§ 52, 46, 53, 55 FPG), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.07.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als die Spruchpunkte VI. und VIII. zu lauten haben:

"VI. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

"VIII. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien alias Russische Föderation, vertreten durch RAe Dr. Martin DELLASEGA & Dr. Max KAPFERER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2019, Zl. XXXX , mit dem eine Mutwillensstrafe in Höhe von EURO 726,-- verhängt wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.07.2019 ,zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als die Strafe auf EURO 200,-- herabgesetzt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ist Staatsangehöriger der Republik Armenien und stellte am 08.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Anlässlich der Erstbefragung am 08.10.2015 und Einvernahme am 22.03.2018 gab der BF an, dass er am XXXX geboren und Staatsangehöriger der Russischen Föderation sei. Zum Fluchtgrund befragt führte der BF aus, dass er als Kurde von der Russischen Föderation keine Dokumente erhalten habe und er bei Polizeikontrollen wegen fehlender Dokumente wiederholt Strafe haben zahlen müssen.

I.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge kurz als "BFA" bezeichnet) vom 22.03.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI).

I.4. Das Bundesverwaltungsgericht gab einer dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 19.03.2019, hg. Zl: W111 2194459-1/5E, statt und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurück.

Begründend wurde auf mangelhafte Feststellungen zur Frage der Staatsangehörigkeit des BF sowie zur Situation von Kurden in der Russischen Föderation verwiesen.

I.5. Bei weiteren Einvernahmen des BF vor dem BFA am 30.04.2019 und am 13.05.2019 gab dieser an, sein Name sei XXXX und er sei kurdischer Muslim. Zum Vorhalt eines Visumtreffers führte er aus, er wisse nicht, wer der auf dem vorgehaltenen Visum angeführte armenische Staatsangehörige XXXX sei, das ihm vorgelegte Foto sei nicht von ihm. Auch sei der ihm gezeigte Facebook-Account (mit einem Profilbild des BF) nicht ihm zuzuordnen. Er sei in seinem Heimatland, der russischen Föderation, als Kurde von der Polizei schikaniert worden und würde bei Rückkehr festgenommen werden.

I.6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2019 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 2, 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VIII).

Das BFA stellte fest, dass die Identität des BF XXXX laute und dass der BF armenischer Staatsangehöriger sei. Das BFA führte beweiswürdigend aus, dass sich die wahre Identität auf Grund des Visumtreffers aus Litauen ergäbe. Der BF sei aufgrund seiner zahlreichen Widersprüche und der mangelnden Kooperation als Person vollkommen unglaubwürdig zu erachten, seine gesamten Fluchtgründe hätten sich auf die Russische Föderation bezogen und er habe keine Bedrohung bzw. Verfolgung in Armenien vorgebracht.

I.7. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2019 wurde gemäß § 35 AVG gegen den BF wegen offenbar mutwilliger Inanpruchnahme einer Behördentätigkeit, absichtlicher Verschleppung der Angelegenheit und unrichtiger Angaben eine Mutwillensstrafe in der Höhe von EURO 726,-- verhängt.

I.8. Gegen beide Bescheide vom 28.05.2019 erhob der BF durch seinen Vertreter binnen offener Frist vollumfängliche Beschwerden. Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass die Vertreter des BF nicht ordnungsgemäß zu den Einvernahmen am 30.04.2019 und 13.05.2019 geladen worden seien. Der BF heiße tatsächlich XXXX , sei am XXXX geboren und armenischer Staatsangehöriger. Er sei seit dem Jahre 2014 Anhänger der Zeugen Jehovas und habe sein Land aus Angst vor dem drohenden Wehrdienst verlassen. Als aktiver Kampfsportler wäre er sicher bei Kampfhandlungen zum Einsatz gekommen und dies sei mit seiner religiösen Einstellung nicht vereinbar. Auch sei die Verhängung eines Ausreiseverbotes im Ausmaß von 5 Jahren völlig unverhältnismäßig.

I.9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.07.2019, hg. GZ L529 2220480-1/3Z, wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 28.05.2019, Zl. XXXX (Spruchpunkt VII.) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

I.10. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des BF am 25.07.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF sowie eine Vertreterin der belangten Behörde (BFA) teilnahmen. Die Rechtsvertretung des BF erschien unentschuldigt nicht. Im Zuge der Verhandlung bestätigte der BF seine Identität als XXXX und dass er armenischer Staatsangehöriger sei. Er sei Jezide/Sonnenanbeter, habe aber auch an Sitzungen der "Zeugen Jehovas" teilgenommen, um nicht zum Militär zu müssen. Am Ende der Verhandlung wurden mittels mündlich verkündeten Erkenntnissen die Beschwerden als unbegründet abgewiesen mit den Maßgaben, dass das Einreiseverbot auf die Dauer von zwei Jahren befristet erlassen werde, die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage betrage und die Mutwillensstrafe auf ? 200 herabgesetzt werde.

I.11. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Der Beschwerdeführer

Beim BF handelt es sich um einen Staatsangehörigen der Republik Armenien, der der zahlenmäßig größten Minderheit der Kurden und der jezidischen Glaubensrichtung angehört. Seine Identität steht fest. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

Der BF stammt aus Eriwan. Er hat dort etwa neun Jahre die Schule besucht. Nach dem Schulabschluss half er im Geschäft seines Vaters und übte den Kampfsport Karate aus.

Beim BF handelt es sich um einen jungen, gesunden, arbeitsfähigen Mann mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Familienmitglieder (Eltern, Großmutter, Geschwister) des BF sind nach wie vor in Eriwan aufhältig, der Vater betreibt einen Lebensmittelhandel.

Der BF lebt in Österreich mit einem Onkel, einer Tante sowie einer Cousine in einem gemeinsamen Haushalt.

Der BF verfügte über ein von 08.09.2015 bis 08.10.2015 ausgestelltes Visum mit der Nummer XXXX und stellte am 08.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF ist nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er ist kein Mitglied in einem Verein oder sonstigen Organisation. Er hat bislang keine Deutschprüfung absolviert.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Armenien

II.1.2.1. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien legt das erkennende Gericht seiner Entscheidung insbesondere die länderkundlichen Informationen zur Lage in der Republik Armenien vom 13.05.2019 zugrunde. Auszugsweise werden aus den herangezogenen Länderfeststellungen folgende Feststellungen explizit angeführt:

Wehrdienst und Rekrutierungen

Männer armenischer Staatsangehörigkeit unterliegen vom 18. bis zum 27. Lebensjahr der allgemeinen Wehrpflicht (24 Monate). Auf Antrag besteht die Möglichkeit der Befreiung oder Zurückstellung vom Wehrdienst sowie der Ableistung eines militärischen oder zivilen Ersatzdienstes. Bei der Zurückstellung vom Militärdienst aus sozialen Gründen (z.B. pflegebedürftige Eltern, zwei oder mehr Kinder) muss bei Wegfall der Gründe der Betreffende bis zum 27. Lebensjahr noch einrücken. Wenn die Gründe nach dem 27. Lebensjahr noch bestehen, ist eine Einrückung in Friedenszeiten nicht mehr vorgesehen. Derjenige muss sich allerdings als Reservist zur Verfügung stellen. Armenische Rekruten werden auch an der Waffenstillstandslinie um Bergkarabach eingesetzt. Männliche Armenier ab 16 Jahren sind zur Wehrregistrierung verpflichtet. Sofern sie sich im Ausland aufhalten und sich nicht vor dem Erreichen des 16. Lebensjahres aus Armenien abgemeldet haben, müssen sie zur Musterung nach Armenien zurückkehren; andernfalls darf ihnen kein Reisepass ausgestellt werden. Nach der Musterung kann die Rückkehr ins Ausland erfolgen. Mit der Ende 2017 erfolgten Novellierung des Wehrpflichtgesetzes bietet das armenische Verteidigungsministerium im Rahmen des Konzepts "Armee-Nation" zwei neue Optionen für den Wehrdienst. Das Programm "Jawohl" ermöglicht den Rekruten einen flexiblen Wehrdienst von insgesamt drei Jahren mit mehrmonatigen Unterbrechungen. Man wird u.a. auch an der Frontlinie eingesetzt. Im Anschluss erhalten die Rekruten ca. 9.000 Euro für eine Existenzgründung sowie einen Wohnungskredit. Diese Regelung ist seit Dezember 2017 in Kraft. Das Programm "Es ist mir eine Ehre" erlaubt Hochschulstudenten das Studium abzuschließen und erst dann als Offizier ihren Wehrdienst abzuleisten. Im Laufe des Studiums werden für diese Studenten Pflichtveranstaltungen im Militärinstitut organisiert. Diese Regelung tritt ab Mai 2018 in Kraft (AA 7.4.2019).

Laut Informationen des Verteidigungsministeriums soll es für Personen mit legalem Daueraufenthalt im Ausland auf Antrag Befreiungsmöglichkeiten auch im wehrpflichtigen Alter geben: Eine interministerielle Härtefall-Kommission prüft die Anträge auf Befreiung vom Wehrdienst (AA 7.4.2019).

Es besteht ein komplexes System von gesetzlichen Garantien und Schutzmechanismen sowie interne wie externe Mechanismen, damit die Rechte des Personals, inklusive der Rekruten, in den Streitkräften geschützt werden. Auch bestehen externe und alternative Mechanismen zum Schutz der Rechte des Militärpersonals, so etwa der Rechtsschutz oder Beschwerden, die sowohl an den armenischen Ombudsmann als auch den "Public Council" des Verteidigungsministeriums gerichtet werden können, welcher aus Vertretern von lokalen NGOs besteht, und sich mit Beschwerden zu Menschenrechtsverletzungen, speziell während der Einberufung, auseinandersetzt (OSCE 13.4.2018).

Quellen:

?AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

?OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (15.4.2019): Response by the Delegation of Armenia to the Questionnaire on the Code of Conduct on Politico-Military Aspects of Security, https://www.osce.org/forum-for-security-cooperation/418040?download=true, Zugriff 7.5.2019

Wehrersatzdienst

Es gibt einen Ersatzdienst für Wehrdienstverweigerer. Im Gesetz über den alternativen Wehrdienst vom 17.12.2003 ist sowohl ein 30-monatiger Ersatzdienst innerhalb der Streitkräfte (ohne Waffen, d.h. in der Regel hauswirtschaftliche Tätigkeiten) als auch ein 36-monatiger Ersatzdienst außerhalb der Streitkräfte vorgesehen. Die Anzahl der Wehrdienstverweigerer ist gering. Das novellierte Zivildienstgesetz vom 8.6.2013 eröffnet die Möglichkeit des Zivildienstes auch aus religiöser Überzeugung. Der Zivildienst untersteht dabei nicht mehr der Dienstaufsicht des Militärs, sondern wird von einem Gremium bestehend aus je zwei Vertretern des Sozial-, Gesundheits- und Verteidigungsministeriums gestaltet und beaufsichtigt (AA 17.4.2018).

Der Europäische Ausschuss für Soziale Rechte des Europarates (ESCR) befand Ende 2016, dass auch nach der Reduktion der Zivildienstdauer von 42 auf 36 Monate bzw. auf 30 Monate innerhalb der Armee, die Dauer im Vergleich zum Wehrdienst von 24 Monaten zu lang ist, und somit weiterhin nicht mit der Europäischen Sozialcharta konform geht (CoE-ECSR 1.2017).

Quellen:

?AA - Auswärtiges Amt (17.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

?CoE-ECSR - Council of Europe - European Committee of Social Rights (1.2017): European Committee of Social Rights Conclusions 2016; Armenia, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1486111217_cr-2016-arm-eng.pdf, Zugriff 29.3.2019

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Wehrpflichtige, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, müssen trotz vorhandener Strafvorschriften grundsätzlich nicht mit einer Bestrafung rechnen, wenn sie sich nach der Rückkehr bei der zuständigen Behörde melden. Auch bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Wehrdienstentzugs werden in solchen Fällen eingestellt. Männer über 27 Jahre, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, können gegen Zahlung einer Geldbuße die Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung erreichen. Durch die letzte Modifizierung des Wehrpflichtgesetzes wurde die Ausnahmeregelung über die Einstellung des Strafverfahrens gegen Strafzahlung bei Personen, die sich im Zeitraum zwischen 1992 und 1. Dezember 2017 der Wehrpflicht entzogen haben, bis zum 31. Dezember 2019 verlängert (AA 7.4.2019).

Am 12.10.2017 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EMRK), dass Mitglieder der Zeugen Jehovas zu Unrecht verurteilt wurden, weil sie sich geweigert hatten, unter militärischer Aufsicht Zivildienst zu leisten, feststellend, dass die Regierung Wehrdienstverweigerern aus Gewissensgründen "einen alternativen Militärdienst wirklich ziviler Art" anbieten muss. Die Regierung führte noch im selben Jahr einen alternativen Zivildienst ein, der nicht vom Militär kontrolliert wird. Laut Vertretern der Zeugen Jehovas sei das Staatskomitee, zuständig für Koordination und Prüfung der Anträge auf Ersatzdienst, weiterhin kooperativ, und das Programm funktioniere gut (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

?AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

?USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Armenia, 29 May 2018, https://www.ecoi.net/en/document/1436783.html, 29.3.2019

Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert und darf nur durch Gesetz und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist. Gemäß Verfassung wird zudem die Freiheit der Tätigkeit von religiösen Organisationen garantiert. Es gibt keine verlässlichen Angaben zum Anteil religiöser Minderheiten an der Gesamtbevölkerung; Schätzungen zufolge machen sie weniger als 5% aus. Auch in den 2015 beschlossenen Verfassungsänderungen genießt die Armenisch-Apostolische Kirche (AAK) nach wie vor Privilegien, die anderen Religionsgemeinschaften nicht zuerkannt werden (Zulässigkeit der Eröffnung von Schulen, Herausgabe kirchengeschichtlicher Lehrbücher, Steuervorteile u. a. bei Importen, Wehrdienstbefreiung von Geistlichen, Kirchenbau). Religionsgemeinschaften sind nicht verpflichtet, sich registrieren zu lassen. Religiöse Organisationen mit mindestens 200 Anhängern können sich jedoch amtlich registrieren lassen und dürfen dann Zeitungen und Zeitschriften mit einer Auflage von mehr als 1.000 Exemplaren veröffentlichen, regierungseigene Gelände nutzen, Fernseh- oder Radioprogramme senden und als Organisation Besucher aus dem Ausland einladen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Religionsgemeinschaften die Registrierung verweigert wurde bzw. wird. Bekehrungen durch religiöse Minderheiten sind zwar gesetzlich verboten; missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen sind jedoch tätig und werden staatlich nicht behindert. Dies wird von offiziellen Vertretern der Zeugen Jehovas bestätigt (AA 7.4.2019).

In Artikel 18 der Verfassung wird die Armenische Apostolische Kirche als "Nationalkirche" anerkannt, die für die Erhaltung der armenischen nationalen Identität verantwortlich ist. Religiöse Minderheiten haben in der Vergangenheit über Diskriminierung berichtet, und einige hatten Schwierigkeiten, Genehmigungen für den Bau von Gotteshäusern zu erhalten (FH 4.2.2019). Mitglieder religiöser Minderheiten werden bei der öffentlichen Beschäftigung benachteiligt (USDOS 13.3.2019).

Laut Vertretern christlicher Minderheitengruppen besteht Freiheit in der Ausrichtung ihres Glaubens, allerdings fühlen sie sich verpflichtet, ihre Religion diskret auszuüben, besonders während sie im Militärdienst dienen. Menschenrechtsaktivisten äußerten weiterhin ihre Besorgnis über die Zustimmung der Regierung, dass die AAK am Unterricht an Schulen mitwirkt und die Zugehörigkeit zur AAK mit der nationalen Identität oft gleichsetzt wird, was die staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung anderer religiöser Organisationen verstärkt (USDOS 29.5.2018).

Quellen:

?AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

?FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 26.3.2019

?USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436783.html, Zugriff 27.3.2019

?USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 27.3.2019

Ethnische Minderheiten

Die Bevölkerung setzt sich aus ca. 96% armenischen Volkszugehörigen und ca. 4% Angehörigen von Minderheiten (vor allem Jesiden, Russen, Kurden und Assyrer, denen nach der neuen Verfassung als den vier größten Minderheitengruppen jeweils ein Parlamentssitz zusteht) zusammen. Die Volkszugehörigkeit wird in armenischen Reisepässen nur eingetragen, wenn der Passinhaber dies beantragt. Die Verfassung garantiert nationalen Minderheiten das Recht, ihre kulturellen Traditionen und ihre Sprache zu bewahren, in der sie u.a. studieren und veröffentlichen dürfen. Zugleich verpflichtet ein Gesetz alle Kinder zu einer Schulausbildung in armenischer Sprache. Dennoch wird an einigen armenischen Schulen in Gegenden mit jesidischer Bevölkerung (derzeit in 23 Dörfern) auch Unterricht in Jesidisch erteilt. Angehörige der jesidischen Minderheit berichten zwar immer wieder über Diskriminierungen. Weder Jesiden noch andere Minderheiten sind Ziel systematischer und zielgerichteter staatlicher Repressionen (AA 7.4.2019).

Die größte Herausforderung für Minderheiten in Armenien ist ihre schiere Unsichtbarkeit in der Gesellschaft. Alle Minderheitengruppen zusammen machen weniger als 2% der armenischen Bevölkerung aus. Hinzu kommt, dass keine Minderheit in irgendeinem Teil des Landes die Mehrheit ausmacht und stattdessen in ganz Armenien verstreut lebt. Während die jüngsten Verfassungsänderungen dazu geführt haben, dass 2017 vier Minderheitenvertreter in das Parlament gewählt wurden, werden alle Regierungsgeschäfte weiterhin auf Armenisch geführt. Infolgedessen stehen Minderheiten nach wie vor Schwierigkeiten gegenüber, an Entscheidungen teilzunehmen, die ihr tägliches Leben betreffen, zumindest auf nationaler Ebene. Sie sind weiterhin größtenteils nur auf lokaler Regierungsebene vertreten (MRGI 2019).

Quellen:

?AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

?MRGI - Minority Rights Group International (2019): Armenia, https://minorityrights.org/country/armenia/, Zugriff 27.3.2019"

II.1.2.2. Bei der Republik Armenien handelt es sich um einen sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-VG.

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem bzw. Rückkehrhindernisse in den Herkunftsstaat

Der BF hat nicht glaubhaft dargelegt und kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass er vor seiner Ausreise aus seiner Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre oder in eine lebens- bzw. existenzbedrohende Notlage geraten würde.

II.2. Beweiswürdigung

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch Einsicht in die vorliegenden Verwaltungsakten und Durchführung einer mündlichen Verhandlung Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage und dem Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die Feststellungen zur Identität des BF und seiner Staatszugehörigkeit waren auf Grund des Visums (Nummer XXXX ) zu treffen und wurden vom BF letztlich - nach mehrmaligen Falschangaben und wiederholtem Bestreiten - sowohl in den Beschwerden vom 21.06.2019 (AS 864, 872) als auch in der Verhandlung am 25.07.2019 (Verhandlungsschrift S 4) eingestanden und bestätigt. Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus seinen in der Verhandlung getätigten Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen. Hinsichtlich seiner Deutschkenntnisse konnte sich der erkennende Richter zwar davon überzeugen, dass der BF über einfache Deutschkenntnisse verfügt, eine Prüfung hat der BF jedoch bislang nicht abgelegt. Er ist auch nicht erwerbstätig, bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist kein Mitglied in einem Verein oder sonstigen Organisation. Hinsichtlich seiner Religionszugehörigkeit wird auf die Ausführungen unter Punkt II.2.4.3. verwiesen.

Die Feststellungen zur Herkunftsregion des BF, zu den familiären und privaten Verhältnissen im Herkunftsland und in Österreich gründen sich auf die in diesen Punkten stringenten Angaben während der mündlichen Verhandlung. Ein Grund, warum der BF nicht wieder in seinen Familienverband zurückkehren könnte, wurde vom BF nicht vorgebracht und ist auch nicht ersichtlich.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des BF ergeben sich aus seinen eigenen Angaben. Der BF gab im Verfahren wiederholt an, dass er gesund sei.

Seine Unbescholtenheit ergibt sich aus dem hg. erstellten aktuellen Strafregisterauszug.

II.2.3. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.

Der BF trat in der Beschwerde den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen.

II.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene freie Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Wesentlichen von ihrem objektiven Aussagekern her in sich schlüssig und stimmig ist.

Die Einschätzung des BFA wurde durch das ergänzende Ermittlungsverfahren und insbesondere durch das Ergebnis der Beschwerdeverhandlung bestätigt und schließt sich das ho. Gericht den zitierten Ausführungen des BFA in ihrem objektiven Aussagekern an.

Die Feststellungen zu einer mangelnden Gefährdung (oben II.1.3.) waren aus folgenden Gründen zu treffen.

II.2.4.1. Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht (Hinweis E vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/18/0100 und 0101). Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069).

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH, 25.03.1999, 98/20/0559).

Fehlen für die Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese Aussagen gemäß Art. 4 Abs. 5 der StatusRL (Richtlinie 2004/83/EG) keines Nachweises, wenn

- der Antragsteller sich offensichtlich bemüht hat, seinen Antrag zu substantiieren;

- alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

- festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

- der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war.

- die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist.

II.2.4.2. Vorweg ist festzuhalten, dass der BF in seiner Person als hochgradig unglaubwürdig zu erachten ist. Schon bei der Antragstellung machte der BF sowohl hinsichtlich seiner persönlichen Daten, als auch in Bezug auf das Herkunftsland, den Reiseweg und den Fluchtgrund falsche Angaben. Es wurden dem BF mehrfach im Zuge von Befragungen die Möglichkeit gegeben, seine Aussagen richtig zu stellen, dieser zog es jedoch auch bei Vorhalt seines Visums und Androhung einer Mutwillensstrafe vor, seine wahre Identität zu bestreiten und zu verschleiern (AS 393f). In diesem Zusammenhang bestritt er - trotz Erkennbarkeit - nicht nur, dass es sich bei dem Foto des Visumtreffers um ein Foto von ihm handelte, sondern auch, dass er einen Facebook-Accout besitze, obwohl das Profilbild ebenfalls den BF selbst zeigte (AS 395). Erst in den Beschwerden vom 21.06.2019 und in der mündlichen Verhandlung am 25.07.2019, somit beinahe vier Jahre nach seiner Antragstellung, entschloss sich der BF, seine wahre Identität, welche von der belangten Behörde ermittelt werden musste, anzugeben bzw. zu bestätigen und auch, dass er seit etwa vier Jahren ein Facebook-Profil habe (Verhandlungsschrift, S 13). Eine plausible und glaubhafte Begründung, warum er erst nach beinahe vier Jahren seine Identität und Staatszugehörigkeit richtigstellte, brachte der BF nicht vor. So gab der BF in der Beschwerde zwar zunächst an, er habe seine Identität und seine Fluchtgeschichte an die seines Onkels und seiner Tante anpassen müssen, um nicht deren zuerkannten Status von subsidiär Schutzberechtigten zu gefährden (AS 865, 873), dazu befragt gab der BF in der Verhandlung jedoch an, dass er nicht wisse, warum der Anwalt so einen Grund angegeben habe und dass der Onkel seine wahre Identität bereits bekannt gegeben habe (Verhandlungsschrift, S 15).

In der Verhandlung am 25.07.2019 gab der BF aber auch an, er kenne den Inhalt der Beschwerdeschrift nicht (Verhandlungsschrift, S 5) und er gäbe erst jetzt seine wahre Identität an, weil er Angst gehabt hätte und nicht abgeschoben werden wollte; er habe nicht nach Armenien zurückkehren und nicht zum Militär wollen (Verhandlungsschrift, S 9). Die "Angst" vor einer rechtmäßigen Abschiebung als Folge einer unbegründeten Asylantragstellung rechtfertigt jedoch nicht die Falschaussagen des BF im Asylverfahren, zumal der BF mehrfach auf seine Mitwirkungspflicht im Asylverfahren hingewiesen wurde und darauf aufmerksam gemacht wurde, dass unwahre Aussagen nachteilige Folgen nach sich ziehen können.

II.2.4.3. Aber auch hinsichtlich des vorgebrachten Fluchtgrundes war dem BF die Glaubwürdigkeit abzusprechen. So gab der BF zunächst mehrfach an, er sei als Kurde von der Polizei wiederholt schikaniert worden (AS 15, 87, 273, 347) bzw. er habe nicht Armenien, sondern Russland verlassen (AS 395). Hingegen brachte er in den Beschwerden vom 21.06.2019 - nach Richtigstellung seiner Identität und seiner Staatszugehörigkeit - einen völlig neuen Fluchtgrund vor, nämlich dass er bereits seit dem Jahre 2014 Anhänger der Zeugen Jehovas sei. Er sei durch seine Großmutter und seine Eltern, die überzeugte Anhänger der Zeugen Jehovas seien, zu dieser Glaubensgemeinschaft gekommen. Er hätte als Jezide und aktiver Kampfsportler mit einem aktiven Waffeneinsatz in der armenischen Armee rechnen müssen und dies sei mit seiner religiösen Einstellung als Zeuge Jehovas nicht vereinbar. Da es in Armenien keinen Wehrersatzdienst gäbe, wäre er im Fall der Wehrdienstverweigerung in asylrelevanter Art und Weise verfolgt worden (AS 865, 873). Auch in der Verhandlung berief sich der BF darauf, dass er als Zeuge Jehovas keine Waffe in die Hand nehmen dürfe (Verhandlungsschrift, S 8). Dass der BF aber tatsächlich der Glaubensgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" angehöre, ist jedoch - wie nachfolgend ausgeführt - nicht glaubwürdig:

Der BF hat im Laufe seines Verfahrens unterschiedliche Angaben getätigt. So gab er beispielsweise in der Erstbefragung an, dass er keine Religionszugehörigkeit habe (AS 7), in der Beschwerde vom 18.04.2018 und in der niederschriftlichen Einvernahme vom 13.05.2019 gab er an, dass er Kurde und Muslim sei (AS 273, 345, 395) und in den Beschwerden vom 21.06.2019, dass er Anhänger der Zeugen Jehovas sei (AS 865, 872). In der Verhandlung am 25.07.2019 beantwortete er die Frage des Verhandlungsrichters nach seiner Religionszugehörigkeit spontan mit "Jezide, Sonnenanbeter" (Verhandlungsschrift, S 5). Erst auf weitere Nachfragen des Verhandlungsrichters führte der BF aus, "ich weiß nicht den Inhalt der Beschwerde. Ein Anwalt hat dies erledigt" und "ich habe bei Sitzungen der "Zeugen Jehovas" teilgenommen und auch angegeben, dass ich "Zeuge Jehovas" bin, damit ich nicht zum Militär muss. In Wirklichkeit bin ich Sonnenanbeter" (Verhandlungsschrift, S 5), und in weiterer Folge "....Die meisten Jeziden sind Sonnenanbeter. Nebenbei haben sie auch Interesse an den Zeugen Jehovas. Ich habe keine schlechten Punkte bei den Zeugen Jehovas gesehen, es hat mir gefallen....Ich bin noch nicht getauft, aber ich nehme an den Sitzungen teil" (Verhandlungsschrift, S 8). Das letzte Mal habe er an einer Sitzung der Zeugen Jehovas im Juli oder August 2015 teilgenommen (Verhandlungsschrift, S 8) und er sei Zeuge Jehovas und Sonnenanbeter, für ihn gäbe es nur einen einheitlichen Gott (Verhandlungsschrift S 13). Schon aufgrund der Widersprüchlichkeiten dieser Aussagen ist eine Zuwendung des BF zur Glaubensrichtung der Zeugen Jehovas nicht glaubwürdig. Es erschließt sich zudem dem erkennenden Richter auch nicht, weshalb der BF - wäre er wirklich Zeuge Jehovas - in Österreich keinen Zugang zu den Zeugen Jehovas gesucht bzw. gefunden hat. In Zusammenschau mit dem gesamten Aussageverhalten des BF ist von der Unglaubwürdigkeit der Behauptungen, dass er Zeuge Jehovas sei, ihm als Zeuge Jehovas der Umgang mit Waffen verboten sei und er aus diesem Grund den Wehrdienst in Armenien vermeiden habe wollen, auszugehen.

II.2.4.4. Neben den zunächst unrichtigen Angaben des BF zu seiner Identität und seiner Staatszugehörigkeit und seinen unglaubwürdigen Fluchtgründen (Verweigerung von Dokumenten durch die russischen Behörden bzw. Angst vor Wehrdienst wegen der religiösen Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas) bleibt vom Vorbringen des BF nur übrig, dass er sein Heimatland Armenien verlassen habe, weil er den Wehrdienst dort nicht habe ableisten wollen. Dazu ist auszuführen, dass die Furcht vor Ableistung des Militärdienstes grundsätzlich keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft darstellt und dass der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertritt, dass auch die Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung u.a. (nur) dann zur Asylgewährung führen kann, wenn das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen - wie etwa bei der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt [...]. (VwGH 21.03.2002, 99/20/0401). Im gegenständlichen Fall wollte der BF - seinen Angaben zufolge - dem Wehrdienst in Armenien entgehen. Dass dafür religiöse Gründe ausschlaggebend gewesen seien, war als unglaubwürdig zu befinden (vgl. Punkt II.2.4.3), politische Überzeugungen dafür hat der BF erst gar nicht vorgebracht. Auch sind die Ausführungen des BF, "Da ich zu den "Zeugen Jehovas" gehöre, darf ich keine Waffe in die Hand nehmen" (Verhandlungsschrift, S 8) nicht geeignet, die Ableistung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen zu verweigern. Der BF hat damit nicht dargelegt, inwieweit er damit eine Gesinnung vertrete, die ihm eine Ableistung des Wehrdienstes unzumutbar mache, zumal er - wiederum seinen eigenen Angaben zufolge - erst durch eine Vorfeldorganisation fürs Militär zum Karatesport gekommen sei (Verhandlungsschrift, S 9). Außerdem hat die Relevierung des Themas der "Wehrdienstverweigerung" - ob aus Gewissensgründen oder aus anderen Gründen - an sich schon keinerlei Einfluss auf die gegenständliche Entscheidung, da den Länderfeststellungen zu entnehmen ist, dass es in Armenien die Möglichkeit eines Wehrersatzdienstes für Wehrdienstverweigerer gibt und insbesondere für Zeugen Jehovas im Jahr 2017 ein alternativer Zivildienst, der nicht vom Militär kontrolliert wurde, eingeführt wurde (vgl. Punkt II.1.2.1.). Auch müssen Wehrpflichtige, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, trotz vorhandener Strafvorschriften grundsätzlich nicht mit einer Bestrafung rechnen, wenn sie sich nach der Rückkehr bei der zuständigen Behörde melden. Auch bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Wehrdienstentzugs werden in solchen Fällen eingestellt (vgl. Punkt II.1.2.1.). Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass die angestrebte Wehrdienstverweigerung des BF aus Gewissensgründen nicht glaubwürdig ist und er bei Rückkehr aus dem Umstand, dass er sich der Wehrpflicht entzogen hat, keiner (asylrelevanten) Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt ist.

II.2.5. Vor dem Hintergrund der hier insgesamt getroffenen Ausführungen hat der BF somit nicht glaubhaft dargelegt, dass er vor seiner Ausreise aus seiner Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin einer solchen ausgesetzt wäre.

II.2.6. Soweit in den Beschwerden, vor allem in Hinblick auf die Verhängung der Mutwillensstrafe, darauf verwiesen wurde, dass Ladungen des BF zu den Einvernahmen beim BFA am 30.04.2019 und 13.05.2019 lediglich an den BF und nicht an dessen ausgewiesenen Vertreter zugestellt worden seien und damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Vertreter den BF dahingehend angeleitet hätte, nunmehr richtige Angaben zu machen und seine Angaben vom ersten Rechtszug richtigzustellen (AS 865, 873), ist auszuführen, dass diesem Argument nicht gefolgt werden kann. So ist es zum einen ohnehin die Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchfreies Vorbringen einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen, zum anderen zeigt das Verfahren, dass der Einfluss des Rechtsvertreters auf den Wahrheitsgehalt der Aussagen des BF ohnehin als eher gering anzusehen ist, zumal in diesen Beschwerdeschriften nunmehr auch der - ebenfalls unglaubwürdige - neue Fluchtgrund der Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas und damit in Zusammenhang der Grund für die Wehrdienstverweigerung neu vorgebracht wurde.

II.3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht, sicherer Herkunftsstaat

II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.

II.3.1.3. Gem. § 19 Abs. 5 BFA-VG kann die Bundesregierung bestimmte Staaten durch Verordnung als sichere Herkunftsstaaten definieren. Gemäß § 1 Z 13 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, gilt die Republik Armenien als sicherer Herkunftsstaat.

II.3.1.3.1. Gem. Art. 37 der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zum gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes können die Mitgliedstaaten zum Zwecke der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz Rechts- und Verwaltungsvorschriften beinhalten oder erlassen, die im Einklang mit Anhang I zur VO sichere Herkunftsstaaten bestimmen können. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat bestimmt werden kann, werden verschiedene Informationsquellen, insbesondere Informationen anderer Mitgliedstaaten, des EASO, des UNHCR, des Europarates und andere einschlägiger internationaler Organisationen herangezogen.

Gem. dem oben genannten Anhang I gilt ein Staat als sicherer Herkunftsstaat, wenn sich anhand der dortigen Rechtslage, der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem demokratischen System und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2011/95/EU noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind.

Bei der entsprechenden Beurteilung wird unter anderem berücksichtigt, inwieweit Schutz vor Verfolgung und Misshandlung geboten wird durch

a) die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Staates und die Art und Weise ihrer Anwendung;

b) die Wahrung der Rechte und Freiheiten nach der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und/oder dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und/oder dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention keine Abweichung zulässig ist;

c) die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung nach der Genfer Flüchtlingskonvention;

d) das Bestehen einer Regelung, die einen wirksamen Rechtsbehelf bei Verletzung dieser Rechte und Freiheiten gewährleistet.

Artikel 9 der Richtlinie 2011/95/EU definiert Verfolgung wie folgt:

"1) Um als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zu gelten, muss eine Handlung

a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, oder

b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne von Absatz 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

a) Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,

b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,

c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

d) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

e) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen, und

f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Gemäß Artikel 2 Buchstabe d muss eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 genannten Gründen und den in Absatz 1 des vorliegenden Artikels als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen."

Aus dem Grundsatz, wonach, wann immer nationale Behörden oder Gerichte Recht anwenden, das Richtlinien umsetzt, diese gemäß der richtlinienkonformen Interpretation dazu verhalten sind, "das zur Umsetzung einer Richtlinie erlassene nationale Recht in deren Licht und Zielsetzung auszulegen" (VfSlg. 14.391/1995; zur richtlinienkonformen Interpretation siehe weiters VfSlg. 15.354/1998, 16.737/2002, 18.362/2008; VfGH 5.10.2011, B 1100/09 ua.) ergibt sich, dass davon ausgegangen werden kann, dass sich der innerstaatliche Gesetzgeber und in weiterer Folge die Bundesregierung als zur Erlassung einer entsprechenden Verordnung berufenes Organ bei der Beurteilung, ob ein Staat als sicherer Herkunftsstaat gelten kann, von den oa. Erwägungen leiten lässt bzw. ließ. Hinweise, dass die Republik Österreich entsprechende Normen, wie etwa hier die Herkunftsstaaten-Verordnung in ihr innerstaatliches Recht europarechtswidrig umsetzt, bestehen nicht, zumal in diesem Punkt kein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich anhängig ist bzw. eingeleitet wurde (vgl. Art. 258 f AEUV).

Der VfGH (Erk. vom 15.10.20014 G237/03 ua. [dieses bezieht sich zwar auf eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorgängerbestimmung des § 19 BFA-VG, ist aber nach Ansicht des ho. Gerichts aufgrund der in diesem Punkt im Wesentlichen unveränderten materiellen Rechtslage nach wie vor anwendbar]) stellt in Bezug auf die innerstaatliche Rechtslage ua. fest, dass der Regelung des AsylG durch die Einführung einer Liste von sicheren Herkunftsstaaten kein Bestreben des Staates zu Grunde liegt, bestimmte Gruppen von Fremden kollektiv außer Landes zu schaffen. Es sind Einzelverfahren zu führen, in denen auch über die Sicherheit des Herkunftslandes und ein allfälliges Refoulement-Verbot endgültig zu entscheiden ist. Dem Gesetz liegt - anders als der Vorgangsweise im Fall Conka gegen Belgien (EGMR 05.02.2002, 51564/1999) - keine diskriminierende Absicht zu Grunde. Die Liste soll bloß der Vereinfachung des Verfahrens in dem Sinne dienen, dass der Gesetzgeber selbst zunächst eine Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall vornimmt. Sicherheit im Herkunftsstaat bedeutet, dass der Staat in seiner Rechtsordnung und Rechtspraxis alle in seinem Hoheitsgebiet lebenden Menschen vor einem dem Art 3 EMRK und der Genfer Flüchtlingskonvention widersprechenden Verhalten seiner Behörden ebenso schützt wie gegen die Auslieferung an einen "unsicheren" Staat. Das Schutzniveau muss jenem der Mitgliedstaaten der EU entsprechen, was auch dadurch unterstrichen wird, dass die anderen sicheren Herkunftsstaaten in § 6 Abs. 2 AsylG [Anm. a. F., nunmehr § 19 Abs. 1 und 2 BFA-VG] in einem Zug mit den Mitgliedstaaten der EU genannt werden.

Die Einführung einer Liste sicherer Herkunftsstaaten führte zu keiner Umkehr der Beweislast zu Ungunsten eines Antragstellers, sondern ist von einer normativen Vergewisserung der Sicherheit auszugehen, soweit seitens des Antragstellers kein gegenteiliges Vorbringen substantiiert erstattet wird. Wird ein solches Vorbringen erstattet, hat die Behörde bzw. das ho. Gericht entsprechende einzelfallspezifische amtswegige Ermittlungen durchzuführen.

Aus dem Umstand, dass sich der innerstaatliche Normengeber im Rahmen einer richtlinienkonformen Vorgangsweise und unter Einbeziehung der allgemeinen Berichtslage zum Herkunftsstaat der BF ein umfassendes Bild über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien verschaffte, ist ableitbar, dass ein bloßer Verweis auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat, bzw. die Vorlage von allgemeinen Berichten grundsätzlich nicht geeignet ist, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher geeignet ist, von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abzuweichen (das ho. Gericht geht davon aus, dass aufgrund der in diesem Punkt vergleichbaren Interessenslage die Ausführungen des VwGH in seinem Erk. vom 17.02.1998, Zl. 96/18/0379 bzw. des EGMR, Urteil Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77 sinngemäß anzuwenden sind, zumal sich die genannten Gerichte in diesen Entscheidungen auch mit der Frage, wie allgemeine Berichte im Lichte einer bereits erfolgten normativen Vergewisserung der Sicherheit [dort von sog. "Dublinstaaten"] zu werten sind, auseinandersetzten).

II.3.1.3.2. Auf den konkreten Einzelfall umgelegt bedeutet dies, dass im Rahmen einer verfassungs- und richtlinienkonformen Interpretation der hier anzuwendenden Bestimmungen davon ausgegangen werden kann, dass sich die Bundesregierung im Rahmen einer normativen Vergewisserung ein umfassendes Bild von der asyl- und abschiebungs-relevanten Lage in der Republik Armenien unter Einbeziehung der unter II.1.2. und II.2.3. erörterten Quellen verschaffte und zum Schluss kam, dass die Republik Armenien die unter Anhang I der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes angeführten und die im Erk. des VfGH vom 15.10.2014 G237/03 ua. genannten Kriterien erfüllt.

Aufgrund dieser normativen Vergewisserung besteht für das BFA bzw. das ho. Gericht die Obliegenheit zur amtswegigen Ermittlung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage nur insoweit, als seitens der BF ein konkretes Vorbringen erstattet wird, welches im konkreten Einzelfall gegen die Sicherheit Armeniens spricht und dem BFA bzw. dem ho. Gericht im Lichte der bereits genannten Kriterien die Obliegenheit auferlegt, ein entsprechendes amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen. Diese Obliegenheit wurde sowohl seitens des BFA als auch des ho. Gerichts jedenfalls erfüllt. Das Vorbringen des BF war nicht geeignet, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher die Annahme zuließe, dass ein von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abweichender Sachverhalt vorliegt. Die Behörde bzw. das ho. Gericht waren in diesem Zusammenhang auch nicht verpflichtet, Asylgründen nachzugehen, die der BF gar nicht behauptet hat (Erk. des VfGH vom 15.10.2014 G237/03 ua mit zahlreichen wN) und liegt auch kein notorisch bekannter Sachverhalt vor, welcher über das Vorbringen des BF hinausgehend noch zu berücksichtigen wäre.

Zu 1.A)

II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) ...

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1.-dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2.-der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

..."

II.3.2.1. Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl VwGH 15.3.2001, 99/20/0134).

Eine inländische Fluchtalternative ist nur dann gegeben, wenn sie vom Asylwerber in zumutbarer Weise in Anspruch genommen werden kann (vgl VwGH 19.10.2006, 2006/19/0297 mwN). Herrschen am Ort der ins Auge gefassten Fluchtalternative Bedingungen, die eine Verbringung des Betroffenen dorthin als Verstoß gegen Art 3 EMRK erscheinen lassen würden, so ist die Zumutbarkeit jedenfalls zu verneinen (vgl VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534).

II.3.2.2. Zum gegenständlichen Verfahren

Wie aus dem festgestellten Sachverhalt und der Beweiswürdigung ersichtlich ist, ergibt sich aus dem konkreten Vorbringen des BF in Zusammenschau mit den getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat keine glaubhafte Gefährdung im Sinne der GFK.

Auch konnte im Rahmen einer Prognoseentscheidung (vgl. Putzer, Asylrecht Rz 51) nicht festgestellt werden, dass der BF nach einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren aktuellen Gefahr einer Verfolgung zu rechnen hätte (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194). Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass Wehrpflichtige, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, trotz vorhandener Strafvorschriften grundsätzlich nicht mit einer Bestrafung rechnen müssen, wenn sie sich nach der Rückkehr bei der zuständigen Behörde melden.

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

II.3.3. Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.-der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.-...

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 ... zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

..."

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehens der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

Art. 2 EMRK lautet:

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

...

Art. 3 EMRK lautet:

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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